Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Ein Blick auf das Leben der Gesammtheit.
knöcherungspunkte. Jn den beiden folgenden Tagen wächst der Keim bis zu dreißig und zweiund-
dreißig Linien Länge; der Schnabel und die Zehenglieder erhalten einen hornartigen Ueberzug; an
den Flügeln brechen die Federn hervor; gestört, öffnet und schließt das Thierchen den Schnabel. Jn
den drei nächsten Tagen, dem siebzehnten bis neunzehnten also, verbreitet sich die Lederhaut über die
ganze innere Fläche des Eies; das Eiweiß verschwindet fast gänzlich, der Dottersack fällt zusammen
und tritt durch den Nabelring mehr und mehr in die Bauchhöhle ein; der Keim erhält seine
Besiederung vollends, liegt in einer zusammengeballten Lage in der Schafshaut eingeschlossen, den
Kopf meist unter dem rechten Flügel seitwärts an die Brust gelegt, die Beine gegen den Bauch ange-
zogen, bewegt sich auch lebhaft, öffnet und schließt den Schnabel, schnappt nach Luft und läßt nicht
selten seine piepende Stimme hören. Der Kopf ist ausgebildet; die Gehirntheile haben ihre bleibende
Gestalt erhalten. Noch ist die Wärmeerzeugung gering. Jn den beiden letzten Tagen wird der
Dotter vollends von der Bauchhöhle aufgenommen; der Keim füllt das ganze Ei aus, athmet, piept
und streckt die Zunge hervor, wenn er herausgenommen wird. Mehrere Stunden vor dem Aus-
schlüpfen, am einundzwanzigsten Tage, bewegt er sich hin und her, reibt mit seinem auf dem Schnabel
befindlichen Höcker an der Eischale; es entstehen Risse, Lücken, indem kleine Schalenstückchen
abspringen; die Eischalenhaut reißt; das Vögelchen streckt seine Füße, zieht den Kopf unter den
Flügeln hervor und verläßt nun die zerbrochene Hülle.

Wenige Vögel gelangen im Eie zu ähnlicher Ausbildung wie das Huhn; verhältnißmäßig
wenige sind im Stande, einige Minuten nach dem Auskriechen unter Führung der Mutter oder sogar
ohne jegliche Hilfe abseitens der Eltern ihren Weg durch's Leben zu wandeln. Gerade diejenigen,
welche als Erwachsene die größte Beweglichkeit und Stärke besitzen, sind in der Jugend ungemein
hilflos. Die Nestflüchter kommen befiedert und mit ausgebildeten Sinnen, die Nesthocker nackt und
blind zur Welt; jene machen nach dem Auskriechen einen höchst angenehmen Eindruck, weil sie
bis zu einem gewissen Grade vollendet sind, diese fallen auf durch Unansehnlichkeit und Häßlichkeit.
Die weitere Entwickelung bis zum Ausfliegen beansprucht eine verschieden lange Zeit. Kleinere
Nesthocker sind drei Wochen nach ihrem Auskriechen flügge, größere bedürfen mehrere Monate, bevor sie
fliegen können, einzelne mehrere Jahre, bevor sie ihren Eltern gleich dastehen. Denn die Jugendzeit
des Vogels ist nicht mit dem Ausfliegen, sondern erst dann beendet, wenn er das Alterskleid anlegt.
Nicht wenige erhalten anfangs ein Federkleid, welches mit dem ihrer Eltern keine Aehnlichkeit zeigt;
andere gleichen in der Jugend dem Weibchen, und die Unterschiede, welche sich hinsichtlich des
Geschlechts bemerklich machen, zeigen sich erst dann, wenn das Alterskleid angelegt wird. Einzelne
Raubvögel müssen eine Reihe von Jahren erlebt haben, bevor sie alt, d. h. wirklich erwachsen genannt
werden können.

