mit einer Leichtigkeit und Anmuth, wie ein Pieper, wenn er sich verfolgt glaubt, aber mit einer Schnelligkeit, wie man eine Maus laufen zu sehen gewohnt ist. Wenn er Gefahr ahnt, schlüpft er so schnell durch das dichte Gezweig, daß man ihn im Nu aus dem Auge verliert. Beim Gehen trägt er den Leib wagrecht und streckt dabei den Hals etwas vor; er läuft ruckweise und bewegt dazu den Schwanz und den ganzen Hinterleib mehrmals nach einander auf und nieder. Wenn er durch die Zweige hüpft, beugt er die Brust tief; wenn er etwas Verdächtiges bemerkt, zuckt er mit den Flügeln und dem Schwanze; bei großer Angst schnellt er den letzteren ausgebreitet hoch aufwärts und bewegt dabei die hängenden Flügel oft nach einander. Jm ruhigen Forthüpfen ist er wieder ganz Rohrsänger und namentlich dann, wenn er an senkrechten Zweigen und Pflanzenstengeln auf- und absteigt. So ist auch sein Flug dem anderer Rohrsänger sehr ähnlich: er flattert niedrig, aber schnell in gerader Linie fort, gewöhnlich nicht weit, bewegt sich dagegen in größeren und kleineren Bogen scheinbar unsicher und unregelmäßig, aber doch immer rasch und leicht. Bei dem Niedersetzen wirft er sich gleichsam in die Büsche und hüpft und schlüpft dann eifrigst weiter."
Seine Lockstimme ist ein schmatzender oder schnalzender Laut, der Ausdruck des Schreckens ein wiederholtes "Schill", die Versicherung der Zärtlichkeit ein sanftes, kurzes "Jrrels", der Gesang des Männchens ein einziger, einförmiger, sehr langgezogener, zischender Triller oder richtiger ein Schwirren, dem, welches die großen grünen Heuschrecken mit den Flügeln hervorbringen, so täuschend ähnlich, daß blos das Kennerohr den geringen Unterschied, welcher vorhanden ist, wahrnimmt. Nur der Flußrohrsänger schwirrt ähnlich, aber etwas tiefer. Versucht man, den Laut durch Buchstaben auszudrücken, so kann man sagen, daß er wie "Sirrrrr" klinge. "Ganz sonderbar ist es mir vor- gekommen", sagt Naumann, "daß man dieses feine Geschwirr, welches in der Nähe gar nicht stark klingt, so weit hören kann. Ein gutes Ohr vernimmt es an stillen Abenden auf tausend Schritt und weiter noch ganz vernehmlich... Gewöhnlich schwirrt der merkwürdige Sänger seine Triller gegen eine Minute lang in einem Athem weg, ohne einmal abzusetzen; wenn er aber recht eifrig singt, so hält er ohne Unterbrechung oft zwei und eine halbe Minute aus, wie ichs mit der Uhr in der Hand öfters beobachtet habe. Nach einer Unterbrechung von wenigen Sekunden fängt er dann wieder an zu schwirren, und so hört man ihn seine einförmige Musik nicht selten stundenlang fortsetzen... Am Brutplatze schwirrt der Vogel selten am Tage und noch seltener anhaltend. Er fängt hier erst nach Sonnenuntergang ordentlich an, singt immer eifriger, je mehr die Mitternacht naht, bis nach zwölf Uhr, setzt nun eine gute Stunde aus, beginnt wieder und treibt es ebenso eifrig als vor Mitternacht bis zum Aufgang der Sonne. Hat das Weibchen erst Nest und Eier, so singt das Männchen am Tage gar nicht mehr, sondern blos bei mitternächtlicher Stille oder früh, wenn der Morgen kaum zu grauen anfängt. So lange der Schwirl noch keinen festen Wohnsitz erwählt hat, singt er, während er durch die Zweige schlüpft, so daß er sich beim Schlusse seines Trillers oft funfzig Schritt von dem Orte, wo er anfing, entfernt hat. Am Brutplatz hingegen sitzt er häufig stundenlang an einer Stelle oder klettert höchstens an einem Halme in die Höhe oder auf einem Zweig hinaus und wieder zurück."
