findet man oft grünes Mos eingewebt. Ueber den Standort läßt sich etwas für alle Fälle Giltiges nicht sagen; denn jedes Pärchen richtet sich nach den Oertlichkeiten, welche es bewohnt. So steht es denn bald auf altem, umgeknickten Schilf oder auf einer Graskufe zwischen Weidenwurzeln, bald auf dem Boden selbst, bald in einem Dornbusch, bald auf einer Wiese in einem Grasbüschel u. s. w., immer außerordentlich versteckt. Es ist ungemein schwer aufzufinden, schwerer als das anderer Vögel, da seine Erbauer mit unglaublicher Mühe die Stoffe zu Fuße herbeischleppen. Die Anzahl der Eier schwankt zwischen drei und sechs; ihre Grundfärbung ist ein mattes Weiß oder lichtes Rosenroth; die Zeichnung besteht aus dunkleren röthlichen und bräunlichen Flecken, welche die ganze Oberfläche bedecken und am dickeren Ende oft ein Kränzchen bilden. Wahrscheinlich brüten beide Eltern abwech- selnd: -- daß beide an der Erziehung der Kinder theilnehmen, wissen wir gewiß. Bei nur einiger- maßen günstiger Witterung macht jedes Pärchen zwei Bruten im Laufe des Sommers, die erste Anfangs Mai, die zweite Ende Junis.
Baldamus hatte das Glück, ein singendes Männchen durch einen Schuß mit dem Blasrohre zu betäuben und es sodann zu fangen. "Jch that den Gefangenen", erzählt dieser Forscher, "in einen Verschlag, in welchem ich eine Anzahl verschiedener Finken halte. Er flog gegen das Fenster und lief mit der Schnelligkeit einer Maus mit erhobenen Flügeln einigemal ungestüm hin und her, nahm aber schon nach wenigen Minuten einen Platz am Fenster hinter dichtem Birkenlaub ein und kehrte zu dem- selben später immer wieder zurück. Zwei seiner Mitgefangenen, männliche Leinzeisige, näherten sich ihm erst furchtsam, dann dreister; er aber wies sie mit weit geöffnetem Schnabel und fächerartig ausgebreitetem Schwanze aus seiner Nähe zurück. Nach einer halben Stunde, während welcher er seinen Platz nicht veränderte, reichte ich ihm, theilweise hinter einer Säule verborgen, einen Mehlwurm, und man denke sich mein Erstannen, als er ihn begierig mir aus der Hand nahm und ihn verschluckte. Jch legte ihm jetzt mehrere auf das Fensterbrett. Er verzehrte sie sofort, vertheidigte sie gegen die lüsternen Zeisige, Leinfinken und Bergfinken und gestattete nicht, daß einer von diesen Vögeln das von ihm erwählte Gebiet betrat. Am andern Morgen hatte er die ihm vorgesetzten zwölf Mehlwürmer bereits zum Frühstück genommen; über Tags verzehrte er gegen dreißig Stück. Jch hatte ein Weinglas mit unge- fähr vierzig bis funfzig Mehlwürmern in die Ecke seines Gebietes gesetzt und war nicht wenig über- rascht, ihn am dritten Tage auf dem leeren Glase sitzen zu finden, offenbar beschwert durch die zu reichliche und leckere Kost. Er fraß nun nicht mehr und starb am andern Morgen in meiner Hand, ohne Zweifel an den Folgen seiner Unmäßigkeit. Aber gewiß ist es auch, daß man den Heuschrecken- sänger ohne sonderliche Mühe futterbändig machen und in passenden Räumlichkeiten, also auch wohl im Käfig erhalten kann. Er wird durch seine unendlich anmuthigen und blitzschnellen, oft auch spaß- haften Bewegungen dem Liebhaber viel Vergnügen gewähren."
