welcher sich, wie wir gesehen, von dieser Leidenschaft so vollständig beherrschen läßt, daß er sich wie sinnlos geberdet. Daß die verliebten Männchen sich ebenfalls heftig verfolgen, dabei lebhaft schreien und mit einander kämpfen, ist selbstverständlich; es geschieht Dies aber wenigstens in einer viel anstän- digeren Weise, als beim Kukuk.
Der Flug des Straußkukuks ist pfeilgeschwind und ungemein geschickt; denn der Vogel eilt mit der Gewandtheit des Sperbers durch das ärgste Dickicht hindurch, ohne einen Augenblick anzuhalten. Gewöhnlich fliegt er nicht gerade weit, sondern immer nur von einem Baume zum andern; nur wenn zwei Männchen sich jagen, durcheilen sie größere Strecken. Zum Boden herab kommt der Straußkukuk wohl äußerst selten; ich meines Theils habe ihn wenigstens nie hier gesehen, aber beobachtet, daß er fliegend von unten Kerbthiere aufnahm. Er fliegt, wenn er aufgescheucht wurde, einem Baume zu, dringt in das Jnnere der Krone und wartet hier die Ankunft des Verfolgers ab. Merkt er Gefahr, so stiehlt er sich unbemerkt zwischen den Zweigen hindurch, verläßt den Baum von der ent- gegengesetzten Seite und wendet sich einem andern zu. Jn dieser Weise kann er den Schützen oft lange foppen. Die Stimme ist von der unseres Kukuks durchaus verschieden: sie ist ein lachendes, elsterartiges Geschrei, welches Allen durch "Kiau kiau" wiederzugeben versucht. Der Warnungsruf, welchen ich übrigens nicht vernommen habe, soll wie "Kerk kerk" klingen. Der gewöhnliche Stimm- laut wird regelmäßig sehr oft nach einander und so laut ausgestoßen, daß er mit keinem anderen Vogelgeschrei verwechselt und auf weithin vernommen werden kann.
Jm Magen der von uns erlegten fanden wir Kerbthiere aller Art, auch Raupen, Allen und seine Begleiter hingegen vorzugsweise Heuschrecken.
Die Frage, ob der Straußkukuk selbst niste oder seine Eier andern Vögeln zur Pflege übergebe, war insofern von besonderer Wichtigkeit, als sie entschied, ob der Vogel zu den eigentlichen Kukuken gerechnet werden dürfe oder nicht. Es lag mir deshalb sehr viel daran, hierüber ins Klare zu kommen; aber ich konnte trotz meines mehrjährigen Aufenthalts in Afrika hierüber lange nichts Sicheres erfahren. Am 5. März 1850 endlich gewannen wir den ersten Anhaltspunkt für fernere Forschungen. Wir erlegten in einem Mimosenwäldchen bei Siut sieben Straußkukuke und unter ihnen ein Weibchen, welches ein reifes Ei im Legschlauche trug. Dasselbe war leider durch den Schuß zertrümmert worden, und so konnten wir blos Splitter untersuchen; aber auch diese waren hinreichend, um zu erkennen, daß das Ei von dem unseres Kukuks sehr verschieden sein müsse. Das Wichtigste war einstweilen, die Brutzeit des Vogels zu wissen, da diese in Afrika sehr verschieden, d. h. nicht an bestimmte Monate gebunden ist. Trotzdem verstrichen noch zwei Jahre, ehe es mir gelang, über das Fortpflanzungs- geschäft ins Reine zu kommen.
