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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Singvögel. Laubsänger.
Hilfe des Männchens, und nur in den Morgenstunden, hütet sich sehr, das Nest zu verrathen und hält
sich, wenn es nicht eben mit Bauen beschäftigt ist, gar nicht in der Nähe desselben auf. Um das Nest
aufzufinden, muß man regelrecht zu Werke gehen, und es gehört auch dann noch eine sehr große Uebung
dazu, den Bau, welcher der Umgebung vollständig ähnelt, von dem Mos, Laub oder altem Gras zu
unterscheiden. Das Nest selbst ist backofen- oder kegelförmig, wegen seiner dicken Wände sehr groß,
oben überwölbt, seitlich mit einem kreisrunden Eingangsloche versehen. Seine Wandungen bestehen
aus Mos, dürrem Laub, Grashalmen und Grasblättern, welche Stoffe nach innen zu feiner gewählt
werden; die eigentliche Ausfütterung aber bilden Haus- und Rebhühner-, Tauben-, Krähen- und
andere Federn. Naumann hebt als merkwürdig hervor, daß man selten ein Nest finde, in dem nicht
Rebhühnerfedern verwendet wären. Hühnerfedern scheinen überhaupt bevorzugt zu werden: in der
Nähe der menschlichen Wohnungen findet man die Federn von Trut-, Haus- und Perlhühnern, im
Walde die von Birkhühnern und Fasanen. Das Gelege, welches Anfangs Mai vollzählig ist, zählt
fünf bis sieben längliche, glattschalige, glänzende Eier, welche auf milchweißem Grunde mehr oder
weniger gleichmäßig mit hellrothen Flecken bestreut sind. Das Männchen löst sein Weibchen um die
Mittagszeit auf einige Stunden im Brüten ab; den übrigen Theil des Tages gibt sich dieses so eifrig
seinen Mutterpflichten hin, daß es sich fast mit Händen greifen oder, was öfter vorkommt, bei-
nahe ertreten läßt, ehe es wegfliegt. So lange die Eier noch nicht ausgebrütet sind, fliegt die auf-
gescheuchte Mutter ganz matt und niedrig über dem Boden dahin; sind aber schon Junge im Neste,
dann gebrauchen die Eltern die bekannte List der Verstellung, schreien kläglich und geberden sich über-
aus ängstlich. Ende Mais sind die Jungen flügge, Mitte Junis brüten die Alten zum zweitenmale.

Alle Laubsänger sind namentlich mit Hilfe des Nachtigallgärnchens leicht zu berücken.
Naumann versichert, daß man sie fangen könne, wenn man einen Vogelbauer, in dem sich
irgend ein kleiner, lebendiger Vogel befindet, mit Leimruthen besteckt, und in der Gegend, in der man
die Laubsänger immer sieht und hört, an einen Baum hängt. Sie kommen dann aus Neugierde oder
Eifersucht herbei und bleiben auf den Leimruthen kleben. Auch Sprenkel und andere Fangwerkzeuge
führen zum Ziele. Die Gefangenen werden sehr bald zahm und zutraulich, zumal wenn man sie frei
im Zimmer umherfliegen lassen kann. Sie halten sich immer in der Höhe des Zimmers, nahe der
Decke auf, wählen die höchsten Stellen des Geschränkes zu Ruhepunkten und fangen vonhieraus
Fliegen. Einzelne halten sich jahrelang, viele sterben aber schon in den ersten Tagen ihrer Gefangen-
schaft, da sie schwer an ein Ersatzfutter gehen. Wenn sie einmal traurig werden und das Gefieder
sträuben, thut man wohl, ihnen sofort die Freiheit zu schenken; denn sonst wird man sie am nächsten
Morgen gewiß als Leiche finden.



