verbirgt er sich lieber in Baumhöhlungen. Waldungen mit jungen und höhlenlosen Bäumen meidet er; Laubwald mit vielen hohen Bäumen zieht er unter allen Umständen vor.
Der Waldkauz ist einer der langsamsten und lichtscheuesten Vögel, welche wir kennen. Naumann nennt ihn ein trotziges, schlafsüchtiges, trübsinniges und einfältiges Geschöpf. Doch weiß auch er sich am hellen Mittag recht gut zu benehmen. "Jch habe ihn", sagt mein Vater, "mehrmals bei Tage in den Dickichten gesehen, er flog aber allemal so bald auf und so geschickt durch die Bäume, daß ich ihn nie habe erlegen können." Die Possenhaftigkeit der kleinen Eulen und Tagkäuze fehlt ihm jedoch gänz- lich; jede seiner Bewegungen ist plump und langsam. Der Flug ist zwar leicht, aber schwankend und keineswegs schnell; die Schwingen werden dabei stark bewegt. Bei seiner Jagd streicht er dicht über dem Boden dahin, gewöhnlich nur in einer Höhe von wenigen Fußen über der Erde. Seine Stimme ist ein starkes, weit im Walde widerhallendes "Huhuhu", welches zuweilen so oft wiederholt wird, daß es einem heulenden Gelächter ähnelt. Außerdem kreischt er abscheulich wie "Rai" und nur zuweilen fügt er diesen höllischen Lauten ein wohltönenderes "Kuwitt" oder "Kiwitt" bei. Daß auch er seinen Antheil an der "wilden Jagd" hat, unterliegt wohl keinem Zweifel.
Der Waldkauz gehört zu den nützlichsten unserer Eulen. Er frißt fast ausschließlich Mäuse. Naumann beobachtete allerdings, daß einer dieser Vögel nachts einen Bussard angriff, so daß dieser sein Heil in der Flucht suchen mußte; er erfuhr ferner, daß ein anderer Waldkauz vor den Augen seines Vaters einen Seidenschwanz aus der Schlinge holte, und wir wissen endlich, daß die auf der Erde schlafenden oder brütenden Vögel nicht von ihm verschont werden: Mäuse und zwar haupt- sächlich Feld-, Wald- und Spitzmäuse aber bleiben doch die Hauptnahrung, und eben deshalb verdient der Kauz unsern Schutz im vollsten Maße. Besonders nützlich macht er sich noch außerdem durch Aufzehren von schädlichen Kerbthieren. Martin fand in dem Magen eines von ihm untersuchten Waldkauzes 75 große Raupen des Käferschwärmers, welche der Kauz zu einer Mahlzeit ver- braucht hatte.
Die Fortpflanzungszeit fällt in die letzte Hälfte des April oder in den Anfang des Mai, und der Wald wird um diese Zeit laut und lebendig von den heftig schreienden Käuzen. Eine Baum- höhle, welche dem brütenden Vogel leichten Zugang gewährt und ihn vor Regen schützt, wird zur Ablegung der Eier bevorzugt; ausnahmsweise aber kommt es, wie durch neuere Beobachtungen erwiesen, vor, daß der Waldkauz auch alte Schornsteinhöhlungen unter Dächern und verlassene Raub- vogelhorste, Krähen- oder Elsternester bezieht und hier brütet. Jm Neste selbst sieht man zuweilen etwas Genist, Haare, Wolle und dgl., gewöhnlich jedoch nur die Unterlage, welche auch der Vogel vorfand. Die zwei bis drei Eier sind rundlich länglich oder eiförmig rauhschalig und von Farbe weiß. Das Weibchen scheint allein zu brüten und zwar, wie Päßler meint, sofort nachdem es das erste Ei gelegt hat. Das Männchen hilft bei Auffütterung der Jungen, gegen welche beide Alten die größte Liebe an den Tag legen.