Alle Veränderungen, welche das Kleid erleidet, werden hervorgebracht durch Abreibung, Ver-
färbung und Vermauferung oder Neubildung der Federn. Folge der Abreibung bedingt nicht immer
Verringerung, sondern im Gegentheile oft Erhöhung der Schönheit; denn durch sie werden die
unscheinbarer gefärbten Spitzen der Federn entfernt und die lebhafter gefärbten Mittelstellen derselben
zum Vorschein gebracht. Die Verfärbung, eine bisher von sehr vielen Forschern geleugnete,
jedoch unzweifelhaft bestehende Thatsache, bewirkt auf anderem, bis jetzt noch nicht erklärtem Wege
Veränderungen der Färbung einzelner Theile des Gefieders. Junge Seeadler z. B. tragen in der
Jugend ein ziemlich gleichmäßig dunkles Kleid, während im Alter wenigstens der Schwanz, bei
anderen Arten auch der Kopf weiß aussieht. Weder die Steuer-, noch die Kopffedern nun werden
vermausert, sondern einfach verfärbt. Man bemerkt auf den breiten Steuerfedern, welche sich zu
fortgesetzten Beobachtungen sehr günstig erweisen, zuerst lichte Punkte; diese vermehren und vergrößern
sich, bleichen gleichzeitig ab, fließen endlich in einander, und die Feder ist umgefärbt. Wie viele Vögel
ihr Jugendkleid durch Verfärbung allein oder durch Verfärbung und gleichzeitig stattfindende, theil-
weise Vermauserung in das Alterskleid verwandeln, wissen wir zur Zeit noch nicht; daß einzelne in
dieser Weise sich umkleiden, darf nicht mehr bestritten werden. Mauserung findet dann statt, wenn

Ein Blick auf das Leben der Geſammtheit.
knöcherungspunkte. Jn den beiden folgenden Tagen wächſt der Keim bis zu dreißig und zweiund-
dreißig Linien Länge; der Schnabel und die Zehenglieder erhalten einen hornartigen Ueberzug; an
den Flügeln brechen die Federn hervor; geſtört, öffnet und ſchließt das Thierchen den Schnabel. Jn
den drei nächſten Tagen, dem ſiebzehnten bis neunzehnten alſo, verbreitet ſich die Lederhaut über die
ganze innere Fläche des Eies; das Eiweiß verſchwindet faſt gänzlich, der Dotterſack fällt zuſammen
und tritt durch den Nabelring mehr und mehr in die Bauchhöhle ein; der Keim erhält ſeine
Beſiederung vollends, liegt in einer zuſammengeballten Lage in der Schafshaut eingeſchloſſen, den
Kopf meiſt unter dem rechten Flügel ſeitwärts an die Bruſt gelegt, die Beine gegen den Bauch ange-
zogen, bewegt ſich auch lebhaft, öffnet und ſchließt den Schnabel, ſchnappt nach Luft und läßt nicht
ſelten ſeine piepende Stimme hören. Der Kopf iſt ausgebildet; die Gehirntheile haben ihre bleibende
Geſtalt erhalten. Noch iſt die Wärmeerzeugung gering. Jn den beiden letzten Tagen wird der
Dotter vollends von der Bauchhöhle aufgenommen; der Keim füllt das ganze Ei aus, athmet, piept
und ſtreckt die Zunge hervor, wenn er herausgenommen wird. Mehrere Stunden vor dem Aus-
ſchlüpfen, am einundzwanzigſten Tage, bewegt er ſich hin und her, reibt mit ſeinem auf dem Schnabel
befindlichen Höcker an der Eiſchale; es entſtehen Riſſe, Lücken, indem kleine Schalenſtückchen
abſpringen; die Eiſchalenhaut reißt; das Vögelchen ſtreckt ſeine Füße, zieht den Kopf unter den
Flügeln hervor und verläßt nun die zerbrochene Hülle.

Wenige Vögel gelangen im Eie zu ähnlicher Ausbildung wie das Huhn; verhältnißmäßig
wenige ſind im Stande, einige Minuten nach dem Auskriechen unter Führung der Mutter oder ſogar
ohne jegliche Hilfe abſeitens der Eltern ihren Weg durch’s Leben zu wandeln. Gerade diejenigen,
welche als Erwachſene die größte Beweglichkeit und Stärke beſitzen, ſind in der Jugend ungemein
hilflos. Die Neſtflüchter kommen befiedert und mit ausgebildeten Sinnen, die Neſthocker nackt und
blind zur Welt; jene machen nach dem Auskriechen einen höchſt angenehmen Eindruck, weil ſie
bis zu einem gewiſſen Grade vollendet ſind, dieſe fallen auf durch Unanſehnlichkeit und Häßlichkeit.
