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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Singvögel. Seidenschwänze.
Bestimmtheit behaupten. Wahrhaft widerlich wird der Seidenschwanz wegen seiner außerordentlichen
Freßgier. Ob er auch im Sommer in seiner Heimat so viel frißt, wie im Winter bei uns zu Lande,
wissen wir noch nicht; wohl aber dürfen wir annehmen, daß seine Verdauung auch in der Heimat eine
recht lebhafte sein wird. Jm Winter ist sie großartig; denn der Seidenschwanz ist ein gewaltiger
Fresser und verzehrt täglich eine Nahrungsmenge, welche fast ebensoviel wiegt als sein Leib. Gefan-
gene werden geradezu ekelhaft: sie bleiben stets in der Nähe des Freßtroges sitzen, fressen und ruhen
abwechselnd, um zu verdauen, geben das Futter nur halbverdaut von sich und verschlingen, räumt man
ihren Gebauer nicht immer sorgfältig aus, den eigenen Unrat wieder.

Bis in die neueste Zeit war das Fortpflanzungsgeschäft des Seidenschwanzes gänzlich unbe-
kannt. Man hat wiederholt die Ausicht ausgesprochen, daß einzelne zurückgebliebene Paare wohl auch
bei uns gebrütet haben dürften, niemals aber eine diese Aunahme bestätigende Beobachtung gemacht.
Später kam man zu der Ueberzeugung, daß der Seidenschwanz ausschließlich in den hochnordischen
Ländern niste, aber man konnte auch von denjenigen Forschern, welche jene Gegenden durchstreiften,
Nichts in Erfahrung bringen. Erst im Jahre 1857, am 16. Juni, gelang es dem Engländer
Wolley, Nest und Ei unseres Seidenschwanzes aufzufinden; die Entdeckung war jedoch schon im
vorigen Jahre von seinen Jagdgehilfen gemacht worden. Wolley hatte sich vorgenommen, ohne
dieses Nest nicht nach England zurückzukehren und hat weder Mühe noch Kosten gescheut, um sein Ziel
zu erreichen. Nachdem die ersten Nester gefunden worden waren, legte sich, wie es scheint, die halbe
Bewohnerschaft Lapplands auf das Suchen, und schon im Sommer 1858 sollen über sechshundert Eier
eingesammelt worden sein. Die Nester stehen regelmäßig auf Fichten, nicht allzu hoch über dem Boden,
wohl im Gezweig verborgen. Sie sind größtentheils aus Baumflechten gebaut; in die Außenwand
sind einige dürre Fichtenzweige eingewebt; die große, tiefe Nestmulde ist mit Grashalmen und einigen
Federn gefüttert. Das Gelege besteht aus vier bis sieben, gewöhnlich aber aus fünf Eiern, und ist in
der zweiten Woche Junis vollzählig. Die Eier sind auf bläulich oder röthlichblauweißem Grunde
spärlich mit dunkel- und hellbraunen, schwarzen und violetten Flecken und Punkten bestreut, wie
gewöhnlich am dicken Ende dichter, als übrigens, so daß die Zeichnung hier kranzartig erscheint.

Der Fang des Seidenschwanzes verursacht wenigstens im Winter keine Schwierigkeiten. Auf
dem Vogelherde oder in den Dohnen berückt man diesen täppischen Vogel ohne Mühe. "Fällt eine
Schar in den Dohnensteg", berichtet Naumann, "so kommen nur wenige dieser harmlosen Fresser
mit dem Leben davon. Sie fliegen der Reihe nach so lange aus einer Dohne in die andere, bis sie
sich fangen, und es ist gar nichts Seltenes, daß sich ihrer zwei auf einmal in einer Dohne erhenken;
denn wenn schon einer, die Schlinge an dem Halse, mit dem Tode ringt, so hält das einen andern gar
nicht ab, noch nach den Beeren zu fliegen, welche der erste übrig ließ, um sich noch in den übrigen
Schlingen zu fangen. Ebenso unbesonnen und sorglos zeigen sie sich, wenn sie an den Vogelherd
kommen, wo sie auf dem sogenannten Strauchherde, den man für die Drosselarten stellt, in Menge
gefangen werden. Es bedarf nur eines guten Lockvogels ihrer Art, um sie herbei zu locken; kaum
sind sie angekommen, so fällt auch gleich die ganze Herde ein, und versieht man da den rechten Zeit-
punkt nicht, so bekommt man alle auf einen Zug. Zaudert man aber so lange, bis sich einzelne satt
gefressen haben, so fliegen sie nach und nach alle auf einen nahen Baum und sitzen da so lange, bis sie
von neuem hungrig werden, was aber eben nicht lange dauert. Dann kommen sie jedoch nur ein-
zeln, und man muß zuziehen, wenn nur erst einige wieder auf dem Herde sitzen. Die übrigen fliegen
zwar, wenn einige gefangen werden, weg, aber nie weit, und kaum ist der Vogelsteller mit dem Wieder-
aufstellen der Netze fertig und in seiner Hütte, so sind sie auch schon wieder da, und es kommt
selten einer davon. Doch habe ich gefunden, daß diese dummen Vögel im Herbste, bei voller
Nahrung, doch etwas schüchterner als im Winter sind, und Obiges paßt daher hauptsächlich auf
den Winterfang."