Den Schilfsängern ähneln andere Vögel unserer Gruppe, welche wir Buschsänger (Drymoicae) nennen wollen, obgleich diesen Namen keineswegs alle verdienen. Mehrere von den Arten, welche wir zu dieser Familie zu zählen haben, werden von einigen Naturforschern als wirkliche Schilfsänger ange- sehen; die Lebensweise unterscheidet sich aber in mehr als einer Hinsicht so wesentlich von der der Schilfsänger, daß eine Trennung gerechtfertigt erscheint.
Jn Europa leben höchstens zwei Vögel, welche man unserer Familie einverleiben darf; der Kern derselben bewohnt Südasien, Afrika und Australien. Die Familie ist außerordentlich reich an Arten, auch wenn man sie enger begrenzt, als es gewöhnlich zu geschehen pflegt. Wahrscheinlich ist es gerecht- fertigt, einige australische Sänger, welche im wesentlichen dieselben Merkmale zeigen wie andere Buschsänger, nicht diesen beizuzählen, sondern in einer besonderen Familie zu vereinigen. Thut man Dies, so hat man in den Buschsängern eine Gruppe sehr übereinstimmender Vögel vor sich. Fast
Schwirl.
findet man oft grünes Mos eingewebt. Ueber den Standort läßt ſich etwas für alle Fälle Giltiges nicht ſagen; denn jedes Pärchen richtet ſich nach den Oertlichkeiten, welche es bewohnt. So ſteht es denn bald auf altem, umgeknickten Schilf oder auf einer Graskufe zwiſchen Weidenwurzeln, bald auf dem Boden ſelbſt, bald in einem Dornbuſch, bald auf einer Wieſe in einem Grasbüſchel u. ſ. w., immer außerordentlich verſteckt. Es iſt ungemein ſchwer aufzufinden, ſchwerer als das anderer Vögel, da ſeine Erbauer mit unglaublicher Mühe die Stoffe zu Fuße herbeiſchleppen. Die Anzahl der Eier ſchwankt zwiſchen drei und ſechs; ihre Grundfärbung iſt ein mattes Weiß oder lichtes Roſenroth; die Zeichnung beſteht aus dunkleren röthlichen und bräunlichen Flecken, welche die ganze Oberfläche bedecken und am dickeren Ende oft ein Kränzchen bilden. Wahrſcheinlich brüten beide Eltern abwech- ſelnd: — daß beide an der Erziehung der Kinder theilnehmen, wiſſen wir gewiß. Bei nur einiger- maßen günſtiger Witterung macht jedes Pärchen zwei Bruten im Laufe des Sommers, die erſte Anfangs Mai, die zweite Ende Junis.
Baldamus hatte das Glück, ein ſingendes Männchen durch einen Schuß mit dem Blasrohre zu betäuben und es ſodann zu fangen. „Jch that den Gefangenen‟, erzählt dieſer Forſcher, „in einen Verſchlag, in welchem ich eine Anzahl verſchiedener Finken halte. Er flog gegen das Fenſter und lief mit der Schnelligkeit einer Maus mit erhobenen Flügeln einigemal ungeſtüm hin und her, nahm aber ſchon nach wenigen Minuten einen Platz am Fenſter hinter dichtem Birkenlaub ein und kehrte zu dem- ſelben ſpäter immer wieder zurück. Zwei ſeiner Mitgefangenen, männliche Leinzeiſige, näherten ſich ihm erſt furchtſam, dann dreiſter; er aber wies ſie mit weit geöffnetem Schnabel und fächerartig ausgebreitetem Schwanze aus ſeiner Nähe zurück. Nach einer halben Stunde, während welcher er ſeinen Platz nicht veränderte, reichte ich ihm, theilweiſe hinter einer Säule verborgen, einen Mehlwurm, und man denke ſich mein Erſtannen, als er ihn begierig mir aus der Hand nahm und ihn verſchluckte. Jch legte ihm jetzt mehrere auf das Fenſterbrett. Er verzehrte ſie