zwischen zwei senkrecht auf- oder ablaufenden Zweigen, welche in dasselbe verflochten werden; es erin- nert also in dieser Hinsicht an die Nester der Schilfsänger. Die Wandungen sind sehr dicht, aber aus verschiedenen Stoffen zusammengefilzt. Einzelne Nester bestehen aus Grashalmen, dickeren und feineren durcheinander, und sind innen kaum mit Distelwolle ausgekleidet; andere sind fast ganz aus letzterer oder aus Baumwolle und aus Schalenstückchen verschiedener Bäume zusammengesetzt. Die Nestmulde hat einen Durchmesser von 2 und eine Tiefe von 11/2 Zoll. Das Gelege besteht aus drei bis fünf rein eiförmigen Eiern, welche auf blaßgrauem oder blaßröthlichen Grunde mit unregel- mäßigen d. h. größeren und kleineren Flecken und Punkten von dunkelbrauner bis schwarzer Farbe gezeichnet sind. Beide Eltern brüten abwechselnd, beide füttern die Brut heran, und beide lieben sie äußerst zärtlich. Ob das Paar mehr als einmal im Sommer brütet oder nur eine Brut macht, lasse ich dahingestellt sein; ich kann blos sagen, daß wir zu Ende Julis die ersten flüggen Jungen beobach- teten, zugleich aber bemerkten, daß die Alten um diese Zeit noch nicht mauserten. Höchst wahrscheinlich ist der Grauspötter in Spanien nur Sommergast; ich vermag jedoch hierüber, und also auch über die Zeit seiner Ankunft und seines Wegzuges etwas Bestimmtes nicht anzugeben.
Mit den Bastardnachtigallen haben die Schilfsänger (Calamodytae) große Aehnlichkeit. Jhre Kennzeichen sind ein sehr schlanker Leib, ein gestreckter, schmaler und flachstirniger Kopf, kurze, abgerundete Flügel, in denen die zweite oder die dritte, auch wohl die zweite und dritte Schwinge die andern überragen, ein mittellanger, ab- oder zugerundeter, stufiger oder keilförmiger Schwanz, ein verschiedenartig gestalteter, bald drosselartig, bald stark pfriemenförmiger Schnabel und starke, mittel- lange Füße mit kräftigen Zehen und großen gekrümmten Nägeln, sowie endlich ein glatt anliegendes, etwas hartes Gefieder. Männchen und Weibchen unterscheiden sich kaum durch die Größe, die Jungen nur wenig von den Alten. Eine graugilbliche oder ölgrüne Färbung, welche den grünen oder dürren Rohr-, Schilf- und Grasblättern entspricht, ist vorherrschend, ein lichter Augenbrauenstreif fast allen Arten gemeinsam.
Die Schilfsänger erscheinen uns als Mittelglieder zwischen den Laubvögeln oder Grasmücken und den Piepern. Sie bilden eine leicht kenntliche Familie, deren Arten sehr mit einander überein- stimmen; demungeachtet wird es zuweilen schwierig, die Mitglieder anderer Familien von ihnen zu trennen. Sie sind in allen Erdtheilen vertreten und vorzugsweise in der alten Welt heimisch. Alle lieben das Wasser oder wenigstens sumpfige, mit höherem Ried und Gras bewachsene Stellen; die meisten aber bethätigen ihren Namen Schilf- oder Rohrsänger, indem sie sich vom Röhricht und Schilf kaum entfernen. Bäume sind der großen Mehrzahl zuwider, Gebüsche aber werden von einigen zeitweilig besucht. Das Gebirge meiden sie aus leicht begreiflichen Ursachen; denn sie verlangen eben ruhige Gewässer, in denen ihre Lieblingspflanzen gedeihen. Da, wo es Röhricht, Schilf oder Ried in hinreichender Menge gibt, sind sie häufig und auch nicht wählerisch hinsichtlich ihres Aufenthalts; denn sie bewohnen Teiche inmitten von Ortschaften, Wallgraben, welche Städte umgeben, und ähnliche Gewässer in unmittelbarer Nähe des Menschen ebensowohl, wie größere Seen, Teiche und Flußufer, welche selten von Menschen besucht werden. Alle Arten leben versteckt, aber alle machen sich trotzdem leicht bemerklich. Sie sind nämlich sämmtlich sehr fleißige Sänger, ja einige von ihnen sogar höchst redselige und schwatzhafte Geschöpfe. Jhr Gesang ist so eigenthümlich, daß man sie daran unter allen Umständen als Das erkennt, was sie sind. Er ist nicht gerade wohllautend, sondern eher auffallend zu nennen, obwohl damit keineswegs gesagt sein soll, daß er unangenehm wäre: -- es gibt im Gegen- theil gar viele Thierfreunde, und ich selbst rechne mich zu ihnen, welche das singende Geschwätz oder schwatzende Singen unserer Vögel recht angenehm finden und sie auch um deswillen sehr gern haben. Die Bewegungen der Rohrsänger sind ebenfalls eigenthümlich. Sie fliegen mit gebreitetem Schwanze, flatternd und unsicher, höchst ungern weit und vermeiden es ängstlich, das sie schützende Rohrdickicht zu
Die Fänger. Singvögel. Schilffänger.