"Wenn man im Winter Dohnen und Sprenkel, in welchen letztern sie sich ebenso leicht fangen,
mit vorgehängten Ebreschbeeren bei den volltragendsten Wachholderbüschen aufstellt, so fangen sie sich

Die Fänger. Singvögel. Seidenſchwänze.
Beſtimmtheit behaupten. Wahrhaft widerlich wird der Seidenſchwanz wegen ſeiner außerordentlichen
Freßgier. Ob er auch im Sommer in ſeiner Heimat ſo viel frißt, wie im Winter bei uns zu Lande,
wiſſen wir noch nicht; wohl aber dürfen wir annehmen, daß ſeine Verdauung auch in der Heimat eine
recht lebhafte ſein wird. Jm Winter iſt ſie großartig; denn der Seidenſchwanz iſt ein gewaltiger
Freſſer und verzehrt täglich eine Nahrungsmenge, welche faſt ebenſoviel wiegt als ſein Leib. Gefan-
gene werden geradezu ekelhaft: ſie bleiben ſtets in der Nähe des Freßtroges ſitzen, freſſen und ruhen
abwechſelnd, um zu verdauen, geben das Futter nur halbverdaut von ſich und verſchlingen, räumt man
ihren Gebauer nicht immer ſorgfältig aus, den eigenen Unrat wieder.

Bis in die neueſte Zeit war das Fortpflanzungsgeſchäft des Seidenſchwanzes gänzlich unbe-
kannt. Man hat wiederholt die Auſicht ausgeſprochen, daß einzelne zurückgebliebene Paare wohl auch
bei uns gebrütet haben dürften, niemals aber eine dieſe Aunahme beſtätigende Beobachtung gemacht.
Später kam man zu der Ueberzeugung, daß der Seidenſchwanz ausſchließlich in den hochnordiſchen
Ländern niſte, aber man konnte auch von denjenigen Forſchern, welche jene Gegenden durchſtreiften,
Nichts in Erfahrung bringen. Erſt im Jahre 1857, am 16. Juni, gelang es dem Engländer
Wolley, Neſt und Ei unſeres Seidenſchwanzes aufzufinden; die Entdeckung war jedoch ſchon im
vorigen Jahre von ſeinen Jagdgehilfen gemacht worden. Wolley hatte ſich vorgenommen, ohne
dieſes Neſt nicht nach England zurückzukehren und hat weder Mühe noch Koſten geſcheut, um ſein Ziel
zu erreichen. Nachdem die erſten Neſter gefunden worden waren, legte ſich, wie es ſcheint, die halbe
Bewohnerſchaft Lapplands auf das Suchen, und ſchon im Sommer 1858 ſollen über ſechshundert Eier
eingeſammelt worden ſein. Die Neſter ſtehen regelmäßig auf Fichten, nicht allzu hoch über dem Boden,
wohl im Gezweig verborgen. Sie ſind größtentheils aus Baumflechten gebaut; in die Außenwand
ſind einige dürre Fichtenzweige eingewebt; die große, tiefe Neſtmulde iſt mit Grashalmen und einigen
Federn gefüttert. Das Gelege beſteht aus vier bis ſieben, gewöhnlich aber aus fünf Eiern, und iſt in
der zweiten Woche Junis vollzählig. Die Eier ſind auf bläulich oder röthlichblauweißem Grunde
ſpärlich mit dunkel- und hellbraunen, ſchwarzen und violetten Flecken und Punkten beſtreut, wie
gewöhnlich am dicken Ende dichter, als übrigens, ſo daß die Zeichnung hier kranzartig erſcheint.

