einem passenden Zweige des nächsten Baumes oder auf dem Flugbrettchen des Stockes selbst sitzen und die ausgehenden Bienen wegschnappen.
Stechende Kerbthiere scheinen das entschiedene Lieblingsfutter des Bienenfressers zu sein; denn ebenso wie er die Bienenstöcke brandschatzt, plündert er die Nester der Wespen, Hummeln und Hor- nissen. Man hat beobachtet, daß er, wenn er ein Wespennest findet, sich möglichst nahe bei demselben niederläßt und im Verlauf weniger Stunden nach und nach alle fliegenden Bewohner dieses Nestes wegschnappt. Doch verschmäht er auch Heuschrecken, Cicaden, Libellen, Bremsen, Mücken, Fliegen und Käfer nicht: er nimmt überhaupt jedes fliegende Kerbthier auf, dessen er ansichtig wird, vorausgesetzt, daß er dasselbe verschlingen kann. Die unverdaulichen Flügeldecken und andere harte Theile der Beute werden, zu Gewöllen geformt, wieder ausgeworfen.
Ende Mai's beginnt das Brutgeschäft. Zur Anlage seines Nestes wählt sich der Bienenfresser am liebsten das sandige oder lehmige Ufer eines Flusses. Hier beginnt er ein rundes Loch von zwei bis zweiundeinhalb Zoll im Durchmesser auszuhöhlen, wahrscheinlich mit Schnabel und Klauen zugleich, möglicherweise auch mit den Klauen allein. Dieses Loch führt wagrecht oder in wenig auf- steigender Richtung weiter und bildet somit eine Höhle, welche vier bis sechs Fuß tief sein kann. Das Ende des Ganges wird zu einer Kammer von 8 bis 10 Zoll Länge, 4 bis 6 Zoll Breite und 3 bis 4 Zoll Höhe erweitert, auf deren Boden dann das Weibchen im Juni seine vier bis sieben Eier niederlegt. Zuweilen wird, laut Salvin, noch eine zweite Nistkammer hinter der ersten angelegt und mit dieser durch einen etwa fußlangen Gang verbunden. Einige Beobachter wollen eine Unter- lage von Mos und Genist gefunden haben; ich meinestheils kann versichern, daß ich in allen Bienen- fressernestern, welche ich untersuchte, niemals eine Spur von Niststoffen fand. Aus den Flügeldecken, Beinen u. s. w., welche von den Jungen nicht mit gefressen werden, so wie aus den von ihnen oder von den brütenden Alten ausgespieenen Gewöllen bildet sich nach und nach ein förmliches Sitzpolster im Jnnern der Nistkammer, so daß die Jungen einer Unterlage wenigstens nicht gänzlich entbehren. Ob das Weibchen allein brütet oder ob es vom Männchen abgelöst wird, ist zur Zeit noch unbekannt: man weiß blos, daß beide Eltern sich in das Geschäft der Aufzucht theilen und fleißig Nahrung zutragen. Schon Ende Juni's sieht man Junge mit den Alten umherfliegen und letztere jene füttern. Anfangs kehrt die Familie höchst wahrscheinlich zur Nisthöhle zurück -- wenigstens beobachtete Powys mehreremal, daß drei und vier Bienenfresser aus ein und derselben Höhle flogen -- wenige Wochen später benehmen sich die Jungen ganz wie die Alten, und zur Zeit der Abreise unterscheiden sie sich, soweit es das Betragen angeht, nicht im geringsten von diesen.
Die Alten wußten übrigens über das Brutgeschäft noch ganz andere Dinge zu erzählen, als wir. "Der Vogel ist also listig", schreibt Geßner, "daß er seine jungen, damit sie nit gefangen werden, von einem ort an das andere trägt. Er fleucht auch selbst stäts an andere ort, damit er nicht gefangen werde, daß man auch nicht spüren möge, wo er seine junge erziehe.... Man sagt, daß dieser vogel, als der Storch, seinen Eltern behülfslich sei, nicht allein im Alter, sondern wenn sie ihrer Hülff bedörffen vnd nottürfstig seyen, lassen derhalben jhre Eltern nicht auß dem Nest fliehen, sondern tragen jnen Nahrung herzu, tragen sie auch auff dem Rücken hin vnd her."