zwiſchen zwei ſenkrecht auf- oder ablaufenden Zweigen, welche in daſſelbe verflochten werden; es erin- nert alſo in dieſer Hinſicht an die Neſter der Schilfſänger. Die Wandungen ſind ſehr dicht, aber aus verſchiedenen Stoffen zuſammengefilzt. Einzelne Neſter beſtehen aus Grashalmen, dickeren und feineren durcheinander, und ſind innen kaum mit Diſtelwolle ausgekleidet; andere ſind faſt ganz aus letzterer oder aus Baumwolle und aus Schalenſtückchen verſchiedener Bäume zuſammengeſetzt. Die Neſtmulde hat einen Durchmeſſer von 2 und eine Tiefe von 1½ Zoll. Das Gelege beſteht aus drei bis fünf rein eiförmigen Eiern, welche auf blaßgrauem oder blaßröthlichen Grunde mit unregel- mäßigen d. h. größeren und kleineren Flecken und Punkten von dunkelbrauner bis ſchwarzer Farbe gezeichnet ſind. Beide Eltern brüten abwechſelnd, beide füttern die Brut heran, und beide lieben ſie äußerſt zärtlich. Ob das Paar mehr als einmal im Sommer brütet oder nur eine Brut macht, laſſe ich dahingeſtellt ſein; ich kann blos ſagen, daß wir zu Ende Julis die erſten flüggen Jungen beobach- teten, zugleich aber bemerkten, daß die Alten um dieſe Zeit noch nicht mauſerten. Höchſt wahrſcheinlich iſt der Grauſpötter in Spanien nur Sommergaſt; ich vermag jedoch hierüber, und alſo auch über die Zeit ſeiner Ankunft und ſeines Wegzuges etwas Beſtimmtes nicht anzugeben.
Mit den Baſtardnachtigallen haben die Schilfſänger (Calamodytae) große Aehnlichkeit. Jhre Kennzeichen ſind ein ſehr ſchlanker Leib, ein geſtreckter, ſchmaler und flachſtirniger Kopf, kurze, abgerundete Flügel, in denen die zweite oder die dritte, auch wohl die zweite und dritte Schwinge die andern überragen, ein mittellanger, ab- oder zugerundeter, ſtufiger oder keilförmiger Schwanz, ein verſchiedenartig geſtalteter, bald droſſelartig, bald ſtark pfriemenförmiger Schnabel und ſtarke, mittel- lange Füße mit kräftigen Zehen und großen gekrümmten Nägeln, ſowie endlich ein glatt anliegendes, etwas hartes Gefieder. Männchen und Weibchen unterſcheiden ſich kaum durch die Größe, die Jungen nur wenig von den Alten. Eine graugilbliche oder ölgrüne Färbung, welche den grünen oder dürren Rohr-, Schilf- und Grasblättern entſpricht, iſt vorherrſchend, ein lichter Augenbrauenſtreif faſt allen Arten gemeinſam.
