Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Straußtaucher. Lund.
meinem luftigen Schauplatze aus darbot; das Ganze hätte man für einen großen, bezauberten, durch
mehrere schmale Gassen in mehrere Gebäude getheilten Palast ansehen mögen, von dessen Dach wir
den größten Theil des Uebrigen zu übersehen hätten. Was den Eindruck davon vollendet, ist die sehr
auffallende Zusammensetzung der senkrecht gethürmten Massen aus gleichgroßen, theils runden, theils
stumpfeckigen Steinblöcken, die bei ihrer Regelmäßigkeit das Ansehen förmlicher Gebäude haben, deren
unteres Stockwerk aus großen, auf ungeheueren Pfeilern ruhenden Gewölben besteht. So erscheinen
hier die weiten, sehr regelmäßig gestalteten Höhlen, welche die Flut allmählich gebildet hat und die
uns hin und wieder sehr malerische Durchgänge zeigten. Tief unter unseren Füßen schimmerten die
schmalen Wassergassen dieser wunderbaren Stadt, so ruhig wie der Spiegel des weiten Meeres rings um
den halben Horizont; aber welch schreckliches Getümmel müßte hier sein, wenn der leiseste Wind sich
erhoben hätte! -- Was indessen der Scene den eigentlichen Stempel des Zauberhaften aufdrückte,
waren die unzähligen Bewohner des Schlosses, die mancherlei so abenteuerlich als manchfach geformten
Vögel, die im vollen Bewußtsein ihres Hausrechts von den unberufenen Besuchern nicht die kleinste
Notiz zu nehmen schienen. Die Leichtigkeit, mit der sie ankamen und sich entfernten, mußte noch
das peinliche Gefühl desjenigen vermehren, der seinen Füßen nicht trauend, jetzt eben das tief unter
ihm liegende Fahrzeug wieder erreichen sollte."

Auf diesen Felseninseln war der Boden überall durchwühlt von den verschiedenen Brutvögeln,
unter denen sich auch einzelne Straußtaucher befanden. Kittlitz hatte viele von ihnen im Meere
schwimmen und tauchen sehen, die meisten paarweise oder zu dreien, traf sie dann auch auf den
Bergen an, fand aber zu seinem Bedauern die meisten Nester bereits ausgeraubt. Nur zwei enthielten
noch Eier und aus einem wurde vermittels eines Hakens auch der brütende Vogel hervorgezogen.
Jedes Pärchen legt zwei ansehnlich große, längliche, von Farbe roströthlichweiße, überall rostbraun
marmorirte und bespritzte Eier ohne alle Unterlage in die Röhre.



Alken (Alcae) werden diejenigen Flügeltaucher genannt, deren Schnabel sehr hoch und schmal,
weil seitlich ungemein zusammengedrückt und vorn mehrfach gefurcht ist. Die übrigen Merkmale
stimmen mit denen der bereits beschriebenen Flügeltaucher überein. Der Flügel ist sehr klein und
spitzig, der Schwanz, welcher aus zwölf bis sechszehn Federn gebildet wird, ungemein kurz. Alle
Arten der Familie bewohnen ebenfalls den Norden unserer Erde und sind hier Sand- oder Strich-
vögel. Jhre Lebensweise werden uns die nachstehend zu beschreibenden Arten zur Genüge kennen
lehren.

Einer der merkwürdigsten Vögel des Meeres ist der Lund oder Wasserscherschnabel, die
Buttelstampfe oder Pflugscharnase, der Goldkopf, das Brüderchen, die Polarente und
wie er sonst noch genannt wird (Mormon fratercula), Vertreter der Sippe der Larventaucher,
ein mittelgroßer, kurzhälsiger und dickköpfiger Vogel mit sehr auffallend gestaltetem Schnabel. Dieser
hat, von der Seite gesehen, eine dreieckige Gestalt, ist an der Wurzel höher als an Stirne und Kinn,
seitlich außerordentlich zusammengedrückt, hinten mit einer wulstigen Haut, welche sich auch am
Mundwinkel fortsetzt, umgeben, vorn mehrfach gefurcht, nicht besonders spitzig, aber sehr scharfkantig,
mit dem keines anderen Vogels zu vergleichen. Am dreizehigen Fuße, welcher ziemlich große
Schwimmhäute besitzt, fallen die großen, seitlich gebogenen Nägel auf. Der Flügel ist klein, schmal,
hinten mit abgerundeten, kurzen Spitzen, der sechszehnfederige Schwanz sehr kurz, das Kleingefieder
oben dicht, derb und glatt anliegend, unten länger und pelzartig, überall zerschlissen. Beachtenswerth
erscheint auch noch die Umgebung des Auges, an dessen nacktem Lid sich unten eine knorpelartige,
längliche, wagerecht stehende, oben eine dreieckige, senkrecht stehende Schwiele anschließt. Der Ober-

Straußtaucher. Lund.
