die gefangenen Vögel aus Neuholland in sehr traurigem Zustande bei uns an: so schlimm aber, als er gedacht haben mag, ist ihr späteres Loos denn doch nicht. Dies beweisen die Gefangenen selbst überzeugend genug. Sie gehören allerdings nicht zu den anspruchsvollen Thieren, begnügen sich vielmehr mit sehr einfacher Nahrung, mit grob geschnittenen Fleischstückchen, Mäusen und Fischen nämlich, und verschmerzen vielleicht schon deshalb den Verlust ihrer Freiheit. Gibt man ihnen einen großen geräumigen Käfig, so gewinnen sie bald ihre ganze Heiterkeit wieder und betragen sich genau ebenso, wie in ihrem heimatlichen Lande. Gewöhnlich sitzen sie ruhig auf dem passendsten Platze im Käsig, wenn sie paarweise gehalten werden, dicht neben einander. Der Hals wird dabei so ein- gezogen, daß der Kopf unmittelbar auf den Schultern liegt; das Gesieder wird lässig getragen. Zur Abwechslung sträubt einer oder der andere das Kopfgefieder so, daß der Kopf fast noch einmal so groß erscheint als sonst und einen sehr ernsthaften Ausdruck gewinnt; zuweilen wird auch mit dem Schwanze gewippt. Dieser Bewegungen ungeachtet, erscheint der Riesenfischer träge, verdrossen und schläfrig: -- aber er erscheint auch nur so. Wer wissen will, weß Geistes Kind er vor sich hat, muß das unruhig sich bewegende, listig blitzende Auge beobachten: er wird dann wenigstens zu der Ueberzeugung gelangen, daß der Vogel seine Umgebung fortwährend beachtet und Alles, was vorgeht, bemerkt.
Auch im Käfige zeigt der Riesensischer dieselbe Zeitkunde, wie im australischen Buschwalde: er schreit in der Regel wirklich nur zu den oben angegebenen Zeiten. Doch trägt er besonderen Ereig- nissen Rechnung, läßt sich z. B. herbei, eine ihm gebrachte und ihm verständliche Begrüßung durch Geschrei zu erwidern. Hat er sich einmal mit seinem Pfleger enger befreundet, so begrüßt er diesen, auch ohne dazu aufgefordert worden zu sein. Die zahmsten Riesenfischer, welche ich gesehen habe, leben im Thiergarten zu Dresden. Sie beweisen dem Kundigen, daß ihr Pfleger, mein werther Freund und Berufsgenosse Schöpff, es gründlich versteht, mit Thieren umzugehen. Das Erscheinen des Gebieters ist für die in Rede stehenden Riesenfischer ein Ereigniß. Die träumerische Ruhe, in welcher die Vögel sich gefielen, weicht augenblicklich der lebhaftesten Erregung. "Sobald ich mich sehen lasse", erzählte mir mein Freund, "begrüßen mich die Vögel mit lautem Geschrei; gehe ich in den Käfig, so fliegen sie mir auf Schulter und Hand, und ich muß sie mit Gewalt entfernen, wenn ich sie los werden will; denn freiwillig haben sie mich noch nie verlassen. Schon wenn ich am Käfig auf und ab gehe, fliegen sie mir nach, auch wenn ich mich scheinbar nicht um sie kümmere." Zum Beweise der Wahrheit seiner Erzählung führte mich Schöpff zu dem betreffenden Käfige, und ich hatte nun selbst Gelegenheit, die Zahmheit der Thiere zu bewundern. Die gedachten Riesenfischer leben mit Silber- und Nachtreihern, Purpurhühnern und Jbissen im besten Einvernehmen, scheinen sich aber wenig um ihre Genossen zu kümmern, sich vielmehr nur mit sich selbst zu beschäftigen. Mit Kleingeflügel aber würden sie sich schwerlich vertragen; denn ihre Mordlust ist sehr groß. So friedlich die Gatten eines Paares dieser Vögel sind, so zänkisch zeigen sie sich, wenn ihre Raubsucht rege wird. Dann will jeder der Erste sein. Eine lebende Maus wird wüthend angefallen, gepackt und rasch nach einander einige Male gegen den Ast geschlagen, eine bereits getödtete in derselben Weise behan- delt. Dann packen beide das Schlachtopfer und zerren es heftig hin und her, sträuben die Kopf- federn und werfen sich bitterböse Blicke zu, bis endlich einer in den unbestreitbaren Besitz des Beute- stücks gelangt, d. h. es im Jnnern seines Schlundes gegen fernere Nachstellungen des andern sichert.
