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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Singvögel. Leierschwänze. Grasmücken.
und deren Stämmchen eine Art von Trichter bilden; zwischen diesen Stämmchen, ein oder zwei
Fuß über dem Boden, befestigt er sein Nest. Zuweilen mag es auch auf einem ausgehöhlten Baum-
stamm oder in einem nicht allzuhohen Farrenstrauch gefunden werden. Es hat 18 Zoll im Durch-
messer und ist 5 Zoll hoch. Der Unterbau besteht aus einer Lage von groben Reifern, Holzstücken
und dergleichen; das eigentliche, kugelförmige Nest ist aus feinen biegsamen Wurzeln zusammen-
geflochten und innen mit den zartesten Federn des Weibchens ausgefüttert; die obere Hälfte ist nicht
dicht mit der unteren verbunden und läßt sich leicht von ihr trennen: sie bildet das Dach des ganzen
Baues und besteht wie der untere Theil aus grobem Gehölz, Gras, Mos, Farrenblättern und
ähnlichen Stoffen. Von weitem sieht das Nest aus, als wäre es weiter Nichts als ein drei Fuß breites
und ebenso hohes Bündel trockenen Reisigs. Eine seitliche Oeffnung dient als Eingang; durch sie
soll das Weibchen rückwärts und zwar mit über den Rücken gelegtem Schwanz eintreten. Der Leier-
schwanz brütet nur einmal im Jahre und legt blos ein einziges Ei, welches dem einer Ente an Größe
etwa gleichkommt und auf hellaschgrauem Grunde schwach mit dunkelbräunlichen Flecken gezeichnet ist.
Die Beschaffenheit des Nestes läßt den Schluß zu, daß das Weibchen allein brütet. Wie lange die
Brutzeit währt, ist unbekannt; man weiß nur, daß im Anfang Septembers Junge ausgeschlüpft sind.
Eines von ihnen, welches Becker beobachtete, war fast unbefiedert; es zeigte nur hier und da zoll-
lange, schwarze, Pferdehaaren ähnliche Federgebilde. Die Mitte des Kopfes und des Rückgrats
waren die am dichtesten, die Flügel und die Beine die am spärlichsten bedeckten Theile. Die Haut zeigte
eine gelblichgraue Farbe, der Schnabel war schwarz, der Fuß dunkelgelblichgrau. Das Junge kam
mit geschlossenen Augen aus dem Ei, doch waren die Lider schon vollständig getrennt. Ein Junges
der zu Ehren der Königin Victoria benannten Art wurde, nach Angabe desselben Berichterstatters,
später aus dem Neste genommen. Es war schon ziemlich groß, Kopf und Rücken waren mit Dunen
bekleidet, die Schwanz- und Flügelfedern sproßten hervor. Als man es ergriff, stieß es einen lauten
Schrei aus, welcher sofort die Mutter herbeizog. Sie näherte sich, ihre sonstige Scheu gänzlich ver-
gessend, den Fängern bis auf wenige Fuß, schlug mit den Flügeln und bewegte sich jählings nach
verschiedenen Seiten hin, in der Absicht, ihr Junges zu befreien. Ein Schuß streckte sie zu Boden,
und fortan schwieg das Junge. Jm Verhältniß zu seiner Größe benahm es sich äußerst hilflos; sein
Gang hatte, obgleich die Beine schon sehr entwickelt waren, etwas äußerst Ungeschicktes; es erhob sich
schwerfällig, rannte zwar, fiel aber öfters zu Boden. Wohl durch die Wärme angelockt, strebte es
beständig, sich dem Lagerfeuer zu nähern, und erforderte deshalb stete Aufficht. Sein Schrei, ein
lautes "Tsching tsching" wurde oft gehört; antwortete sein Pfleger mit "Bullan, bullan", dem Lockton
des Alten, so kam es herbeigelaufen; es konnte mit diesen Lauten förmlich geleitet werden. Nach
kurzer Zeit war es sehr zahm geworden. Ameisenpuppen fraß es mit Begierde, verschmähte aber
auch Brodkrumen und Fleischstückchen nicht. Zuweilen las es sich selbst Ameisenpuppen vom Boden
auf, mühte sich dann aber vergeblich, sie zu verschlingen. Wasser trank es selten. Zum Ruhen
richtete man ihm ein Nest aus Mos her, und kleidete es innen mit einem Phalangistenfell aus; in
diesem Neste schien es sich sehr behaglich zu fühlen. Während des Schlafes verbarg es den Kopf unter
einen Flügel; rief man "Bullan, bullan", so erwachte es zwar, sah sich auch wohl einige Augenblicke
um, nahm aber die beschriebene Lage bald wieder an und bekümmerte sich dann um kein Rufen mehr.