Der Fang des Seidenſchwanzes verurſacht wenigſtens im Winter keine Schwierigkeiten. Auf
dem Vogelherde oder in den Dohnen berückt man dieſen täppiſchen Vogel ohne Mühe. „Fällt eine
Schar in den Dohnenſteg‟, berichtet Naumann, „ſo kommen nur wenige dieſer harmloſen Freſſer
mit dem Leben davon. Sie fliegen der Reihe nach ſo lange aus einer Dohne in die andere, bis ſie
ſich fangen, und es iſt gar nichts Seltenes, daß ſich ihrer zwei auf einmal in einer Dohne erhenken;
denn wenn ſchon einer, die Schlinge an dem Halſe, mit dem Tode ringt, ſo hält das einen andern gar
nicht ab, noch nach den Beeren zu fliegen, welche der erſte übrig ließ, um ſich noch in den übrigen
Schlingen zu fangen. Ebenſo unbeſonnen und ſorglos zeigen ſie ſich, wenn ſie an den Vogelherd
kommen, wo ſie auf dem ſogenannten Strauchherde, den man für die Droſſelarten ſtellt, in Menge
gefangen werden. Es bedarf nur eines guten Lockvogels ihrer Art, um ſie herbei zu locken; kaum
ſind ſie angekommen, ſo fällt auch gleich die ganze Herde ein, und verſieht man da den rechten Zeit-
punkt nicht, ſo bekommt man alle auf einen Zug. Zaudert man aber ſo lange, bis ſich einzelne ſatt
gefreſſen haben, ſo fliegen ſie nach und nach alle auf einen nahen Baum und ſitzen da ſo lange, bis ſie
von neuem hungrig werden, was aber eben nicht lange dauert. Dann kommen ſie jedoch nur ein-
zeln, und man muß zuziehen, wenn nur erſt einige wieder auf dem Herde ſitzen. Die übrigen fliegen
zwar, wenn einige gefangen werden, weg, aber nie weit, und kaum iſt der Vogelſteller mit dem Wieder-
aufſtellen der Netze fertig und in ſeiner Hütte, ſo ſind ſie auch ſchon wieder da, und es kommt
ſelten einer davon. Doch habe ich gefunden, daß dieſe dummen Vögel im Herbſte, bei voller
Nahrung, doch etwas ſchüchterner als im Winter ſind, und Obiges paßt daher hauptſächlich auf
den Winterfang.‟

„Wenn man im Winter Dohnen und Sprenkel, in welchen letztern ſie ſich ebenſo leicht fangen,
mit vorgehängten Ebreſchbeeren bei den volltragendſten Wachholderbüſchen aufſtellt, ſo fangen ſie ſich

