Entwicklung des Eies. Mauser. Alter. Tägliches Leben.
die Federn durch längeren Gebrauch, durch Einwirkung von Licht, Staub, Nässe etc. mehr oder weniger unbrauchbar geworden sind, in der Regel nach beendigtem Brutgeschäft, welches die Federn besonders mitnimmt, vielleicht in Folge des sieberhaften Zustandes, in dem sich der brütende Vogel befindet. Dieser Federwechsel beginnt an verschiedenen Stellen des Körpers, insofern aber immer gleichmäßig, als er stets die entsprechenden Federn einer Körperhälfte betrifft. Bei vielen Vögeln werden bei einer Mauser nur die kleinen Körperfedern ersetzt und bei der zweiten erst die Schwung- und Steuerfedern mit; bei anderen bedarf der Ersatz der letzteren einen Zeitraum von mehreren Jahren, da immer nur zwei gleichzeitig neugebildet werden, während bei anderen die Mauserung dieses Theiles des Gefieders so rasch stattfindet, daß sie flugunfähig werden u. s. w. Solange der Vogel gesund ist, verleiht ihm jede neue Mauser neue Schönheit, und diese nimmt mit dem Alter zu, nicht ab, wie bei anderen Thieren. Wird die Mauser unterbrochen, so erkrankt der Vogel; denn der Neuersatz seiner Federn ist ihm für sein Leben unbedingt nothwendig.
Das bezügliche Alter, welches ein Vogel erreichen kann, steht mit der Größe, vielleicht auch mit der Jugendzeit einigermaßen im Einklange. Jm allgemeinen läßt sich behaupten, daß der Vogel ein sehr hohes Alter erreicht. Kanarienvögel leben bei guter Pflege ungefähr ebensolange wie Haus- hunde, zwölf, funfzehn, achtzehn Jahre, im Freien, wenn nicht ein gewaltsamer Tod ihnen ein Ende macht, wohl noch viel länger; Adler haben über hundert Jahre in der Gefangenschaft ausgehalten, Papageien mehrere Menschenalter erlebt. Krankheiten sind selten unter den Vögeln; die meisten wohl enden zwischen den Zähnen oder Klauen eines Raubthieres, die wehrhaften an allgemeiner Ent- kräftung und Schwäche. Doch hat man auch Seuchen beobachtet, welche viele Vögel einer Art rasch nach einander hinrafften, und ebenso weiß man von Haus- und Stubenvögeln, daß es gewisse Krank- heiten unter ihnen gibt, welche in der Regel mit dem Tode endigen. Jm Freien findet man selten eine Vogelleiche, im allerseltensten Falle die eines größeren Mitgliedes der Klasse, vorausgesetzt, daß der Tod ein sogenannter natürlicher war. Von vielen wissen wir nicht, wo und wie sie sterben. Das Meer wirft zuweilen die Leichen seiner Kinder an den Strand; unter den Schlafplätzen anderer sieht man auch wohl einen todten Vogel liegen: die Leichen der übrigen verschwinden, als ob sie die Natur selbst begrabe.
"Kein anderes Geschöpf versteht", so habe ich in dem "Leben der Vögel" gesagt, "soviel zu leben, wie der Vogel lebt, kein anderes Geschöpf weiß so ausgezeichnet hauszuhalten mit seiner Zeit wie er. Jhm ist der längste Tag kaum lang, die kürzeste Nacht kaum kurz genug; seine beständige Regsamkeit gestattet ihm nicht, die Hälfte seines Lebens zu verträumen und zu verschlafen: er will wach, munter, fröhlich die Zeit durchmessen, welche ihm gegönnt ist."