ſofort, vertheidigte ſie gegen die lüſternen Zeiſige, Leinfinken und Bergfinken und geſtattete nicht, daß einer von dieſen Vögeln das von ihm erwählte Gebiet betrat. Am andern Morgen hatte er die ihm vorgeſetzten zwölf Mehlwürmer bereits zum Frühſtück genommen; über Tags verzehrte er gegen dreißig Stück. Jch hatte ein Weinglas mit unge- fähr vierzig bis funfzig Mehlwürmern in die Ecke ſeines Gebietes geſetzt und war nicht wenig über- raſcht, ihn am dritten Tage auf dem leeren Glaſe ſitzen zu finden, offenbar beſchwert durch die zu reichliche und leckere Koſt. Er fraß nun nicht mehr und ſtarb am andern Morgen in meiner Hand, ohne Zweifel an den Folgen ſeiner Unmäßigkeit. Aber gewiß iſt es auch, daß man den Heuſchrecken- ſänger ohne ſonderliche Mühe futterbändig machen und in paſſenden Räumlichkeiten, alſo auch wohl im Käfig erhalten kann. Er wird durch ſeine unendlich anmuthigen und blitzſchnellen, oft auch ſpaß- haften Bewegungen dem Liebhaber viel Vergnügen gewähren.‟
Den Schilfſängern ähneln andere Vögel unſerer Gruppe, welche wir Buſchſänger (Drymoicae) nennen wollen, obgleich dieſen Namen keineswegs alle verdienen. Mehrere von den Arten, welche wir zu dieſer Familie zu zählen haben, werden von einigen Naturforſchern als wirkliche Schilfſänger ange- ſehen; die Lebensweiſe unterſcheidet ſich aber in mehr als einer Hinſicht ſo weſentlich von der der Schilfſänger, daß eine Trennung gerechtfertigt erſcheint.
Jn Europa leben höchſtens zwei Vögel, welche man unſerer Familie einverleiben darf; der Kern derſelben bewohnt Südaſien, Afrika und Auſtralien. Die Familie iſt außerordentlich reich an Arten, auch wenn man ſie enger begrenzt, als es gewöhnlich zu geſchehen pflegt. Wahrſcheinlich iſt es gerecht- fertigt, einige auſtraliſche Sänger, welche im weſentlichen dieſelben Merkmale zeigen wie andere Buſchſänger, nicht dieſen beizuzählen, ſondern in einer beſonderen Familie zu vereinigen. Thut man Dies, ſo hat man in den Buſchſängern eine Gruppe ſehr übereinſtimmender Vögel vor ſich. Faſt
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[875/0923]
Schwirl.
findet man oft grünes Mos eingewebt. Ueber den Standort läßt ſich etwas für alle Fälle Giltiges
nicht ſagen; denn jedes Pärchen richtet ſich nach den Oertlichkeiten, welche es bewohnt. So ſteht es
denn bald auf altem, umgeknickten Schilf oder auf einer Graskufe zwiſchen Weidenwurzeln, bald auf
dem Boden ſelbſt, bald in einem Dornbuſch, bald auf einer Wieſe in einem Grasbüſchel u. ſ. w.,
immer außerordentlich verſteckt. Es iſt ungemein ſchwer aufzufinden, ſchwerer als das anderer Vögel,
da ſeine Erbauer mit unglaublicher Mühe die Stoffe zu Fuße herbeiſchleppen. Die Anzahl der Eier
ſchwankt zwiſchen drei und ſechs; ihre Grundfärbung iſt ein mattes Weiß oder lichtes Roſenroth; die
Zeichnung beſteht aus dunkleren röthlichen und bräunlichen Flecken, welche die ganze Oberfläche
bedecken und am dickeren Ende oft ein Kränzchen bilden. Wahrſcheinlich brüten beide Eltern abwech-
ſelnd: — daß beide an der Erziehung der Kinder theilnehmen, wiſſen wir gewiß. Bei nur einiger-
maßen günſtiger Witterung macht jedes Pärchen zwei Bruten im Laufe des Sommers, die erſte
Anfangs Mai, die zweite Ende Junis.
