alle gehören zu den kleinsten unserer Sänger. Die Flügel sind kurz und sehr gerundet; der Schwanz ist verhältnißmäßig schlank, mehr oder weniger abgestuft; die Füße sind mittellang und ziemlich stark; der Schnabel ist mäßig lang, seitlich zusammengedrückt und auf der Firste gewöhnlich sanft gebogen; das Gefieder zeigt in der Regel wenig lebhafte Farben.
Die Buschsänger finden sich ebensowohl in zusammenhängendem niederen Gestrüpp oder im höheren Gebüsch, wie im Ried, in Binsen und in langem Grase. Sie vereinigen die Gewandtheit der Strauch- und Schilfsänger in sich, klettern vortrefflich von Zweig zu Zweig oder auf den Halmen empor, laufen mit Mäusebehendigkeit durch das Halmen- oder Buschdickicht, schlüpfen trotz einem Zaunkönig durch das verschlungenste Pflanzengewirr, fliegen aber fast ohne Ausnahme schlecht, unsicher und wankend, erheben sich deshalb auch nur gezwungen oder in der Liebesbegeisterung über die Spitzen ihrer Lieblingspflanzen und suchen bei Gefahr stets wieder Schutz in der Tiefe. Sie sind munter, bewegungslustig und unruhig, größtentheils auch redselig oder schwatzhaft, aber mit wenigen Aus- nahmen Stümper in der edeln Kunst des Gesanges. Jhre Nahrung besteht aus Kerfen, Würmern, Schnecken und anderem Kleingethier, wie es in ihrem Wohngebiete sich findet. Sie lesen von den Blättern und Zweigen ab, nehmen auch wohl vom Grunde auf, fliegen aber niemals einem vorüber- summenden Kerbthiere nach, aus dem einfachen Grunde, weil dessen Flugfähigkeit in der Regel größer ist, als die ihrige. Unübertroffen sind die Buschsänger in einer Fertigkeit: sie bauen die künstlichsten aller Vogelnester; denn sie verweben die Stoffe nicht blos, sondern sie heften sie zusammen mit eigens vorgerichteten Faden: sie nähen im buchstäblichen Sinne des Worts. Allerdings ist diese Kunstfertig- keit nicht allen Arten eigen, -- viele sind blos Weber und wenige nur Schneider; -- aber fast alle, deren Brutgeschäft uns bekannt geworden ist, sind Künstler im Bau ihrer Nester und diese bewunderungswürdige Kunstwerke.
Der Schneidervogel Europas wird wissenschaftlich Cisticola schoenicla, im Deutschen gewöhnlich Cistensänger genannt, obgleich er kaum jemals im Eistengestrüpp gefunden wird. Ein kurzer, zarter, leicht gebogener Schnabel, langläufige und großzehige Füße, kurze, gerundete Flügel, in denen die vierte Schwinge die längste ist, und ein nur wenig gerundeter, kurzer Schwanz sind die Kennzeichen der Sippe, welche er vertritt. Das Gefieder der alten Vögel ist auf der Oberseite ölbraun und dunkelbraun gefleckt, weil die Mitte der Federn schwarzbraun, der Rand aber rostgelbbraun ist; auf dem Kopfe bilden sich drei schwärzliche und zwei lichtgelbe Längsstreifen; die Nackengegend und der Bürzel sind ungefleckt; ersterer ist bräunlich, letzterer rostbraun; die Kehle und der Unterleib sind rein- weiß, die Brust, die Seiten und unteren Deckfedern des Schwanzes rostgelb; die Schwingen sind grauschwarz, ihre Außenfahne ist rostgelb gesäumt; die mittleren Schwanzfedern sind rostbraun, die übrigen graubräunlich, am Ende weiß gerandet, vor ihm mit einem schwärzlichen herzförmigen Flecken gezeichnet. Das Auge ist bräunlichhellgrau, der Schnabel hornfarben, der Fuß röthlich. Die Jungen unterscheiden sich von den Alten blos durch die etwas lichtere Farbe der Oberseite, sonst aber nicht wesentlich. Die Länge beträgt 41/4, die Breite 61/4, die Fittiglänge 13/4, die Schwanzlänge 11/2 Zoll. Das Weibchen ist um 1/4 Zoll kürzer und fast um 1/2 Zoll schmäler.