Alle Vögel erwachen früh aus dem kurzen Schlafe der Nacht. Die meisten sind rege, noch ehe das Morgenroth den Himmel säumt. Jn den Ländern jenseits des Polarkreises bemerkt man an ihnen kaum, daß sie einen Unterschied machen zwischen den Stunden des Tages und denen der Nacht. Jch habe den Kukuk noch in der zwölften Abendstunde und bereits in der ersten Morgenstunde wieder rufen hören und während des ganzen dazwischen liegenden Tages in Thätigkeit gesehen. Wer bei uns im Hochsommer früh in den Wald geht, vernimmt schon mit dem ersten Grauen der Dämmerung die Stimmen der Vögel und dieselben ebenso noch nach Sonnenuntergang. Eine kurze Zeit in der Nacht, einige Minuten dann und wann übertages scheinen ihnen zum Schlafen zu genügen. Unsere Hühner setzen sich zwar schon vor Sonnenuntergang zur Nachtruhe auf, schlafen jedoch noch nicht und beweisen durch ihren Weckruf am Morgen, daß kaum drei Stunden erforderlich waren, um sie für die lange Tagesarbeit zu stärken. Aehnlich ist es bei den meisten; nur die größeren Raub- vögel und insbesondere die Geier scheinen hiervon eine Ausnahme zu machen.
Entwicklung des Eies. Mauſer. Alter. Tägliches Leben.
die Federn durch längeren Gebrauch, durch Einwirkung von Licht, Staub, Näſſe ꝛc. mehr oder weniger unbrauchbar geworden ſind, in der Regel nach beendigtem Brutgeſchäft, welches die Federn beſonders mitnimmt, vielleicht in Folge des ſieberhaften Zuſtandes, in dem ſich der brütende Vogel befindet. Dieſer Federwechſel beginnt an verſchiedenen Stellen des Körpers, inſofern aber immer gleichmäßig, als er ſtets die entſprechenden Federn einer Körperhälfte betrifft. Bei vielen Vögeln werden bei einer Mauſer nur die kleinen Körperfedern erſetzt und bei der zweiten erſt die Schwung- und Steuerfedern mit; bei anderen bedarf der Erſatz der letzteren einen Zeitraum von mehreren Jahren, da immer nur zwei gleichzeitig neugebildet werden, während bei anderen die Mauſerung dieſes Theiles des Gefieders ſo raſch ſtattfindet, daß ſie flugunfähig werden u. ſ. w. Solange der Vogel geſund iſt, verleiht ihm jede neue Mauſer neue Schönheit, und dieſe nimmt mit dem Alter zu, nicht ab, wie bei anderen Thieren. Wird die Mauſer unterbrochen, ſo erkrankt der Vogel; denn der Neuerſatz ſeiner Federn iſt ihm für ſein Leben unbedingt nothwendig.
Das bezügliche Alter, welches ein Vogel erreichen kann, ſteht mit der Größe, vielleicht auch mit der Jugendzeit einigermaßen im Einklange. Jm allgemeinen läßt ſich behaupten, daß der Vogel ein ſehr hohes Alter erreicht. Kanarienvögel leben bei guter Pflege ungefähr ebenſolange wie Haus- hunde, zwölf, funfzehn, achtzehn Jahre, im Freien, wenn nicht ein gewaltſamer Tod ihnen ein Ende macht, wohl noch viel länger; Adler haben über hundert Jahre in der Gefangenſchaft ausgehalten, Papageien mehrere Menſchenalter erlebt. Krankheiten ſind ſelten unter den Vögeln; die meiſten wohl enden zwiſchen den Zähnen oder Klauen eines Raubthieres, die wehrhaften an allgemeiner Ent- kräftung und Schwäche. Doch hat man auch Seuchen beobachtet, welche viele Vögel einer Art raſch nach einander hinrafften, und ebenſo weiß man von Haus- und Stubenvögeln, daß es gewiſſe Krank- heiten unter ihnen gibt, welche in der Regel mit dem Tode endigen. Jm Freien findet man ſelten eine Vogelleiche, im allerſeltenſten Falle die eines größeren Mitgliedes der Klaſſe, vorausgeſetzt, daß der Tod ein ſogenannter natürlicher war. Von vielen wiſſen wir nicht, wo und wie ſie ſterben. Das Meer wirft zuweilen die Leichen ſeiner Kinder an den Strand; unter den Schlafplätzen anderer ſieht man auch wohl einen todten Vogel liegen: die Leichen der übrigen verſchwinden, als ob ſie die Natur ſelbſt begrabe.
