Aufwand von bedeutender Kraft und mit vieler Mühe. Die Klettervögel beuten die Tiefe der Blumenkelche oder das Jnnere der Blüthen aus und durchstöbern alle Versteckplätze der Kerbthiere unter der Baumrinde oder im Jnnern des morschenden Holzes. Einige müssen sich in Folge ihrer Schwäche mit Dem begnügen, was die Oberfläche bietet; andere arbeiten gewaltig, um das Ver- borgenste bloszulegen.
Jeder einzelne nutzt die ihm eigenthümliche Begabung in bester Weise. Der eine hängt sich, nach Meisenart, an die Zweige und sucht sie und die an ihnen haftenden Blätter und Blüthen sorg- fältig ab, der andere beklettert Baumstämme, der dritte Felsenwände; der vierte treibt es auf dem Boden, wie jene auf den Bäumen: die Art der Jagd ist ebenso verschieden, wie der Grad der Bewegungsfähigkeit.
Nicht alle Klettervögel entbehren des Wohllautes der Stimme; denn auch in dieser Ordnung gibt es Sänger, obgleich deren Anzahl nicht gerade bedeutend, und die Singfähigkeit eine verhältniß- mäßig geringe ist. Die Mehrzahl freilich ist unfähig zu singen; sie ist höchstens im Stande, einzelne wohllautende Töne hervorzubringen. Von der Sangesgabe einzelner ist mit Entzücken gesprochen worden: -- ob dasselbe ein gerechtes war, bleibt fraglich. Größere Beachtung, als der Gesang dieser bevorzugten, verdient wahrscheinlich die von vielen Mitgliedern der Ordnung beliebte Benutzung natürlicher Tonwerkzeuge, in der Absicht, dadurch Gefühle auszudrücken; denn derartige Künste werden eben nur von Klettervögeln geübt. Jeder andere Vogel singt oder schreit -- der Specht trommelt seine Liebesbegeisterung in das Ohr seiner Begehrten oder Erworbenen: er versetzt fremde Körper in Schwingungen und entlockt ihnen Klänge, um sich und Andere an ihnen zu erfreuen.
Das Nest der Klettervögel wird verschieden angelegt und hergerichtet. Wohl die meisten brü- ten in Höhlen, viele ohne weitere Vorbereitung, einzelne nachdem sie dieselben passend ausgekleidet; unter der einen Halbscheid der Ordnung, welche die Dünnschnäbler umfaßt, gibt es aber auch viele, welche mehr oder weniger künstliche Gebäude in dem Gezweige oder auf dem Boden errichten. Etwas Absonderliches ist allen Nestern gemein. Die Anzahl der Eier eines Geleges schwankt, wie in anderen Ordnungen, und auch Gestalt und Färbung der Eier wechseln vielfach ab. Beide Ge- schlechter brüten, und beide theilen redlich die Mühen der Aufzucht ihrer geliebten Brut.
Für die Gefangenschaft eignen sich wenige Mitglieder dieser Ordnung. Jhre Haltung ver- ursacht besondere Schwierigkeiten. Die wenigsten gewöhnen sich leicht an ein passendes Ersatzfutter, und viele erschweren wegen ihrer Unruhe und Zerstörungslust oder Zerstörungsfähigkeit ihre Ein- sperrung in Käfigen oder Zimmern. Diejenigen Klettervögel, welche bisher gefangen gehalten wurden, haben sich ohne Ausnahme die Zuneigung oder wenigstens die Theilnahme ihres Gebieters zu erwerben verstanden. Wenn man ihnen die Bedingungen erfüllt, welche zu einem erträglichen Dasein im Kerker erforderlich sind, bekunden sie auch hier die volle Lebhaftigkeit und Eigenthümlich- keit ihres Wesens. Einzelne werden zahm, "wie ein Hund"; sie gewöhnen sich, in ihrem Pfleger auch ihren Gebieter zu sehen, folgen ihm auf seinen Wegen getreulich nach und lassen sich zum Aus- und Einfliegen gewöhnen, ja, förmlich zum Hausthiere machen. Anderen Vögeln gegenüber zeigen sie sich höchst verträglich: kurz, sie eutfalten eine Menge guter Eigenschaften.