meinem luftigen Schauplatze aus darbot; das Ganze hätte man für einen großen, bezauberten, durch
mehrere ſchmale Gaſſen in mehrere Gebäude getheilten Palaſt anſehen mögen, von deſſen Dach wir
den größten Theil des Uebrigen zu überſehen hätten. Was den Eindruck davon vollendet, iſt die ſehr
auffallende Zuſammenſetzung der ſenkrecht gethürmten Maſſen aus gleichgroßen, theils runden, theils
ſtumpfeckigen Steinblöcken, die bei ihrer Regelmäßigkeit das Anſehen förmlicher Gebäude haben, deren
unteres Stockwerk aus großen, auf ungeheueren Pfeilern ruhenden Gewölben beſteht. So erſcheinen
hier die weiten, ſehr regelmäßig geſtalteten Höhlen, welche die Flut allmählich gebildet hat und die
uns hin und wieder ſehr maleriſche Durchgänge zeigten. Tief unter unſeren Füßen ſchimmerten die
ſchmalen Waſſergaſſen dieſer wunderbaren Stadt, ſo ruhig wie der Spiegel des weiten Meeres rings um
den halben Horizont; aber welch ſchreckliches Getümmel müßte hier ſein, wenn der leiſeſte Wind ſich
erhoben hätte! — Was indeſſen der Scene den eigentlichen Stempel des Zauberhaften aufdrückte,
waren die unzähligen Bewohner des Schloſſes, die mancherlei ſo abenteuerlich als manchfach geformten
Vögel, die im vollen Bewußtſein ihres Hausrechts von den unberufenen Beſuchern nicht die kleinſte
Notiz zu nehmen ſchienen. Die Leichtigkeit, mit der ſie ankamen und ſich entfernten, mußte noch
das peinliche Gefühl desjenigen vermehren, der ſeinen Füßen nicht trauend, jetzt eben das tief unter
ihm liegende Fahrzeug wieder erreichen ſollte.“

Auf dieſen Felſeninſeln war der Boden überall durchwühlt von den verſchiedenen Brutvögeln,
unter denen ſich auch einzelne Straußtaucher befanden. Kittlitz hatte viele von ihnen im Meere
ſchwimmen und tauchen ſehen, die meiſten paarweiſe oder zu dreien, traf ſie dann auch auf den
Bergen an, fand aber zu ſeinem Bedauern die meiſten Neſter bereits ausgeraubt. Nur zwei enthielten
noch Eier und aus einem wurde vermittels eines Hakens auch der brütende Vogel hervorgezogen.
Jedes Pärchen legt zwei anſehnlich große, längliche, von Farbe roſtröthlichweiße, überall roſtbraun
marmorirte und beſpritzte Eier ohne alle Unterlage in die Röhre.



Alken (Alcae) werden diejenigen Flügeltaucher genannt, deren Schnabel ſehr hoch und ſchmal,
weil ſeitlich ungemein zuſammengedrückt und vorn mehrfach gefurcht iſt. Die übrigen Merkmale
ſtimmen mit denen der bereits beſchriebenen Flügeltaucher überein. Der Flügel iſt ſehr klein und
ſpitzig, der Schwanz, welcher aus zwölf bis ſechszehn Federn gebildet wird, ungemein kurz. Alle
Arten der Familie bewohnen ebenfalls den Norden unſerer Erde und ſind hier Sand- oder Strich-
vögel. Jhre Lebensweiſe werden uns die nachſtehend zu beſchreibenden Arten zur Genüge kennen
lehren.

