"Dieser wohlbekannte Vogel", berichtet Jerdon, "findet sich in ganz Jndien, von Ceylon bis Burmah, und außerdem auf den malaiischen und philippinischen Jnseln. Er bewohnt Gärten, Haine, Alleen und lichte Waldungen, frißt fast ausschließlich Früchte verschiedener Arten, namentlich Feigen, Bananen und dergl., und hält sich, obgleich er nicht gesellig ist, doch zuweilen in kleinen Trupps zusammen. Er ist keineswegs scheu, hat aber die uns bekannte, ruhige, zurückhaltende Lebensart des gewöhnlichen Kukuks, so lange er sich im Gezweige aufhält, während er laut aufschreit, sobald er fliegt. Der Flug unterscheidet sich von dem des Kukuks, denn er ist nicht so ruhig und gleitend, sondern erfordert zahlreichere Flügelschläge. Gegen die Brutzeit hin wird der Koel lärmend und läßt sich jederzeit vernehmen, selbst mitten in der Nacht, indem er unablässig seinen wohlbekannten Schrei, ein an Stärke anschwellendes "Koel koel" ausstößt. Uebrigens besitzt das Männchen noch einen andern Stimmlaut, welcher wie "huwihu" oder "hoäo" klingt, und wenn er fliegt, läßt er noch ein drittes, etwas klangreicheres Geschrei vernehmen."
"Das Weibchen dieses in Jndien äußerst volksthümlichen Vogels", sagt Blyth, "scheint sein Ei ausschließlich in die Nester der beiden indischen Krähenarten, der Glanz- und Aaskrähe (Anomalocorax splendens und Corvus culminatus) zu legen. Dies ist etwas so Gewöhnliches, daß uns ein und dieselbe Person zu gleicher Zeit fünf oder sechs Kukukseier brachte, deren jedes in einem verschiedenen Neste gelegen hatte. Man findet das Ei unseres Schmarotzers so oft allein in Krähennestern, daß man fast zu der Annahme berechtigt ist, der Koel zerstöre die Eier der Krähe, in deren Nest er das eigene legen will. Aber unerwiesen bleibt es, ob der junge Koel den Jnstinkt besitzt, etwaige Mitbewohner des Nestes herauszuwerfen. Jch bin sehr geneigt, daran zu zweifeln. Frith, auf dessen Erfahrungen ich das größte Gewicht lege, versicherte mich, nie mehr als ein Koelei in einem Neste gefunden zu haben und auch nie in andern Nestern als denen der genannten beiden Krähen. Er beobachtete öfters, wie das Weibchen der Glanzkrähe den weiblichen Koel aus seiner Nachbarschaft vertrieb, und ein Mal, wie dieser letztere, indem er der Verfolgung zu entgehen versuchte, mit solcher Gewalt gegen die Glasscheibe eines Gebäudes flog, daß er mit zerschmettertem Schädel sogleich niederstürzte. Major Davidson erzählt: Jn der Veranda meines Bungalows stehend, hörte ich plötzlich ein lautes Gekreisch auf dem Rasen und eilte hinzu, in der Meinung, eine junge Krähe sei aus dem Neste gefallen. Anstatt einer solchen fand ich zu meinem Erstaunen einen jungen Koel. Jch näherte mich auf einige Schritte und sah, wie der kleine Vogel aus dem Schnabel der Krähe Nahrung empfing und dabei zitterte und die Flügel ausbreitete. Ein Eingeborner, welcher zugegen war, versicherte, daß der Koel allemal von der Stiefmutter aufgefüttert werde, und daß diese Pflege so lange andauere, bis der fremde Vogel selbst für sich zu sorgen im Stande sei."
"Das Ei des Koels ist 11/4 Zoll lang und 3/4 bis 7/8 Zoll breit; der Gestalt nach ähnelt es sehr den Eiern des Kotri oder Landstreichers (Dendrocitta rufa), seine Farbe ist aber gefättigter, ein blasses Olivengrün mit gleichmäßig dichter röthlichbrauner Fleckung, welche um das dicke Ende zu gedrängter steht. Für den Eierkundigen hat das Ei ein bezeichnendes kukukartiges Ansehen."