Am 2. März 1852 verfolgte ich in einem Garten bei Theben in Oberegypten längere Zeit einen Straußkukuk. Er äffte mich in beliebter Weise und zog mich wohl eine halbe Stunde lang hinter sich her. Zuletzt sah ich ihn in ein großes Nest schlüpfen, welches auf einem nicht besonders hohen Baume stand. Es versteht sich von selbst, daß ich von jetzt an nicht daran dachte, den Vogel zu stören. Nach mehr als einer Viertelstunde flog er wieder aus dem Neste heraus und entfernte sich sofort aus der Umgebung. Jch erstieg den Baum und fand, daß das Nest der Nebelkrähe angehörte, im ganzen sechs Eier enthielt, darunter aber eins, welches vor wenigen Minuten erst zertrümmert worden war. Unter diesen Eiern unterschied ich auf den ersten Blick zwei kleinere, den Kräheneiern an Größe und Farbe zwar nahe stehende, aber doch mit ihnen nie zu verwechselnde Eier eines andern Vogels. Sie wurden ausgehoben, mit einer gewissen Aengstlichkeit der Barke zugetragen und dort mit den sorgfältig aufbewahrten Trümmern des ersten Kukukseis verglichen. Zu meiner großen Freude fand ich, daß sie mit ihm vollkommen übereinstimmten. Jn der Größe glichen sie ungefähr den Elstereiern, in der Form aber den anderer Kukukseier. "Jhre Farbe ist", wie Baedecker sagt, "ein lichtes Bläulichgrün, ihre Zeichnung aschgrau und bräunlichgrau in dicht gestellten Flecken, welche am stumpfen Ende sich zu einem mehr oder weniger geschlossenen Kranz vereinigen. Auf dieser Grund- zeichnung stehen noch einige dunkelbraune Punkte. Mit Krähen- und Elstereiern sind sie kaum zu
Die Späher. Leichtſchnäbler. Kukuke.
welcher ſich, wie wir geſehen, von dieſer Leidenſchaft ſo vollſtändig beherrſchen läßt, daß er ſich wie ſinnlos geberdet. Daß die verliebten Männchen ſich ebenfalls heftig verfolgen, dabei lebhaft ſchreien und mit einander kämpfen, iſt ſelbſtverſtändlich; es geſchieht Dies aber wenigſtens in einer viel anſtän- digeren Weiſe, als beim Kukuk.
Der Flug des Straußkukuks iſt pfeilgeſchwind und ungemein geſchickt; denn der Vogel eilt mit der Gewandtheit des Sperbers durch das ärgſte Dickicht hindurch, ohne einen Augenblick anzuhalten. Gewöhnlich fliegt er nicht gerade weit, ſondern immer nur von einem Baume zum andern; nur wenn zwei Männchen ſich jagen, durcheilen ſie größere Strecken. Zum Boden herab kommt der Straußkukuk wohl äußerſt ſelten; ich meines Theils habe ihn wenigſtens nie hier geſehen, aber beobachtet, daß er fliegend von unten Kerbthiere aufnahm. Er fliegt, wenn er aufgeſcheucht wurde, einem Baume zu, dringt in das Jnnere der Krone und wartet hier die Ankunft des Verfolgers ab. Merkt er Gefahr, ſo ſtiehlt er ſich unbemerkt zwiſchen den Zweigen hindurch, verläßt den Baum von der ent- gegengeſetzten Seite und wendet ſich einem andern zu. Jn dieſer Weiſe kann er den Schützen oft lange foppen. Die Stimme iſt von der unſeres Kukuks durchaus verſchieden: ſie iſt ein lachendes, elſterartiges Geſchrei, welches Allen durch „Kiau kiau“ wiederzugeben verſucht. Der Warnungsruf, welchen ich übrigens nicht vernommen habe, ſoll wie „Kerk kerk“ klingen. Der gewöhnliche Stimm- laut wird regelmäßig ſehr oft nach einander und ſo laut ausgeſtoßen, daß er mit keinem anderen Vogelgeſchrei verwechſelt und auf weithin vernommen werden kann.
Jm Magen der von uns erlegten fanden wir Kerbthiere aller Art, auch Raupen, Allen und ſeine Begleiter hingegen vorzugsweiſe Heuſchrecken.