Einer der merkwürdigſten Vögel des Meeres iſt der Lund oder Waſſerſcherſchnabel, die
Buttelſtampfe oder Pflugſcharnaſe, der Goldkopf, das Brüderchen, die Polarente und
wie er ſonſt noch genannt wird (Mormon fratercula), Vertreter der Sippe der Larventaucher,
ein mittelgroßer, kurzhälſiger und dickköpfiger Vogel mit ſehr auffallend geſtaltetem Schnabel. Dieſer
hat, von der Seite geſehen, eine dreieckige Geſtalt, iſt an der Wurzel höher als an Stirne und Kinn,
ſeitlich außerordentlich zuſammengedrückt, hinten mit einer wulſtigen Haut, welche ſich auch am
Mundwinkel fortſetzt, umgeben, vorn mehrfach gefurcht, nicht beſonders ſpitzig, aber ſehr ſcharfkantig,
mit dem keines anderen Vogels zu vergleichen. Am dreizehigen Fuße, welcher ziemlich große
Schwimmhäute beſitzt, fallen die großen, ſeitlich gebogenen Nägel auf. Der Flügel iſt klein, ſchmal,
hinten mit abgerundeten, kurzen Spitzen, der ſechszehnfederige Schwanz ſehr kurz, das Kleingefieder
oben dicht, derb und glatt anliegend, unten länger und pelzartig, überall zerſchliſſen. Beachtenswerth
erſcheint auch noch die Umgebung des Auges, an deſſen nacktem Lid ſich unten eine knorpelartige,
längliche, wagerecht ſtehende, oben eine dreieckige, ſenkrecht ſtehende Schwiele anſchließt. Der Ober-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1009" n="957"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Straußtaucher. Lund.</hi></fw><lb/>
meinem luftigen Schauplatze aus darbot; das Ganze hätte man für einen großen, bezauberten, durch<lb/>
mehrere &#x017F;chmale Ga&#x017F;&#x017F;en in mehrere Gebäude getheilten Pala&#x017F;t an&#x017F;ehen mögen, von de&#x017F;&#x017F;en Dach wir<lb/>
den größten Theil des Uebrigen zu über&#x017F;ehen hätten. Was den Eindruck davon vollendet, i&#x017F;t die &#x017F;ehr<lb/>
auffallende Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung der &#x017F;enkrecht gethürmten Ma&#x017F;&#x017F;en aus gleichgroßen, theils runden, theils<lb/>
&#x017F;tumpfeckigen Steinblöcken, die bei ihrer Regelmäßigkeit das An&#x017F;ehen förmlicher Gebäude haben, deren<lb/>
unteres Stockwerk aus großen, auf ungeheueren Pfeilern ruhenden Gewölben be&#x017F;teht. So er&#x017F;cheinen<lb/>
hier die weiten, &#x017F;ehr regelmäßig ge&#x017F;talteten Höhlen, welche die Flut allmählich gebildet hat und die<lb/>
uns hin und wieder &#x017F;ehr maleri&#x017F;che Durchgänge zeigten. Tief unter un&#x017F;eren Füßen &#x017F;chimmerten die<lb/>
&#x017F;chmalen Wa&#x017F;&#x017F;erga&#x017F;&#x017F;en die&#x017F;er wunderbaren Stadt, &#x017F;o ruhig wie der Spiegel des weiten Meeres rings um<lb/>
den halben Horizont; aber welch &#x017F;chreckliches Getümmel müßte hier &#x017F;ein, wenn der lei&#x017F;e&#x017F;te Wind &#x017F;ich<lb/>
erhoben hätte! &#x2014; Was inde&#x017F;&#x017F;en der Scene den eigentlichen Stempel des Zauberhaften aufdrückte,<lb/>
waren die unzähligen Bewohner des Schlo&#x017F;&#x017F;es, die mancherlei &#x017F;o abenteuerlich als manchfach geformten<lb/>
Vögel, die im vollen Bewußt&#x017F;ein ihres Hausrechts von den unberufenen Be&#x017F;uchern nicht die klein&#x017F;te<lb/>
Notiz zu nehmen &#x017F;chienen. Die Leichtigkeit, mit der &#x017F;ie ankamen und &#x017F;ich entfernten, mußte noch<lb/>
das peinliche Gefühl desjenigen vermehren, der &#x017F;einen Füßen nicht trauend, jetzt eben das tief unter<lb/>
ihm liegende Fahrzeug wieder erreichen &#x017F;ollte.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Auf die&#x017F;en Fel&#x017F;enin&#x017F;eln war der Boden überall durchwühlt von den ver&#x017F;chiedenen Brutvögeln,<lb/>
unter denen &#x017F;ich auch einzelne Straußtaucher befanden. <hi rendition="#g">Kittlitz</hi> hatte viele von ihnen im Meere<lb/>