Mehrere Arten der Familie, welche man Paradieslieste(Tanysiptera) genannt hat, unter- scheiden sich von allen übrigen Verwandten durch die verlängerten Mittelschwanzfedern. Jhr Schnabel ist verhältnißmäßig kurz, aber immer noch mehr als kopflang, vorn kantig oder keilförmig, an der Wurzel breit und flach gedrückt, in der Mitte der Länge am höchsten, auf der Firste des Ober-
Jägerlieſt.
die gefangenen Vögel aus Neuholland in ſehr traurigem Zuſtande bei uns an: ſo ſchlimm aber, als er gedacht haben mag, iſt ihr ſpäteres Loos denn doch nicht. Dies beweiſen die Gefangenen ſelbſt überzeugend genug. Sie gehören allerdings nicht zu den anſpruchsvollen Thieren, begnügen ſich vielmehr mit ſehr einfacher Nahrung, mit grob geſchnittenen Fleiſchſtückchen, Mäuſen und Fiſchen nämlich, und verſchmerzen vielleicht ſchon deshalb den Verluſt ihrer Freiheit. Gibt man ihnen einen großen geräumigen Käfig, ſo gewinnen ſie bald ihre ganze Heiterkeit wieder und betragen ſich genau ebenſo, wie in ihrem heimatlichen Lande. Gewöhnlich ſitzen ſie ruhig auf dem paſſendſten Platze im Käſig, wenn ſie paarweiſe gehalten werden, dicht neben einander. Der Hals wird dabei ſo ein- gezogen, daß der Kopf unmittelbar auf den Schultern liegt; das Geſieder wird läſſig getragen. Zur Abwechslung ſträubt einer oder der andere das Kopfgefieder ſo, daß der Kopf faſt noch einmal ſo groß erſcheint als ſonſt und einen ſehr ernſthaften Ausdruck gewinnt; zuweilen wird auch mit dem Schwanze gewippt. Dieſer Bewegungen ungeachtet, erſcheint der Rieſenfiſcher träge, verdroſſen und ſchläfrig: — aber er erſcheint auch nur ſo. Wer wiſſen will, weß Geiſtes Kind er vor ſich hat, muß das unruhig ſich bewegende, liſtig blitzende Auge beobachten: er wird dann wenigſtens zu der Ueberzeugung gelangen, daß der Vogel ſeine Umgebung fortwährend beachtet und Alles, was vorgeht, bemerkt.
