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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Sperrvögel. Schwalben.

Die Berg- oder Uferschwalbe (Cotyle) kennzeichnet sich durch seicht gegabelten Schwanz
und lockeres, unscheinbares Gefieder, mit welchem die eigenthümliche Lebensweise der Vögel selbst-
verständlich im Einklange steht. Europa und bezüglich Deutschland beherbergen zwei Arten, die
Felsenschwalbe und die Uferschwalbe. Der einen oder der andern ähneln alle bis jetzt
bekannten Arten der Sippe hinsichtlich ihrer Lebensweise im Wesentlichen durchaus.

Die Felsen-, Berg- oder Steinschwalbe (Cotyle rupestris) ist 51/2 bis 53/4 Zoll lang und
121/2 bis 131/4 Zoll breit; der Fittig mißt gegen 5 Zoll, der Schwanz 2 bis 4 Linien. Das Gefieder
ist echt felsenfarbig. Alle oberen Theile des Leibes sind hellbraun, die Schwingen und Schwanzfedern
schwärzlich, letztere bis auf die mittleren und äußersten mit eiförmigen, schönen gilblichweißen
Flecken gezeichnet; die Kehle ist weißlich, die Brust und der Unterleib sind schmuzigröthlichgrau.
Das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel schwarz, der Fuß röthlichhornfarben. Männchen und
Weibchen unterscheiden sich kaum durch die Größe, die Jungen durch ein noch einfarbigeres Gefieder.

Jm eigentlichen Deutschland ist die Felsenschwalbe zwar wiederholt beobachtet worden, und in
den südlichsten Theilen desselben, in gewissen Alpenthälern Tirols und Steiermarks, kommt sie wohl
auch als Brutvogel vor; ihre eigentliche Heimat aber ist der Süden unseres Erdtheils, Spanien,
Griechenland und Jtalien. Jn Egypten und Südwestasien wird sie durch eine ihr täuschend ähnliche,
jedoch entschieden kleinere Art vertreten. Sie ist ein eigenthümlich harter Vogel, welcher in den nörd-
lichsten Theilen seines Aufenthalts sehr früh im Jahre, bereits im Februar oder spätestens Anfangs
März erscheint und bis in den Spätherbst hinein hier verweilt, während er in Südeuropa wenigstens
theilweise gar nicht wandert. Jn der Sierra Nevada sah ich noch am 18. November einen zahlreichen
Flug von ihr, und die Jäger, welche ich auf das späte Vorkommen einer Schwalbe aufmerksam gemacht
hatte, erzählten mir, daß regelmäßig mehr oder minder zahlreiche Gesellschaften der Felsenschwalbe in
ihrem Lande überwintern. Dasselbe erfuhren Graf von der Mühle, Ehrhard und Schrader
für Griechenland. Daß die Felsenschwalbe die Gebirge Nordwestafrikas, in denen sie häufig vor-
kommt, nicht verläßt, scheint festzustehen; in Spanien jedoch tritt wenigstens ein Theil der Brutvögel
eine Wanderung an, und zwar schon Anfang Septembers. Um diese Zeit beobachteten wir solche
in Flügen von acht bis zwanzig Stücken bei Murcia, wo wir ihn früher nicht gesehen hatten.
Diese Flüge schienen aber keineswegs eilig zu sein und sich hier ebenso behaglich zu fühlen, wie in der
Nähe ihres Nistplatzes; denn sie hielten sich tage- und wochenlang in der Gegend auf.