Alle Klettervögel sind nützlich, kein einziger ist schädlich. Unser Wald, unsere Bäume über- haupt, haben in dieser Ordnung ihre besten Freunde, ihre Erhalter. Der rohe Verstand des unge- bildeten Menschen will Das freilich nicht immer einsehen; daher ist es die unabweisliche Pflicht der Gebildeten, ihrerseits nach besten Kräften sich der Klettervögel anzunehmen. Die Spechte, Specht- meisen, Baumläufer und wie sie sonst noch heißen mögen, sollten uns heilig sein, d. h. als unantast- bare, unverletzliche Wesen gelten.
Jch muß mit Freuden bekennen, daß eine derartige Anschauung sich immer mehr Bahn bricht. Das so vielfach verschriene Wirken der Naturforscher beginnt Früchte zu tragen, das Licht, welches sie zu verbreiten suchen, Gegenden und Länder zu erhellen, in denen die Wissenschaft bis in die
Allgemeines.
Aufwand von bedeutender Kraft und mit vieler Mühe. Die Klettervögel beuten die Tiefe der Blumenkelche oder das Jnnere der Blüthen aus und durchſtöbern alle Verſteckplätze der Kerbthiere unter der Baumrinde oder im Jnnern des morſchenden Holzes. Einige müſſen ſich in Folge ihrer Schwäche mit Dem begnügen, was die Oberfläche bietet; andere arbeiten gewaltig, um das Ver- borgenſte bloszulegen.
Jeder einzelne nutzt die ihm eigenthümliche Begabung in beſter Weiſe. Der eine hängt ſich, nach Meiſenart, an die Zweige und ſucht ſie und die an ihnen haftenden Blätter und Blüthen ſorg- fältig ab, der andere beklettert Baumſtämme, der dritte Felſenwände; der vierte treibt es auf dem Boden, wie jene auf den Bäumen: die Art der Jagd iſt ebenſo verſchieden, wie der Grad der Bewegungsfähigkeit.
Nicht alle Klettervögel entbehren des Wohllautes der Stimme; denn auch in dieſer Ordnung gibt es Sänger, obgleich deren Anzahl nicht gerade bedeutend, und die Singfähigkeit eine verhältniß- mäßig geringe iſt. Die Mehrzahl freilich iſt unfähig zu ſingen; ſie iſt höchſtens im Stande, einzelne wohllautende Töne hervorzubringen. Von der Sangesgabe einzelner iſt mit Entzücken geſprochen worden: — ob daſſelbe ein gerechtes war, bleibt fraglich. Größere Beachtung, als der Geſang dieſer bevorzugten, verdient wahrſcheinlich die von vielen Mitgliedern der Ordnung beliebte Benutzung natürlicher Tonwerkzeuge, in der Abſicht, dadurch Gefühle auszudrücken; denn derartige Künſte werden eben nur von Klettervögeln geübt. Jeder andere Vogel ſingt oder ſchreit — der Specht trommelt ſeine Liebesbegeiſterung in das Ohr ſeiner Begehrten oder Erworbenen: er verſetzt fremde Körper in Schwingungen und entlockt ihnen Klänge, um ſich und Andere an ihnen zu erfreuen.
Das Neſt der Klettervögel wird verſchieden angelegt und hergerichtet. Wohl die meiſten brü- ten in Höhlen, viele ohne weitere Vorbereitung, einzelne nachdem ſie dieſelben paſſend ausgekleidet; unter der einen Halbſcheid der Ordnung, welche die Dünnſchnäbler umfaßt, gibt es aber auch viele, welche mehr oder weniger künſtliche Gebäude in dem Gezweige oder auf dem Boden errichten. Etwas Abſonderliches iſt allen Neſtern gemein. Die Anzahl der Eier eines Geleges ſchwankt, wie in anderen Ordnungen, und auch Geſtalt und Färbung der Eier wechſeln vielfach ab. Beide Ge- ſchlechter brüten, und beide theilen redlich die Mühen der Aufzucht ihrer geliebten Brut.