Gefangene Waldkäuze können sehr zahm werden. Anfangs laufen sie freilich schwerfällig sofort der nächsten dunkeln Ecke zu, suchen sich hier zu verbergen, blinzeln mit den Augen fortwährend und versuchen, wenn man sich ihnen nähert, durch Fauchen und Klappen zu schrecken, wobei sie den Kopf nieder- drücken, als wollten sie sich zur Vertheidigung bereit machen; diese Unarten verlieren sich aber, und nach geraumer Zeit werden sie recht zutraulich, nehmen ihrem Wärter, den sie genau kennen und von Fremden unterscheiden lernen, vorgehaltene Nahrung aus der Hand und begrüßen ihn mit einem gemüthlichen Girren. Einzelne kann man so weit zähmen, daß sie sich streicheln und auf der Hand tragen lassen. Von einem Gefangenen, welchen Gadamer im Zimmer hielt, berichtet er, daß er sich Abends regelmäßig dem Feuer seines Ofens näherte, sich vor die offene Ofenthür in die größte Hitze setzte, dabei die Augen schloß und sich so lang als möglich ausstreckte, um sich namentlich die Kehle recht behaglich durchwärmen zu lassen. Mit andern derselben Art, aber auch mit Ohreulen verträgt sich der gefangene Waldkauz vortrefflich. Jn unserm Thiergarten leben ihrer sieben nun schon fast zwei Jahre im tiefsten Frieden mit einander, und nicht einmal Futterneid macht sich bemerklich. Wenn
Die Fänger. Raubvögel. Nachtkänze.
verbirgt er ſich lieber in Baumhöhlungen. Waldungen mit jungen und höhlenloſen Bäumen meidet er; Laubwald mit vielen hohen Bäumen zieht er unter allen Umſtänden vor.
Der Waldkauz iſt einer der langſamſten und lichtſcheueſten Vögel, welche wir kennen. Naumann nennt ihn ein trotziges, ſchlafſüchtiges, trübſinniges und einfältiges Geſchöpf. Doch weiß auch er ſich am hellen Mittag recht gut zu benehmen. „Jch habe ihn‟, ſagt mein Vater, „mehrmals bei Tage in den Dickichten geſehen, er flog aber allemal ſo bald auf und ſo geſchickt durch die Bäume, daß ich ihn nie habe erlegen können.‟ Die Poſſenhaftigkeit der kleinen Eulen und Tagkäuze fehlt ihm jedoch gänz- lich; jede ſeiner Bewegungen iſt plump und langſam. Der Flug iſt zwar leicht, aber ſchwankend und keineswegs ſchnell; die Schwingen werden dabei ſtark bewegt. Bei ſeiner Jagd ſtreicht er dicht über dem Boden dahin, gewöhnlich nur in einer Höhe von wenigen Fußen über der Erde. Seine Stimme iſt ein ſtarkes, weit im Walde widerhallendes „Huhuhu‟, welches zuweilen ſo oft wiederholt wird, daß es einem heulenden Gelächter ähnelt. Außerdem kreiſcht er abſcheulich wie „Rai‟ und nur zuweilen fügt er dieſen hölliſchen Lauten ein wohltönenderes „Kuwitt‟ oder „Kiwitt‟ bei. Daß auch er ſeinen Antheil an der „wilden Jagd‟ hat, unterliegt wohl keinem Zweifel.
Der Waldkauz gehört zu den nützlichſten unſerer Eulen. Er frißt faſt ausſchließlich Mäuſe. Naumann beobachtete allerdings, daß einer dieſer Vögel nachts einen Buſſard angriff, ſo daß dieſer ſein Heil in der Flucht ſuchen mußte; er erfuhr ferner, daß ein anderer Waldkauz vor den Augen ſeines Vaters einen Seidenſchwanz aus der Schlinge holte, und wir wiſſen endlich, daß die auf der Erde ſchlafenden oder brütenden Vögel nicht von ihm verſchont werden: Mäuſe und zwar haupt- ſächlich Feld-, Wald- und Spitzmäuſe aber bleiben doch die Hauptnahrung, und eben deshalb verdient der Kauz unſern Schutz im vollſten Maße. Beſonders nützlich macht er ſich noch außerdem durch Aufzehren von ſchädlichen Kerbthieren. Martin fand in dem Magen eines von ihm unterſuchten Waldkauzes 75 große Raupen des Käferſchwärmers, welche der Kauz zu einer Mahlzeit ver- braucht hatte.