Der nur einigermaßen Geübte kann die Felsenschwalbe nicht verkennen. Sie fällt auf durch
ihre graue Färbung und durch ihren verhältnißmäßig langsamen, sanft schwebenden Flug. Gewöhn-
lich streicht sie möglichst nahe an den Felswänden dahin, bald in größerer, bald in geringerer Höhe,
mehr oder weniger in gleichmäßiger Weise. Doch erhebt auch sie sich ausnahmsweise zu bedeutenden
Höhen und zeigt dann ungefähr die Gewandtheit der Mehlschwalbe. Selten vereinigt sie sich mit
andern Arten, obwohl es vorkommt, daß sie da, wo Mehlschwalben an Felswänden nisten, auch in
deren Gesellschaft sich bewegt. Mit Edelschwalben und mit Mauerseglern aber habe ich sie niemals
zusammengesehen. Jn der Schweiz streicht sie nach ihrer Ankunft im Frühjahre, wie Schinz
berichtet, oft lange umher, ehe sie ihre alten Nester bezieht, und ebenso streifen nach vollendeter Brut
bis zur Zeit der Herbstwanderung die verschiedenen Pärchen entweder einzeln mit ihren Jungen oder
in Gesellschaft mit noch ein oder zwei andern Familien im Lande umher, von einem Thurme oder
Felsen zum andern. Bei schlechtem Wetter hält sie sich sehr nahe über dem Boden, während starken
Regens sucht sie unter vorspringenden Steinen, in Fels- oder Mauerlöchern Zuflucht. Sonst setzt
sie sich selten am Tage, falls sie nicht zum Boden herabkommen muß, um hier Neststoffe zusammenzulesen.
Nur an heitern Sommertagen sieht man sie zuweilen auf Hausdächern sich niederlassen; in das Jnnere
der Häuser aber kommt sie nie. Sie ist ein Mittelglied zwischen den Schwalben und den Seglern.
"Beim Wegfliegen", sagt Schinz, "stürzt sie sich aus ihren Schlupfwinkeln hervor und breitet nun
erst im Fallen die Flügel aus, um weiter zu fliegen; dann fliegt sie meist ruhig schwimmend dem

Die Fänger. Sperrvögel. Schwalben.

Die Berg- oder Uferſchwalbe (Cotyle) kennzeichnet ſich durch ſeicht gegabelten Schwanz
und lockeres, unſcheinbares Gefieder, mit welchem die eigenthümliche Lebensweiſe der Vögel ſelbſt-
verſtändlich im Einklange ſteht. Europa und bezüglich Deutſchland beherbergen zwei Arten, die
Felſenſchwalbe und die Uferſchwalbe. Der einen oder der andern ähneln alle bis jetzt
bekannten Arten der Sippe hinſichtlich ihrer Lebensweiſe im Weſentlichen durchaus.

Die Felſen-, Berg- oder Steinſchwalbe (Cotyle rupestris) iſt 5½ bis 5¾ Zoll lang und
12½ bis 13¼ Zoll breit; der Fittig mißt gegen 5 Zoll, der Schwanz 2 bis 4 Linien. Das Gefieder
iſt echt felſenfarbig. Alle oberen Theile des Leibes ſind hellbraun, die Schwingen und Schwanzfedern
ſchwärzlich, letztere bis auf die mittleren und äußerſten mit eiförmigen, ſchönen gilblichweißen
Flecken gezeichnet; die Kehle iſt weißlich, die Bruſt und der Unterleib ſind ſchmuzigröthlichgrau.
Das Auge iſt dunkelbraun, der Schnabel ſchwarz, der Fuß röthlichhornfarben. Männchen und
Weibchen unterſcheiden ſich kaum durch die Größe, die Jungen durch ein noch einfarbigeres Gefieder.

Jm eigentlichen Deutſchland iſt die Felſenſchwalbe zwar wiederholt beobachtet worden, und in
den ſüdlichſten Theilen deſſelben, in gewiſſen Alpenthälern Tirols und Steiermarks, kommt ſie wohl
auch als Brutvogel vor; ihre eigentliche Heimat aber iſt der Süden unſeres Erdtheils, Spanien,
Griechenland und Jtalien. Jn Egypten und Südweſtaſien wird ſie durch eine ihr täuſchend ähnliche,
jedoch entſchieden kleinere Art vertreten. Sie iſt ein eigenthümlich harter Vogel, welcher in den nörd-
lichſten Theilen ſeines Aufenthalts ſehr früh im Jahre, bereits im Februar oder ſpäteſtens Anfangs
März erſcheint und bis in den Spätherbſt hinein hier verweilt, während er in Südeuropa wenigſtens
theilweiſe gar nicht wandert. Jn der Sierra Nevada ſah ich noch am 18. November einen zahlreichen
Flug von ihr, und die Jäger, welche ich auf das ſpäte Vorkommen einer Schwalbe aufmerkſam gemacht
hatte, erzählten mir, daß regelmäßig mehr oder minder zahlreiche Geſellſchaften der Felſenſchwalbe in
ihrem Lande überwintern. Daſſelbe erfuhren Graf von der Mühle, Ehrhard und Schrader
für Griechenland. Daß die Felſenſchwalbe die Gebirge Nordweſtafrikas, in denen ſie häufig vor-
kommt, nicht verläßt, ſcheint feſtzuſtehen; in Spanien jedoch tritt wenigſtens ein Theil der Brutvögel
eine Wanderung an, und zwar ſchon Anfang Septembers. Um dieſe Zeit beobachteten wir ſolche
in Flügen von acht bis zwanzig Stücken bei Murcia, wo wir ihn früher nicht geſehen hatten.
Dieſe Flüge ſchienen aber keineswegs eilig zu ſein und ſich hier ebenſo behaglich zu fühlen, wie in der
Nähe ihres Niſtplatzes; denn ſie hielten ſich tage- und wochenlang in der Gegend auf.