&#x017F;chwimmen und tauchen &#x017F;ehen, die mei&#x017F;ten paarwei&#x017F;e oder zu dreien, traf &#x017F;ie dann auch auf den<lb/>
Bergen an, fand aber zu &#x017F;einem Bedauern die mei&#x017F;ten Ne&#x017F;ter bereits ausgeraubt. Nur zwei enthielten<lb/>
noch Eier und aus einem wurde vermittels eines Hakens auch der brütende Vogel hervorgezogen.<lb/>
Jedes Pärchen legt zwei an&#x017F;ehnlich große, längliche, von Farbe ro&#x017F;tröthlichweiße, überall ro&#x017F;tbraun<lb/>
marmorirte und be&#x017F;pritzte Eier ohne alle Unterlage in die Röhre.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Alken</hi><hi rendition="#aq">(Alcae)</hi> werden diejenigen Flügeltaucher genannt, deren Schnabel &#x017F;ehr hoch und &#x017F;chmal,<lb/>
weil &#x017F;eitlich ungemein zu&#x017F;ammengedrückt und vorn mehrfach gefurcht i&#x017F;t. Die übrigen Merkmale<lb/>
&#x017F;timmen mit denen der bereits be&#x017F;chriebenen Flügeltaucher überein. Der Flügel i&#x017F;t &#x017F;ehr klein und<lb/>
&#x017F;pitzig, der Schwanz, welcher aus zwölf bis &#x017F;echszehn Federn gebildet wird, ungemein kurz. Alle<lb/>
Arten der Familie bewohnen ebenfalls den Norden un&#x017F;erer Erde und &#x017F;ind hier Sand- oder Strich-<lb/>
vögel. Jhre Lebenswei&#x017F;e werden uns die nach&#x017F;tehend zu be&#x017F;chreibenden Arten zur Genüge kennen<lb/>
lehren.</p><lb/>
          <p>Einer der merkwürdig&#x017F;ten Vögel des Meeres i&#x017F;t der <hi rendition="#g">Lund</hi> oder <hi rendition="#g">Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;cher&#x017F;chnabel,</hi> die<lb/><hi rendition="#g">Buttel&#x017F;tampfe</hi> oder <hi rendition="#g">Pflug&#x017F;charna&#x017F;e,</hi> der <hi rendition="#g">Goldkopf,</hi> das <hi rendition="#g">Brüderchen,</hi> die <hi rendition="#g">Polarente</hi> und<lb/>
wie er &#x017F;on&#x017F;t noch genannt wird <hi rendition="#aq">(Mormon fratercula)</hi>, Vertreter der Sippe der <hi rendition="#g">Larventaucher,</hi><lb/>
ein mittelgroßer, kurzhäl&#x017F;iger und dickköpfiger Vogel mit &#x017F;ehr auffallend ge&#x017F;taltetem Schnabel. Die&#x017F;er<lb/>
hat, von der Seite ge&#x017F;ehen, eine dreieckige Ge&#x017F;talt, i&#x017F;t an der Wurzel höher als an Stirne und Kinn,<lb/>
&#x017F;eitlich außerordentlich zu&#x017F;ammengedrückt, hinten mit einer wul&#x017F;tigen Haut, welche &#x017F;ich auch am<lb/>
Mundwinkel fort&#x017F;etzt, umgeben, vorn mehrfach gefurcht, nicht be&#x017F;onders &#x017F;pitzig, aber &#x017F;ehr &#x017F;charfkantig,<lb/>
mit dem keines anderen Vogels zu vergleichen. Am dreizehigen Fuße, welcher ziemlich große<lb/>
Schwimmhäute be&#x017F;itzt, fallen die großen, &#x017F;eitlich gebogenen Nägel auf. Der Flügel i&#x017F;t klein, &#x017F;chmal,<lb/>
hinten mit abgerundeten, kurzen Spitzen, der &#x017F;echszehnfederige Schwanz &#x017F;ehr kurz, das Kleingefieder<lb/>
oben dicht, derb und glatt anliegend, unten länger und pelzartig, überall zer&#x017F;chli&#x017F;&#x017F;en. Beachtenswerth<lb/>
er&#x017F;cheint auch noch die Umgebung des Auges, an de&#x017F;&#x017F;en nacktem Lid &#x017F;ich unten eine knorpelartige,<lb/>
längliche, wagerecht &#x017F;tehende, oben eine dreieckige, &#x017F;enkrecht &#x017F;tehende Schwiele an&#x017F;chließt. Der Ober-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[957/1009] Straußtaucher. Lund. meinem luftigen Schauplatze aus darbot; das Ganze hätte man für einen großen, bezauberten, durch mehrere ſchmale Gaſſen in mehrere Gebäude getheilten Palaſt anſehen mögen, von deſſen Dach wir den größten Theil des Uebrigen zu überſehen hätten. Was den Eindruck davon vollendet, iſt die ſehr auffallende Zuſammenſetzung der ſenkrecht gethürmten Maſſen aus gleichgroßen, theils runden, theils ſtumpfeckigen Steinblöcken, die bei ihrer Regelmäßigkeit das