Die Frage, ob der Straußkukuk ſelbſt niſte oder ſeine Eier andern Vögeln zur Pflege übergebe, war inſofern von beſonderer Wichtigkeit, als ſie entſchied, ob der Vogel zu den eigentlichen Kukuken gerechnet werden dürfe oder nicht. Es lag mir deshalb ſehr viel daran, hierüber ins Klare zu kommen; aber ich konnte trotz meines mehrjährigen Aufenthalts in Afrika hierüber lange nichts Sicheres erfahren. Am 5. März 1850 endlich gewannen wir den erſten Anhaltspunkt für fernere Forſchungen. Wir erlegten in einem Mimoſenwäldchen bei Siut ſieben Straußkukuke und unter ihnen ein Weibchen, welches ein reifes Ei im Legſchlauche trug. Daſſelbe war leider durch den Schuß zertrümmert worden, und ſo konnten wir blos Splitter unterſuchen; aber auch dieſe waren hinreichend, um zu erkennen, daß das Ei von dem unſeres Kukuks ſehr verſchieden ſein müſſe. Das Wichtigſte war einſtweilen, die Brutzeit des Vogels zu wiſſen, da dieſe in Afrika ſehr verſchieden, d. h. nicht an beſtimmte Monate gebunden iſt. Trotzdem verſtrichen noch zwei Jahre, ehe es mir gelang, über das Fortpflanzungs- geſchäft ins Reine zu kommen.
Am 2. März 1852 verfolgte ich in einem Garten bei Theben in Oberegypten längere Zeit einen Straußkukuk. Er äffte mich in beliebter Weiſe und zog mich wohl eine halbe Stunde lang hinter ſich her. Zuletzt ſah ich ihn in ein großes Neſt ſchlüpfen, welches auf einem nicht beſonders hohen Baume ſtand. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß ich von jetzt an nicht daran dachte, den Vogel zu ſtören. Nach mehr als einer Viertelſtunde flog er wieder aus dem Neſte heraus und entfernte ſich ſofort aus der Umgebung. Jch erſtieg den Baum und fand, daß das Neſt der Nebelkrähe angehörte, im ganzen ſechs Eier enthielt, darunter aber eins, welches vor wenigen Minuten erſt zertrümmert worden war. Unter dieſen Eiern unterſchied ich auf den erſten Blick zwei kleinere, den Kräheneiern an Größe und Farbe zwar nahe ſtehende, aber doch mit ihnen nie zu verwechſelnde Eier eines andern Vogels. Sie wurden ausgehoben, mit einer gewiſſen Aengſtlichkeit der Barke zugetragen und dort mit den ſorgfältig aufbewahrten Trümmern des erſten Kukukseis verglichen. Zu meiner großen Freude fand ich, daß ſie mit ihm vollkommen übereinſtimmten. Jn der Größe glichen ſie ungefähr den Elſtereiern, in der Form aber den anderer Kukukseier. „Jhre Farbe iſt“, wie Baedecker ſagt, „ein lichtes Bläulichgrün, ihre Zeichnung aſchgrau und bräunlichgrau in dicht geſtellten Flecken, welche am ſtumpfen Ende ſich zu einem mehr oder weniger geſchloſſenen Kranz vereinigen. Auf dieſer Grund- zeichnung ſtehen noch einige dunkelbraune Punkte. Mit Krähen- und Elſtereiern ſind ſie kaum zu
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0224"n="202"/><fwplace="top"type="header">Die Späher. Leichtſchnäbler. Kukuke.</fw><lb/>
welcher ſich, wie wir geſehen, von dieſer Leidenſchaft ſo vollſtändig beherrſchen läßt, daß er ſich wie<lb/>ſinnlos geberdet. Daß die verliebten Männchen ſich ebenfalls heftig verfolgen, dabei lebhaft ſchreien<lb/>
und mit einander kämpfen, iſt ſelbſtverſtändlich; es geſchieht Dies aber wenigſtens in einer viel anſtän-<lb/>