Mittel- und Südspanien, Süditalien, Sardinien und Griechenland, aber auch Algier und Jndien sind die Länder, in denen der Cistensänger gefunden wird. Wo er vorkommt, ist er häufig, an vielen Stellen sogar gemein. Er ist Standvogel, nach Hausmann's Erfahrung, welche mit unsern Beobachtungen übereinstimmt, "bis auf die Orte, an denen er geboren wurde und an denen er später brütet". Jn Spanien findet er sich in allen Tiefebenen, welche nur einigermaßen seinen An- forderungen genügen: auf den mit hohem Schilf bestandenen Dämmen der Reisfelder, im Ried, in Mais-, Luzern- und Hanffeldern und an ähnlichen Orten; auf Sardinien lebt er nach Hausmann
Die Fänger. Singvögel. Buſchſänger.
alle gehören zu den kleinſten unſerer Sänger. Die Flügel ſind kurz und ſehr gerundet; der Schwanz iſt verhältnißmäßig ſchlank, mehr oder weniger abgeſtuft; die Füße ſind mittellang und ziemlich ſtark; der Schnabel iſt mäßig lang, ſeitlich zuſammengedrückt und auf der Firſte gewöhnlich ſanft gebogen; das Gefieder zeigt in der Regel wenig lebhafte Farben.
Die Buſchſänger finden ſich ebenſowohl in zuſammenhängendem niederen Geſtrüpp oder im höheren Gebüſch, wie im Ried, in Binſen und in langem Graſe. Sie vereinigen die Gewandtheit der Strauch- und Schilfſänger in ſich, klettern vortrefflich von Zweig zu Zweig oder auf den Halmen empor, laufen mit Mäuſebehendigkeit durch das Halmen- oder Buſchdickicht, ſchlüpfen trotz einem Zaunkönig durch das verſchlungenſte Pflanzengewirr, fliegen aber faſt ohne Ausnahme ſchlecht, unſicher und wankend, erheben ſich deshalb auch nur gezwungen oder in der Liebesbegeiſterung über die Spitzen ihrer Lieblingspflanzen und ſuchen bei Gefahr ſtets wieder Schutz in der Tiefe. Sie ſind munter, bewegungsluſtig und unruhig, größtentheils auch redſelig oder ſchwatzhaft, aber mit wenigen Aus- nahmen Stümper in der edeln Kunſt des Geſanges. Jhre Nahrung beſteht aus Kerfen, Würmern, Schnecken und anderem Kleingethier, wie es in ihrem Wohngebiete ſich findet. Sie leſen von den Blättern und Zweigen ab, nehmen auch wohl vom Grunde auf, fliegen aber niemals einem vorüber- ſummenden Kerbthiere nach, aus dem einfachen Grunde, weil deſſen Flugfähigkeit in der Regel größer iſt, als die ihrige. Unübertroffen ſind die Buſchſänger in einer Fertigkeit: ſie bauen die künſtlichſten aller Vogelneſter; denn ſie verweben die Stoffe nicht blos, ſondern ſie heften ſie zuſammen mit eigens vorgerichteten Faden: ſie nähen im buchſtäblichen Sinne des Worts. Allerdings iſt dieſe Kunſtfertig- keit nicht allen Arten eigen, — viele ſind blos Weber und wenige nur Schneider; — aber faſt alle, deren Brutgeſchäft uns bekannt geworden iſt, ſind Künſtler im Bau ihrer Neſter und dieſe bewunderungswürdige Kunſtwerke.