Auch im Käfige zeigt der Rieſenſiſcher dieſelbe Zeitkunde, wie im auſtraliſchen Buſchwalde: er ſchreit in der Regel wirklich nur zu den oben angegebenen Zeiten. Doch trägt er beſonderen Ereig- niſſen Rechnung, läßt ſich z. B. herbei, eine ihm gebrachte und ihm verſtändliche Begrüßung durch Geſchrei zu erwidern. Hat er ſich einmal mit ſeinem Pfleger enger befreundet, ſo begrüßt er dieſen, auch ohne dazu aufgefordert worden zu ſein. Die zahmſten Rieſenfiſcher, welche ich geſehen habe, leben im Thiergarten zu Dresden. Sie beweiſen dem Kundigen, daß ihr Pfleger, mein werther Freund und Berufsgenoſſe Schöpff, es gründlich verſteht, mit Thieren umzugehen. Das Erſcheinen des Gebieters iſt für die in Rede ſtehenden Rieſenfiſcher ein Ereigniß. Die träumeriſche Ruhe, in welcher die Vögel ſich gefielen, weicht augenblicklich der lebhafteſten Erregung. „Sobald ich mich ſehen laſſe“, erzählte mir mein Freund, „begrüßen mich die Vögel mit lautem Geſchrei; gehe ich in den Käfig, ſo fliegen ſie mir auf Schulter und Hand, und ich muß ſie mit Gewalt entfernen, wenn ich ſie los werden will; denn freiwillig haben ſie mich noch nie verlaſſen. Schon wenn ich am Käfig auf und ab gehe, fliegen ſie mir nach, auch wenn ich mich ſcheinbar nicht um ſie kümmere.“ Zum Beweiſe der Wahrheit ſeiner Erzählung führte mich Schöpff zu dem betreffenden Käfige, und ich hatte nun ſelbſt Gelegenheit, die Zahmheit der Thiere zu bewundern. Die gedachten Rieſenfiſcher leben mit Silber- und Nachtreihern, Purpurhühnern und Jbiſſen im beſten Einvernehmen, ſcheinen ſich aber wenig um ihre Genoſſen zu kümmern, ſich vielmehr nur mit ſich ſelbſt zu beſchäftigen. Mit Kleingeflügel aber würden ſie ſich ſchwerlich vertragen; denn ihre Mordluſt iſt ſehr groß. So friedlich die Gatten eines Paares dieſer Vögel ſind, ſo zänkiſch zeigen ſie ſich, wenn ihre Raubſucht rege wird. Dann will jeder der Erſte ſein. Eine lebende Maus wird wüthend angefallen, gepackt und raſch nach einander einige Male gegen den Aſt geſchlagen, eine bereits getödtete in derſelben Weiſe behan- delt. Dann packen beide das Schlachtopfer und zerren es heftig hin und her, ſträuben die Kopf- federn und werfen ſich bitterböſe Blicke zu, bis endlich einer in den unbeſtreitbaren Beſitz des Beute- ſtücks gelangt, d. h. es im Jnnern ſeines Schlundes gegen fernere Nachſtellungen des andern ſichert.
Mehrere Arten der Familie, welche man Paradieslieſte(Tanysiptera) genannt hat, unter- ſcheiden ſich von allen übrigen Verwandten durch die verlängerten Mittelſchwanzfedern. Jhr Schnabel iſt verhältnißmäßig kurz, aber immer noch mehr als kopflang, vorn kantig oder keilförmig, an der Wurzel breit und flach gedrückt, in der Mitte der Länge am höchſten, auf der Firſte des Ober-
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Jägerlieſt.
die gefangenen Vögel aus Neuholland in ſehr traurigem Zuſtande bei uns an: ſo ſchlimm aber, als
er gedacht haben mag, iſt ihr ſpäteres Loos denn doch nicht. Dies beweiſen die Gefangenen ſelbſt
überzeugend genug. Sie gehören allerdings nicht zu den anſpruchsvollen Thieren, begnügen ſich
vielmehr mit ſehr einfacher Nahrung, mit grob geſchnittenen Fleiſchſtückchen, Mäuſen und Fiſchen
nämlich, und verſchmerzen vielleicht ſchon deshalb den Verluſt ihrer Freiheit. Gibt man ihnen einen
großen geräumigen Käfig, ſo gewinnen ſie bald ihre ganze Heiterkeit wieder und betragen ſich genau
ebenſo, wie in ihrem heimatlichen Lande. Gewöhnlich ſitzen ſie ruhig auf dem paſſendſten Platze im
Käſig, wenn ſie paarweiſe gehalten werden, dicht neben einander. Der Hals wird dabei ſo ein-
gezogen, daß der Kopf unmittelbar auf den Schultern liegt; das Geſieder wird läſſig getragen. Zur
Abwechslung ſträubt einer oder der andere das Kopfgefieder ſo, daß der Kopf faſt noch einmal ſo
groß erſcheint als ſonſt und einen ſehr ernſthaften Ausdruck gewinnt; zuweilen wird auch mit dem
Schwanze gewippt. Dieſer Bewegungen ungeachtet, erſcheint der Rieſenfiſcher träge, verdroſſen
und ſchläfrig: — aber er erſcheint auch nur ſo. Wer wiſſen will, weß Geiſtes Kind er vor ſich
hat, muß das unruhig ſich bewegende, liſtig blitzende Auge beobachten: er wird dann wenigſtens zu
der Ueberzeugung gelangen, daß der Vogel ſeine Umgebung fortwährend beachtet und Alles, was
vorgeht, bemerkt.
