von denen er seinen Namen hat, zieht er andern Bäumen durchaus nicht vor: er liebt nur Laub- bäume mehr als Nadelbäume, obgleich er auch in diesen, ja selbst im Knieholze noch gefunden wird. Jm Herbst besucht er sehr häufig niederes Gestrüpp, Röhricht, Schilf, und im Süden Europas die Maisfelder; im Sommer hält er sich lieber auf höheren Bäumen auf. Bei uns erscheint er in der ersten Hälfte des April und verweilt wenigstens bis zum August; dann zieht er gemächlich nach Süden. Auch er reist des Nachts, und jedes Geschlecht für sich; die Männchen kommen früher an und verlassen uns später als die Weibchen.
Wie alle Laubvögel überhaupt ist auch der Weidenlaubsänger ein höchst angenehmer Vogel, welcher durch sein munteres und zutrauliches Wesen wie durch seinen zwar einförmigen, aber flötenartigen Gesang ungemein erfreut. "Jn steter Unruhe", sagt Naumann, "schlüpft er durch die Zweige, doch mehr flatternd als hüpfend; seine Bewegungen und Handlungen verrathen immerwährenden Frohsinn, welcher häufig in Muthwillen ausartet; ihn zeigt er durch Necken und Beißen gegen Seinesgleichen und auch gegen andere kleine Vögel oft, besonders im Frühlinge. Jm Sitzen trägt er die Brust erhaben, aber im Forthüpfen beugt er sie etwas tiefer herab, so auch auf dem Erdboden. Doch sieht man ihn hier nur selten und schwerfällig in großen einzelnen Sprüngen hüpfen und dabei fast nach jedem Sprunge den Kopf nach verschiedenen Richtungen bewegen. Die Art, sich durch die Zweige der Bäume fortzubewegen, sein Flattern auch außerhalb derselben und seine Unruhe machen ihn bemerk- licher, als die Grasmücken. Eine ganz eigene Bewegung des Schwanzes, ein Wippen oder Schlagen desselben nach unten und abwärts, ist besonders bemerkenswerth. Es wird nur dann von Zeit zu Zeit wiederholt, wenn der Vogel keine Gefahr ahnt oder ganz ruhig ist; sonst sieht man es nicht. Scheu ist dieser Vogel gar nicht, man könnte ihn vielmehr zutraulich nennen; denn er treibt sein Wesen vor den Augen des Beobachters meistens ohne alle Furcht, zumal bei naßkalter Witterung, wo er oft sehr kirre ist und sich ganz in der Nähe beobachten läßt. So fliegt er auch ungescheut von einem Baume und Busch zum andern, selbst über große, freie Flächen. Ueber kurze Räume schwingt er sich flatternd und fortschießend; allein im Wanderfluge beschreibt er eine unregelmäßige, aus län- gern und kürzern oder sehr kurzen Bogen zusammengesetzte Schlangenlinie, so daß man ihn fast einen hüpfenden Flug nennen könnte, und man glauben möchte, das Fliegen werde ihm sauer."
Der Gesang ist sehr einfach und klingt schwermüthig, jedoch keineswegs unangenehm. Er besteht aus einer Reihe sanfter Töne, welche wie "Hüid hüid, hoid hoid hoid hoid" klingen. "Das ist", sagt mein Vater, "sein ganzer Gesang; aber das Schmelzende und Flötenartige, das Steigen und Fallen und die Weichheit der Töne gibt ihm etwas so Eigenes und Ansprechendes, daß er dem Schlage vieler Vögel, wenigstens nach meinem Geschmack, vorzuziehen ist. Bei der Paarung, welche wenige Tage nach der Ankunft beginnt, gibt das Männchen noch ganz eigene Töne von sich, welche einem anderen Vogel zuzugehören scheinen und sich mit Worten nicht beschreiben lassen. Es flattert dabei mit zitternder Flügelbewegung von einem Baume zum andern und verfolgt sein Weibchen beständig. Dieses hält sich immer in der Nähe des Männchens und läßt, wenn es hitzig ist, auch eine Art von Gesang hören, der aber weit kürzer und schwächer als der des Männchens ist." Letzteres wählt sich zum Singen eine Baumspitze oder einen vorstehenden Zweig, bläst die Keble auf, sträubt auch wohl die Scheitelfedern, läßt die Flügel hängen und singt nun sehr eifrig, ja fast ununterbrochen. Es kündet seine Ankunft im Frühlinge durch seinen Gesang an, beginnt schon am frühesten Morgen und endet erst nach Sonnen- untergang, und Dies währt bis Ende Julis.