Der Schneidervogel Europas wird wiſſenſchaftlich Cisticola schoenicla, im Deutſchen gewöhnlich Ciſtenſänger genannt, obgleich er kaum jemals im Eiſtengeſtrüpp gefunden wird. Ein kurzer, zarter, leicht gebogener Schnabel, langläufige und großzehige Füße, kurze, gerundete Flügel, in denen die vierte Schwinge die längſte iſt, und ein nur wenig gerundeter, kurzer Schwanz ſind die Kennzeichen der Sippe, welche er vertritt. Das Gefieder der alten Vögel iſt auf der Oberſeite ölbraun und dunkelbraun gefleckt, weil die Mitte der Federn ſchwarzbraun, der Rand aber roſtgelbbraun iſt; auf dem Kopfe bilden ſich drei ſchwärzliche und zwei lichtgelbe Längsſtreifen; die Nackengegend und der Bürzel ſind ungefleckt; erſterer iſt bräunlich, letzterer roſtbraun; die Kehle und der Unterleib ſind rein- weiß, die Bruſt, die Seiten und unteren Deckfedern des Schwanzes roſtgelb; die Schwingen ſind grauſchwarz, ihre Außenfahne iſt roſtgelb geſäumt; die mittleren Schwanzfedern ſind roſtbraun, die übrigen graubräunlich, am Ende weiß gerandet, vor ihm mit einem ſchwärzlichen herzförmigen Flecken gezeichnet. Das Auge iſt bräunlichhellgrau, der Schnabel hornfarben, der Fuß röthlich. Die Jungen unterſcheiden ſich von den Alten blos durch die etwas lichtere Farbe der Oberſeite, ſonſt aber nicht weſentlich. Die Länge beträgt 4¼, die Breite 6¼, die Fittiglänge 1¾, die Schwanzlänge 1½ Zoll. Das Weibchen iſt um ¼ Zoll kürzer und faſt um ½ Zoll ſchmäler.
Mittel- und Südſpanien, Süditalien, Sardinien und Griechenland, aber auch Algier und Jndien ſind die Länder, in denen der Ciſtenſänger gefunden wird. Wo er vorkommt, iſt er häufig, an vielen Stellen ſogar gemein. Er iſt Standvogel, nach Hausmann’s Erfahrung, welche mit unſern Beobachtungen übereinſtimmt, „bis auf die Orte, an denen er geboren wurde und an denen er ſpäter brütet‟. Jn Spanien findet er ſich in allen Tiefebenen, welche nur einigermaßen ſeinen An- forderungen genügen: auf den mit hohem Schilf beſtandenen Dämmen der Reisfelder, im Ried, in Mais-, Luzern- und Hanffeldern und an ähnlichen Orten; auf Sardinien lebt er nach Hausmann
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[876/0924]
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iſt verhältnißmäßig ſchlank, mehr oder weniger abgeſtuft; die Füße ſind mittellang und ziemlich ſtark;
der Schnabel iſt mäßig lang, ſeitlich zuſammengedrückt und auf der Firſte gewöhnlich ſanft gebogen;
das Gefieder zeigt in der Regel wenig lebhafte Farben.