Der nur einigermaßen Geübte kann die Felſenſchwalbe nicht verkennen. Sie fällt auf durch
ihre graue Färbung und durch ihren verhältnißmäßig langſamen, ſanft ſchwebenden Flug. Gewöhn-
lich ſtreicht ſie möglichſt nahe an den Felswänden dahin, bald in größerer, bald in geringerer Höhe,
mehr oder weniger in gleichmäßiger Weiſe. Doch erhebt auch ſie ſich ausnahmsweiſe zu bedeutenden
Höhen und zeigt dann ungefähr die Gewandtheit der Mehlſchwalbe. Selten vereinigt ſie ſich mit
andern Arten, obwohl es vorkommt, daß ſie da, wo Mehlſchwalben an Felswänden niſten, auch in
deren Geſellſchaft ſich bewegt. Mit Edelſchwalben und mit Mauerſeglern aber habe ich ſie niemals
zuſammengeſehen. Jn der Schweiz ſtreicht ſie nach ihrer Ankunft im Frühjahre, wie Schinz
berichtet, oft lange umher, ehe ſie ihre alten Neſter bezieht, und ebenſo ſtreifen nach vollendeter Brut
bis zur Zeit der Herbſtwanderung die verſchiedenen Pärchen entweder einzeln mit ihren Jungen oder
in Geſellſchaft mit noch ein oder zwei andern Familien im Lande umher, von einem Thurme oder
Felſen zum andern. Bei ſchlechtem Wetter hält ſie ſich ſehr nahe über dem Boden, während ſtarken
Regens ſucht ſie unter vorſpringenden Steinen, in Fels- oder Mauerlöchern Zuflucht. Sonſt ſetzt
ſie ſich ſelten am Tage, falls ſie nicht zum Boden herabkommen muß, um hier Neſtſtoffe zuſammenzuleſen.
Nur an heitern Sommertagen ſieht man ſie zuweilen auf Hausdächern ſich niederlaſſen; in das Jnnere
der Häuſer aber kommt ſie nie. Sie iſt ein Mittelglied zwiſchen den Schwalben und den Seglern.
„Beim Wegfliegen‟, ſagt Schinz, „ſtürzt ſie ſich aus ihren Schlupfwinkeln hervor und breitet nun
erſt im Fallen die Flügel aus, um weiter zu fliegen; dann fliegt ſie meiſt ruhig ſchwimmend dem