Die weitere Entwickelung bis zum Ausfliegen beanſprucht eine verſchieden lange Zeit. Kleinere
Neſthocker ſind drei Wochen nach ihrem Auskriechen flügge, größere bedürfen mehrere Monate, bevor ſie
fliegen können, einzelne mehrere Jahre, bevor ſie ihren Eltern gleich daſtehen. Denn die Jugendzeit
des Vogels iſt nicht mit dem Ausfliegen, ſondern erſt dann beendet, wenn er das Alterskleid anlegt.
Nicht wenige erhalten anfangs ein Federkleid, welches mit dem ihrer Eltern keine Aehnlichkeit zeigt;
andere gleichen in der Jugend dem Weibchen, und die Unterſchiede, welche ſich hinſichtlich des
Geſchlechts bemerklich machen, zeigen ſich erſt dann, wenn das Alterskleid angelegt wird. Einzelne
Raubvögel müſſen eine Reihe von Jahren erlebt haben, bevor ſie alt, d. h. wirklich erwachſen genannt
werden können.

Alle Veränderungen, welche das Kleid erleidet, werden hervorgebracht durch Abreibung, Ver-
färbung und Vermauferung oder Neubildung der Federn. Folge der Abreibung bedingt nicht immer
Verringerung, ſondern im Gegentheile oft Erhöhung der Schönheit; denn durch ſie werden die
unſcheinbarer gefärbten Spitzen der Federn entfernt und die lebhafter gefärbten Mittelſtellen derſelben
zum Vorſchein gebracht. Die Verfärbung, eine bisher von ſehr vielen Forſchern geleugnete,
jedoch unzweifelhaft beſtehende Thatſache, bewirkt auf anderem, bis jetzt noch nicht erklärtem Wege
Veränderungen der Färbung einzelner Theile des Gefieders. Junge Seeadler z. B. tragen in der
Jugend ein ziemlich gleichmäßig dunkles Kleid, während im Alter wenigſtens der Schwanz, bei
anderen Arten auch der Kopf weiß ausſieht. Weder die Steuer-, noch die Kopffedern nun werden
vermauſert, ſondern einfach verfärbt. Man bemerkt auf den breiten Steuerfedern, welche ſich zu
fortgeſetzten Beobachtungen ſehr günſtig erweiſen, zuerſt lichte Punkte; dieſe vermehren und vergrößern
ſich, bleichen gleichzeitig ab, fließen endlich in einander, und die Feder iſt umgefärbt. Wie viele Vögel
ihr Jugendkleid durch Verfärbung allein oder durch Verfärbung und gleichzeitig ſtattfindende, theil-
weiſe Vermauſerung in das Alterskleid verwandeln, wiſſen wir zur Zeit noch nicht; daß einzelne in
dieſer Weiſe ſich umkleiden, darf nicht mehr beſtritten werden. Mauſerung findet dann ſtatt, wenn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f1042" n="988"/><fw place="top" type="header">Ein Blick auf das Leben der Ge&#x017F;ammtheit.</fw><lb/>
knöcherungspunkte. Jn den beiden folgenden Tagen wäch&#x017F;t der Keim bis zu dreißig und zweiund-<lb/>
dreißig Linien Länge; der Schnabel und die Zehenglieder erhalten einen hornartigen Ueberzug; an<lb/>
den Flügeln brechen die Federn hervor; ge&#x017F;tört, öffnet und &#x017F;chließt das Thierchen den Schnabel. Jn<lb/>
den drei näch&#x017F;ten Tagen, dem &#x017F;iebzehnten bis neunzehnten al&#x017F;o, verbreitet &#x017F;ich die Lederhaut über die<lb/>
ganze innere Fläche des Eies; das Eiweiß ver&#x017F;chwindet fa&#x017F;t gänzlich, der Dotter&#x017F;ack fällt zu&#x017F;ammen<lb/>
und tritt durch den Nabelring mehr und mehr in die Bauchhöhle ein; der Keim erhält &#x017F;eine<lb/>
Be&#x017F;iederung vollends, liegt in einer zu&#x017F;ammengeballten Lage in der Schafshaut einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, den<lb/>