"Jm Widerspruch mit der vom Major Davidson mitgetheilten Thatsache berichtet aber Philipps, er selbst und ein gebildeter, im Beobachten sehr geübter und durchaus zuverlässiger Ein- geborner hätten beobachtet, daß das Koelweibchen, nachdem es sein Ei in einem Krähenneste niedergelegt habe, dieses häufig aus einer gewissen Entfernung beobachte, um zu gewahren, ob auch sein Junges aus demselben herausgeworfen werde. Dieses geschehe, sobald dasselbe sein geflecktes Jugendkleid anlege, also flügge sei, und sofort nehme sich die echte Mutter des doch noch hilflosen Kindes an, um es zu füttern. Er habe Dies mehr als einmal während seines Aufenthalts in Gwalior be- obachtet." Daß die Koelmutter ihr Junges fütterte, sah Blyth selbst. Das Junge war fast ganz erwachsen und saß ruhig in einem Baume, während die Alte, ab und zu fliegend, ihm Früchte zutrug. "Das Wahre an der Sache scheint zu sein", schließt Blyth, "daß der Koek hinter einander verschiedene Eier legt, in Zwischenräumen von zwei bis drei Tagen, wie der europäische Kukuk und
Straußkukuk. Koel.
„Dieſer wohlbekannte Vogel“, berichtet Jerdon, „findet ſich in ganz Jndien, von Ceylon bis Burmah, und außerdem auf den malaiiſchen und philippiniſchen Jnſeln. Er bewohnt Gärten, Haine, Alleen und lichte Waldungen, frißt faſt ausſchließlich Früchte verſchiedener Arten, namentlich Feigen, Bananen und dergl., und hält ſich, obgleich er nicht geſellig iſt, doch zuweilen in kleinen Trupps zuſammen. Er iſt keineswegs ſcheu, hat aber die uns bekannte, ruhige, zurückhaltende Lebensart des gewöhnlichen Kukuks, ſo lange er ſich im Gezweige aufhält, während er laut aufſchreit, ſobald er fliegt. Der Flug unterſcheidet ſich von dem des Kukuks, denn er iſt nicht ſo ruhig und gleitend, ſondern erfordert zahlreichere Flügelſchläge. Gegen die Brutzeit hin wird der Koel lärmend und läßt ſich jederzeit vernehmen, ſelbſt mitten in der Nacht, indem er unabläſſig ſeinen wohlbekannten Schrei, ein an Stärke anſchwellendes „Koel koel“ ausſtößt. Uebrigens beſitzt das Männchen noch einen andern Stimmlaut, welcher wie „huwihu“ oder „hoäo“ klingt, und wenn er fliegt, läßt er noch ein drittes, etwas klangreicheres Geſchrei vernehmen.“
„Das Weibchen dieſes in Jndien äußerſt volksthümlichen Vogels“, ſagt Blyth, „ſcheint ſein Ei ausſchließlich in die Neſter der beiden indiſchen Krähenarten, der Glanz- und Aaskrähe (Anomalocorax splendens und Corvus culminatus) zu legen. Dies iſt etwas ſo Gewöhnliches, daß uns ein und dieſelbe Perſon zu gleicher Zeit fünf oder ſechs Kukukseier brachte, deren jedes in einem verſchiedenen Neſte gelegen hatte. Man findet das Ei unſeres Schmarotzers ſo oft allein in Krähenneſtern, daß man faſt zu der Annahme berechtigt iſt, der Koel zerſtöre die Eier der Krähe, in deren Neſt er das eigene legen will. Aber unerwieſen bleibt es, ob der junge Koel den Jnſtinkt beſitzt, etwaige Mitbewohner des Neſtes herauszuwerfen. Jch bin ſehr geneigt, daran zu zweifeln. Frith, auf deſſen Erfahrungen ich das größte Gewicht lege, verſicherte mich, nie mehr als ein Koelei in einem Neſte gefunden zu haben und auch nie in andern Neſtern als denen der genannten beiden Krähen. Er beobachtete öfters, wie das Weibchen der Glanzkrähe den weiblichen Koel aus ſeiner Nachbarſchaft vertrieb, und ein Mal, wie dieſer letztere, indem er der Verfolgung zu entgehen verſuchte, mit ſolcher Gewalt gegen die Glasſcheibe eines Gebäudes