Es ist erklärlich, daß der Bienenfresser nicht überall mit günstigem Auge angesehen wird. Die Räubereien, welche er sich zu Schulden kommen läßt, erregen den Zorn der Bienenzüchter und ziehen ihm eine rücksichtslose Verfolgung zu. Der Bienenfresser zeigt sich selten scheu und am wenigsten in der Nähe Beute versprechender Oertlichkeit; denn hier läßt er sich selbst durch Schießen so leicht nicht vertreiben. Erst wiederholte Verfolgung macht ihn vorsichtig und die Jagd auf ihn einigermaßen schwierig. Jn Griechenland werden nach Lindermayer's Versicherung in den letzten Monaten außerordentlich viel Bienenfresser geschossen und als schmackhafte Speise mit Vorliebe genossen. Auf Candia sollen viele an der Angel gefangen werden, in derselben Weise, welche uns schon Geßner beschreibt: "Jhre schöne reitzt die jungen Knaben in Creta, daß sie die mit Häwschrecken, als die Schwalben, fahne, also, daß sie an eine gekrümbte Glufen einen Häwschrecken stecken, vnd diese an einen
Die Späher. Leichtſchnäbler. Bienenfreſſer.
einem paſſenden Zweige des nächſten Baumes oder auf dem Flugbrettchen des Stockes ſelbſt ſitzen und die ausgehenden Bienen wegſchnappen.
Stechende Kerbthiere ſcheinen das entſchiedene Lieblingsfutter des Bienenfreſſers zu ſein; denn ebenſo wie er die Bienenſtöcke brandſchatzt, plündert er die Neſter der Weſpen, Hummeln und Hor- niſſen. Man hat beobachtet, daß er, wenn er ein Weſpenneſt findet, ſich möglichſt nahe bei demſelben niederläßt und im Verlauf weniger Stunden nach und nach alle fliegenden Bewohner dieſes Neſtes wegſchnappt. Doch verſchmäht er auch Heuſchrecken, Cicaden, Libellen, Bremſen, Mücken, Fliegen und Käfer nicht: er nimmt überhaupt jedes fliegende Kerbthier auf, deſſen er anſichtig wird, vorausgeſetzt, daß er daſſelbe verſchlingen kann. Die unverdaulichen Flügeldecken und andere harte Theile der Beute werden, zu Gewöllen geformt, wieder ausgeworfen.
Ende Mai’s beginnt das Brutgeſchäft. Zur Anlage ſeines Neſtes wählt ſich der Bienenfreſſer am liebſten das ſandige oder lehmige Ufer eines Fluſſes. Hier beginnt er ein rundes Loch von zwei bis zweiundeinhalb Zoll im Durchmeſſer auszuhöhlen, wahrſcheinlich mit Schnabel und Klauen zugleich, möglicherweiſe auch mit den Klauen allein. Dieſes Loch führt wagrecht oder in wenig auf- ſteigender Richtung weiter und bildet ſomit eine Höhle, welche vier bis ſechs Fuß tief ſein kann. Das Ende des Ganges wird zu einer Kammer von 8 bis 10 Zoll Länge, 4 bis 6 Zoll Breite und 3 bis 4 Zoll Höhe erweitert, auf deren Boden dann das Weibchen im Juni ſeine vier bis ſieben Eier niederlegt. Zuweilen wird, laut Salvin, noch eine zweite Niſtkammer hinter der erſten angelegt und mit dieſer durch einen etwa fußlangen Gang verbunden. Einige Beobachter wollen eine Unter- lage von Mos und Geniſt gefunden haben; ich meinestheils kann verſichern, daß ich in allen Bienen- freſſerneſtern, welche ich unterſuchte, niemals eine Spur von Niſtſtoffen fand. Aus den Flügeldecken, Beinen u. ſ. w., welche von den Jungen nicht mit gefreſſen werden, ſo wie aus den von ihnen oder von den brütenden Alten ausgeſpieenen Gewöllen bildet ſich nach und nach ein förmliches Sitzpolſter im Jnnern der Niſtkammer, ſo daß die Jungen einer Unterlage wenigſtens nicht gänzlich entbehren. Ob das Weibchen allein brütet oder ob es vom Männchen abgelöſt wird, iſt zur Zeit noch unbekannt: man weiß blos, daß beide Eltern ſich in das Geſchäft der Aufzucht theilen und fleißig Nahrung zutragen. Schon Ende Juni’s ſieht man Junge mit den Alten umherfliegen und letztere jene füttern. Anfangs kehrt die Familie höchſt wahrſcheinlich zur Niſthöhle zurück — wenigſtens beobachtete Powys mehreremal, daß drei und vier Bienenfreſſer aus ein und derſelben Höhle flogen — wenige Wochen ſpäter benehmen ſich die Jungen ganz wie die Alten, und zur Zeit der Abreiſe unterſcheiden ſie ſich, ſoweit es das Betragen angeht, nicht im geringſten von dieſen.