Leider starb es am achten Tage nach seiner Gefangennahme. Mit andern Gefangenen, und zwar mit
Jungen der dem Prinz Albert zu Ehren benannten Art ist man glücklicher gewesen. Ein gewisser
Wilcor berichtet Gould, daß er vier junge, dem Ausfliegen nahe Leierschwänze dem Neste entnahm
und bei gewöhnlichem Drosselfutter vier Monate lang am Leben erhielt, sie aber bei einer Feuersbrunst
sämmtlich verlor. Gestützt auf diese Erfahrungen, dürfen wir hoffen, die merlwürdigen Vögel mit
der Zeit auch als Bewohner unserer Thiergärten zu sehen.

Ueber die Jagd gibt Gould eine sehr ausführliche Schilderung. Er und andere Beobachter
nennen den Leierschwanz den scheuesten Vogel der Erde. Das Knacken eines Zweiges, das Rollen
eines kleinen Steines, das geringste Geräusch treibt ihn augenblicklich in die Flucht und vereitelt alle

Die Fänger. Singvögel. Leierſchwänze. Grasmücken.
und deren Stämmchen eine Art von Trichter bilden; zwiſchen dieſen Stämmchen, ein oder zwei
Fuß über dem Boden, befeſtigt er ſein Neſt. Zuweilen mag es auch auf einem ausgehöhlten Baum-
ſtamm oder in einem nicht allzuhohen Farrenſtrauch gefunden werden. Es hat 18 Zoll im Durch-
meſſer und iſt 5 Zoll hoch. Der Unterbau beſteht aus einer Lage von groben Reifern, Holzſtücken
und dergleichen; das eigentliche, kugelförmige Neſt iſt aus feinen biegſamen Wurzeln zuſammen-
geflochten und innen mit den zarteſten Federn des Weibchens ausgefüttert; die obere Hälfte iſt nicht
dicht mit der unteren verbunden und läßt ſich leicht von ihr trennen: ſie bildet das Dach des ganzen
Baues und beſteht wie der untere Theil aus grobem Gehölz, Gras, Mos, Farrenblättern und
ähnlichen Stoffen. Von weitem ſieht das Neſt aus, als wäre es weiter Nichts als ein drei Fuß breites
und ebenſo hohes Bündel trockenen Reiſigs. Eine ſeitliche Oeffnung dient als Eingang; durch ſie
ſoll das Weibchen rückwärts und zwar mit über den Rücken gelegtem Schwanz eintreten. Der Leier-
ſchwanz brütet nur einmal im Jahre und legt blos ein einziges Ei, welches dem einer Ente an Größe
etwa gleichkommt und auf hellaſchgrauem Grunde ſchwach mit dunkelbräunlichen Flecken gezeichnet iſt.
Die Beſchaffenheit des Neſtes läßt den Schluß zu, daß das Weibchen allein brütet. Wie lange die
Brutzeit währt, iſt unbekannt; man weiß nur, daß im Anfang Septembers Junge ausgeſchlüpft ſind.