Die Buſchſänger finden ſich ebenſowohl in zuſammenhängendem niederen Geſtrüpp oder im
höheren Gebüſch, wie im Ried, in Binſen und in langem Graſe. Sie vereinigen die Gewandtheit der
Strauch- und Schilfſänger in ſich, klettern vortrefflich von Zweig zu Zweig oder auf den Halmen
empor, laufen mit Mäuſebehendigkeit durch das Halmen- oder Buſchdickicht, ſchlüpfen trotz einem
Zaunkönig durch das verſchlungenſte Pflanzengewirr, fliegen aber faſt ohne Ausnahme ſchlecht, unſicher
und wankend, erheben ſich deshalb auch nur gezwungen oder in der Liebesbegeiſterung über die Spitzen
ihrer Lieblingspflanzen und ſuchen bei Gefahr ſtets wieder Schutz in der Tiefe. Sie ſind munter,
bewegungsluſtig und unruhig, größtentheils auch redſelig oder ſchwatzhaft, aber mit wenigen Aus-
nahmen Stümper in der edeln Kunſt des Geſanges. Jhre Nahrung beſteht aus Kerfen, Würmern,
Schnecken und anderem Kleingethier, wie es in ihrem Wohngebiete ſich findet. Sie leſen von den
Blättern und Zweigen ab, nehmen auch wohl vom Grunde auf, fliegen aber niemals einem vorüber-
ſummenden Kerbthiere nach, aus dem einfachen Grunde, weil deſſen Flugfähigkeit in der Regel größer
iſt, als die ihrige. Unübertroffen ſind die Buſchſänger in einer Fertigkeit: ſie bauen die künſtlichſten
aller Vogelneſter; denn ſie verweben die Stoffe nicht blos, ſondern ſie heften ſie zuſammen mit eigens
vorgerichteten Faden: ſie nähen im buchſtäblichen Sinne des Worts. Allerdings iſt dieſe Kunſtfertig-
keit nicht allen Arten eigen, — viele ſind blos Weber und wenige nur Schneider; — aber faſt alle,
deren Brutgeſchäft uns bekannt geworden iſt, ſind Künſtler im Bau ihrer Neſter und dieſe
bewunderungswürdige Kunſtwerke.
Der Schneidervogel Europas wird wiſſenſchaftlich Cisticola schoenicla, im Deutſchen gewöhnlich
Ciſtenſänger genannt, obgleich er kaum jemals im Eiſtengeſtrüpp gefunden wird. Ein kurzer,
zarter, leicht gebogener Schnabel, langläufige und großzehige Füße, kurze, gerundete Flügel, in denen
die vierte Schwinge die längſte iſt, und ein nur wenig gerundeter, kurzer Schwanz ſind die Kennzeichen
der Sippe, welche er vertritt. Das Gefieder der alten Vögel iſt auf der Oberſeite ölbraun und
dunkelbraun gefleckt, weil die Mitte der Federn ſchwarzbraun, der Rand aber roſtgelbbraun iſt; auf
dem Kopfe bilden ſich drei ſchwärzliche und zwei lichtgelbe Längsſtreifen; die Nackengegend und der
Bürzel ſind ungefleckt; erſterer iſt bräunlich, letzterer roſtbraun; die Kehle und der Unterleib ſind rein-
weiß, die Bruſt, die Seiten und unteren Deckfedern des Schwanzes roſtgelb; die Schwingen ſind
grauſchwarz, ihre Außenfahne iſt roſtgelb geſäumt; die mittleren Schwanzfedern ſind roſtbraun, die
übrigen graubräunlich, am Ende weiß gerandet, vor ihm mit einem ſchwärzlichen herzförmigen Flecken
gezeichnet. Das Auge iſt bräunlichhellgrau, der Schnabel hornfarben, der Fuß röthlich. Die Jungen
unterſcheiden ſich von den Alten blos durch die etwas lichtere Farbe der Oberſeite, ſonſt aber nicht
weſentlich. Die Länge beträgt 4¼, die Breite 6¼, die Fittiglänge 1¾, die Schwanzlänge 1½ Zoll.
Das Weibchen iſt um ¼ Zoll kürzer und faſt um ½ Zoll ſchmäler.
Mittel- und Südſpanien, Süditalien, Sardinien und Griechenland, aber auch Algier und
Jndien ſind die Länder, in denen der Ciſtenſänger gefunden wird. Wo er vorkommt, iſt er häufig, an
vielen Stellen ſogar gemein. Er iſt Standvogel, nach Hausmann’s Erfahrung, welche mit unſern
Beobachtungen übereinſtimmt, „bis auf die Orte, an denen er geboren wurde und an denen er ſpäter
brütet‟. Jn Spanien findet er ſich in allen Tiefebenen, welche nur einigermaßen ſeinen An-
forderungen genügen: auf den mit hohem Schilf beſtandenen Dämmen der Reisfelder, im Ried, in
Mais-, Luzern- und Hanffeldern und an ähnlichen Orten; auf Sardinien lebt er nach Hausmann
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 876. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/924>, abgerufen am 22.11.2024.
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