Anſehen förmlicher Gebäude haben, deren unteres Stockwerk aus großen, auf ungeheueren Pfeilern ruhenden Gewölben beſteht. So erſcheinen hier die weiten, ſehr regelmäßig geſtalteten Höhlen, welche die Flut allmählich gebildet hat und die uns hin und wieder ſehr maleriſche Durchgänge zeigten. Tief unter unſeren Füßen ſchimmerten die ſchmalen Waſſergaſſen dieſer wunderbaren Stadt, ſo ruhig wie der Spiegel des weiten Meeres rings um den halben Horizont; aber welch ſchreckliches Getümmel müßte hier ſein, wenn der leiſeſte Wind ſich erhoben hätte! — Was indeſſen der Scene den eigentlichen Stempel des Zauberhaften aufdrückte, waren die unzähligen Bewohner des Schloſſes, die mancherlei ſo abenteuerlich als manchfach geformten Vögel, die im vollen Bewußtſein ihres Hausrechts von den unberufenen Beſuchern nicht die kleinſte Notiz zu nehmen ſchienen. Die Leichtigkeit, mit der ſie ankamen und ſich entfernten, mußte noch das peinliche Gefühl desjenigen vermehren, der ſeinen Füßen nicht trauend, jetzt eben das tief unter ihm liegende Fahrzeug wieder erreichen ſollte.“ Auf dieſen Felſeninſeln war der Boden überall durchwühlt von den verſchiedenen Brutvögeln, unter denen ſich auch einzelne Straußtaucher befanden. Kittlitz hatte viele von ihnen im Meere ſchwimmen und tauchen ſehen, die meiſten paarweiſe oder zu dreien, traf ſie dann auch auf den Bergen an, fand aber zu ſeinem Bedauern die meiſten Neſter bereits ausgeraubt. Nur zwei enthielten noch Eier und aus einem wurde vermittels eines Hakens auch der brütende Vogel hervorgezogen. Jedes Pärchen legt zwei anſehnlich große, längliche, von Farbe roſtröthlichweiße, überall roſtbraun marmorirte und beſpritzte Eier ohne alle Unterlage in die Röhre. Alken (Alcae) werden diejenigen Flügeltaucher genannt, deren Schnabel ſehr hoch und ſchmal, weil ſeitlich ungemein zuſammengedrückt und vorn mehrfach gefurcht iſt. Die übrigen Merkmale ſtimmen mit denen der bereits beſchriebenen Flügeltaucher überein. Der Flügel iſt ſehr klein und ſpitzig, der Schwanz, welcher aus zwölf bis ſechszehn Federn gebildet wird, ungemein kurz. Alle Arten der Familie bewohnen ebenfalls den Norden unſerer Erde und ſind hier Sand- oder Strich- vögel. Jhre Lebensweiſe werden uns die nachſtehend zu beſchreibenden Arten zur Genüge kennen lehren. Einer der merkwürdigſten Vögel des Meeres iſt der Lund oder Waſſerſcherſchnabel, die Buttelſtampfe oder Pflugſcharnaſe, der Goldkopf, das Brüderchen, die Polarente und wie er ſonſt noch genannt wird (Mormon fratercula), Vertreter der Sippe der Larventaucher, ein mittelgroßer, kurzhälſiger und dickköpfiger Vogel mit ſehr auffallend geſtaltetem Schnabel. Dieſer hat, von der Seite geſehen, eine dreieckige Geſtalt, iſt an der Wurzel höher als an Stirne und Kinn, ſeitlich außerordentlich zuſammengedrückt, hinten mit einer wulſtigen Haut, welche ſich auch am Mundwinkel fortſetzt, umgeben, vorn mehrfach gefurcht, nicht beſonders ſpitzig, aber ſehr ſcharfkantig, mit dem keines anderen Vogels zu vergleichen. Am dreizehigen Fuße, welcher ziemlich große Schwimmhäute beſitzt, fallen die großen, ſeitlich gebogenen Nägel auf. Der Flügel iſt klein, ſchmal, hinten mit abgerundeten, kurzen Spitzen, der ſechszehnfederige Schwanz ſehr kurz, das Kleingefieder oben dicht, derb und glatt anliegend, unten länger und pelzartig, überall zerſchliſſen. Beachtenswerth erſcheint auch noch die Umgebung des Auges, an deſſen nacktem Lid ſich unten eine knorpelartige, längliche, wagerecht ſtehende, oben eine dreieckige, ſenkrecht ſtehende Schwiele anſchließt. Der Ober-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/1009
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 957. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/1009>, abgerufen am 22.11.2024.