Die Schilfſänger erſcheinen uns als Mittelglieder zwiſchen den Laubvögeln oder Grasmücken und den Piepern. Sie bilden eine leicht kenntliche Familie, deren Arten ſehr mit einander überein- ſtimmen; demungeachtet wird es zuweilen ſchwierig, die Mitglieder anderer Familien von ihnen zu trennen. Sie ſind in allen Erdtheilen vertreten und vorzugsweiſe in der alten Welt heimiſch. Alle lieben das Waſſer oder wenigſtens ſumpfige, mit höherem Ried und Gras bewachſene Stellen; die meiſten aber bethätigen ihren Namen Schilf- oder Rohrſänger, indem ſie ſich vom Röhricht und Schilf kaum entfernen. Bäume ſind der großen Mehrzahl zuwider, Gebüſche aber werden von einigen zeitweilig beſucht. Das Gebirge meiden ſie aus leicht begreiflichen Urſachen; denn ſie verlangen eben ruhige Gewäſſer, in denen ihre Lieblingspflanzen gedeihen. Da, wo es Röhricht, Schilf oder Ried in hinreichender Menge gibt, ſind ſie häufig und auch nicht wähleriſch hinſichtlich ihres Aufenthalts; denn ſie bewohnen Teiche inmitten von Ortſchaften, Wallgraben, welche Städte umgeben, und ähnliche Gewäſſer in unmittelbarer Nähe des Menſchen ebenſowohl, wie größere Seen, Teiche und Flußufer, welche ſelten von Menſchen beſucht werden. Alle Arten leben verſteckt, aber alle machen ſich trotzdem leicht bemerklich. Sie ſind nämlich ſämmtlich ſehr fleißige Sänger, ja einige von ihnen ſogar höchſt redſelige und ſchwatzhafte Geſchöpfe. Jhr Geſang iſt ſo eigenthümlich, daß man ſie daran unter allen Umſtänden als Das erkennt, was ſie ſind. Er iſt nicht gerade wohllautend, ſondern eher auffallend zu nennen, obwohl damit keineswegs geſagt ſein ſoll, daß er unangenehm wäre: — es gibt im Gegen- theil gar viele Thierfreunde, und ich ſelbſt rechne mich zu ihnen, welche das ſingende Geſchwätz oder ſchwatzende Singen unſerer Vögel recht angenehm finden und ſie auch um deswillen ſehr gern haben. Die Bewegungen der Rohrſänger ſind ebenfalls eigenthümlich. Sie fliegen mit gebreitetem Schwanze, flatternd und unſicher, höchſt ungern weit und vermeiden es ängſtlich, das ſie ſchützende Rohrdickicht zu
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Die Fänger. Singvögel. Schilffänger.
zwiſchen zwei ſenkrecht auf- oder ablaufenden Zweigen, welche in daſſelbe verflochten werden; es erin-
nert alſo in dieſer Hinſicht an die Neſter der Schilfſänger. Die Wandungen ſind ſehr dicht, aber aus
verſchiedenen Stoffen zuſammengefilzt. Einzelne Neſter beſtehen aus Grashalmen, dickeren und
feineren durcheinander, und ſind innen kaum mit Diſtelwolle ausgekleidet; andere ſind faſt ganz aus
letzterer oder aus Baumwolle und aus Schalenſtückchen verſchiedener Bäume zuſammengeſetzt. Die
Neſtmulde hat einen Durchmeſſer von 2 und eine Tiefe von 1½ Zoll. Das Gelege beſteht aus drei
bis fünf rein eiförmigen Eiern, welche auf blaßgrauem oder blaßröthlichen Grunde mit unregel-
mäßigen d. h. größeren und kleineren Flecken und Punkten von dunkelbrauner bis ſchwarzer Farbe
gezeichnet ſind. Beide Eltern brüten abwechſelnd, beide füttern die Brut heran, und beide lieben ſie
äußerſt zärtlich. Ob das Paar mehr als einmal im Sommer brütet oder nur eine Brut macht, laſſe
ich dahingeſtellt ſein; ich kann blos ſagen, daß wir zu Ende Julis die erſten flüggen Jungen beobach-
teten, zugleich aber bemerkten, daß die Alten um dieſe Zeit noch nicht mauſerten. Höchſt wahrſcheinlich
iſt der Grauſpötter in Spanien nur Sommergaſt; ich vermag jedoch hierüber, und alſo auch über die
Zeit ſeiner Ankunft und ſeines Wegzuges etwas Beſtimmtes nicht anzugeben.