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[742/0786] Die Fänger. Singvögel. Seidenſchwänze. Beſtimmtheit behaupten. Wahrhaft widerlich wird der Seidenſchwanz wegen ſeiner außerordentlichen Freßgier. Ob er auch im Sommer in ſeiner Heimat ſo viel frißt, wie im Winter bei uns zu Lande, wiſſen wir noch nicht; wohl aber dürfen wir annehmen, daß ſeine Verdauung auch in der Heimat eine recht lebhafte ſein wird. Jm Winter iſt ſie großartig; denn der Seidenſchwanz iſt ein gewaltiger Freſſer und verzehrt täglich eine Nahrungsmenge, welche faſt ebenſoviel wiegt als ſein Leib. Gefan- gene werden geradezu ekelhaft: ſie bleiben ſtets in der Nähe des Freßtroges ſitzen, freſſen und ruhen abwechſelnd, um zu verdauen, geben das Futter nur halbverdaut von ſich und verſchlingen, räumt man ihren Gebauer nicht immer ſorgfältig aus, den eigenen Unrat wieder. Bis in die neueſte Zeit war das Fortpflanzungsgeſchäft des Seidenſchwanzes gänzlich unbe- kannt. Man hat wiederholt die Auſicht ausgeſprochen, daß einzelne zurückgebliebene Paare wohl auch bei uns gebrütet haben dürften, niemals aber eine dieſe Aunahme beſtätigende Beobachtung gemacht. Später kam man zu der Ueberzeugung, daß der Seidenſchwanz ausſchließlich in den hochnordiſchen Ländern niſte, aber man konnte auch von denjenigen Forſchern, welche jene Gegenden durchſtreiften, Nichts in Erfahrung bringen. Erſt im Jahre 1857, am 16. Juni, gelang es dem Engländer Wolley, Neſt und Ei unſeres Seidenſchwanzes aufzufinden; die Entdeckung war jedoch ſchon im vorigen Jahre von ſeinen Jagdgehilfen gemacht worden. Wolley hatte ſich vorgenommen, ohne dieſes Neſt nicht nach England zurückzukehren und hat weder Mühe noch Koſten geſcheut, um ſein Ziel zu erreichen. Nachdem die erſten Neſter gefunden worden waren, legte ſich, wie es ſcheint, die halbe Bewohnerſchaft Lapplands auf das Suchen, und ſchon im Sommer 1858 ſollen über ſechshundert Eier eingeſammelt worden ſein. Die Neſter ſtehen regelmäßig auf Fichten, nicht allzu hoch über dem Boden, wohl im Gezweig verborgen. Sie ſind größtentheils aus Baumflechten gebaut; in die Außenwand ſind einige dürre Fichtenzweige eingewebt; die große, tiefe Neſtmulde iſt mit Grashalmen und einigen Federn gefüttert. Das Gelege beſteht aus vier bis ſieben, gewöhnlich aber aus fünf Eiern, und iſt in der zweiten Woche Junis vollzählig. Die Eier ſind auf bläulich oder röthlichblauweißem Grunde ſpärlich mit dunkel- und hellbraunen, ſchwarzen und violetten Flecken und Punkten beſtreut, wie gewöhnlich am dicken Ende dichter, als übrigens, ſo daß die Zeichnung hier kranzartig erſcheint. Der Fang des Seidenſchwanzes verurſacht wenigſtens im Winter keine Schwierigkeiten. Auf dem Vogelherde oder in den Dohnen berückt man dieſen täppiſchen Vogel ohne Mühe. „Fällt eine Schar in den Dohnenſteg‟, berichtet Naumann, „ſo kommen nur wenige dieſer harmloſen Freſſer mit dem Leben davon. Sie fliegen der Reihe nach ſo lange aus einer Dohne in die andere, bis ſie ſich fangen, und es iſt gar nichts Seltenes, daß ſich ihrer zwei auf einmal in einer Dohne erhenken; denn wenn ſchon einer, die Schlinge an dem Halſe, mit dem Tode ringt, ſo hält das einen andern gar nicht ab, noch nach den Beeren zu fliegen, welche der erſte übrig ließ, um ſich noch in den übrigen Schlingen zu fangen. Ebenſo unbeſonnen und ſorglos zeigen ſie ſich, wenn ſie an den Vogelherd kommen, wo ſie auf dem ſogenannten Strauchherde, den man für die Droſſelarten ſtellt, in Menge gefangen werden. Es bedarf nur eines guten Lockvogels ihrer Art, um ſie herbei zu locken; kaum ſind ſie angekommen, ſo fällt auch gleich die ganze Herde ein, und verſieht man da den rechten Zeit- punkt nicht, ſo bekommt man alle auf einen Zug. Zaudert man aber ſo lange, bis ſich einzelne ſatt gefreſſen haben, ſo fliegen ſie nach und nach alle auf einen nahen Baum und ſitzen da ſo lange, bis ſie von neuem hungrig werden, was aber eben nicht lange dauert. Dann kommen ſie jedoch nur ein- zeln, und man muß zuziehen, wenn nur erſt einige wieder auf dem Herde ſitzen. Die übrigen fliegen zwar, wenn einige gefangen werden, weg, aber nie weit, und kaum iſt der Vogelſteller mit dem Wieder- aufſtellen der Netze fertig und in ſeiner Hütte, ſo ſind ſie auch ſchon wieder da, und es kommt ſelten einer davon. Doch habe ich gefunden, daß dieſe dummen Vögel im Herbſte, bei voller Nahrung, doch etwas ſchüchterner als im Winter ſind, und Obiges paßt daher hauptſächlich auf den Winterfang.‟ „Wenn man im Winter Dohnen und Sprenkel, in welchen letztern ſie ſich ebenſo leicht fangen, mit vorgehängten Ebreſchbeeren bei den volltragendſten Wachholderbüſchen aufſtellt, ſo fangen ſie ſich

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 742. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/786>, abgerufen am 22.11.2024.