Kopf mei&#x017F;t unter dem rechten Flügel &#x017F;eitwärts an die Bru&#x017F;t gelegt, die Beine gegen den Bauch ange-<lb/>
zogen, bewegt &#x017F;ich auch lebhaft, öffnet und &#x017F;chließt den Schnabel, &#x017F;chnappt nach Luft und läßt nicht<lb/>
&#x017F;elten &#x017F;eine piepende Stimme hören. Der Kopf i&#x017F;t ausgebildet; die Gehirntheile haben ihre bleibende<lb/>
Ge&#x017F;talt erhalten. Noch i&#x017F;t die Wärmeerzeugung gering. Jn den beiden letzten Tagen wird der<lb/>
Dotter vollends von der Bauchhöhle aufgenommen; der Keim füllt das ganze Ei aus, athmet, piept<lb/>
und &#x017F;treckt die Zunge hervor, wenn er herausgenommen wird. Mehrere Stunden vor dem Aus-<lb/>
&#x017F;chlüpfen, am einundzwanzig&#x017F;ten Tage, bewegt er &#x017F;ich hin und her, reibt mit &#x017F;einem auf dem Schnabel<lb/>
befindlichen Höcker an der Ei&#x017F;chale; es ent&#x017F;tehen Ri&#x017F;&#x017F;e, Lücken, indem kleine Schalen&#x017F;tückchen<lb/>
ab&#x017F;pringen; die Ei&#x017F;chalenhaut reißt; das Vögelchen &#x017F;treckt &#x017F;eine Füße, zieht den Kopf unter den<lb/>
Flügeln hervor und verläßt nun die zerbrochene Hülle.</p><lb/>
        <p>Wenige Vögel gelangen im Eie zu ähnlicher Ausbildung wie das Huhn; verhältnißmäßig<lb/>
wenige &#x017F;ind im Stande, einige Minuten nach dem Auskriechen unter Führung der Mutter oder &#x017F;ogar<lb/>
ohne jegliche Hilfe ab&#x017F;eitens der Eltern ihren Weg durch&#x2019;s Leben zu wandeln. Gerade diejenigen,<lb/>
welche als Erwach&#x017F;ene die größte Beweglichkeit und Stärke be&#x017F;itzen, &#x017F;ind in der Jugend ungemein<lb/>
hilflos. Die Ne&#x017F;tflüchter kommen befiedert und mit ausgebildeten Sinnen, die Ne&#x017F;thocker nackt und<lb/>
blind zur Welt; jene machen nach dem Auskriechen einen höch&#x017F;t angenehmen Eindruck, weil &#x017F;ie<lb/>
bis zu einem gewi&#x017F;&#x017F;en Grade vollendet &#x017F;ind, die&#x017F;e fallen auf durch Unan&#x017F;ehnlichkeit und Häßlichkeit.<lb/>
Die weitere Entwickelung bis zum Ausfliegen bean&#x017F;prucht eine ver&#x017F;chieden lange Zeit. Kleinere<lb/>
Ne&#x017F;thocker &#x017F;ind drei Wochen nach ihrem Auskriechen flügge, größere bedürfen mehrere Monate, bevor &#x017F;ie<lb/>
fliegen können, einzelne mehrere Jahre, bevor &#x017F;ie ihren Eltern gleich da&#x017F;tehen. Denn die Jugendzeit<lb/>
des Vogels i&#x017F;t nicht mit dem Ausfliegen, &#x017F;ondern er&#x017F;t dann beendet, wenn er das Alterskleid anlegt.<lb/>
Nicht wenige erhalten anfangs ein Federkleid, welches mit dem ihrer Eltern keine Aehnlichkeit zeigt;<lb/>
andere gleichen in der Jugend dem Weibchen, und die Unter&#x017F;chiede, welche &#x017F;ich hin&#x017F;ichtlich des<lb/>
Ge&#x017F;chlechts bemerklich machen, zeigen &#x017F;ich er&#x017F;t dann, wenn das Alterskleid angelegt wird. Einzelne<lb/>
Raubvögel mü&#x017F;&#x017F;en eine Reihe von Jahren erlebt haben, bevor &#x017F;ie alt, d. h. wirklich erwach&#x017F;en genannt<lb/>
werden können.</p><lb/>
        <p>Alle Veränderungen, welche das Kleid erleidet, werden hervorgebracht durch Abreibung, Ver-<lb/>
färbung und Vermauferung oder Neubildung der Federn. Folge der Abreibung bedingt nicht immer<lb/>