"Jch habe", bemerkt Naumann nebenbei, "diese Vögel zu allen Stunden des Tages und der Nacht zu belauschen versucht, deshalb ganze Nächte im Walde zugebracht, und kann versichern, daß der merkwürdige Gesang stets einen höchst eigenthümlichen Eindruck auf mein Gemüth machte, sodaß ich stundenlang, nachdem ich den Wald längst im Rücken hatte, immer noch dieses Schwirren zu hören glaubte. Es schien mir aus jedem rauschenden Zweige, an dem ich vorüberging, aus jedem säuselnden Lüftchen entgegen zu kommen."
Ueber die Nahrung brauche ich etwas Besonderes nicht zu sagen: sie entspricht durchaus der anderer Familienverwandten und ändert höchstens in Folge der verschiedenen Oertlichkeit, welche der Schwirl bewohnt, einigermaßen ab.
Das Nest ähnelt, nach Wodzicki, unter denen aller Rohrsänger am meisten den Nestern der Grasmücken. Es ist jedoch höher, dichter gebaut; seine Wandungen sind nicht durchsichtig, und die Mulde ist glatt, mit dürren Würzelchen und Pferdehaaren ausgelegt. Jn den Außenwandungen
Die Fänger. Singvögel. Schilfſänger.
mit einer Leichtigkeit und Anmuth, wie ein Pieper, wenn er ſich verfolgt glaubt, aber mit einer Schnelligkeit, wie man eine Maus laufen zu ſehen gewohnt iſt. Wenn er Gefahr ahnt, ſchlüpft er ſo ſchnell durch das dichte Gezweig, daß man ihn im Nu aus dem Auge verliert. Beim Gehen trägt er den Leib wagrecht und ſtreckt dabei den Hals etwas vor; er läuft ruckweiſe und bewegt dazu den Schwanz und den ganzen Hinterleib mehrmals nach einander auf und nieder. Wenn er durch die Zweige hüpft, beugt er die Bruſt tief; wenn er etwas Verdächtiges bemerkt, zuckt er mit den Flügeln und dem Schwanze; bei großer Angſt ſchnellt er den letzteren ausgebreitet hoch aufwärts und bewegt dabei die hängenden Flügel oft nach einander. Jm ruhigen Forthüpfen iſt er wieder ganz Rohrſänger und namentlich dann, wenn er an ſenkrechten Zweigen und Pflanzenſtengeln auf- und abſteigt. So iſt auch ſein Flug dem anderer Rohrſänger ſehr ähnlich: er flattert niedrig, aber ſchnell in gerader Linie fort, gewöhnlich nicht weit, bewegt ſich dagegen in größeren und kleineren Bogen ſcheinbar unſicher und unregelmäßig, aber doch immer raſch und leicht. Bei dem Niederſetzen wirft er ſich gleichſam in die Büſche und hüpft und ſchlüpft dann eifrigſt weiter.‟