digeren Weiſe, als beim Kukuk.</p><lb/><p>Der Flug des Straußkukuks iſt pfeilgeſchwind und ungemein geſchickt; denn der Vogel eilt mit<lb/>
der Gewandtheit des Sperbers durch das ärgſte Dickicht hindurch, ohne einen Augenblick anzuhalten.<lb/>
Gewöhnlich fliegt er nicht gerade weit, ſondern immer nur von einem Baume zum andern; nur wenn<lb/>
zwei Männchen ſich jagen, durcheilen ſie größere Strecken. Zum Boden herab kommt der Straußkukuk<lb/>
wohl äußerſt ſelten; ich meines Theils habe ihn wenigſtens nie hier geſehen, aber beobachtet,<lb/>
daß er fliegend von unten Kerbthiere aufnahm. Er fliegt, wenn er aufgeſcheucht wurde, einem Baume<lb/>
zu, dringt in das Jnnere der Krone und wartet hier die Ankunft des Verfolgers ab. Merkt er<lb/>
Gefahr, ſo ſtiehlt er ſich unbemerkt zwiſchen den Zweigen hindurch, verläßt den Baum von der ent-<lb/>
gegengeſetzten Seite und wendet ſich einem andern zu. Jn dieſer Weiſe kann er den Schützen oft<lb/>
lange foppen. Die Stimme iſt von der unſeres Kukuks durchaus verſchieden: ſie iſt ein lachendes,<lb/>
elſterartiges Geſchrei, welches <hirendition="#g">Allen</hi> durch „Kiau kiau“ wiederzugeben verſucht. Der Warnungsruf,<lb/>
welchen ich übrigens nicht vernommen habe, ſoll wie „Kerk kerk“ klingen. Der gewöhnliche Stimm-<lb/>
laut wird regelmäßig ſehr oft nach einander und ſo laut ausgeſtoßen, daß er mit keinem anderen<lb/>
Vogelgeſchrei verwechſelt und auf weithin vernommen werden kann.</p><lb/><p>Jm Magen der von uns erlegten fanden wir Kerbthiere aller Art, auch Raupen, <hirendition="#g">Allen</hi> und<lb/>ſeine Begleiter hingegen vorzugsweiſe Heuſchrecken.</p><lb/><p>Die Frage, ob der Straußkukuk ſelbſt niſte oder ſeine Eier andern Vögeln zur Pflege übergebe,<lb/>
war inſofern von beſonderer Wichtigkeit, als ſie entſchied, ob der Vogel zu den eigentlichen Kukuken<lb/>
gerechnet werden dürfe oder nicht. Es lag mir deshalb ſehr viel daran, hierüber ins Klare zu kommen;<lb/>
aber ich konnte trotz meines mehrjährigen Aufenthalts in Afrika hierüber lange nichts Sicheres erfahren.<lb/>
Am 5. März 1850 endlich gewannen wir den erſten Anhaltspunkt für fernere Forſchungen. Wir<lb/>
erlegten in einem Mimoſenwäldchen bei Siut ſieben Straußkukuke und unter ihnen ein Weibchen,<lb/>
welches ein reifes Ei im Legſchlauche trug. Daſſelbe war leider durch den Schuß zertrümmert worden,<lb/>
und ſo konnten wir blos Splitter unterſuchen; aber auch dieſe waren hinreichend, um zu erkennen,<lb/>
daß das Ei von dem unſeres Kukuks ſehr verſchieden ſein müſſe. Das Wichtigſte war einſtweilen, die<lb/>
Brutzeit des Vogels zu wiſſen, da dieſe in Afrika ſehr verſchieden, d. h. nicht an beſtimmte Monate<lb/>
gebunden iſt. Trotzdem verſtrichen noch zwei Jahre, ehe es mir gelang, über das Fortpflanzungs-<lb/>
geſchäft ins Reine zu kommen.</p><lb/><p>Am 2. März 1852 verfolgte ich in einem Garten bei Theben in Oberegypten längere Zeit<lb/>
einen Straußkukuk. Er äffte mich in beliebter Weiſe und zog mich wohl eine halbe Stunde lang hinter<lb/>ſich her. Zuletzt ſah ich ihn in ein großes Neſt ſchlüpfen, welches auf einem nicht beſonders hohen<lb/>
