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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Sperrvögel. Nachtschwalben.
scharren. Die Anzahl des Geleges ist stets gering: die meisten Nachtschwalben legen nur zwei Eier,
viele sogar blos ein einziges. Bei Gefahr wissen sich einige, wie Audubon uns mittheilt, in ganz
absonderlicher Weise zu helfen. Sie bergen nämlich die Eier in dem ungeheuren Rachen und schleppen
sie einer andern, ihnen sicher dünkenden Stelle des Waldes zu, wo sie die Bebrütung fortsetzen. Die
Jungen werden, soviel uns bekannt, von allen Arten mit großer Liebe gepflegt und nach besten Kräften
vertheidigt.

Für die Gefangenschaft eignen sich diese Vögel nicht; doch ist es keineswegs unmöglich, sie bei
geeigneter Pflege längere Zeit im Zimmer oder im Käfig zu erhalten. Freilich muß man ihnen alle
Nahrung einstopfen; denn an selbständiges Fressen gewöhnen sie sich nie.

Die Zahl der Feinde, welche den Nachtschwalben gefährlich werden können, ist verhältnißmäßig
gering. Der Mensch, welcher sie kennen lernt, verfolgt sie nicht. Eine solche Schonung wird ihnen
jedoch keineswegs deshalb zu Theil, weil man ihren Nutzen erkannt hat, sondern viel häufiger, weil
man in ihnen unheimliche Vögel sieht, deren Tödtung schlimme Folgen nach sich ziehen kann. So
denken die Jndianer, die Farbigen und Neger Mittelamerikas und nicht viel anders die Spanier und viele
afrikanische Volksstämme. Unsere Bauern dagegen betrachten die harmlosen Geschöpfe mit entschieden
mißgünstigem Auge, weil sie der Ansicht sind, daß jene ihren weiten Rachen zu nichts Anderem, als
zum Melken der Ziegen benutzen könnten; Ungebildete erlegen sie nur zu häufig aus bübischer Mord-
lust. Nächst dem Menschen verfolgen bei uns zu Lande die schleichenden Raubthiere und Raub-
vögel und wohl auch größere Schlangen die Nachtschwalben; doch scheint der Schaden, welchen diese
Thiere unsern Vögeln zufügen, nicht eben von Belang zu sein.



Eine südamerikanische Art verdient aus dem Grunde an erster Stelle genannt zu werden, weil sie
nicht mehr als Nachtvogel im eigentlichen Sinne des Worts betrachtet werden darf.

Die Racunda, zu deutsch das Großmaul, oder der Criango oder Coriango der Brasilianer
(Podager Nacunda) vertritt eine eigene Sippe, welche sich kennzeichnet durch starken, kräftigen Leibes-
bau, sehr breiten Kopf, ziemlich starken Schnabel und derbes Gefieder. Der Schnabel ist an der
Spitze sanft herabgebogen, sein Mundrand etwas aufgeworfen und mit einer Reihe steifer, jedoch nicht
langer Borsten besetzt. Die Nasenlöcher liegen fast am Grunde des Oberschnabels. Die Flügel sind
lang und spitzig; die zweite und dritte Schwinge sind die längsten. Der Schwanz besteht aus breiten
Federn, ist kurz und leicht abgerundet; die Beine sind kräftiger, als bei allen eigentlichen Nacht-
schwalben; ihre Läufe sind lang, nackt, die Zehen fleischig; der Nagel der Mittelzehe ist gezähnelt.
Das Gefieder der Nacunda ist auf der Oberseite schwarzbraun und fein rostgelb marmorirt, der Kopf
ist dunkler als die Rückenmitte, die Achselgegend durch größere schwarzbraune Flecke gezeichnet, die
Schwanzfedern sind marmorirt und sechs bis achtmal dunkler gebändert, beim Männchen außerdem
weiß gerandet; die Kehle, die Zügel, die Ohrgegend und der Vorderhals sind rostgelblich, wenig
gefleckt; eine Halsbinde, welche sich von einem Ohr bis zum andern erstreckt, der Bauch, der Schnekel
und die untern Schwanzdeckfedern sind reinweiß; die Brust ist gezeichnet, wie der Rücken, jedoch nicht
ganz so fein gewellt. Das sehr große Auge ist hellbraun, der Schnabel graubraun, mit schwärzlicher
Spitze, der Fuß fleischröthlich, braungrau angeflogen. Nach den Messungen des Prinzen von
Wied
beträgt die Länge 10 Zoll 2 Linien, die Breite 27 Zoll, die Fittiglänge 81/4 Zoll, die Schwanz-
länge 3 2/3 Zoll.