Verringerung, &#x017F;ondern im Gegentheile oft Erhöhung der Schönheit; denn durch &#x017F;ie werden die<lb/>
un&#x017F;cheinbarer gefärbten Spitzen der Federn entfernt und die lebhafter gefärbten Mittel&#x017F;tellen der&#x017F;elben<lb/>
zum Vor&#x017F;chein gebracht. Die Verfärbung, eine bisher von &#x017F;ehr vielen For&#x017F;chern geleugnete,<lb/>
jedoch unzweifelhaft be&#x017F;tehende That&#x017F;ache, bewirkt auf anderem, bis jetzt noch nicht erklärtem Wege<lb/>
Veränderungen der Färbung einzelner Theile des Gefieders. Junge Seeadler z. B. tragen in der<lb/>
Jugend ein ziemlich gleichmäßig dunkles Kleid, während im Alter wenig&#x017F;tens der Schwanz, bei<lb/>
anderen Arten auch der Kopf weiß aus&#x017F;ieht. Weder die Steuer-, noch die Kopffedern nun werden<lb/>
vermau&#x017F;ert, &#x017F;ondern einfach verfärbt. Man bemerkt auf den breiten Steuerfedern, welche &#x017F;ich zu<lb/>
fortge&#x017F;etzten Beobachtungen &#x017F;ehr gün&#x017F;tig erwei&#x017F;en, zuer&#x017F;t lichte Punkte; die&#x017F;e vermehren und vergrößern<lb/>
&#x017F;ich, bleichen gleichzeitig ab, fließen endlich in einander, und die Feder i&#x017F;t umgefärbt. Wie viele Vögel<lb/>
ihr Jugendkleid durch Verfärbung allein oder durch Verfärbung und gleichzeitig &#x017F;tattfindende, theil-<lb/>
wei&#x017F;e Vermau&#x017F;erung in das Alterskleid verwandeln, wi&#x017F;&#x017F;en wir zur Zeit noch nicht; daß einzelne in<lb/>
die&#x017F;er Wei&#x017F;e &#x017F;ich umkleiden, darf nicht mehr be&#x017F;tritten werden. Mau&#x017F;erung findet dann &#x017F;tatt, wenn<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[988/1042] Ein Blick auf das Leben der Geſammtheit. knöcherungspunkte. Jn den beiden folgenden Tagen wächſt der Keim bis zu dreißig und zweiund- dreißig Linien Länge; der Schnabel und die Zehenglieder erhalten einen hornartigen Ueberzug; an den Flügeln brechen die Federn hervor; geſtört, öffnet und ſchließt das Thierchen den Schnabel. Jn den drei nächſten Tagen, dem ſiebzehnten bis neunzehnten alſo, verbreitet ſich die Lederhaut über die ganze innere Fläche des Eies; das Eiweiß verſchwindet faſt gänzlich, der Dotterſack fällt zuſammen und tritt durch den Nabelring mehr und mehr in die Bauchhöhle ein; der Keim erhält ſeine Beſiederung vollends, liegt in einer zuſammengeballten Lage in der Schafshaut eingeſchloſſen, den Kopf meiſt unter dem rechten Flügel ſeitwärts an die Bruſt gelegt, die Beine gegen den Bauch ange- zogen, bewegt ſich auch lebhaft, öffnet und ſchließt den Schnabel, ſchnappt nach Luft und läßt nicht ſelten ſeine piepende Stimme hören. Der Kopf iſt ausgebildet; die Gehirntheile haben ihre bleibende Geſtalt erhalten. Noch iſt die Wärmeerzeugung gering. Jn den beiden letzten Tagen wird der Dotter vollends von der Bauchhöhle aufgenommen; der Keim füllt das ganze Ei aus, athmet, piept und ſtreckt die Zunge hervor, wenn er herausgenommen wird. Mehrere Stunden vor dem Aus- ſchlüpfen, am einundzwanzigſten Tage, bewegt er ſich hin und her, reibt mit ſeinem auf dem Schnabel befindlichen Höcker an der Eiſchale; es entſtehen Riſſe, Lücken, indem kleine Schalenſtückchen abſpringen; die Eiſchalenhaut reißt; das Vögelchen ſtreckt ſeine