Die Fortpflanzungszeit fällt in die letzte Hälfte des April oder in den Anfang des Mai, und der Wald wird um dieſe Zeit laut und lebendig von den heftig ſchreienden Käuzen. Eine Baum- höhle, welche dem brütenden Vogel leichten Zugang gewährt und ihn vor Regen ſchützt, wird zur Ablegung der Eier bevorzugt; ausnahmsweiſe aber kommt es, wie durch neuere Beobachtungen erwieſen, vor, daß der Waldkauz auch alte Schornſteinhöhlungen unter Dächern und verlaſſene Raub- vogelhorſte, Krähen- oder Elſterneſter bezieht und hier brütet. Jm Neſte ſelbſt ſieht man zuweilen etwas Geniſt, Haare, Wolle und dgl., gewöhnlich jedoch nur die Unterlage, welche auch der Vogel vorfand. Die zwei bis drei Eier ſind rundlich länglich oder eiförmig rauhſchalig und von Farbe weiß. Das Weibchen ſcheint allein zu brüten und zwar, wie Päßler meint, ſofort nachdem es das erſte Ei gelegt hat. Das Männchen hilft bei Auffütterung der Jungen, gegen welche beide Alten die größte Liebe an den Tag legen.
Gefangene Waldkäuze können ſehr zahm werden. Anfangs laufen ſie freilich ſchwerfällig ſofort der nächſten dunkeln Ecke zu, ſuchen ſich hier zu verbergen, blinzeln mit den Augen fortwährend und verſuchen, wenn man ſich ihnen nähert, durch Fauchen und Klappen zu ſchrecken, wobei ſie den Kopf nieder- drücken, als wollten ſie ſich zur Vertheidigung bereit machen; dieſe Unarten verlieren ſich aber, und nach geraumer Zeit werden ſie recht zutraulich, nehmen ihrem Wärter, den ſie genau kennen und von Fremden unterſcheiden lernen, vorgehaltene Nahrung aus der Hand und begrüßen ihn mit einem gemüthlichen Girren. Einzelne kann man ſo weit zähmen, daß ſie ſich ſtreicheln und auf der Hand tragen laſſen. Von einem Gefangenen, welchen Gadamer im Zimmer hielt, berichtet er, daß er ſich Abends regelmäßig dem Feuer ſeines Ofens näherte, ſich vor die offene Ofenthür in die größte Hitze ſetzte, dabei die Augen ſchloß und ſich ſo lang als möglich ausſtreckte, um ſich namentlich die Kehle recht behaglich durchwärmen zu laſſen. Mit andern derſelben Art, aber auch mit Ohreulen verträgt ſich der gefangene Waldkauz vortrefflich. Jn unſerm Thiergarten leben ihrer ſieben nun ſchon faſt zwei Jahre im tiefſten Frieden mit einander, und nicht einmal Futterneid macht ſich bemerklich. Wenn
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[618/0654]
Die Fänger. Raubvögel. Nachtkänze.
verbirgt er ſich lieber in Baumhöhlungen. Waldungen mit jungen und höhlenloſen Bäumen meidet
er; Laubwald mit vielen hohen Bäumen zieht er unter allen Umſtänden vor.
Der Waldkauz iſt einer der langſamſten und lichtſcheueſten Vögel, welche wir kennen. Naumann
nennt ihn ein trotziges, ſchlafſüchtiges, trübſinniges und einfältiges Geſchöpf. Doch weiß auch er ſich
am hellen Mittag recht gut zu benehmen. „Jch habe ihn‟, ſagt mein Vater, „mehrmals bei Tage in
den Dickichten geſehen, er flog aber allemal ſo bald auf und ſo geſchickt durch die Bäume, daß ich ihn
nie habe erlegen können.‟ Die Poſſenhaftigkeit der kleinen Eulen und Tagkäuze fehlt ihm jedoch gänz-
lich; jede ſeiner Bewegungen iſt plump und langſam. Der Flug iſt zwar leicht, aber ſchwankend und
keineswegs ſchnell; die Schwingen werden dabei ſtark bewegt. Bei ſeiner Jagd ſtreicht er dicht über
dem Boden dahin, gewöhnlich nur in einer Höhe von wenigen Fußen über der Erde. Seine
Stimme iſt ein ſtarkes, weit im Walde widerhallendes „Huhuhu‟, welches zuweilen ſo oft wiederholt
wird, daß es einem heulenden Gelächter ähnelt. Außerdem kreiſcht er abſcheulich wie „Rai‟ und nur
zuweilen fügt er dieſen hölliſchen Lauten ein wohltönenderes „Kuwitt‟ oder „Kiwitt‟ bei. Daß
auch er ſeinen Antheil an der „wilden Jagd‟ hat, unterliegt wohl keinem Zweifel.