Aus den Schilderungen Azara's, des Prinzen, Schomburgk's und Burmeister's geht
hervor, daß die Nacunda sich über den größten Theil Südamerikas verbreitet und hauptsächlich in
der Steppe vorfindet. Sie meidet jedoch den dichten Wald ebenso, wie die ganz offenen Triften und
sucht sich gewöhnlich Strecken aus, welche dicht mit Buschwerk bestanden sind. Nach Burmeister hält
sie sich in der Nähe der Dörfer auf und ist unter dem Namen Criango Jedermann bekannt. Das Auf-

Die Fänger. Sperrvögel. Nachtſchwalben.
ſcharren. Die Anzahl des Geleges iſt ſtets gering: die meiſten Nachtſchwalben legen nur zwei Eier,
viele ſogar blos ein einziges. Bei Gefahr wiſſen ſich einige, wie Audubon uns mittheilt, in ganz
abſonderlicher Weiſe zu helfen. Sie bergen nämlich die Eier in dem ungeheuren Rachen und ſchleppen
ſie einer andern, ihnen ſicher dünkenden Stelle des Waldes zu, wo ſie die Bebrütung fortſetzen. Die
Jungen werden, ſoviel uns bekannt, von allen Arten mit großer Liebe gepflegt und nach beſten Kräften
vertheidigt.

Für die Gefangenſchaft eignen ſich dieſe Vögel nicht; doch iſt es keineswegs unmöglich, ſie bei
geeigneter Pflege längere Zeit im Zimmer oder im Käfig zu erhalten. Freilich muß man ihnen alle
Nahrung einſtopfen; denn an ſelbſtändiges Freſſen gewöhnen ſie ſich nie.

Die Zahl der Feinde, welche den Nachtſchwalben gefährlich werden können, iſt verhältnißmäßig
gering. Der Menſch, welcher ſie kennen lernt, verfolgt ſie nicht. Eine ſolche Schonung wird ihnen
jedoch keineswegs deshalb zu Theil, weil man ihren Nutzen erkannt hat, ſondern viel häufiger, weil
man in ihnen unheimliche Vögel ſieht, deren Tödtung ſchlimme Folgen nach ſich ziehen kann. So
denken die Jndianer, die Farbigen und Neger Mittelamerikas und nicht viel anders die Spanier und viele
afrikaniſche Volksſtämme. Unſere Bauern dagegen betrachten die harmloſen Geſchöpfe mit entſchieden
mißgünſtigem Auge, weil ſie der Anſicht ſind, daß jene ihren weiten Rachen zu nichts Anderem, als
zum Melken der Ziegen benutzen könnten; Ungebildete erlegen ſie nur zu häufig aus bübiſcher Mord-
luſt. Nächſt dem Menſchen verfolgen bei uns zu Lande die ſchleichenden Raubthiere und Raub-
vögel und wohl auch größere Schlangen die Nachtſchwalben; doch ſcheint der Schaden, welchen dieſe
Thiere unſern Vögeln zufügen, nicht eben von Belang zu ſein.



Eine ſüdamerikaniſche Art verdient aus dem Grunde an erſter Stelle genannt zu werden, weil ſie
nicht mehr als Nachtvogel im eigentlichen Sinne des Worts betrachtet werden darf.