Die Alten wußten übrigens über das Brutgeſchäft noch ganz andere Dinge zu erzählen, als wir. „Der Vogel iſt alſo liſtig“, ſchreibt Geßner, „daß er ſeine jungen, damit ſie nit gefangen werden, von einem ort an das andere trägt. Er fleucht auch ſelbſt ſtäts an andere ort, damit er nicht gefangen werde, daß man auch nicht ſpüren möge, wo er ſeine junge erziehe.... Man ſagt, daß dieſer vogel, als der Storch, ſeinen Eltern behülfſlich ſei, nicht allein im Alter, ſondern wenn ſie ihrer Hülff bedörffen vnd nottürfſtig ſeyen, laſſen derhalben jhre Eltern nicht auß dem Neſt fliehen, ſondern tragen jnen Nahrung herzu, tragen ſie auch auff dem Rücken hin vnd her.“
Es iſt erklärlich, daß der Bienenfreſſer nicht überall mit günſtigem Auge angeſehen wird. Die Räubereien, welche er ſich zu Schulden kommen läßt, erregen den Zorn der Bienenzüchter und ziehen ihm eine rückſichtsloſe Verfolgung zu. Der Bienenfreſſer zeigt ſich ſelten ſcheu und am wenigſten in der Nähe Beute verſprechender Oertlichkeit; denn hier läßt er ſich ſelbſt durch Schießen ſo leicht nicht vertreiben. Erſt wiederholte Verfolgung macht ihn vorſichtig und die Jagd auf ihn einigermaßen ſchwierig. Jn Griechenland werden nach Lindermayer’s Verſicherung in den letzten Monaten außerordentlich viel Bienenfreſſer geſchoſſen und als ſchmackhafte Speiſe mit Vorliebe genoſſen. Auf Candia ſollen viele an der Angel gefangen werden, in derſelben Weiſe, welche uns ſchon Geßner beſchreibt: „Jhre ſchöne reitzt die jungen Knaben in Creta, daß ſie die mit Häwſchrecken, als die Schwalben, fahne, alſo, daß ſie an eine gekrümbte Glufen einen Häwſchrecken ſtecken, vnd dieſe an einen
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[140/0154]
Die Späher. Leichtſchnäbler. Bienenfreſſer.
einem paſſenden Zweige des nächſten Baumes oder auf dem Flugbrettchen des Stockes ſelbſt ſitzen
und die ausgehenden Bienen wegſchnappen.
Stechende Kerbthiere ſcheinen das entſchiedene Lieblingsfutter des Bienenfreſſers zu ſein; denn
ebenſo wie er die Bienenſtöcke brandſchatzt, plündert er die Neſter der Weſpen, Hummeln und Hor-
niſſen. Man hat beobachtet, daß er, wenn er ein Weſpenneſt findet, ſich möglichſt nahe bei demſelben
niederläßt und im Verlauf weniger Stunden nach und nach alle fliegenden Bewohner dieſes Neſtes
wegſchnappt. Doch verſchmäht er auch Heuſchrecken, Cicaden, Libellen, Bremſen, Mücken, Fliegen
und Käfer nicht: er nimmt überhaupt jedes fliegende Kerbthier auf, deſſen er anſichtig wird,
vorausgeſetzt, daß er daſſelbe verſchlingen kann. Die unverdaulichen Flügeldecken und andere harte
Theile der Beute werden, zu Gewöllen geformt, wieder ausgeworfen.