Baume ſtand. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß ich von jetzt an nicht daran dachte, den Vogel zu<lb/>ſtören. Nach mehr als einer Viertelſtunde flog er wieder aus dem Neſte heraus und entfernte ſich<lb/>ſofort aus der Umgebung. Jch erſtieg den Baum und fand, daß das Neſt der Nebelkrähe angehörte,<lb/>
im ganzen ſechs Eier enthielt, darunter aber eins, welches vor wenigen Minuten erſt zertrümmert<lb/>
worden war. Unter dieſen Eiern unterſchied ich auf den erſten Blick zwei kleinere, den Kräheneiern<lb/>
an Größe und Farbe zwar nahe ſtehende, aber doch mit ihnen nie zu verwechſelnde Eier eines andern<lb/>
Vogels. Sie wurden ausgehoben, mit einer gewiſſen Aengſtlichkeit der Barke zugetragen und dort mit<lb/>
den ſorgfältig aufbewahrten Trümmern des erſten Kukukseis verglichen. Zu meiner großen Freude<lb/>
fand ich, daß ſie mit ihm vollkommen übereinſtimmten. Jn der Größe glichen ſie ungefähr den<lb/>
Elſtereiern, in der Form aber den anderer Kukukseier. „Jhre Farbe iſt“, wie <hirendition="#g">Baedecker</hi>ſagt,<lb/>„ein lichtes Bläulichgrün, ihre Zeichnung aſchgrau und bräunlichgrau in dicht geſtellten Flecken, welche<lb/>
am ſtumpfen Ende ſich zu einem mehr oder weniger geſchloſſenen Kranz vereinigen. Auf dieſer Grund-<lb/>
zeichnung ſtehen noch einige dunkelbraune Punkte. Mit Krähen- und Elſtereiern ſind ſie kaum zu<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[202/0224]
Die Späher. Leichtſchnäbler. Kukuke.
welcher ſich, wie wir geſehen, von dieſer Leidenſchaft ſo vollſtändig beherrſchen läßt, daß er ſich wie
ſinnlos geberdet. Daß die verliebten Männchen ſich ebenfalls heftig verfolgen, dabei lebhaft ſchreien
und mit einander kämpfen, iſt ſelbſtverſtändlich; es geſchieht Dies aber wenigſtens in einer viel anſtän-
digeren Weiſe, als beim Kukuk.
Der Flug des Straußkukuks iſt pfeilgeſchwind und ungemein geſchickt; denn der Vogel eilt mit
der Gewandtheit des Sperbers durch das ärgſte Dickicht hindurch, ohne einen Augenblick anzuhalten.
Gewöhnlich fliegt er nicht gerade weit, ſondern immer nur von einem Baume zum andern; nur wenn
zwei Männchen ſich jagen, durcheilen ſie größere Strecken. Zum Boden herab kommt der Straußkukuk
wohl äußerſt ſelten; ich meines Theils habe ihn wenigſtens nie hier geſehen, aber beobachtet,
daß er fliegend von unten Kerbthiere aufnahm. Er fliegt, wenn er aufgeſcheucht wurde, einem Baume
zu, dringt in das Jnnere der Krone und wartet hier die Ankunft des Verfolgers ab. Merkt er
Gefahr, ſo ſtiehlt er ſich unbemerkt zwiſchen den Zweigen hindurch, verläßt den Baum von der ent-
gegengeſetzten Seite und wendet ſich einem andern zu. Jn dieſer Weiſe kann er den Schützen oft
lange foppen. Die Stimme iſt von der unſeres Kukuks durchaus verſchieden: ſie iſt ein lachendes,
elſterartiges Geſchrei, welches Allen durch „Kiau kiau“ wiederzugeben verſucht. Der Warnungsruf,
welchen ich übrigens nicht vernommen habe, ſoll wie „Kerk kerk“ klingen. Der gewöhnliche Stimm-
laut wird regelmäßig ſehr oft nach einander und ſo laut ausgeſtoßen, daß er mit keinem anderen
Vogelgeſchrei verwechſelt und auf weithin vernommen werden kann.