Baldamus hatte das Glück, ein ſingendes Männchen durch einen Schuß mit dem Blasrohre
zu betäuben und es ſodann zu fangen. „Jch that den Gefangenen‟, erzählt dieſer Forſcher, „in einen
Verſchlag, in welchem ich eine Anzahl verſchiedener Finken halte. Er flog gegen das Fenſter und lief
mit der Schnelligkeit einer Maus mit erhobenen Flügeln einigemal ungeſtüm hin und her, nahm aber
ſchon nach wenigen Minuten einen Platz am Fenſter hinter dichtem Birkenlaub ein und kehrte zu dem-
ſelben ſpäter immer wieder zurück. Zwei ſeiner Mitgefangenen, männliche Leinzeiſige, näherten ſich ihm
erſt furchtſam, dann dreiſter; er aber wies ſie mit weit geöffnetem Schnabel und fächerartig ausgebreitetem
Schwanze aus ſeiner Nähe zurück. Nach einer halben Stunde, während welcher er ſeinen Platz nicht
veränderte, reichte ich ihm, theilweiſe hinter einer Säule verborgen, einen Mehlwurm, und man denke
ſich mein Erſtannen, als er ihn begierig mir aus der Hand nahm und ihn verſchluckte. Jch legte ihm
jetzt mehrere auf das Fenſterbrett. Er verzehrte ſie ſofort, vertheidigte ſie gegen die lüſternen Zeiſige,
Leinfinken und Bergfinken und geſtattete nicht, daß einer von dieſen Vögeln das von ihm erwählte
Gebiet betrat. Am andern Morgen hatte er die ihm vorgeſetzten zwölf Mehlwürmer bereits zum
Frühſtück genommen; über Tags verzehrte er gegen dreißig Stück. Jch hatte ein Weinglas mit unge-
fähr vierzig bis funfzig Mehlwürmern in die Ecke ſeines Gebietes geſetzt und war nicht wenig über-
raſcht, ihn am dritten Tage auf dem leeren Glaſe ſitzen zu finden, offenbar beſchwert durch die zu
reichliche und leckere Koſt. Er fraß nun nicht mehr und ſtarb am andern Morgen in meiner Hand,
ohne Zweifel an den Folgen ſeiner Unmäßigkeit. Aber gewiß iſt es auch, daß man den Heuſchrecken-
ſänger ohne ſonderliche Mühe futterbändig machen und in paſſenden Räumlichkeiten, alſo auch wohl
im Käfig erhalten kann. Er wird durch ſeine unendlich anmuthigen und blitzſchnellen, oft auch ſpaß-
haften Bewegungen dem Liebhaber viel Vergnügen gewähren.‟
Den Schilfſängern ähneln andere Vögel unſerer Gruppe, welche wir Buſchſänger (Drymoicae)
nennen wollen, obgleich dieſen Namen keineswegs alle verdienen. Mehrere von den Arten, welche wir
zu dieſer Familie zu zählen haben, werden von einigen Naturforſchern als wirkliche Schilfſänger ange-
ſehen; die Lebensweiſe unterſcheidet ſich aber in mehr als einer Hinſicht ſo weſentlich von der der
Schilfſänger, daß eine Trennung gerechtfertigt erſcheint.
Jn Europa leben höchſtens zwei Vögel, welche man unſerer Familie einverleiben darf; der Kern
derſelben bewohnt Südaſien, Afrika und Auſtralien. Die Familie iſt außerordentlich reich an Arten,
auch wenn man ſie enger begrenzt, als es gewöhnlich zu geſchehen pflegt. Wahrſcheinlich iſt es gerecht-
fertigt, einige auſtraliſche Sänger, welche im weſentlichen dieſelben Merkmale zeigen wie andere
Buſchſänger, nicht dieſen beizuzählen, ſondern in einer beſonderen Familie zu vereinigen. Thut man
Dies, ſo hat man in den Buſchſängern eine Gruppe ſehr übereinſtimmender Vögel vor ſich. Faſt
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 875. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/923>, abgerufen am 22.11.2024.
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