Die Racunda, zu deutſch das Großmaul, oder der Criango oder Coriango der Braſilianer
(Podager Nacunda) vertritt eine eigene Sippe, welche ſich kennzeichnet durch ſtarken, kräftigen Leibes-
bau, ſehr breiten Kopf, ziemlich ſtarken Schnabel und derbes Gefieder. Der Schnabel iſt an der
Spitze ſanft herabgebogen, ſein Mundrand etwas aufgeworfen und mit einer Reihe ſteifer, jedoch nicht
langer Borſten beſetzt. Die Naſenlöcher liegen faſt am Grunde des Oberſchnabels. Die Flügel ſind
lang und ſpitzig; die zweite und dritte Schwinge ſind die längſten. Der Schwanz beſteht aus breiten
Federn, iſt kurz und leicht abgerundet; die Beine ſind kräftiger, als bei allen eigentlichen Nacht-
ſchwalben; ihre Läufe ſind lang, nackt, die Zehen fleiſchig; der Nagel der Mittelzehe iſt gezähnelt.
Das Gefieder der Nacunda iſt auf der Oberſeite ſchwarzbraun und fein roſtgelb marmorirt, der Kopf
iſt dunkler als die Rückenmitte, die Achſelgegend durch größere ſchwarzbraune Flecke gezeichnet, die
Schwanzfedern ſind marmorirt und ſechs bis achtmal dunkler gebändert, beim Männchen außerdem
weiß gerandet; die Kehle, die Zügel, die Ohrgegend und der Vorderhals ſind roſtgelblich, wenig
gefleckt; eine Halsbinde, welche ſich von einem Ohr bis zum andern erſtreckt, der Bauch, der Schnekel
und die untern Schwanzdeckfedern ſind reinweiß; die Bruſt iſt gezeichnet, wie der Rücken, jedoch nicht
ganz ſo fein gewellt. Das ſehr große Auge iſt hellbraun, der Schnabel graubraun, mit ſchwärzlicher
Spitze, der Fuß fleiſchröthlich, braungrau angeflogen. Nach den Meſſungen des Prinzen von
Wied
beträgt die Länge 10 Zoll 2 Linien, die Breite 27 Zoll, die Fittiglänge 8¼ Zoll, die Schwanz-
länge 3⅔ Zoll.

Aus den Schilderungen Azara’s, des Prinzen, Schomburgk’s und Burmeiſter’s geht
hervor, daß die Nacunda ſich über den größten Theil Südamerikas verbreitet und hauptſächlich in
der Steppe vorfindet. Sie meidet jedoch den dichten Wald ebenſo, wie die ganz offenen Triften und
ſucht ſich gewöhnlich Strecken aus, welche dicht mit Buſchwerk beſtanden ſind. Nach Burmeiſter hält
ſie ſich in der Nähe der Dörfer auf und iſt unter dem Namen Criango Jedermann bekannt. Das Auf-