Seine Lockſtimme iſt ein ſchmatzender oder ſchnalzender Laut, der Ausdruck des Schreckens ein wiederholtes „Schill‟, die Verſicherung der Zärtlichkeit ein ſanftes, kurzes „Jrrels‟, der Geſang des Männchens ein einziger, einförmiger, ſehr langgezogener, ziſchender Triller oder richtiger ein Schwirren, dem, welches die großen grünen Heuſchrecken mit den Flügeln hervorbringen, ſo täuſchend ähnlich, daß blos das Kennerohr den geringen Unterſchied, welcher vorhanden iſt, wahrnimmt. Nur der Flußrohrſänger ſchwirrt ähnlich, aber etwas tiefer. Verſucht man, den Laut durch Buchſtaben auszudrücken, ſo kann man ſagen, daß er wie „Sirrrrr‟ klinge. „Ganz ſonderbar iſt es mir vor- gekommen‟, ſagt Naumann, „daß man dieſes feine Geſchwirr, welches in der Nähe gar nicht ſtark klingt, ſo weit hören kann. Ein gutes Ohr vernimmt es an ſtillen Abenden auf tauſend Schritt und weiter noch ganz vernehmlich… Gewöhnlich ſchwirrt der merkwürdige Sänger ſeine Triller gegen eine Minute lang in einem Athem weg, ohne einmal abzuſetzen; wenn er aber recht eifrig ſingt, ſo hält er ohne Unterbrechung oft zwei und eine halbe Minute aus, wie ichs mit der Uhr in der Hand öfters beobachtet habe. Nach einer Unterbrechung von wenigen Sekunden fängt er dann wieder an zu ſchwirren, und ſo hört man ihn ſeine einförmige Muſik nicht ſelten ſtundenlang fortſetzen… Am Brutplatze ſchwirrt der Vogel ſelten am Tage und noch ſeltener anhaltend. Er fängt hier erſt nach Sonnenuntergang ordentlich an, ſingt immer eifriger, je mehr die Mitternacht naht, bis nach zwölf Uhr, ſetzt nun eine gute Stunde aus, beginnt wieder und treibt es ebenſo eifrig als vor Mitternacht bis zum Aufgang der Sonne. Hat das Weibchen erſt Neſt und Eier, ſo ſingt das Männchen am Tage gar nicht mehr, ſondern blos bei mitternächtlicher Stille oder früh, wenn der Morgen kaum zu grauen anfängt. So lange der Schwirl noch keinen feſten Wohnſitz erwählt hat, ſingt er, während er durch die Zweige ſchlüpft, ſo daß er ſich beim Schluſſe ſeines Trillers oft funfzig Schritt von dem Orte, wo er anfing, entfernt hat. Am Brutplatz hingegen ſitzt er häufig ſtundenlang an einer Stelle oder klettert höchſtens an einem Halme in die Höhe oder auf einem Zweig hinaus und wieder zurück.‟
„Jch habe‟, bemerkt Naumann nebenbei, „dieſe Vögel zu allen Stunden des Tages und der Nacht zu belauſchen verſucht, deshalb ganze Nächte im Walde zugebracht, und kann verſichern, daß der merkwürdige Geſang ſtets einen höchſt eigenthümlichen Eindruck auf mein Gemüth machte, ſodaß ich ſtundenlang, nachdem ich den Wald längſt im Rücken hatte, immer noch dieſes Schwirren zu hören glaubte. Es ſchien mir aus jedem rauſchenden Zweige, an dem ich vorüberging, aus jedem ſäuſelnden Lüftchen entgegen zu kommen.‟
Ueber die Nahrung brauche ich etwas Beſonderes nicht zu ſagen: ſie entſpricht durchaus der anderer Familienverwandten und ändert höchſtens in Folge der verſchiedenen Oertlichkeit, welche der Schwirl bewohnt, einigermaßen ab.