flog, daß er mit zerſchmettertem Schädel ſogleich niederſtürzte. Major Davidſon erzählt: Jn der Veranda meines Bungalows ſtehend, hörte ich plötzlich ein lautes Gekreiſch auf dem Raſen und eilte hinzu, in der Meinung, eine junge Krähe ſei aus dem Neſte gefallen. Anſtatt einer ſolchen fand ich zu meinem Erſtaunen einen jungen Koel. Jch näherte mich auf einige Schritte und ſah, wie der kleine Vogel aus dem Schnabel der Krähe Nahrung empfing und dabei zitterte und die Flügel ausbreitete. Ein Eingeborner, welcher zugegen war, verſicherte, daß der Koel allemal von der Stiefmutter aufgefüttert werde, und daß dieſe Pflege ſo lange andauere, bis der fremde Vogel ſelbſt für ſich zu ſorgen im Stande ſei.“
„Das Ei des Koels iſt 1¼ Zoll lang und ¾ bis ⅞ Zoll breit; der Geſtalt nach ähnelt es ſehr den Eiern des Kotri oder Landſtreichers (Dendrocitta rufa), ſeine Farbe iſt aber gefättigter, ein blaſſes Olivengrün mit gleichmäßig dichter röthlichbrauner Fleckung, welche um das dicke Ende zu gedrängter ſteht. Für den Eierkundigen hat das Ei ein bezeichnendes kukukartiges Anſehen.“
„Jm Widerſpruch mit der vom Major Davidſon mitgetheilten Thatſache berichtet aber Philipps, er ſelbſt und ein gebildeter, im Beobachten ſehr geübter und durchaus zuverläſſiger Ein- geborner hätten beobachtet, daß das Koelweibchen, nachdem es ſein Ei in einem Krähenneſte niedergelegt habe, dieſes häufig aus einer gewiſſen Entfernung beobachte, um zu gewahren, ob auch ſein Junges aus demſelben herausgeworfen werde. Dieſes geſchehe, ſobald daſſelbe ſein geflecktes Jugendkleid anlege, alſo flügge ſei, und ſofort nehme ſich die echte Mutter des doch noch hilfloſen Kindes an, um es zu füttern. Er habe Dies mehr als einmal während ſeines Aufenthalts in Gwalior be- obachtet.“ Daß die Koelmutter ihr Junges fütterte, ſah Blyth ſelbſt. Das Junge war faſt ganz erwachſen und ſaß ruhig in einem Baume, während die Alte, ab und zu fliegend, ihm Früchte zutrug. „Das Wahre an der Sache ſcheint zu ſein“, ſchließt Blyth, „daß der Koek hinter einander verſchiedene Eier legt, in Zwiſchenräumen von zwei bis drei Tagen, wie der europäiſche Kukuk und
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[205/0227]
Straußkukuk. Koel.
„Dieſer wohlbekannte Vogel“, berichtet Jerdon, „findet ſich in ganz Jndien, von Ceylon bis
Burmah, und außerdem auf den malaiiſchen und philippiniſchen Jnſeln. Er bewohnt Gärten, Haine,
Alleen und lichte Waldungen, frißt faſt ausſchließlich Früchte verſchiedener Arten, namentlich Feigen,
Bananen und dergl., und hält ſich, obgleich er nicht geſellig iſt, doch zuweilen in kleinen Trupps
zuſammen. Er iſt keineswegs ſcheu, hat aber die uns bekannte, ruhige, zurückhaltende Lebensart des
gewöhnlichen Kukuks, ſo lange er ſich im Gezweige aufhält, während er laut aufſchreit, ſobald er
fliegt. Der Flug unterſcheidet ſich von dem des Kukuks, denn er iſt nicht ſo ruhig und gleitend,
ſondern erfordert zahlreichere Flügelſchläge. Gegen die Brutzeit hin wird der Koel lärmend und läßt
ſich jederzeit vernehmen, ſelbſt mitten in der Nacht, indem er unabläſſig ſeinen wohlbekannten Schrei,
ein an Stärke anſchwellendes „Koel koel“ ausſtößt. Uebrigens beſitzt das Männchen noch einen andern
Stimmlaut, welcher wie „huwihu“ oder „hoäo“ klingt, und wenn er fliegt, läßt er noch ein drittes,
etwas klangreicheres Geſchrei vernehmen.“
„Das Weibchen dieſes in Jndien äußerſt volksthümlichen Vogels“, ſagt Blyth, „ſcheint ſein Ei