„Kein anderes Geſchöpf verſteht“, ſo habe ich in dem „Leben der Vögel“ geſagt, „ſoviel zu leben, wie der Vogel lebt, kein anderes Geſchöpf weiß ſo ausgezeichnet hauszuhalten mit ſeiner Zeit wie er. Jhm iſt der längſte Tag kaum lang, die kürzeſte Nacht kaum kurz genug; ſeine beſtändige Regſamkeit geſtattet ihm nicht, die Hälfte ſeines Lebens zu verträumen und zu verſchlafen: er will wach, munter, fröhlich die Zeit durchmeſſen, welche ihm gegönnt iſt.“
Alle Vögel erwachen früh aus dem kurzen Schlafe der Nacht. Die meiſten ſind rege, noch ehe das Morgenroth den Himmel ſäumt. Jn den Ländern jenſeits des Polarkreiſes bemerkt man an ihnen kaum, daß ſie einen Unterſchied machen zwiſchen den Stunden des Tages und denen der Nacht. Jch habe den Kukuk noch in der zwölften Abendſtunde und bereits in der erſten Morgenſtunde wieder rufen hören und während des ganzen dazwiſchen liegenden Tages in Thätigkeit geſehen. Wer bei uns im Hochſommer früh in den Wald geht, vernimmt ſchon mit dem erſten Grauen der Dämmerung die Stimmen der Vögel und dieſelben ebenſo noch nach Sonnenuntergang. Eine kurze Zeit in der Nacht, einige Minuten dann und wann übertages ſcheinen ihnen zum Schlafen zu genügen. Unſere Hühner ſetzen ſich zwar ſchon vor Sonnenuntergang zur Nachtruhe auf, ſchlafen jedoch noch nicht und beweiſen durch ihren Weckruf am Morgen, daß kaum drei Stunden erforderlich waren, um ſie für die lange Tagesarbeit zu ſtärken. Aehnlich iſt es bei den meiſten; nur die größeren Raub- vögel und insbeſondere die Geier ſcheinen hiervon eine Ausnahme zu machen.
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Entwicklung des Eies. Mauſer. Alter. Tägliches Leben.
die Federn durch längeren Gebrauch, durch Einwirkung von Licht, Staub, Näſſe ꝛc. mehr oder
weniger unbrauchbar geworden ſind, in der Regel nach beendigtem Brutgeſchäft, welches die Federn
beſonders mitnimmt, vielleicht in Folge des ſieberhaften Zuſtandes, in dem ſich der brütende Vogel
befindet. Dieſer Federwechſel beginnt an verſchiedenen Stellen des Körpers, inſofern aber immer
gleichmäßig, als er ſtets die entſprechenden Federn einer Körperhälfte betrifft. Bei vielen Vögeln
werden bei einer Mauſer nur die kleinen Körperfedern erſetzt und bei der zweiten erſt die Schwung-
und Steuerfedern mit; bei anderen bedarf der Erſatz der letzteren einen Zeitraum von mehreren
Jahren, da immer nur zwei gleichzeitig neugebildet werden, während bei anderen die Mauſerung
dieſes Theiles des Gefieders ſo raſch ſtattfindet, daß ſie flugunfähig werden u. ſ. w. Solange der
Vogel geſund iſt, verleiht ihm jede neue Mauſer neue Schönheit, und dieſe nimmt mit dem Alter zu,
nicht ab, wie bei anderen Thieren. Wird die Mauſer unterbrochen, ſo erkrankt der Vogel; denn der
Neuerſatz ſeiner Federn iſt ihm für ſein Leben unbedingt nothwendig.