Das Neſt ähnelt, nach Wodzicki, unter denen aller Rohrſänger am meiſten den Neſtern der Grasmücken. Es iſt jedoch höher, dichter gebaut; ſeine Wandungen ſind nicht durchſichtig, und die Mulde iſt glatt, mit dürren Würzelchen und Pferdehaaren ausgelegt. Jn den Außenwandungen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0922"n="874"/><fwplace="top"type="header">Die Fänger. Singvögel. Schilfſänger.</fw><lb/>
mit einer Leichtigkeit und Anmuth, wie ein Pieper, wenn er ſich verfolgt glaubt, aber mit einer<lb/>
Schnelligkeit, wie man eine Maus laufen zu ſehen gewohnt iſt. Wenn er Gefahr ahnt, ſchlüpft er ſo<lb/>ſchnell durch das dichte Gezweig, daß man ihn im Nu aus dem Auge verliert. Beim Gehen trägt<lb/>
er den Leib wagrecht und ſtreckt dabei den Hals etwas vor; er läuft ruckweiſe und bewegt dazu den<lb/>
Schwanz und den ganzen Hinterleib mehrmals nach einander auf und nieder. Wenn er durch die<lb/>
Zweige hüpft, beugt er die Bruſt tief; wenn er etwas Verdächtiges bemerkt, zuckt er mit den Flügeln<lb/>
und dem Schwanze; bei großer Angſt ſchnellt er den letzteren ausgebreitet hoch aufwärts und bewegt<lb/>
dabei die hängenden Flügel oft nach einander. Jm ruhigen Forthüpfen iſt er wieder ganz Rohrſänger<lb/>
und namentlich dann, wenn er an ſenkrechten Zweigen und Pflanzenſtengeln auf- und abſteigt. So<lb/>
iſt auch ſein Flug dem anderer Rohrſänger ſehr ähnlich: er flattert niedrig, aber ſchnell in gerader<lb/>
Linie fort, gewöhnlich nicht weit, bewegt ſich dagegen in größeren und kleineren Bogen ſcheinbar<lb/>
unſicher und unregelmäßig, aber doch immer raſch und leicht. Bei dem Niederſetzen wirft er ſich<lb/>
gleichſam in die Büſche und hüpft und ſchlüpft dann eifrigſt weiter.‟</p><lb/><p>Seine Lockſtimme iſt ein ſchmatzender oder ſchnalzender Laut, der Ausdruck des Schreckens ein<lb/>
wiederholtes „Schill‟, die Verſicherung der Zärtlichkeit ein ſanftes, kurzes „Jrrels‟, der Geſang<lb/>
des Männchens ein einziger, einförmiger, ſehr langgezogener, ziſchender Triller oder richtiger ein<lb/>
Schwirren, dem, welches die großen grünen Heuſchrecken mit den Flügeln hervorbringen, ſo täuſchend<lb/>
ähnlich, daß blos das Kennerohr den geringen Unterſchied, welcher vorhanden iſt, wahrnimmt. Nur<lb/>
der Flußrohrſänger ſchwirrt ähnlich, aber etwas tiefer. Verſucht man, den Laut durch Buchſtaben<lb/>
auszudrücken, ſo kann man ſagen, daß er wie „Sirrrrr‟ klinge. „Ganz ſonderbar iſt es mir vor-<lb/>
gekommen‟, ſagt <hirendition="#g">Naumann,</hi>„daß man dieſes feine Geſchwirr, welches in der Nähe gar nicht ſtark<lb/>
klingt, ſo weit hören kann. Ein gutes Ohr vernimmt es an ſtillen Abenden auf tauſend Schritt und<lb/>
weiter noch ganz vernehmlich… Gewöhnlich ſchwirrt der merkwürdige Sänger ſeine Triller gegen<lb/>
eine Minute lang in einem Athem weg, ohne einmal abzuſetzen; wenn er aber recht eifrig ſingt, ſo<lb/>
hält er ohne Unterbrechung oft zwei und eine halbe Minute aus, wie ichs mit der Uhr in der Hand<lb/>
öfters beobachtet habe. Nach einer Unterbrechung von wenigen Sekunden fängt er dann wieder an zu<lb/>ſchwirren, und ſo hört man ihn ſeine einförmige Muſik nicht ſelten ſtundenlang fortſetzen… Am<lb/>
Brutplatze ſchwirrt der Vogel ſelten am Tage und noch ſeltener anhaltend. Er fängt hier erſt nach<lb/>
Sonnenuntergang ordentlich an, ſingt immer eifriger, je mehr die Mitternacht naht, bis nach zwölf<lb/>