Das Nest wird stets vortrefflich versteckt. Es steht fast immer auf dem Boden, häufig in Höhlungen oder andern Vertief[u]ngen, gewöhnlich in einem alten Grasbüschel, sonst auch an einem Baumstamme, unter den Blättern eines Blumenstockes und an andern passenden Oertlichkeiten. Das Weibchen beginnt, wie mein Vater beobachtete, damit, das Loch zurecht zu machen, zieht oft mit großer Anstrengung hier Gras und Mosstengel aus und hackt mit dem Schnabel so lange an der betreffenden Stelle herum, bis die Halbkugelform ausgehöhlt ist. Nun erst geht es an den Bau des eigentlichen Nestes; aber es ist so eifrig, daß es das Ganze nach wenig Tagen vollendet hat. Es baut allein, ohne
Weidenlaubſänger.
von denen er ſeinen Namen hat, zieht er andern Bäumen durchaus nicht vor: er liebt nur Laub- bäume mehr als Nadelbäume, obgleich er auch in dieſen, ja ſelbſt im Knieholze noch gefunden wird. Jm Herbſt beſucht er ſehr häufig niederes Geſtrüpp, Röhricht, Schilf, und im Süden Europas die Maisfelder; im Sommer hält er ſich lieber auf höheren Bäumen auf. Bei uns erſcheint er in der erſten Hälfte des April und verweilt wenigſtens bis zum Auguſt; dann zieht er gemächlich nach Süden. Auch er reiſt des Nachts, und jedes Geſchlecht für ſich; die Männchen kommen früher an und verlaſſen uns ſpäter als die Weibchen.
Wie alle Laubvögel überhaupt iſt auch der Weidenlaubſänger ein höchſt angenehmer Vogel, welcher durch ſein munteres und zutrauliches Weſen wie durch ſeinen zwar einförmigen, aber flötenartigen Geſang ungemein erfreut. „Jn ſteter Unruhe‟, ſagt Naumann, „ſchlüpft er durch die Zweige, doch mehr flatternd als hüpfend; ſeine Bewegungen und Handlungen verrathen immerwährenden Frohſinn, welcher häufig in Muthwillen ausartet; ihn zeigt er durch Necken und Beißen gegen Seinesgleichen und auch gegen andere kleine Vögel oft, beſonders im Frühlinge. Jm Sitzen trägt er die Bruſt erhaben, aber im Forthüpfen beugt er ſie etwas tiefer herab, ſo auch auf dem Erdboden. Doch ſieht man ihn hier nur ſelten und ſchwerfällig in großen einzelnen Sprüngen hüpfen und dabei faſt nach jedem Sprunge den Kopf nach verſchiedenen Richtungen bewegen. Die Art, ſich durch die Zweige der Bäume fortzubewegen, ſein Flattern auch außerhalb derſelben und ſeine Unruhe machen ihn bemerk- licher, als die Grasmücken. Eine ganz eigene Bewegung des Schwanzes, ein Wippen oder Schlagen deſſelben nach unten und abwärts, iſt beſonders bemerkenswerth. Es wird nur dann von Zeit zu Zeit wiederholt, wenn der Vogel keine Gefahr ahnt oder ganz ruhig iſt; ſonſt ſieht man es nicht. Scheu iſt dieſer Vogel gar nicht, man könnte ihn vielmehr zutraulich nennen; denn er treibt ſein Weſen vor den Augen des Beobachters meiſtens ohne alle Furcht, zumal bei naßkalter Witterung, wo er oft ſehr kirre iſt und ſich ganz in der Nähe beobachten läßt. So fliegt er auch ungeſcheut von einem Baume und Buſch zum andern, ſelbſt über große, freie Flächen. Ueber kurze Räume ſchwingt er ſich flatternd und fortſchießend; allein im Wanderfluge beſchreibt er eine unregelmäßige, aus län- gern und kürzern oder ſehr kurzen Bogen zuſammengeſetzte Schlangenlinie, ſo daß man ihn faſt einen hüpfenden Flug nennen könnte, und man glauben möchte, das Fliegen werde ihm ſauer.‟