Eines von ihnen, welches Becker beobachtete, war faſt unbefiedert; es zeigte nur hier und da zoll-
lange, ſchwarze, Pferdehaaren ähnliche Federgebilde. Die Mitte des Kopfes und des Rückgrats
waren die am dichteſten, die Flügel und die Beine die am ſpärlichſten bedeckten Theile. Die Haut zeigte
eine gelblichgraue Farbe, der Schnabel war ſchwarz, der Fuß dunkelgelblichgrau. Das Junge kam
mit geſchloſſenen Augen aus dem Ei, doch waren die Lider ſchon vollſtändig getrennt. Ein Junges
der zu Ehren der Königin Victoria benannten Art wurde, nach Angabe deſſelben Berichterſtatters,
ſpäter aus dem Neſte genommen. Es war ſchon ziemlich groß, Kopf und Rücken waren mit Dunen
bekleidet, die Schwanz- und Flügelfedern ſproßten hervor. Als man es ergriff, ſtieß es einen lauten
Schrei aus, welcher ſofort die Mutter herbeizog. Sie näherte ſich, ihre ſonſtige Scheu gänzlich ver-
geſſend, den Fängern bis auf wenige Fuß, ſchlug mit den Flügeln und bewegte ſich jählings nach
verſchiedenen Seiten hin, in der Abſicht, ihr Junges zu befreien. Ein Schuß ſtreckte ſie zu Boden,
und fortan ſchwieg das Junge. Jm Verhältniß zu ſeiner Größe benahm es ſich äußerſt hilflos; ſein
Gang hatte, obgleich die Beine ſchon ſehr entwickelt waren, etwas äußerſt Ungeſchicktes; es erhob ſich
ſchwerfällig, rannte zwar, fiel aber öfters zu Boden. Wohl durch die Wärme angelockt, ſtrebte es
beſtändig, ſich dem Lagerfeuer zu nähern, und erforderte deshalb ſtete Aufficht. Sein Schrei, ein
lautes „Tſching tſching‟ wurde oft gehört; antwortete ſein Pfleger mit „Bullan, bullan‟, dem Lockton
des Alten, ſo kam es herbeigelaufen; es konnte mit dieſen Lauten förmlich geleitet werden. Nach
kurzer Zeit war es ſehr zahm geworden. Ameiſenpuppen fraß es mit Begierde, verſchmähte aber
auch Brodkrumen und Fleiſchſtückchen nicht. Zuweilen las es ſich ſelbſt Ameiſenpuppen vom Boden
auf, mühte ſich dann aber vergeblich, ſie zu verſchlingen. Waſſer trank es ſelten. Zum Ruhen
richtete man ihm ein Neſt aus Mos her, und kleidete es innen mit einem Phalangiſtenfell aus; in
dieſem Neſte ſchien es ſich ſehr behaglich zu fühlen. Während des Schlafes verbarg es den Kopf unter
einen Flügel; rief man „Bullan, bullan‟, ſo erwachte es zwar, ſah ſich auch wohl einige Augenblicke
um, nahm aber die beſchriebene Lage bald wieder an und bekümmerte ſich dann um kein Rufen mehr.
Leider ſtarb es am achten Tage nach ſeiner Gefangennahme. Mit andern Gefangenen, und zwar mit
Jungen der dem Prinz Albert zu Ehren benannten Art iſt man glücklicher geweſen. Ein gewiſſer
Wilcor berichtet Gould, daß er vier junge, dem Ausfliegen nahe Leierſchwänze dem Neſte entnahm
und bei gewöhnlichem Droſſelfutter vier Monate lang am Leben erhielt, ſie aber bei einer Feuersbrunſt
ſämmtlich verlor. Geſtützt auf dieſe Erfahrungen, dürfen wir hoffen, die merlwürdigen Vögel mit
der Zeit auch als Bewohner unſerer Thiergärten zu ſehen.

Ueber die Jagd gibt Gould eine ſehr ausführliche Schilderung. Er und andere Beobachter
nennen den Leierſchwanz den ſcheueſten Vogel der Erde. Das Knacken eines Zweiges, das Rollen
eines kleinen Steines, das geringſte Geräuſch treibt ihn augenblicklich in die Flucht und vereitelt alle

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[834/0882] Die Fänger. Singvögel. Leierſchwänze. Grasmücken. und deren Stämmchen eine Art von Trichter bilden; zwiſchen dieſen Stämmchen, ein oder zwei Fuß über dem Boden, befeſtigt er ſein Neſt. Zuweilen mag es auch auf einem ausgehöhlten Baum- ſtamm oder in einem nicht allzuhohen Farrenſtrauch gefunden werden. Es hat 18 Zoll im Durch- meſſer und iſt 5 Zoll hoch. Der Unterbau beſteht aus einer Lage von groben Reifern, Holzſtücken und dergleichen; das eigentliche, kugelförmige Neſt iſt aus feinen biegſamen Wurzeln zuſammen- geflochten und innen mit den zarteſten Federn des Weibchens ausgefüttert; die obere Hälfte iſt nicht dicht mit der unteren verbunden und läßt ſich leicht von ihr trennen: ſie bildet das Dach des ganzen Baues und beſteht wie der untere Theil aus grobem