Uhr, ſetzt nun eine gute Stunde aus, beginnt wieder und treibt es ebenſo eifrig als vor Mitternacht<lb/>
bis zum Aufgang der Sonne. Hat das Weibchen erſt Neſt und Eier, ſo ſingt das Männchen am Tage<lb/>
gar nicht mehr, ſondern blos bei mitternächtlicher Stille oder früh, wenn der Morgen kaum zu grauen<lb/>
anfängt. So lange der Schwirl noch keinen feſten Wohnſitz erwählt hat, ſingt er, während er durch<lb/>
die Zweige ſchlüpft, ſo daß er ſich beim Schluſſe ſeines Trillers oft funfzig Schritt von dem Orte, wo<lb/>
er anfing, entfernt hat. Am Brutplatz hingegen ſitzt er häufig ſtundenlang an einer Stelle oder klettert<lb/>
höchſtens an einem Halme in die Höhe oder auf einem Zweig hinaus und wieder zurück.‟</p><lb/><p>„Jch habe‟, bemerkt <hirendition="#g">Naumann</hi> nebenbei, „dieſe Vögel zu allen Stunden des Tages und der<lb/>
Nacht zu belauſchen verſucht, deshalb ganze Nächte im Walde zugebracht, und kann verſichern,<lb/>
daß der merkwürdige Geſang ſtets einen höchſt eigenthümlichen Eindruck auf mein Gemüth machte,<lb/>ſodaß ich ſtundenlang, nachdem ich den Wald längſt im Rücken hatte, immer noch dieſes Schwirren zu<lb/>
hören glaubte. Es ſchien mir aus jedem rauſchenden Zweige, an dem ich vorüberging, aus jedem<lb/>ſäuſelnden Lüftchen entgegen zu kommen.‟</p><lb/><p>Ueber die Nahrung brauche ich etwas Beſonderes nicht zu ſagen: ſie entſpricht durchaus der<lb/>
anderer Familienverwandten und ändert höchſtens in Folge der verſchiedenen Oertlichkeit, welche der<lb/>
Schwirl bewohnt, einigermaßen ab.</p><lb/><p>Das Neſt ähnelt, nach <hirendition="#g">Wodzicki,</hi> unter denen aller Rohrſänger am meiſten den Neſtern der<lb/>
Grasmücken. Es iſt jedoch höher, dichter gebaut; ſeine Wandungen ſind nicht durchſichtig, und die<lb/>
Mulde iſt glatt, mit dürren Würzelchen und Pferdehaaren ausgelegt. Jn den Außenwandungen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[874/0922]
Die Fänger. Singvögel. Schilfſänger.
mit einer Leichtigkeit und Anmuth, wie ein Pieper, wenn er ſich verfolgt glaubt, aber mit einer
Schnelligkeit, wie man eine Maus laufen zu ſehen gewohnt iſt. Wenn er Gefahr ahnt, ſchlüpft er ſo
ſchnell durch das dichte Gezweig, daß man ihn im Nu aus dem Auge verliert. Beim Gehen trägt
er den Leib wagrecht und ſtreckt dabei den Hals etwas vor; er läuft ruckweiſe und bewegt dazu den
Schwanz und den ganzen Hinterleib mehrmals nach einander auf und nieder. Wenn er durch die
Zweige hüpft, beugt er die Bruſt tief; wenn er etwas Verdächtiges bemerkt, zuckt er mit den Flügeln
und dem Schwanze; bei großer Angſt ſchnellt er den letzteren ausgebreitet hoch aufwärts und bewegt
dabei die hängenden Flügel oft nach einander. Jm ruhigen Forthüpfen iſt er wieder ganz Rohrſänger
und namentlich dann, wenn er an ſenkrechten Zweigen und Pflanzenſtengeln auf- und abſteigt. So
iſt auch ſein Flug dem anderer Rohrſänger ſehr ähnlich: er flattert niedrig, aber ſchnell in gerader
Linie fort, gewöhnlich nicht weit, bewegt ſich dagegen in größeren und kleineren Bogen ſcheinbar
unſicher und unregelmäßig, aber doch immer raſch und leicht. Bei dem Niederſetzen wirft er ſich
gleichſam in die Büſche und hüpft und ſchlüpft dann eifrigſt weiter.‟
Seine Lockſtimme iſt ein ſchmatzender oder ſchnalzender Laut, der Ausdruck des Schreckens ein