Jn Südasien, zumal in den Ländern des Himalaya, leben Laubvögel, welche man unter dem Namen
Reguloides von den übrigen getrennt hat. Der Name begründet sich auf die Ansicht früherer Natur-
forscher, welche diese Vögelchen als nahe Verwandte der Goldhähnchen ansahen. Die Laubkönige,
wie wir sie nennen wollen, gehören unzweifelhaft unserer Familie an und kommen in allen wesent-
lichen Stücken mit andern Laubsängern überein. Jhr Schnabel ist aber verhältnißmäßig kürzer, als
der der eigentlichen Laubsänger, der Flügel länger und mehr zugespitzt, der Fuß kürzer und schwächer.
Alle Arten, welche bis jetzt in Jndien beobachtet worden, sind Gebirgsvögel, wandern jedoch bei Eintritt
der kalten Witterung in die Ebenen herab. Wahrscheinlich geschieht es gelegentlich dieser Wanderung,
daß sie sich über die Grenzen ihres eigentlichen Heimatskreises hinaus verfliegen und dann als Jrrlinge
in weit entlegenen Ländern erscheinen. So ist ein Laubkönig (Reguloides Proregulus) schon wieder-
holt in Europa und auch in Deutschland beobachtet und erlegt worden und verdient aus dem Grunde
besonderer Erwähnung.

Die Fänger. Singvögel. Laubſänger.
Hilfe des Männchens, und nur in den Morgenſtunden, hütet ſich ſehr, das Neſt zu verrathen und hält
ſich, wenn es nicht eben mit Bauen beſchäftigt iſt, gar nicht in der Nähe deſſelben auf. Um das Neſt
aufzufinden, muß man regelrecht zu Werke gehen, und es gehört auch dann noch eine ſehr große Uebung
dazu, den Bau, welcher der Umgebung vollſtändig ähnelt, von dem Mos, Laub oder altem Gras zu
unterſcheiden. Das Neſt ſelbſt iſt backofen- oder kegelförmig, wegen ſeiner dicken Wände ſehr groß,
oben überwölbt, ſeitlich mit einem kreisrunden Eingangsloche verſehen. Seine Wandungen beſtehen
aus Mos, dürrem Laub, Grashalmen und Grasblättern, welche Stoffe nach innen zu feiner gewählt
werden; die eigentliche Ausfütterung aber bilden Haus- und Rebhühner-, Tauben-, Krähen- und
andere Federn. Naumann hebt als merkwürdig hervor, daß man ſelten ein Neſt finde, in dem nicht
Rebhühnerfedern verwendet wären. Hühnerfedern ſcheinen überhaupt bevorzugt zu werden: in der
Nähe der menſchlichen Wohnungen findet man die Federn von Trut-, Haus- und Perlhühnern, im
Walde die von Birkhühnern und Faſanen. Das Gelege, welches Anfangs Mai vollzählig iſt, zählt
fünf bis ſieben längliche, glattſchalige, glänzende Eier, welche auf milchweißem Grunde mehr oder
weniger gleichmäßig mit hellrothen Flecken beſtreut ſind. Das Männchen löſt ſein Weibchen um die
Mittagszeit auf einige Stunden im Brüten ab; den übrigen Theil des Tages gibt ſich dieſes ſo eifrig
ſeinen Mutterpflichten hin, daß es ſich faſt mit Händen greifen oder, was öfter vorkommt, bei-
nahe ertreten läßt, ehe es wegfliegt. So lange die Eier noch nicht ausgebrütet ſind, fliegt die auf-
geſcheuchte Mutter ganz matt und niedrig über dem Boden dahin; ſind aber ſchon Junge im Neſte,
dann gebrauchen die Eltern die bekannte Liſt der Verſtellung, ſchreien kläglich und geberden ſich über-
aus ängſtlich. Ende Mais ſind die Jungen flügge, Mitte Junis brüten die Alten zum zweitenmale.

Alle Laubſänger ſind namentlich mit Hilfe des Nachtigallgärnchens leicht zu berücken.