Mit den Baſtardnachtigallen haben die Schilfſänger (Calamodytae) große Aehnlichkeit.
Jhre Kennzeichen ſind ein ſehr ſchlanker Leib, ein geſtreckter, ſchmaler und flachſtirniger Kopf, kurze,
abgerundete Flügel, in denen die zweite oder die dritte, auch wohl die zweite und dritte Schwinge die
andern überragen, ein mittellanger, ab- oder zugerundeter, ſtufiger oder keilförmiger Schwanz, ein
verſchiedenartig geſtalteter, bald droſſelartig, bald ſtark pfriemenförmiger Schnabel und ſtarke, mittel-
lange Füße mit kräftigen Zehen und großen gekrümmten Nägeln, ſowie endlich ein glatt anliegendes,
etwas hartes Gefieder. Männchen und Weibchen unterſcheiden ſich kaum durch die Größe, die Jungen
nur wenig von den Alten. Eine graugilbliche oder ölgrüne Färbung, welche den grünen oder dürren
Rohr-, Schilf- und Grasblättern entſpricht, iſt vorherrſchend, ein lichter Augenbrauenſtreif faſt allen
Arten gemeinſam.
Die Schilfſänger erſcheinen uns als Mittelglieder zwiſchen den Laubvögeln oder Grasmücken
und den Piepern. Sie bilden eine leicht kenntliche Familie, deren Arten ſehr mit einander überein-
ſtimmen; demungeachtet wird es zuweilen ſchwierig, die Mitglieder anderer Familien von ihnen zu
trennen. Sie ſind in allen Erdtheilen vertreten und vorzugsweiſe in der alten Welt heimiſch. Alle
lieben das Waſſer oder wenigſtens ſumpfige, mit höherem Ried und Gras bewachſene Stellen; die
meiſten aber bethätigen ihren Namen Schilf- oder Rohrſänger, indem ſie ſich vom Röhricht und
Schilf kaum entfernen. Bäume ſind der großen Mehrzahl zuwider, Gebüſche aber werden von einigen
zeitweilig beſucht. Das Gebirge meiden ſie aus leicht begreiflichen Urſachen; denn ſie verlangen eben
ruhige Gewäſſer, in denen ihre Lieblingspflanzen gedeihen. Da, wo es Röhricht, Schilf oder Ried
in hinreichender Menge gibt, ſind ſie häufig und auch nicht wähleriſch hinſichtlich ihres Aufenthalts;
denn ſie bewohnen Teiche inmitten von Ortſchaften, Wallgraben, welche Städte umgeben, und ähnliche
Gewäſſer in unmittelbarer Nähe des Menſchen ebenſowohl, wie größere Seen, Teiche und Flußufer,
welche ſelten von Menſchen beſucht werden. Alle Arten leben verſteckt, aber alle machen ſich trotzdem
leicht bemerklich. Sie ſind nämlich ſämmtlich ſehr fleißige Sänger, ja einige von ihnen ſogar höchſt
redſelige und ſchwatzhafte Geſchöpfe. Jhr Geſang iſt ſo eigenthümlich, daß man ſie daran unter allen
Umſtänden als Das erkennt, was ſie ſind. Er iſt nicht gerade wohllautend, ſondern eher auffallend
zu nennen, obwohl damit keineswegs geſagt ſein ſoll, daß er unangenehm wäre: — es gibt im Gegen-
theil gar viele Thierfreunde, und ich ſelbſt rechne mich zu ihnen, welche das ſingende Geſchwätz oder
ſchwatzende Singen unſerer Vögel recht angenehm finden und ſie auch um deswillen ſehr gern haben.
Die Bewegungen der Rohrſänger ſind ebenfalls eigenthümlich. Sie fliegen mit gebreitetem Schwanze,
flatternd und unſicher, höchſt ungern weit und vermeiden es ängſtlich, das ſie ſchützende Rohrdickicht zu
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 866. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/914>, abgerufen am 22.11.2024.
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