Füße, zieht den Kopf unter den Flügeln hervor und verläßt nun die zerbrochene Hülle. Wenige Vögel gelangen im Eie zu ähnlicher Ausbildung wie das Huhn; verhältnißmäßig wenige ſind im Stande, einige Minuten nach dem Auskriechen unter Führung der Mutter oder ſogar ohne jegliche Hilfe abſeitens der Eltern ihren Weg durch’s Leben zu wandeln. Gerade diejenigen, welche als Erwachſene die größte Beweglichkeit und Stärke beſitzen, ſind in der Jugend ungemein hilflos. Die Neſtflüchter kommen befiedert und mit ausgebildeten Sinnen, die Neſthocker nackt und blind zur Welt; jene machen nach dem Auskriechen einen höchſt angenehmen Eindruck, weil ſie bis zu einem gewiſſen Grade vollendet ſind, dieſe fallen auf durch Unanſehnlichkeit und Häßlichkeit. Die weitere Entwickelung bis zum Ausfliegen beanſprucht eine verſchieden lange Zeit. Kleinere Neſthocker ſind drei Wochen nach ihrem Auskriechen flügge, größere bedürfen mehrere Monate, bevor ſie fliegen können, einzelne mehrere Jahre, bevor ſie ihren Eltern gleich daſtehen. Denn die Jugendzeit des Vogels iſt nicht mit dem Ausfliegen, ſondern erſt dann beendet, wenn er das Alterskleid anlegt. Nicht wenige erhalten anfangs ein Federkleid, welches mit dem ihrer Eltern keine Aehnlichkeit zeigt; andere gleichen in der Jugend dem Weibchen, und die Unterſchiede, welche ſich hinſichtlich des Geſchlechts bemerklich machen, zeigen ſich erſt dann, wenn das Alterskleid angelegt wird. Einzelne Raubvögel müſſen eine Reihe von Jahren erlebt haben, bevor ſie alt, d. h. wirklich erwachſen genannt werden können. Alle Veränderungen, welche das Kleid erleidet, werden hervorgebracht durch Abreibung, Ver- färbung und Vermauferung oder Neubildung der Federn. Folge der Abreibung bedingt nicht immer Verringerung, ſondern im Gegentheile oft Erhöhung der Schönheit; denn durch ſie werden die unſcheinbarer gefärbten Spitzen der Federn entfernt und die lebhafter gefärbten Mittelſtellen derſelben zum Vorſchein gebracht. Die Verfärbung, eine bisher von ſehr vielen Forſchern geleugnete, jedoch unzweifelhaft beſtehende Thatſache, bewirkt auf anderem, bis jetzt noch nicht erklärtem Wege Veränderungen der Färbung einzelner Theile des Gefieders. Junge Seeadler z. B. tragen in der Jugend ein ziemlich gleichmäßig dunkles Kleid, während im Alter wenigſtens der Schwanz, bei anderen Arten auch der Kopf weiß ausſieht. Weder die Steuer-, noch die Kopffedern nun werden vermauſert, ſondern einfach verfärbt. Man bemerkt auf den breiten Steuerfedern, welche ſich zu fortgeſetzten Beobachtungen ſehr günſtig erweiſen, zuerſt lichte Punkte; dieſe vermehren und vergrößern ſich, bleichen gleichzeitig ab, fließen endlich in einander, und die Feder iſt umgefärbt. Wie viele Vögel ihr Jugendkleid durch Verfärbung allein oder durch Verfärbung und gleichzeitig ſtattfindende, theil- weiſe Vermauſerung in das Alterskleid verwandeln, wiſſen wir zur Zeit noch nicht; daß einzelne in dieſer Weiſe ſich umkleiden, darf nicht mehr beſtritten werden. Mauſerung findet dann ſtatt, wenn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/1042
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 988. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/1042>, abgerufen am 22.11.2024.