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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Abbagamba.
Boden auf, führte die wunderlichsten Bewegungen mit dem Kopfe aus u. s. w. Nicht selten
bestieg er eine unserer Lagerstätten, legte sich hier gemüthlich nieder, breitete die Flügel aus und
steckte seinen Kopf bald unter den Bauch, bald unter die Flügel. Gegen uns war er durchaus nicht
bösartig: er ließ sich streichen, aufheben, forttragen, besehen und untersuchen, ohne jemals in
Zorn zu gerathen, machte überhaupt von seinem furchtbaren Schnabel niemals Gebrauch.

Daß nicht alle gefangenen Hornraben so anziehend sind, wie dieser jung aufgezogene, geht aus
einer Mittheilung von Bodinus hervor: "Sie schätzen mich", schreibt mir mein Freund, "im Besitze
des Hornraben glücklich, ich mich selbst aber nicht. Jch muß sagen, daß der Vogel ein ungemein
langweiliger Gesell ist, obwohl seine ganze Erscheinung sehr in die Augen fällt. Als das Thier
ankam, überwies ich ihm eine eigene Abtheilung in meinem Gesellschaftskäfig, in welcher sich
zufällig eine flügellahme Haustaube, sonst kein lebendes Wesen befand. Die erste That des Horn-
raben, welcher sich nach dem Herausnehmen aus dem Versandkäfige scheu niederbückte, war, daß er,
sobald er sich unbeobachtet glaubte, sofort die Taube überfiel, tödtete und halb auffraß. Wenn ich
mich fern oder versteckt hielt, ging er, ungefähr wie ein Stelzvogel schreitend, in seinem Aufenthalts-
orte umher, begehrlich nach allen benachbarten Vögeln schielend, und er würde diese gewiß getödtet
haben, wären sie nicht durch sichere Drahtwände von ihm getrennt gewesen. Nahte sich ihm Jemand,
so drückte er sich sofort in eine kleine Ecke nieder und hielt sich so ruhig, daß man ihn für aus-
gestopft halten konnte, hätte er nicht das große lebhafte Auge bewegt. Wendete man sich einen
Augenblick ab, so schlüpfte er wie ein Pfeil in sein Häuschen und versuchte sich jedem Blicke zu ent-
ziehen. Allmählich erhob er sich dann wieder und sah sich, langsam vorschleichend, um, ob die Luft
rein sei. Hatte er sich in dieser Beziehung beruhigt, so schritt er mit gemessenen Schritten weiter
und schwang sich, halb springend, halb fliegend, auf eine Sitzstange oder am liebsten auf die Spitze
einer kleinen Tanne, welche sich unter dem Gewichte des Vogels umbog. Hier saß er dann ganz
ruhig, obgleich es mir unbegreiflich war, wie er mit seinen kurzen Zehen auf dem schwankenden Sitze
sich zu erhalten vermochte. Jmmer aber sah er sich ängstlich um, ob wohl auch Jemand sich ihm
nähere. Bei größerer Annäherung hatte man alle Ursache, sich vor seinem mächtigen Schnabel in
Acht zu nehmen. Mit dem Auge jeder Bewegung des sich ihm Nähernden folgend, öffnete er den
Schnabel und fuhr pfeilschnell nach der ausgestreckten Hand, und seine Bisse waren ungemein kräftig
und schmerzten empfindlich. Die Ränder des Schnabels sind sehr scharf, und der dazwischen
gerathene Finger ist in großer Gefahr, halb abgeschält zu werden, wie ich selbst zu meinem nicht
geringen Verdrusse erfahren mußte. Dennoch ist es leicht, den Vogel zu packen; denn man braucht
ihm mit der einen Hand nur einen Gegenstand vorzuhalten, auf welchen er sein Augenmerk richtet,
und kann ihn dann durch einen schnellen Griff mit der Hand am Halse packen."

"Mein Gefangener verschmähte jede andere Nahrung, als Fleisch; Brod und Früchte rührte
er nicht an. Am liebsten verzehrte er Mäuse, deren er sechs bis acht Stück nach einander verschlang;
ebenso waren ihm Vögel sehr willkommen. Die Mäuse wurden mit dem Haar, die Vögel mit
allen Federn hinuntergewürgt. Ein einziger Biß genügte, um den armen Spatz, welcher mit
Blitzesschnelle erfaßt wurde, zu tödten. Regenwürmer waren gleichfalls eine gesuchte Speise unseres
Vogels; doch schien ihm alle diese Kost nicht zuzusagen, und ich möchte behaupten, daß er in der
Freiheit hauptsächlich von Lurchen lebt. Trotz der sorgsamsten Pflege und reichlichsten Kost wurde
mein Gefangener sehr mager, das fleischige Kehlfeld, welches sich früher ganz fest anfühlte, zeigte
sich schlaff und weich und einer Hautfalte ähnlich. Man konnte das Thier nicht krank nennen: es
fraß und verdaute gut, die Federn lagen ihm knapp am Leibe; die überhandnehmende Abzehrung
unter diesen Umständen aber war ein sicheres Zeichen, daß es sich nicht wohl fühlte und irgend Etwas
vermissen mußte. Eines Morgens fand ich ihn todt in seinem Käfige."

"Jch kaufe niemals einen Hornraben wieder; denn dieser eine hat mich durch seine Scheuheit
stets geärgert. Niemals habe ich ihn in seinem Thun und Treiben beobachten können und mit
Niemand hat er sich befreundet."