ausſchließlich in die Neſter der beiden indiſchen Krähenarten, der Glanz- und Aaskrähe (Anomalocorax
splendens und Corvus culminatus) zu legen. Dies iſt etwas ſo Gewöhnliches, daß uns ein und
dieſelbe Perſon zu gleicher Zeit fünf oder ſechs Kukukseier brachte, deren jedes in einem verſchiedenen
Neſte gelegen hatte. Man findet das Ei unſeres Schmarotzers ſo oft allein in Krähenneſtern, daß man
faſt zu der Annahme berechtigt iſt, der Koel zerſtöre die Eier der Krähe, in deren Neſt er das eigene
legen will. Aber unerwieſen bleibt es, ob der junge Koel den Jnſtinkt beſitzt, etwaige Mitbewohner
des Neſtes herauszuwerfen. Jch bin ſehr geneigt, daran zu zweifeln. Frith, auf deſſen Erfahrungen
ich das größte Gewicht lege, verſicherte mich, nie mehr als ein Koelei in einem Neſte gefunden zu
haben und auch nie in andern Neſtern als denen der genannten beiden Krähen. Er beobachtete
öfters, wie das Weibchen der Glanzkrähe den weiblichen Koel aus ſeiner Nachbarſchaft vertrieb, und
ein Mal, wie dieſer letztere, indem er der Verfolgung zu entgehen verſuchte, mit ſolcher Gewalt
gegen die Glasſcheibe eines Gebäudes flog, daß er mit zerſchmettertem Schädel ſogleich niederſtürzte.
Major Davidſon erzählt: Jn der Veranda meines Bungalows ſtehend, hörte ich plötzlich ein lautes
Gekreiſch auf dem Raſen und eilte hinzu, in der Meinung, eine junge Krähe ſei aus dem Neſte
gefallen. Anſtatt einer ſolchen fand ich zu meinem Erſtaunen einen jungen Koel. Jch näherte mich
auf einige Schritte und ſah, wie der kleine Vogel aus dem Schnabel der Krähe Nahrung empfing und
dabei zitterte und die Flügel ausbreitete. Ein Eingeborner, welcher zugegen war, verſicherte, daß
der Koel allemal von der Stiefmutter aufgefüttert werde, und daß dieſe Pflege ſo lange andauere, bis
der fremde Vogel ſelbſt für ſich zu ſorgen im Stande ſei.“
„Das Ei des Koels iſt 1¼ Zoll lang und ¾ bis ⅞ Zoll breit; der Geſtalt nach ähnelt es ſehr
den Eiern des Kotri oder Landſtreichers (Dendrocitta rufa), ſeine Farbe iſt aber gefättigter, ein blaſſes
Olivengrün mit gleichmäßig dichter röthlichbrauner Fleckung, welche um das dicke Ende zu gedrängter
ſteht. Für den Eierkundigen hat das Ei ein bezeichnendes kukukartiges Anſehen.“
„Jm Widerſpruch mit der vom Major Davidſon mitgetheilten Thatſache berichtet aber
Philipps, er ſelbſt und ein gebildeter, im Beobachten ſehr geübter und durchaus zuverläſſiger Ein-
geborner hätten beobachtet, daß das Koelweibchen, nachdem es ſein Ei in einem Krähenneſte niedergelegt
habe, dieſes häufig aus einer gewiſſen Entfernung beobachte, um zu gewahren, ob auch ſein Junges
aus demſelben herausgeworfen werde. Dieſes geſchehe, ſobald daſſelbe ſein geflecktes Jugendkleid
anlege, alſo flügge ſei, und ſofort nehme ſich die echte Mutter des doch noch hilfloſen Kindes
an, um es zu füttern. Er habe Dies mehr als einmal während ſeines Aufenthalts in Gwalior be-
obachtet.“ Daß die Koelmutter ihr Junges fütterte, ſah Blyth ſelbſt. Das Junge war faſt
ganz erwachſen und ſaß ruhig in einem Baume, während die Alte, ab und zu fliegend, ihm Früchte
zutrug. „Das Wahre an der Sache ſcheint zu ſein“, ſchließt Blyth, „daß der Koek hinter einander
verſchiedene Eier legt, in Zwiſchenräumen von zwei bis drei Tagen, wie der europäiſche Kukuk und
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/227>, abgerufen am 21.11.2024.
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