Naumann verſichert, daß man ſie fangen könne, wenn man einen Vogelbauer, in dem ſich
irgend ein kleiner, lebendiger Vogel befindet, mit Leimruthen beſteckt, und in der Gegend, in der man
die Laubſänger immer ſieht und hört, an einen Baum hängt. Sie kommen dann aus Neugierde oder
Eiferſucht herbei und bleiben auf den Leimruthen kleben. Auch Sprenkel und andere Fangwerkzeuge
führen zum Ziele. Die Gefangenen werden ſehr bald zahm und zutraulich, zumal wenn man ſie frei
im Zimmer umherfliegen laſſen kann. Sie halten ſich immer in der Höhe des Zimmers, nahe der
Decke auf, wählen die höchſten Stellen des Geſchränkes zu Ruhepunkten und fangen vonhieraus
Fliegen. Einzelne halten ſich jahrelang, viele ſterben aber ſchon in den erſten Tagen ihrer Gefangen-
ſchaft, da ſie ſchwer an ein Erſatzfutter gehen. Wenn ſie einmal traurig werden und das Gefieder
ſträuben, thut man wohl, ihnen ſofort die Freiheit zu ſchenken; denn ſonſt wird man ſie am nächſten
Morgen gewiß als Leiche finden.



Jn Südaſien, zumal in den Ländern des Himalaya, leben Laubvögel, welche man unter dem Namen
Reguloides von den übrigen getrennt hat. Der Name begründet ſich auf die Anſicht früherer Natur-
forſcher, welche dieſe Vögelchen als nahe Verwandte der Goldhähnchen anſahen. Die Laubkönige,
wie wir ſie nennen wollen, gehören unzweifelhaft unſerer Familie an und kommen in allen weſent-
lichen Stücken mit andern Laubſängern überein. Jhr Schnabel iſt aber verhältnißmäßig kürzer, als
der der eigentlichen Laubſänger, der Flügel länger und mehr zugeſpitzt, der Fuß kürzer und ſchwächer.
Alle Arten, welche bis jetzt in Jndien beobachtet worden, ſind Gebirgsvögel, wandern jedoch bei Eintritt
der kalten Witterung in die Ebenen herab. Wahrſcheinlich geſchieht es gelegentlich dieſer Wanderung,
daß ſie ſich über die Grenzen ihres eigentlichen Heimatskreiſes hinaus verfliegen und dann als Jrrlinge
in weit entlegenen Ländern erſcheinen. So iſt ein Laubkönig (Reguloides Proregulus) ſchon wieder-
holt in Europa und auch in Deutſchland beobachtet und erlegt worden und verdient aus dem Grunde
beſonderer Erwähnung.

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[860/0908] Die Fänger. Singvögel. Laubſänger. Hilfe des Männchens, und nur in den Morgenſtunden, hütet ſich ſehr, das Neſt zu verrathen und hält ſich, wenn es nicht eben mit Bauen beſchäftigt iſt, gar nicht in der Nähe deſſelben auf. Um das Neſt aufzufinden, muß man regelrecht zu Werke gehen, und es gehört auch dann noch eine ſehr große Uebung dazu, den Bau, welcher der Umgebung vollſtändig ähnelt, von dem Mos, Laub oder altem Gras zu unterſcheiden. Das Neſt ſelbſt iſt backofen- oder kegelförmig, wegen ſeiner dicken Wände ſehr groß, oben überwölbt, ſeitlich mit einem kreisrunden Eingangsloche verſehen. Seine Wandungen beſtehen aus Mos, dürrem Laub, Grashalmen und Grasblättern, welche Stoffe nach innen zu feiner gewählt werden; die eigentliche Ausfütterung aber bilden Haus- und Rebhühner-, Tauben-, Krähen- und andere Federn. Naumann hebt als merkwürdig hervor, daß man ſelten ein Neſt finde, in dem nicht Rebhühnerfedern verwendet wären. Hühnerfedern ſcheinen überhaupt bevorzugt zu werden: in der Nähe der menſchlichen Wohnungen findet man die Federn von