Auch im Käfige zeigt der Rieſenſiſcher dieſelbe Zeitkunde, wie im auſtraliſchen Buſchwalde: er
ſchreit in der Regel wirklich nur zu den oben angegebenen Zeiten. Doch trägt er beſonderen Ereig-
niſſen Rechnung, läßt ſich z. B. herbei, eine ihm gebrachte und ihm verſtändliche Begrüßung durch
Geſchrei zu erwidern. Hat er ſich einmal mit ſeinem Pfleger enger befreundet, ſo begrüßt er dieſen,
auch ohne dazu aufgefordert worden zu ſein. Die zahmſten Rieſenfiſcher, welche ich geſehen habe,
leben im Thiergarten zu Dresden. Sie beweiſen dem Kundigen, daß ihr Pfleger, mein werther
Freund und Berufsgenoſſe Schöpff, es gründlich verſteht, mit Thieren umzugehen. Das Erſcheinen
des Gebieters iſt für die in Rede ſtehenden Rieſenfiſcher ein Ereigniß. Die träumeriſche Ruhe, in
welcher die Vögel ſich gefielen, weicht augenblicklich der lebhafteſten Erregung. „Sobald ich mich
ſehen laſſe“, erzählte mir mein Freund, „begrüßen mich die Vögel mit lautem Geſchrei; gehe ich in
den Käfig, ſo fliegen ſie mir auf Schulter und Hand, und ich muß ſie mit Gewalt entfernen, wenn
ich ſie los werden will; denn freiwillig haben ſie mich noch nie verlaſſen. Schon wenn ich am Käfig
auf und ab gehe, fliegen ſie mir nach, auch wenn ich mich ſcheinbar nicht um ſie kümmere.“ Zum
Beweiſe der Wahrheit ſeiner Erzählung führte mich Schöpff zu dem betreffenden Käfige, und ich
hatte nun ſelbſt Gelegenheit, die Zahmheit der Thiere zu bewundern. Die gedachten Rieſenfiſcher
leben mit Silber- und Nachtreihern, Purpurhühnern und Jbiſſen im beſten Einvernehmen, ſcheinen
ſich aber wenig um ihre Genoſſen zu kümmern, ſich vielmehr nur mit ſich ſelbſt zu beſchäftigen. Mit
Kleingeflügel aber würden ſie ſich ſchwerlich vertragen; denn ihre Mordluſt iſt ſehr groß. So friedlich
die Gatten eines Paares dieſer Vögel ſind, ſo zänkiſch zeigen ſie ſich, wenn ihre Raubſucht rege wird.
Dann will jeder der Erſte ſein. Eine lebende Maus wird wüthend angefallen, gepackt und raſch
nach einander einige Male gegen den Aſt geſchlagen, eine bereits getödtete in derſelben Weiſe behan-
delt. Dann packen beide das Schlachtopfer und zerren es heftig hin und her, ſträuben die Kopf-
federn und werfen ſich bitterböſe Blicke zu, bis endlich einer in den unbeſtreitbaren Beſitz des Beute-
ſtücks gelangt, d. h. es im Jnnern ſeines Schlundes gegen fernere Nachſtellungen des andern ſichert.
Mehrere Arten der Familie, welche man Paradieslieſte (Tanysiptera) genannt hat, unter-
ſcheiden ſich von allen übrigen Verwandten durch die verlängerten Mittelſchwanzfedern. Jhr
Schnabel iſt verhältnißmäßig kurz, aber immer noch mehr als kopflang, vorn kantig oder keilförmig,
an der Wurzel breit und flach gedrückt, in der Mitte der Länge am höchſten, auf der Firſte des Ober-
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/193>, abgerufen am 21.11.2024.
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