Gehölz, Gras, Mos, Farrenblättern und ähnlichen Stoffen. Von weitem ſieht das Neſt aus, als wäre es weiter Nichts als ein drei Fuß breites und ebenſo hohes Bündel trockenen Reiſigs. Eine ſeitliche Oeffnung dient als Eingang; durch ſie ſoll das Weibchen rückwärts und zwar mit über den Rücken gelegtem Schwanz eintreten. Der Leier- ſchwanz brütet nur einmal im Jahre und legt blos ein einziges Ei, welches dem einer Ente an Größe etwa gleichkommt und auf hellaſchgrauem Grunde ſchwach mit dunkelbräunlichen Flecken gezeichnet iſt. Die Beſchaffenheit des Neſtes läßt den Schluß zu, daß das Weibchen allein brütet. Wie lange die Brutzeit währt, iſt unbekannt; man weiß nur, daß im Anfang Septembers Junge ausgeſchlüpft ſind. Eines von ihnen, welches Becker beobachtete, war faſt unbefiedert; es zeigte nur hier und da zoll- lange, ſchwarze, Pferdehaaren ähnliche Federgebilde. Die Mitte des Kopfes und des Rückgrats waren die am dichteſten, die Flügel und die Beine die am ſpärlichſten bedeckten Theile. Die Haut zeigte eine gelblichgraue Farbe, der Schnabel war ſchwarz, der Fuß dunkelgelblichgrau. Das Junge kam mit geſchloſſenen Augen aus dem Ei, doch waren die Lider ſchon vollſtändig getrennt. Ein Junges der zu Ehren der Königin Victoria benannten Art wurde, nach Angabe deſſelben Berichterſtatters, ſpäter aus dem Neſte genommen. Es war ſchon ziemlich groß, Kopf und Rücken waren mit Dunen bekleidet, die Schwanz- und Flügelfedern ſproßten hervor. Als man es ergriff, ſtieß es einen lauten Schrei aus, welcher ſofort die Mutter herbeizog. Sie näherte ſich, ihre ſonſtige Scheu gänzlich ver- geſſend, den Fängern bis auf wenige Fuß, ſchlug mit den Flügeln und bewegte ſich jählings nach verſchiedenen Seiten hin, in der Abſicht, ihr Junges zu befreien. Ein Schuß ſtreckte ſie zu Boden, und fortan ſchwieg das Junge. Jm Verhältniß zu ſeiner Größe benahm es ſich äußerſt hilflos; ſein Gang hatte, obgleich die Beine ſchon ſehr entwickelt waren, etwas äußerſt Ungeſchicktes; es erhob ſich ſchwerfällig, rannte zwar, fiel aber öfters zu Boden. Wohl durch die Wärme angelockt, ſtrebte es beſtändig, ſich dem Lagerfeuer zu nähern, und erforderte deshalb ſtete Aufficht. Sein Schrei, ein lautes „Tſching tſching‟ wurde oft gehört; antwortete ſein Pfleger mit „Bullan, bullan‟, dem Lockton des Alten, ſo kam es herbeigelaufen; es konnte mit dieſen Lauten förmlich geleitet werden. Nach kurzer Zeit war es ſehr zahm geworden. Ameiſenpuppen fraß es mit Begierde, verſchmähte aber auch Brodkrumen und Fleiſchſtückchen nicht. Zuweilen las es ſich ſelbſt Ameiſenpuppen vom Boden auf, mühte ſich dann aber vergeblich, ſie zu verſchlingen. Waſſer trank es ſelten. Zum Ruhen richtete man ihm ein Neſt aus Mos her, und kleidete es innen mit einem Phalangiſtenfell aus; in dieſem Neſte ſchien es ſich ſehr behaglich zu fühlen. Während des Schlafes verbarg es den Kopf unter einen Flügel; rief man „Bullan, bullan‟, ſo erwachte es zwar, ſah ſich auch wohl einige Augenblicke um, nahm aber die beſchriebene Lage bald wieder an und bekümmerte ſich dann um kein Rufen mehr. Leider ſtarb es am achten Tage nach ſeiner Gefangennahme. Mit andern Gefangenen, und zwar mit Jungen der dem Prinz Albert zu Ehren benannten Art iſt man glücklicher geweſen. Ein gewiſſer Wilcor berichtet Gould, daß er vier junge, dem Ausfliegen nahe Leierſchwänze dem Neſte entnahm und bei gewöhnlichem Droſſelfutter vier Monate lang am Leben erhielt, ſie aber bei einer Feuersbrunſt ſämmtlich verlor. Geſtützt auf dieſe Erfahrungen, dürfen wir hoffen, die merlwürdigen Vögel mit der Zeit auch als Bewohner unſerer Thiergärten zu ſehen. Ueber die Jagd gibt Gould eine ſehr ausführliche Schilderung. Er und andere Beobachter nennen den Leierſchwanz den ſcheueſten Vogel der Erde. Das Knacken eines Zweiges, das Rollen eines kleinen Steines, das geringſte Geräuſch treibt ihn augenblicklich in die Flucht und vereitelt alle

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 834. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/882>, abgerufen am 22.11.2024.