Trut-, Haus- und Perlhühnern, im Walde die von Birkhühnern und Faſanen. Das Gelege, welches Anfangs Mai vollzählig iſt, zählt fünf bis ſieben längliche, glattſchalige, glänzende Eier, welche auf milchweißem Grunde mehr oder weniger gleichmäßig mit hellrothen Flecken beſtreut ſind. Das Männchen löſt ſein Weibchen um die Mittagszeit auf einige Stunden im Brüten ab; den übrigen Theil des Tages gibt ſich dieſes ſo eifrig ſeinen Mutterpflichten hin, daß es ſich faſt mit Händen greifen oder, was öfter vorkommt, bei- nahe ertreten läßt, ehe es wegfliegt. So lange die Eier noch nicht ausgebrütet ſind, fliegt die auf- geſcheuchte Mutter ganz matt und niedrig über dem Boden dahin; ſind aber ſchon Junge im Neſte, dann gebrauchen die Eltern die bekannte Liſt der Verſtellung, ſchreien kläglich und geberden ſich über- aus ängſtlich. Ende Mais ſind die Jungen flügge, Mitte Junis brüten die Alten zum zweitenmale. Alle Laubſänger ſind namentlich mit Hilfe des Nachtigallgärnchens leicht zu berücken. Naumann verſichert, daß man ſie fangen könne, wenn man einen Vogelbauer, in dem ſich irgend ein kleiner, lebendiger Vogel befindet, mit Leimruthen beſteckt, und in der Gegend, in der man die Laubſänger immer ſieht und hört, an einen Baum hängt. Sie kommen dann aus Neugierde oder Eiferſucht herbei und bleiben auf den Leimruthen kleben. Auch Sprenkel und andere Fangwerkzeuge führen zum Ziele. Die Gefangenen werden ſehr bald zahm und zutraulich, zumal wenn man ſie frei im Zimmer umherfliegen laſſen kann. Sie halten ſich immer in der Höhe des Zimmers, nahe der Decke auf, wählen die höchſten Stellen des Geſchränkes zu Ruhepunkten und fangen vonhieraus Fliegen. Einzelne halten ſich jahrelang, viele ſterben aber ſchon in den erſten Tagen ihrer Gefangen- ſchaft, da ſie ſchwer an ein Erſatzfutter gehen. Wenn ſie einmal traurig werden und das Gefieder ſträuben, thut man wohl, ihnen ſofort die Freiheit zu ſchenken; denn ſonſt wird man ſie am nächſten Morgen gewiß als Leiche finden. Jn Südaſien, zumal in den Ländern des Himalaya, leben Laubvögel, welche man unter dem Namen Reguloides von den übrigen getrennt hat. Der Name begründet ſich auf die Anſicht früherer Natur- forſcher, welche dieſe Vögelchen als nahe Verwandte der Goldhähnchen anſahen. Die Laubkönige, wie wir ſie nennen wollen, gehören unzweifelhaft unſerer Familie an und kommen in allen weſent- lichen Stücken mit andern Laubſängern überein. Jhr Schnabel iſt aber verhältnißmäßig kürzer, als der der eigentlichen Laubſänger, der Flügel länger und mehr zugeſpitzt, der Fuß kürzer und ſchwächer. Alle Arten, welche bis jetzt in Jndien beobachtet worden, ſind Gebirgsvögel, wandern jedoch bei Eintritt der kalten Witterung in die Ebenen herab. Wahrſcheinlich geſchieht es gelegentlich dieſer Wanderung, daß ſie ſich über die Grenzen ihres eigentlichen Heimatskreiſes hinaus verfliegen und dann als Jrrlinge in weit entlegenen Ländern erſcheinen. So iſt ein Laubkönig (Reguloides Proregulus) ſchon wieder- holt in Europa und auch in Deutſchland beobachtet und erlegt worden und verdient aus dem Grunde beſonderer Erwähnung.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 860. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/908>, abgerufen am 25.11.2024.