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[638/0674] Die Fänger. Sperrvögel. Schwalben. Die Berg- oder Uferſchwalbe (Cotyle) kennzeichnet ſich durch ſeicht gegabelten Schwanz und lockeres, unſcheinbares Gefieder, mit welchem die eigenthümliche Lebensweiſe der Vögel ſelbſt- verſtändlich im Einklange ſteht. Europa und bezüglich Deutſchland beherbergen zwei Arten, die Felſenſchwalbe und die Uferſchwalbe. Der einen oder der andern ähneln alle bis jetzt bekannten Arten der Sippe hinſichtlich ihrer Lebensweiſe im Weſentlichen durchaus. Die Felſen-, Berg- oder Steinſchwalbe (Cotyle rupestris) iſt 5½ bis 5¾ Zoll lang und 12½ bis 13¼ Zoll breit; der Fittig mißt gegen 5 Zoll, der Schwanz 2 bis 4 Linien. Das Gefieder iſt echt felſenfarbig. Alle oberen Theile des Leibes ſind hellbraun, die Schwingen und Schwanzfedern ſchwärzlich, letztere bis auf die mittleren und äußerſten mit eiförmigen, ſchönen gilblichweißen Flecken gezeichnet; die Kehle iſt weißlich, die Bruſt und der Unterleib ſind ſchmuzigröthlichgrau. Das Auge iſt dunkelbraun, der Schnabel ſchwarz, der Fuß röthlichhornfarben. Männchen und Weibchen unterſcheiden ſich kaum durch die Größe, die Jungen durch ein noch einfarbigeres Gefieder. Jm eigentlichen Deutſchland iſt die Felſenſchwalbe zwar wiederholt beobachtet worden, und in den ſüdlichſten Theilen deſſelben, in gewiſſen Alpenthälern Tirols und Steiermarks, kommt ſie wohl auch als Brutvogel vor; ihre eigentliche Heimat aber iſt der Süden unſeres Erdtheils, Spanien, Griechenland und Jtalien. Jn Egypten und Südweſtaſien wird ſie durch eine ihr täuſchend ähnliche, jedoch entſchieden kleinere Art vertreten. Sie iſt ein eigenthümlich harter Vogel, welcher in den nörd- lichſten Theilen ſeines Aufenthalts ſehr früh im Jahre, bereits im Februar oder ſpäteſtens Anfangs März erſcheint und bis in den Spätherbſt hinein hier verweilt, während er in Südeuropa wenigſtens theilweiſe gar nicht wandert. Jn der Sierra Nevada ſah ich noch am 18. November einen zahlreichen Flug von ihr, und die Jäger, welche ich auf das ſpäte Vorkommen einer Schwalbe aufmerkſam gemacht hatte, erzählten mir, daß regelmäßig mehr oder minder zahlreiche Geſellſchaften der Felſenſchwalbe in ihrem Lande überwintern. Daſſelbe erfuhren Graf von der Mühle, Ehrhard und Schrader für Griechenland. Daß die Felſenſchwalbe die Gebirge Nordweſtafrikas, in denen ſie häufig vor- kommt, nicht verläßt, ſcheint feſtzuſtehen; in Spanien jedoch tritt wenigſtens ein Theil der Brutvögel eine Wanderung an, und zwar ſchon Anfang Septembers. Um dieſe Zeit beobachteten wir ſolche in Flügen von acht bis zwanzig Stücken bei Murcia, wo wir ihn früher nicht geſehen hatten. Dieſe Flüge ſchienen aber keineswegs eilig zu ſein und ſich hier ebenſo behaglich zu fühlen, wie in der Nähe ihres Niſtplatzes; denn ſie hielten ſich tage- und wochenlang in der Gegend auf. Der nur einigermaßen Geübte kann die Felſenſchwalbe nicht verkennen. Sie fällt auf durch ihre graue Färbung und durch ihren verhältnißmäßig langſamen, ſanft ſchwebenden Flug. Gewöhn- lich ſtreicht ſie möglichſt nahe an den Felswänden dahin, bald in größerer, bald in geringerer Höhe, mehr oder weniger in gleichmäßiger Weiſe. Doch erhebt auch ſie ſich ausnahmsweiſe zu bedeutenden Höhen und zeigt dann ungefähr die Gewandtheit der Mehlſchwalbe. Selten vereinigt ſie ſich mit andern Arten, obwohl es vorkommt, daß ſie da, wo Mehlſchwalben an Felswänden niſten, auch in deren Geſellſchaft ſich bewegt. Mit Edelſchwalben und mit Mauerſeglern aber habe ich ſie niemals zuſammengeſehen. Jn der Schweiz ſtreicht ſie nach ihrer Ankunft im Frühjahre, wie Schinz berichtet, oft lange umher, ehe ſie ihre alten Neſter bezieht, und ebenſo ſtreifen nach vollendeter Brut bis zur Zeit der Herbſtwanderung die verſchiedenen Pärchen entweder einzeln mit ihren Jungen oder in Geſellſchaft mit noch ein oder zwei andern Familien im Lande umher, von einem Thurme oder Felſen zum andern. Bei ſchlechtem Wetter hält ſie ſich ſehr nahe über dem Boden, während ſtarken Regens ſucht ſie unter vorſpringenden Steinen, in Fels- oder Mauerlöchern Zuflucht. Sonſt ſetzt ſie ſich ſelten am Tage, falls ſie nicht zum Boden herabkommen muß, um hier Neſtſtoffe zuſammenzuleſen. Nur an heitern Sommertagen ſieht man ſie zuweilen auf Hausdächern ſich niederlaſſen; in das Jnnere der Häuſer aber kommt ſie nie. Sie iſt ein Mittelglied zwiſchen den Schwalben und den Seglern. „Beim Wegfliegen‟, ſagt Schinz, „ſtürzt ſie ſich aus ihren Schlupfwinkeln hervor und breitet nun erſt im Fallen die Flügel aus, um weiter zu fliegen; dann fliegt ſie meiſt ruhig ſchwimmend dem

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 638. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/674>, abgerufen am 22.11.2024.