Das bezügliche Alter, welches ein Vogel erreichen kann, ſteht mit der Größe, vielleicht auch mit
der Jugendzeit einigermaßen im Einklange. Jm allgemeinen läßt ſich behaupten, daß der Vogel ein
ſehr hohes Alter erreicht. Kanarienvögel leben bei guter Pflege ungefähr ebenſolange wie Haus-
hunde, zwölf, funfzehn, achtzehn Jahre, im Freien, wenn nicht ein gewaltſamer Tod ihnen ein Ende
macht, wohl noch viel länger; Adler haben über hundert Jahre in der Gefangenſchaft ausgehalten,
Papageien mehrere Menſchenalter erlebt. Krankheiten ſind ſelten unter den Vögeln; die meiſten
wohl enden zwiſchen den Zähnen oder Klauen eines Raubthieres, die wehrhaften an allgemeiner Ent-
kräftung und Schwäche. Doch hat man auch Seuchen beobachtet, welche viele Vögel einer Art raſch
nach einander hinrafften, und ebenſo weiß man von Haus- und Stubenvögeln, daß es gewiſſe Krank-
heiten unter ihnen gibt, welche in der Regel mit dem Tode endigen. Jm Freien findet man ſelten
eine Vogelleiche, im allerſeltenſten Falle die eines größeren Mitgliedes der Klaſſe, vorausgeſetzt, daß
der Tod ein ſogenannter natürlicher war. Von vielen wiſſen wir nicht, wo und wie ſie ſterben.
Das Meer wirft zuweilen die Leichen ſeiner Kinder an den Strand; unter den Schlafplätzen anderer
ſieht man auch wohl einen todten Vogel liegen: die Leichen der übrigen verſchwinden, als ob ſie die
Natur ſelbſt begrabe.
„Kein anderes Geſchöpf verſteht“, ſo habe ich in dem „Leben der Vögel“ geſagt, „ſoviel zu
leben, wie der Vogel lebt, kein anderes Geſchöpf weiß ſo ausgezeichnet hauszuhalten mit ſeiner Zeit
wie er. Jhm iſt der längſte Tag kaum lang, die kürzeſte Nacht kaum kurz genug; ſeine beſtändige
Regſamkeit geſtattet ihm nicht, die Hälfte ſeines Lebens zu verträumen und zu verſchlafen: er will
wach, munter, fröhlich die Zeit durchmeſſen, welche ihm gegönnt iſt.“
Alle Vögel erwachen früh aus dem kurzen Schlafe der Nacht. Die meiſten ſind rege, noch
ehe das Morgenroth den Himmel ſäumt. Jn den Ländern jenſeits des Polarkreiſes bemerkt man
an ihnen kaum, daß ſie einen Unterſchied machen zwiſchen den Stunden des Tages und denen der
Nacht. Jch habe den Kukuk noch in der zwölften Abendſtunde und bereits in der erſten Morgenſtunde
wieder rufen hören und während des ganzen dazwiſchen liegenden Tages in Thätigkeit geſehen. Wer
bei uns im Hochſommer früh in den Wald geht, vernimmt ſchon mit dem erſten Grauen der
Dämmerung die Stimmen der Vögel und dieſelben ebenſo noch nach Sonnenuntergang. Eine kurze
Zeit in der Nacht, einige Minuten dann und wann übertages ſcheinen ihnen zum Schlafen zu genügen.
Unſere Hühner ſetzen ſich zwar ſchon vor Sonnenuntergang zur Nachtruhe auf, ſchlafen jedoch noch
nicht und beweiſen durch ihren Weckruf am Morgen, daß kaum drei Stunden erforderlich waren, um
ſie für die lange Tagesarbeit zu ſtärken. Aehnlich iſt es bei den meiſten; nur die größeren Raub-
vögel und insbeſondere die Geier ſcheinen hiervon eine Ausnahme zu machen.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 989. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/1043>, abgerufen am 22.11.2024.
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