wiederholtes „Schill‟, die Verſicherung der Zärtlichkeit ein ſanftes, kurzes „Jrrels‟, der Geſang
des Männchens ein einziger, einförmiger, ſehr langgezogener, ziſchender Triller oder richtiger ein
Schwirren, dem, welches die großen grünen Heuſchrecken mit den Flügeln hervorbringen, ſo täuſchend
ähnlich, daß blos das Kennerohr den geringen Unterſchied, welcher vorhanden iſt, wahrnimmt. Nur
der Flußrohrſänger ſchwirrt ähnlich, aber etwas tiefer. Verſucht man, den Laut durch Buchſtaben
auszudrücken, ſo kann man ſagen, daß er wie „Sirrrrr‟ klinge. „Ganz ſonderbar iſt es mir vor-
gekommen‟, ſagt Naumann, „daß man dieſes feine Geſchwirr, welches in der Nähe gar nicht ſtark
klingt, ſo weit hören kann. Ein gutes Ohr vernimmt es an ſtillen Abenden auf tauſend Schritt und
weiter noch ganz vernehmlich… Gewöhnlich ſchwirrt der merkwürdige Sänger ſeine Triller gegen
eine Minute lang in einem Athem weg, ohne einmal abzuſetzen; wenn er aber recht eifrig ſingt, ſo
hält er ohne Unterbrechung oft zwei und eine halbe Minute aus, wie ichs mit der Uhr in der Hand
öfters beobachtet habe. Nach einer Unterbrechung von wenigen Sekunden fängt er dann wieder an zu
ſchwirren, und ſo hört man ihn ſeine einförmige Muſik nicht ſelten ſtundenlang fortſetzen… Am
Brutplatze ſchwirrt der Vogel ſelten am Tage und noch ſeltener anhaltend. Er fängt hier erſt nach
Sonnenuntergang ordentlich an, ſingt immer eifriger, je mehr die Mitternacht naht, bis nach zwölf
Uhr, ſetzt nun eine gute Stunde aus, beginnt wieder und treibt es ebenſo eifrig als vor Mitternacht
bis zum Aufgang der Sonne. Hat das Weibchen erſt Neſt und Eier, ſo ſingt das Männchen am Tage
gar nicht mehr, ſondern blos bei mitternächtlicher Stille oder früh, wenn der Morgen kaum zu grauen
anfängt. So lange der Schwirl noch keinen feſten Wohnſitz erwählt hat, ſingt er, während er durch
die Zweige ſchlüpft, ſo daß er ſich beim Schluſſe ſeines Trillers oft funfzig Schritt von dem Orte, wo
er anfing, entfernt hat. Am Brutplatz hingegen ſitzt er häufig ſtundenlang an einer Stelle oder klettert
höchſtens an einem Halme in die Höhe oder auf einem Zweig hinaus und wieder zurück.‟
„Jch habe‟, bemerkt Naumann nebenbei, „dieſe Vögel zu allen Stunden des Tages und der
Nacht zu belauſchen verſucht, deshalb ganze Nächte im Walde zugebracht, und kann verſichern,
daß der merkwürdige Geſang ſtets einen höchſt eigenthümlichen Eindruck auf mein Gemüth machte,
ſodaß ich ſtundenlang, nachdem ich den Wald längſt im Rücken hatte, immer noch dieſes Schwirren zu
hören glaubte. Es ſchien mir aus jedem rauſchenden Zweige, an dem ich vorüberging, aus jedem
ſäuſelnden Lüftchen entgegen zu kommen.‟
Ueber die Nahrung brauche ich etwas Beſonderes nicht zu ſagen: ſie entſpricht durchaus der
anderer Familienverwandten und ändert höchſtens in Folge der verſchiedenen Oertlichkeit, welche der
Schwirl bewohnt, einigermaßen ab.
Das Neſt ähnelt, nach Wodzicki, unter denen aller Rohrſänger am meiſten den Neſtern der
Grasmücken. Es iſt jedoch höher, dichter gebaut; ſeine Wandungen ſind nicht durchſichtig, und die
Mulde iſt glatt, mit dürren Würzelchen und Pferdehaaren ausgelegt. Jn den Außenwandungen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 874. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/922>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.