Der Geſang iſt ſehr einfach und klingt ſchwermüthig, jedoch keineswegs unangenehm. Er beſteht aus einer Reihe ſanfter Töne, welche wie „Hüid hüid, hoid hoid hoid hoid‟ klingen. „Das iſt‟, ſagt mein Vater, „ſein ganzer Geſang; aber das Schmelzende und Flötenartige, das Steigen und Fallen und die Weichheit der Töne gibt ihm etwas ſo Eigenes und Anſprechendes, daß er dem Schlage vieler Vögel, wenigſtens nach meinem Geſchmack, vorzuziehen iſt. Bei der Paarung, welche wenige Tage nach der Ankunft beginnt, gibt das Männchen noch ganz eigene Töne von ſich, welche einem anderen Vogel zuzugehören ſcheinen und ſich mit Worten nicht beſchreiben laſſen. Es flattert dabei mit zitternder Flügelbewegung von einem Baume zum andern und verfolgt ſein Weibchen beſtändig. Dieſes hält ſich immer in der Nähe des Männchens und läßt, wenn es hitzig iſt, auch eine Art von Geſang hören, der aber weit kürzer und ſchwächer als der des Männchens iſt.‟ Letzteres wählt ſich zum Singen eine Baumſpitze oder einen vorſtehenden Zweig, bläſt die Keble auf, ſträubt auch wohl die Scheitelfedern, läßt die Flügel hängen und ſingt nun ſehr eifrig, ja faſt ununterbrochen. Es kündet ſeine Ankunft im Frühlinge durch ſeinen Geſang an, beginnt ſchon am früheſten Morgen und endet erſt nach Sonnen- untergang, und Dies währt bis Ende Julis.
Das Neſt wird ſtets vortrefflich verſteckt. Es ſteht faſt immer auf dem Boden, häufig in Höhlungen oder andern Vertief[u]ngen, gewöhnlich in einem alten Grasbüſchel, ſonſt auch an einem Baumſtamme, unter den Blättern eines Blumenſtockes und an andern paſſenden Oertlichkeiten. Das Weibchen beginnt, wie mein Vater beobachtete, damit, das Loch zurecht zu machen, zieht oft mit großer Anſtrengung hier Gras und Mosſtengel aus und hackt mit dem Schnabel ſo lange an der betreffenden Stelle herum, bis die Halbkugelform ausgehöhlt iſt. Nun erſt geht es an den Bau des eigentlichen Neſtes; aber es iſt ſo eifrig, daß es das Ganze nach wenig Tagen vollendet hat. Es baut allein, ohne
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[859/0907]
Weidenlaubſänger.
von denen er ſeinen Namen hat, zieht er andern Bäumen durchaus nicht vor: er liebt nur Laub-
bäume mehr als Nadelbäume, obgleich er auch in dieſen, ja ſelbſt im Knieholze noch gefunden wird.
Jm Herbſt beſucht er ſehr häufig niederes Geſtrüpp, Röhricht, Schilf, und im Süden Europas die
Maisfelder; im Sommer hält er ſich lieber auf höheren Bäumen auf. Bei uns erſcheint er in der
erſten Hälfte des April und verweilt wenigſtens bis zum Auguſt; dann zieht er gemächlich nach
Süden. Auch er reiſt des Nachts, und jedes Geſchlecht für ſich; die Männchen kommen früher an
und verlaſſen uns ſpäter als die Weibchen.
Wie alle Laubvögel überhaupt iſt auch der Weidenlaubſänger ein höchſt angenehmer Vogel, welcher
durch ſein munteres und zutrauliches Weſen wie durch ſeinen zwar einförmigen, aber flötenartigen
Geſang ungemein erfreut. „Jn ſteter Unruhe‟, ſagt Naumann, „ſchlüpft er durch die Zweige, doch
mehr flatternd als hüpfend; ſeine Bewegungen und Handlungen verrathen immerwährenden Frohſinn,
welcher häufig in Muthwillen ausartet; ihn zeigt er durch Necken und Beißen gegen Seinesgleichen
und auch gegen andere kleine Vögel oft, beſonders im Frühlinge. Jm Sitzen trägt er die Bruſt
erhaben, aber im Forthüpfen beugt er ſie etwas tiefer herab, ſo auch auf dem Erdboden. Doch ſieht
man ihn hier nur ſelten und ſchwerfällig in großen einzelnen Sprüngen hüpfen und dabei faſt nach
jedem Sprunge den Kopf nach verſchiedenen Richtungen bewegen. Die Art, ſich durch die Zweige der
Bäume fortzubewegen, ſein Flattern auch außerhalb derſelben und ſeine Unruhe machen ihn bemerk-
licher, als die Grasmücken. Eine ganz eigene Bewegung des Schwanzes, ein Wippen oder Schlagen
deſſelben nach unten und abwärts, iſt beſonders bemerkenswerth. Es wird nur dann von Zeit zu
Zeit wiederholt, wenn der Vogel keine Gefahr ahnt oder ganz ruhig iſt; ſonſt ſieht man es nicht.