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[662/0700] Die Fänger. Sperrvögel. Nachtſchwalben. ſcharren. Die Anzahl des Geleges iſt ſtets gering: die meiſten Nachtſchwalben legen nur zwei Eier, viele ſogar blos ein einziges. Bei Gefahr wiſſen ſich einige, wie Audubon uns mittheilt, in ganz abſonderlicher Weiſe zu helfen. Sie bergen nämlich die Eier in dem ungeheuren Rachen und ſchleppen ſie einer andern, ihnen ſicher dünkenden Stelle des Waldes zu, wo ſie die Bebrütung fortſetzen. Die Jungen werden, ſoviel uns bekannt, von allen Arten mit großer Liebe gepflegt und nach beſten Kräften vertheidigt. Für die Gefangenſchaft eignen ſich dieſe Vögel nicht; doch iſt es keineswegs unmöglich, ſie bei geeigneter Pflege längere Zeit im Zimmer oder im Käfig zu erhalten. Freilich muß man ihnen alle Nahrung einſtopfen; denn an ſelbſtändiges Freſſen gewöhnen ſie ſich nie. Die Zahl der Feinde, welche den Nachtſchwalben gefährlich werden können, iſt verhältnißmäßig gering. Der Menſch, welcher ſie kennen lernt, verfolgt ſie nicht. Eine ſolche Schonung wird ihnen jedoch keineswegs deshalb zu Theil, weil man ihren Nutzen erkannt hat, ſondern viel häufiger, weil man in ihnen unheimliche Vögel ſieht, deren Tödtung ſchlimme Folgen nach ſich ziehen kann. So denken die Jndianer, die Farbigen und Neger Mittelamerikas und nicht viel anders die Spanier und viele afrikaniſche Volksſtämme. Unſere Bauern dagegen betrachten die harmloſen Geſchöpfe mit entſchieden mißgünſtigem Auge, weil ſie der Anſicht ſind, daß jene ihren weiten Rachen zu nichts Anderem, als zum Melken der Ziegen benutzen könnten; Ungebildete erlegen ſie nur zu häufig aus bübiſcher Mord- luſt. Nächſt dem Menſchen verfolgen bei uns zu Lande die ſchleichenden Raubthiere und Raub- vögel und wohl auch größere Schlangen die Nachtſchwalben; doch ſcheint der Schaden, welchen dieſe Thiere unſern Vögeln zufügen, nicht eben von Belang zu ſein. Eine ſüdamerikaniſche Art verdient aus dem Grunde an erſter Stelle genannt zu werden, weil ſie nicht mehr als Nachtvogel im eigentlichen Sinne des Worts betrachtet werden darf. Die Racunda, zu deutſch das Großmaul, oder der Criango oder Coriango der Braſilianer (Podager Nacunda) vertritt eine eigene Sippe, welche ſich kennzeichnet durch ſtarken, kräftigen Leibes- bau, ſehr breiten Kopf, ziemlich ſtarken Schnabel und derbes Gefieder. Der Schnabel iſt an der Spitze ſanft herabgebogen, ſein Mundrand etwas aufgeworfen und mit einer Reihe ſteifer, jedoch nicht langer Borſten beſetzt. Die Naſenlöcher liegen faſt am Grunde des Oberſchnabels. Die Flügel ſind lang und ſpitzig; die zweite und dritte Schwinge ſind die längſten. Der Schwanz beſteht aus breiten Federn, iſt kurz und leicht abgerundet; die Beine ſind kräftiger, als bei allen eigentlichen Nacht- ſchwalben; ihre Läufe ſind lang, nackt, die Zehen fleiſchig; der Nagel der Mittelzehe iſt gezähnelt. Das Gefieder der Nacunda iſt auf der Oberſeite ſchwarzbraun und fein roſtgelb marmorirt, der Kopf iſt dunkler als die Rückenmitte, die Achſelgegend durch größere ſchwarzbraune Flecke gezeichnet, die Schwanzfedern ſind marmorirt und ſechs bis achtmal dunkler gebändert, beim Männchen außerdem weiß gerandet; die Kehle, die Zügel, die Ohrgegend und der Vorderhals ſind roſtgelblich, wenig gefleckt; eine Halsbinde, welche ſich von einem Ohr bis zum andern erſtreckt, der Bauch, der Schnekel und die untern Schwanzdeckfedern ſind reinweiß; die Bruſt iſt gezeichnet, wie der Rücken, jedoch nicht ganz ſo fein gewellt. Das ſehr große Auge iſt hellbraun, der Schnabel graubraun, mit ſchwärzlicher Spitze, der Fuß fleiſchröthlich, braungrau angeflogen. Nach den Meſſungen des Prinzen von Wied beträgt die Länge 10 Zoll 2 Linien, die Breite 27 Zoll, die Fittiglänge 8¼ Zoll, die Schwanz- länge 3⅔ Zoll. Aus den Schilderungen Azara’s, des Prinzen, Schomburgk’s und Burmeiſter’s geht hervor, daß die Nacunda ſich über den größten Theil Südamerikas verbreitet und hauptſächlich in der Steppe vorfindet. Sie meidet jedoch den dichten Wald ebenſo, wie die ganz offenen Triften und ſucht ſich gewöhnlich Strecken aus, welche dicht mit Buſchwerk beſtanden ſind. Nach Burmeiſter hält ſie ſich in der Nähe der Dörfer auf und iſt unter dem Namen Criango Jedermann bekannt. Das Auf-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 662. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/700>, abgerufen am 22.11.2024.