Ende Mai’s beginnt das Brutgeſchäft. Zur Anlage ſeines Neſtes wählt ſich der Bienenfreſſer
am liebſten das ſandige oder lehmige Ufer eines Fluſſes. Hier beginnt er ein rundes Loch von zwei
bis zweiundeinhalb Zoll im Durchmeſſer auszuhöhlen, wahrſcheinlich mit Schnabel und Klauen
zugleich, möglicherweiſe auch mit den Klauen allein. Dieſes Loch führt wagrecht oder in wenig auf-
ſteigender Richtung weiter und bildet ſomit eine Höhle, welche vier bis ſechs Fuß tief ſein kann. Das
Ende des Ganges wird zu einer Kammer von 8 bis 10 Zoll Länge, 4 bis 6 Zoll Breite und
3 bis 4 Zoll Höhe erweitert, auf deren Boden dann das Weibchen im Juni ſeine vier bis ſieben Eier
niederlegt. Zuweilen wird, laut Salvin, noch eine zweite Niſtkammer hinter der erſten angelegt
und mit dieſer durch einen etwa fußlangen Gang verbunden. Einige Beobachter wollen eine Unter-
lage von Mos und Geniſt gefunden haben; ich meinestheils kann verſichern, daß ich in allen Bienen-
freſſerneſtern, welche ich unterſuchte, niemals eine Spur von Niſtſtoffen fand. Aus den Flügeldecken,
Beinen u. ſ. w., welche von den Jungen nicht mit gefreſſen werden, ſo wie aus den von ihnen oder von
den brütenden Alten ausgeſpieenen Gewöllen bildet ſich nach und nach ein förmliches Sitzpolſter im
Jnnern der Niſtkammer, ſo daß die Jungen einer Unterlage wenigſtens nicht gänzlich entbehren. Ob
das Weibchen allein brütet oder ob es vom Männchen abgelöſt wird, iſt zur Zeit noch unbekannt:
man weiß blos, daß beide Eltern ſich in das Geſchäft der Aufzucht theilen und fleißig Nahrung
zutragen. Schon Ende Juni’s ſieht man Junge mit den Alten umherfliegen und letztere jene füttern.
Anfangs kehrt die Familie höchſt wahrſcheinlich zur Niſthöhle zurück — wenigſtens beobachtete Powys
mehreremal, daß drei und vier Bienenfreſſer aus ein und derſelben Höhle flogen — wenige Wochen
ſpäter benehmen ſich die Jungen ganz wie die Alten, und zur Zeit der Abreiſe unterſcheiden ſie ſich,
ſoweit es das Betragen angeht, nicht im geringſten von dieſen.
Die Alten wußten übrigens über das Brutgeſchäft noch ganz andere Dinge zu erzählen, als wir.
„Der Vogel iſt alſo liſtig“, ſchreibt Geßner, „daß er ſeine jungen, damit ſie nit gefangen werden, von
einem ort an das andere trägt. Er fleucht auch ſelbſt ſtäts an andere ort, damit er nicht gefangen
werde, daß man auch nicht ſpüren möge, wo er ſeine junge erziehe.... Man ſagt, daß dieſer vogel,
als der Storch, ſeinen Eltern behülfſlich ſei, nicht allein im Alter, ſondern wenn ſie ihrer Hülff
bedörffen vnd nottürfſtig ſeyen, laſſen derhalben jhre Eltern nicht auß dem Neſt fliehen, ſondern
tragen jnen Nahrung herzu, tragen ſie auch auff dem Rücken hin vnd her.“
Es iſt erklärlich, daß der Bienenfreſſer nicht überall mit günſtigem Auge angeſehen wird. Die
Räubereien, welche er ſich zu Schulden kommen läßt, erregen den Zorn der Bienenzüchter und ziehen
ihm eine rückſichtsloſe Verfolgung zu. Der Bienenfreſſer zeigt ſich ſelten ſcheu und am wenigſten in
der Nähe Beute verſprechender Oertlichkeit; denn hier läßt er ſich ſelbſt durch Schießen ſo leicht nicht
vertreiben. Erſt wiederholte Verfolgung macht ihn vorſichtig und die Jagd auf ihn einigermaßen
ſchwierig. Jn Griechenland werden nach Lindermayer’s Verſicherung in den letzten Monaten
außerordentlich viel Bienenfreſſer geſchoſſen und als ſchmackhafte Speiſe mit Vorliebe genoſſen. Auf
Candia ſollen viele an der Angel gefangen werden, in derſelben Weiſe, welche uns ſchon Geßner
beſchreibt: „Jhre ſchöne reitzt die jungen Knaben in Creta, daß ſie die mit Häwſchrecken, als die
Schwalben, fahne, alſo, daß ſie an eine gekrümbte Glufen einen Häwſchrecken ſtecken, vnd dieſe an einen
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/154>, abgerufen am 16.02.2025.
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