Scheu iſt dieſer Vogel gar nicht, man könnte ihn vielmehr zutraulich nennen; denn er treibt ſein
Weſen vor den Augen des Beobachters meiſtens ohne alle Furcht, zumal bei naßkalter Witterung, wo
er oft ſehr kirre iſt und ſich ganz in der Nähe beobachten läßt. So fliegt er auch ungeſcheut von
einem Baume und Buſch zum andern, ſelbſt über große, freie Flächen. Ueber kurze Räume ſchwingt
er ſich flatternd und fortſchießend; allein im Wanderfluge beſchreibt er eine unregelmäßige, aus län-
gern und kürzern oder ſehr kurzen Bogen zuſammengeſetzte Schlangenlinie, ſo daß man ihn faſt einen
hüpfenden Flug nennen könnte, und man glauben möchte, das Fliegen werde ihm ſauer.‟
Der Geſang iſt ſehr einfach und klingt ſchwermüthig, jedoch keineswegs unangenehm. Er beſteht
aus einer Reihe ſanfter Töne, welche wie „Hüid hüid, hoid hoid hoid hoid‟ klingen. „Das iſt‟, ſagt
mein Vater, „ſein ganzer Geſang; aber das Schmelzende und Flötenartige, das Steigen und Fallen
und die Weichheit der Töne gibt ihm etwas ſo Eigenes und Anſprechendes, daß er dem Schlage vieler
Vögel, wenigſtens nach meinem Geſchmack, vorzuziehen iſt. Bei der Paarung, welche wenige Tage
nach der Ankunft beginnt, gibt das Männchen noch ganz eigene Töne von ſich, welche einem anderen
Vogel zuzugehören ſcheinen und ſich mit Worten nicht beſchreiben laſſen. Es flattert dabei mit zitternder
Flügelbewegung von einem Baume zum andern und verfolgt ſein Weibchen beſtändig. Dieſes hält
ſich immer in der Nähe des Männchens und läßt, wenn es hitzig iſt, auch eine Art von Geſang hören,
der aber weit kürzer und ſchwächer als der des Männchens iſt.‟ Letzteres wählt ſich zum Singen eine
Baumſpitze oder einen vorſtehenden Zweig, bläſt die Keble auf, ſträubt auch wohl die Scheitelfedern,
läßt die Flügel hängen und ſingt nun ſehr eifrig, ja faſt ununterbrochen. Es kündet ſeine Ankunft
im Frühlinge durch ſeinen Geſang an, beginnt ſchon am früheſten Morgen und endet erſt nach Sonnen-
untergang, und Dies währt bis Ende Julis.
Das Neſt wird ſtets vortrefflich verſteckt. Es ſteht faſt immer auf dem Boden, häufig in
Höhlungen oder andern Vertiefungen, gewöhnlich in einem alten Grasbüſchel, ſonſt auch an einem
Baumſtamme, unter den Blättern eines Blumenſtockes und an andern paſſenden Oertlichkeiten. Das
Weibchen beginnt, wie mein Vater beobachtete, damit, das Loch zurecht zu machen, zieht oft mit großer
Anſtrengung hier Gras und Mosſtengel aus und hackt mit dem Schnabel ſo lange an der betreffenden
Stelle herum, bis die Halbkugelform ausgehöhlt iſt. Nun erſt geht es an den Bau des eigentlichen
Neſtes; aber es iſt ſo eifrig, daß es das Ganze nach wenig Tagen vollendet hat. Es baut allein, ohne
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 859. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/907>, abgerufen am 22.11.2024.
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