Der Waldkauz gehört zu den nützlichſten unſerer Eulen. Er frißt faſt ausſchließlich Mäuſe.
Naumann beobachtete allerdings, daß einer dieſer Vögel nachts einen Buſſard angriff, ſo daß dieſer
ſein Heil in der Flucht ſuchen mußte; er erfuhr ferner, daß ein anderer Waldkauz vor den Augen
ſeines Vaters einen Seidenſchwanz aus der Schlinge holte, und wir wiſſen endlich, daß die auf der
Erde ſchlafenden oder brütenden Vögel nicht von ihm verſchont werden: Mäuſe und zwar haupt-
ſächlich Feld-, Wald- und Spitzmäuſe aber bleiben doch die Hauptnahrung, und eben deshalb verdient
der Kauz unſern Schutz im vollſten Maße. Beſonders nützlich macht er ſich noch außerdem durch
Aufzehren von ſchädlichen Kerbthieren. Martin fand in dem Magen eines von ihm unterſuchten
Waldkauzes 75 große Raupen des Käferſchwärmers, welche der Kauz zu einer Mahlzeit ver-
braucht hatte.
Die Fortpflanzungszeit fällt in die letzte Hälfte des April oder in den Anfang des Mai, und
der Wald wird um dieſe Zeit laut und lebendig von den heftig ſchreienden Käuzen. Eine Baum-
höhle, welche dem brütenden Vogel leichten Zugang gewährt und ihn vor Regen ſchützt, wird zur
Ablegung der Eier bevorzugt; ausnahmsweiſe aber kommt es, wie durch neuere Beobachtungen
erwieſen, vor, daß der Waldkauz auch alte Schornſteinhöhlungen unter Dächern und verlaſſene Raub-
vogelhorſte, Krähen- oder Elſterneſter bezieht und hier brütet. Jm Neſte ſelbſt ſieht man zuweilen etwas
Geniſt, Haare, Wolle und dgl., gewöhnlich jedoch nur die Unterlage, welche auch der Vogel vorfand.
Die zwei bis drei Eier ſind rundlich länglich oder eiförmig rauhſchalig und von Farbe weiß. Das
Weibchen ſcheint allein zu brüten und zwar, wie Päßler meint, ſofort nachdem es das erſte Ei gelegt
hat. Das Männchen hilft bei Auffütterung der Jungen, gegen welche beide Alten die größte Liebe
an den Tag legen.
Gefangene Waldkäuze können ſehr zahm werden. Anfangs laufen ſie freilich ſchwerfällig ſofort der
nächſten dunkeln Ecke zu, ſuchen ſich hier zu verbergen, blinzeln mit den Augen fortwährend und verſuchen,
wenn man ſich ihnen nähert, durch Fauchen und Klappen zu ſchrecken, wobei ſie den Kopf nieder-
drücken, als wollten ſie ſich zur Vertheidigung bereit machen; dieſe Unarten verlieren ſich aber, und
nach geraumer Zeit werden ſie recht zutraulich, nehmen ihrem Wärter, den ſie genau kennen und von
Fremden unterſcheiden lernen, vorgehaltene Nahrung aus der Hand und begrüßen ihn mit einem
gemüthlichen Girren. Einzelne kann man ſo weit zähmen, daß ſie ſich ſtreicheln und auf der Hand
tragen laſſen. Von einem Gefangenen, welchen Gadamer im Zimmer hielt, berichtet er, daß er ſich
Abends regelmäßig dem Feuer ſeines Ofens näherte, ſich vor die offene Ofenthür in die größte Hitze
ſetzte, dabei die Augen ſchloß und ſich ſo lang als möglich ausſtreckte, um ſich namentlich die Kehle
recht behaglich durchwärmen zu laſſen. Mit andern derſelben Art, aber auch mit Ohreulen verträgt
ſich der gefangene Waldkauz vortrefflich. Jn unſerm Thiergarten leben ihrer ſieben nun ſchon faſt
zwei Jahre im tiefſten Frieden mit einander, und nicht einmal Futterneid macht ſich bemerklich. Wenn
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 618. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/654>, abgerufen am 22.11.2024.
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