Für die Gefangenſchaft eignen ſich wenige Mitglieder dieſer Ordnung. Jhre Haltung ver- urſacht beſondere Schwierigkeiten. Die wenigſten gewöhnen ſich leicht an ein paſſendes Erſatzfutter, und viele erſchweren wegen ihrer Unruhe und Zerſtörungsluſt oder Zerſtörungsfähigkeit ihre Ein- ſperrung in Käfigen oder Zimmern. Diejenigen Klettervögel, welche bisher gefangen gehalten wurden, haben ſich ohne Ausnahme die Zuneigung oder wenigſtens die Theilnahme ihres Gebieters zu erwerben verſtanden. Wenn man ihnen die Bedingungen erfüllt, welche zu einem erträglichen Daſein im Kerker erforderlich ſind, bekunden ſie auch hier die volle Lebhaftigkeit und Eigenthümlich- keit ihres Weſens. Einzelne werden zahm, „wie ein Hund“; ſie gewöhnen ſich, in ihrem Pfleger auch ihren Gebieter zu ſehen, folgen ihm auf ſeinen Wegen getreulich nach und laſſen ſich zum Aus- und Einfliegen gewöhnen, ja, förmlich zum Hausthiere machen. Anderen Vögeln gegenüber zeigen ſie ſich höchſt verträglich: kurz, ſie eutfalten eine Menge guter Eigenſchaften.
Alle Klettervögel ſind nützlich, kein einziger iſt ſchädlich. Unſer Wald, unſere Bäume über- haupt, haben in dieſer Ordnung ihre beſten Freunde, ihre Erhalter. Der rohe Verſtand des unge- bildeten Menſchen will Das freilich nicht immer einſehen; daher iſt es die unabweisliche Pflicht der Gebildeten, ihrerſeits nach beſten Kräften ſich der Klettervögel anzunehmen. Die Spechte, Specht- meiſen, Baumläufer und wie ſie ſonſt noch heißen mögen, ſollten uns heilig ſein, d. h. als unantaſt- bare, unverletzliche Weſen gelten.
Jch muß mit Freuden bekennen, daß eine derartige Anſchauung ſich immer mehr Bahn bricht. Das ſo vielfach verſchriene Wirken der Naturforſcher beginnt Früchte zu tragen, das Licht, welches ſie zu verbreiten ſuchen, Gegenden und Länder zu erhellen, in denen die Wiſſenſchaft bis in die
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Allgemeines.
Aufwand von bedeutender Kraft und mit vieler Mühe. Die Klettervögel beuten die Tiefe der
Blumenkelche oder das Jnnere der Blüthen aus und durchſtöbern alle Verſteckplätze der Kerbthiere
unter der Baumrinde oder im Jnnern des morſchenden Holzes. Einige müſſen ſich in Folge ihrer
Schwäche mit Dem begnügen, was die Oberfläche bietet; andere arbeiten gewaltig, um das Ver-
borgenſte bloszulegen.
Jeder einzelne nutzt die ihm eigenthümliche Begabung in beſter Weiſe. Der eine hängt ſich,
nach Meiſenart, an die Zweige und ſucht ſie und die an ihnen haftenden Blätter und Blüthen ſorg-
fältig ab, der andere beklettert Baumſtämme, der dritte Felſenwände; der vierte treibt es auf dem
Boden, wie jene auf den Bäumen: die Art der Jagd iſt ebenſo verſchieden, wie der Grad der
Bewegungsfähigkeit.