Jm Magen der von uns erlegten fanden wir Kerbthiere aller Art, auch Raupen, Allen und
ſeine Begleiter hingegen vorzugsweiſe Heuſchrecken.
Die Frage, ob der Straußkukuk ſelbſt niſte oder ſeine Eier andern Vögeln zur Pflege übergebe,
war inſofern von beſonderer Wichtigkeit, als ſie entſchied, ob der Vogel zu den eigentlichen Kukuken
gerechnet werden dürfe oder nicht. Es lag mir deshalb ſehr viel daran, hierüber ins Klare zu kommen;
aber ich konnte trotz meines mehrjährigen Aufenthalts in Afrika hierüber lange nichts Sicheres erfahren.
Am 5. März 1850 endlich gewannen wir den erſten Anhaltspunkt für fernere Forſchungen. Wir
erlegten in einem Mimoſenwäldchen bei Siut ſieben Straußkukuke und unter ihnen ein Weibchen,
welches ein reifes Ei im Legſchlauche trug. Daſſelbe war leider durch den Schuß zertrümmert worden,
und ſo konnten wir blos Splitter unterſuchen; aber auch dieſe waren hinreichend, um zu erkennen,
daß das Ei von dem unſeres Kukuks ſehr verſchieden ſein müſſe. Das Wichtigſte war einſtweilen, die
Brutzeit des Vogels zu wiſſen, da dieſe in Afrika ſehr verſchieden, d. h. nicht an beſtimmte Monate
gebunden iſt. Trotzdem verſtrichen noch zwei Jahre, ehe es mir gelang, über das Fortpflanzungs-
geſchäft ins Reine zu kommen.
Am 2. März 1852 verfolgte ich in einem Garten bei Theben in Oberegypten längere Zeit
einen Straußkukuk. Er äffte mich in beliebter Weiſe und zog mich wohl eine halbe Stunde lang hinter
ſich her. Zuletzt ſah ich ihn in ein großes Neſt ſchlüpfen, welches auf einem nicht beſonders hohen
Baume ſtand. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß ich von jetzt an nicht daran dachte, den Vogel zu
ſtören. Nach mehr als einer Viertelſtunde flog er wieder aus dem Neſte heraus und entfernte ſich
ſofort aus der Umgebung. Jch erſtieg den Baum und fand, daß das Neſt der Nebelkrähe angehörte,
im ganzen ſechs Eier enthielt, darunter aber eins, welches vor wenigen Minuten erſt zertrümmert
worden war. Unter dieſen Eiern unterſchied ich auf den erſten Blick zwei kleinere, den Kräheneiern
an Größe und Farbe zwar nahe ſtehende, aber doch mit ihnen nie zu verwechſelnde Eier eines andern
Vogels. Sie wurden ausgehoben, mit einer gewiſſen Aengſtlichkeit der Barke zugetragen und dort mit
den ſorgfältig aufbewahrten Trümmern des erſten Kukukseis verglichen. Zu meiner großen Freude
fand ich, daß ſie mit ihm vollkommen übereinſtimmten. Jn der Größe glichen ſie ungefähr den
Elſtereiern, in der Form aber den anderer Kukukseier. „Jhre Farbe iſt“, wie Baedecker ſagt,
„ein lichtes Bläulichgrün, ihre Zeichnung aſchgrau und bräunlichgrau in dicht geſtellten Flecken, welche
am ſtumpfen Ende ſich zu einem mehr oder weniger geſchloſſenen Kranz vereinigen. Auf dieſer Grund-
zeichnung ſtehen noch einige dunkelbraune Punkte. Mit Krähen- und Elſtereiern ſind ſie kaum zu
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/224>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.