Nicht alle Klettervögel entbehren des Wohllautes der Stimme; denn auch in dieſer Ordnung
gibt es Sänger, obgleich deren Anzahl nicht gerade bedeutend, und die Singfähigkeit eine verhältniß-
mäßig geringe iſt. Die Mehrzahl freilich iſt unfähig zu ſingen; ſie iſt höchſtens im Stande,
einzelne wohllautende Töne hervorzubringen. Von der Sangesgabe einzelner iſt mit Entzücken
geſprochen worden: — ob daſſelbe ein gerechtes war, bleibt fraglich. Größere Beachtung, als der
Geſang dieſer bevorzugten, verdient wahrſcheinlich die von vielen Mitgliedern der Ordnung beliebte
Benutzung natürlicher Tonwerkzeuge, in der Abſicht, dadurch Gefühle auszudrücken; denn derartige
Künſte werden eben nur von Klettervögeln geübt. Jeder andere Vogel ſingt oder ſchreit — der
Specht trommelt ſeine Liebesbegeiſterung in das Ohr ſeiner Begehrten oder Erworbenen: er verſetzt
fremde Körper in Schwingungen und entlockt ihnen Klänge, um ſich und Andere an ihnen
zu erfreuen.
Das Neſt der Klettervögel wird verſchieden angelegt und hergerichtet. Wohl die meiſten brü-
ten in Höhlen, viele ohne weitere Vorbereitung, einzelne nachdem ſie dieſelben paſſend ausgekleidet;
unter der einen Halbſcheid der Ordnung, welche die Dünnſchnäbler umfaßt, gibt es aber auch viele,
welche mehr oder weniger künſtliche Gebäude in dem Gezweige oder auf dem Boden errichten. Etwas
Abſonderliches iſt allen Neſtern gemein. Die Anzahl der Eier eines Geleges ſchwankt, wie in
anderen Ordnungen, und auch Geſtalt und Färbung der Eier wechſeln vielfach ab. Beide Ge-
ſchlechter brüten, und beide theilen redlich die Mühen der Aufzucht ihrer geliebten Brut.
Für die Gefangenſchaft eignen ſich wenige Mitglieder dieſer Ordnung. Jhre Haltung ver-
urſacht beſondere Schwierigkeiten. Die wenigſten gewöhnen ſich leicht an ein paſſendes Erſatzfutter,
und viele erſchweren wegen ihrer Unruhe und Zerſtörungsluſt oder Zerſtörungsfähigkeit ihre Ein-
ſperrung in Käfigen oder Zimmern. Diejenigen Klettervögel, welche bisher gefangen gehalten
wurden, haben ſich ohne Ausnahme die Zuneigung oder wenigſtens die Theilnahme ihres Gebieters
zu erwerben verſtanden. Wenn man ihnen die Bedingungen erfüllt, welche zu einem erträglichen
Daſein im Kerker erforderlich ſind, bekunden ſie auch hier die volle Lebhaftigkeit und Eigenthümlich-
keit ihres Weſens. Einzelne werden zahm, „wie ein Hund“; ſie gewöhnen ſich, in ihrem Pfleger auch
ihren Gebieter zu ſehen, folgen ihm auf ſeinen Wegen getreulich nach und laſſen ſich zum Aus-
und Einfliegen gewöhnen, ja, förmlich zum Hausthiere machen. Anderen Vögeln gegenüber zeigen
ſie ſich höchſt verträglich: kurz, ſie eutfalten eine Menge guter Eigenſchaften.
Alle Klettervögel ſind nützlich, kein einziger iſt ſchädlich. Unſer Wald, unſere Bäume über-
haupt, haben in dieſer Ordnung ihre beſten Freunde, ihre Erhalter. Der rohe Verſtand des unge-
bildeten Menſchen will Das freilich nicht immer einſehen; daher iſt es die unabweisliche Pflicht der
Gebildeten, ihrerſeits nach beſten Kräften ſich der Klettervögel anzunehmen. Die Spechte, Specht-
meiſen, Baumläufer und wie ſie ſonſt noch heißen mögen, ſollten uns heilig ſein, d. h. als unantaſt-
bare, unverletzliche Weſen gelten.
Jch muß mit Freuden bekennen, daß eine derartige Anſchauung ſich immer mehr Bahn bricht.
Das ſo vielfach verſchriene Wirken der Naturforſcher beginnt Früchte zu tragen, das Licht, welches
ſie zu verbreiten ſuchen, Gegenden und Länder zu erhellen, in denen die Wiſſenſchaft bis in die
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/17>, abgerufen am 21.11.2024.
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