Abbagamba.
Boden auf, führte die wunderlichſten Bewegungen mit dem Kopfe aus u. ſ. w. Nicht ſelten
beſtieg er eine unſerer Lagerſtätten, legte ſich hier gemüthlich nieder, breitete die Flügel aus und
ſteckte ſeinen Kopf bald unter den Bauch, bald unter die Flügel. Gegen uns war er durchaus nicht
bösartig: er ließ ſich ſtreichen, aufheben, forttragen, beſehen und unterſuchen, ohne jemals in
Zorn zu gerathen, machte überhaupt von ſeinem furchtbaren Schnabel niemals Gebrauch.

Daß nicht alle gefangenen Hornraben ſo anziehend ſind, wie dieſer jung aufgezogene, geht aus
einer Mittheilung von Bodinus hervor: „Sie ſchätzen mich“, ſchreibt mir mein Freund, „im Beſitze
des Hornraben glücklich, ich mich ſelbſt aber nicht. Jch muß ſagen, daß der Vogel ein ungemein
langweiliger Geſell iſt, obwohl ſeine ganze Erſcheinung ſehr in die Augen fällt. Als das Thier
ankam, überwies ich ihm eine eigene Abtheilung in meinem Geſellſchaftskäfig, in welcher ſich
zufällig eine flügellahme Haustaube, ſonſt kein lebendes Weſen befand. Die erſte That des Horn-
raben, welcher ſich nach dem Herausnehmen aus dem Verſandkäfige ſcheu niederbückte, war, daß er,
ſobald er ſich unbeobachtet glaubte, ſofort die Taube überfiel, tödtete und halb auffraß. Wenn ich
mich fern oder verſteckt hielt, ging er, ungefähr wie ein Stelzvogel ſchreitend, in ſeinem Aufenthalts-
orte umher, begehrlich nach allen benachbarten Vögeln ſchielend, und er würde dieſe gewiß getödtet
haben, wären ſie nicht durch ſichere Drahtwände von ihm getrennt geweſen. Nahte ſich ihm Jemand,
ſo drückte er ſich ſofort in eine kleine Ecke nieder und hielt ſich ſo ruhig, daß man ihn für aus-
geſtopft halten konnte, hätte er nicht das große lebhafte Auge bewegt. Wendete man ſich einen
Augenblick ab, ſo ſchlüpfte er wie ein Pfeil in ſein Häuschen und verſuchte ſich jedem Blicke zu ent-
ziehen. Allmählich erhob er ſich dann wieder und ſah ſich, langſam vorſchleichend, um, ob die Luft
rein ſei. Hatte er ſich in dieſer Beziehung beruhigt, ſo ſchritt er mit gemeſſenen Schritten weiter
und ſchwang ſich, halb ſpringend, halb fliegend, auf eine Sitzſtange oder am liebſten auf die Spitze
einer kleinen Tanne, welche ſich unter dem Gewichte des Vogels umbog. Hier ſaß er dann ganz
ruhig, obgleich es mir unbegreiflich war, wie er mit ſeinen kurzen Zehen auf dem ſchwankenden Sitze
ſich zu erhalten vermochte. Jmmer aber ſah er ſich ängſtlich um, ob wohl auch Jemand ſich ihm
nähere. Bei größerer Annäherung hatte man alle Urſache, ſich vor ſeinem mächtigen Schnabel in
Acht zu nehmen. Mit dem Auge jeder Bewegung des ſich ihm Nähernden folgend, öffnete er den
Schnabel und fuhr pfeilſchnell nach der ausgeſtreckten Hand, und ſeine Biſſe waren ungemein kräftig
und ſchmerzten empfindlich. Die Ränder des Schnabels ſind ſehr ſcharf, und der dazwiſchen
gerathene Finger iſt in großer Gefahr, halb abgeſchält zu werden, wie ich ſelbſt zu meinem nicht
geringen Verdruſſe erfahren mußte. Dennoch iſt es leicht, den Vogel zu packen; denn man braucht
ihm mit der einen Hand nur einen Gegenſtand vorzuhalten, auf welchen er ſein Augenmerk richtet,
und kann ihn dann durch einen ſchnellen Griff mit der Hand am Halſe packen.“

„Mein Gefangener verſchmähte jede andere Nahrung, als Fleiſch; Brod und Früchte rührte
er nicht an. Am liebſten verzehrte er Mäuſe, deren er ſechs bis acht Stück nach einander verſchlang;
ebenſo waren ihm Vögel ſehr willkommen. Die Mäuſe wurden mit dem Haar, die Vögel mit
allen Federn hinuntergewürgt. Ein einziger Biß genügte, um den armen Spatz, welcher mit
Blitzesſchnelle erfaßt wurde, zu tödten. Regenwürmer waren gleichfalls eine geſuchte Speiſe unſeres
Vogels; doch ſchien ihm alle dieſe Koſt nicht zuzuſagen, und ich möchte behaupten, daß er in der
Freiheit hauptſächlich von Lurchen lebt. Trotz der ſorgſamſten Pflege und reichlichſten Koſt wurde
mein Gefangener ſehr mager, das fleiſchige Kehlfeld, welches ſich früher ganz feſt anfühlte, zeigte
ſich ſchlaff und weich und einer Hautfalte ähnlich. Man konnte das Thier nicht krank nennen: es
fraß und verdaute gut, die Federn lagen ihm knapp am Leibe; die überhandnehmende Abzehrung
unter dieſen Umſtänden aber war ein ſicheres Zeichen, daß es ſich nicht wohl fühlte und irgend Etwas
vermiſſen mußte. Eines Morgens fand ich ihn todt in ſeinem Käfige.“

„Jch kaufe niemals einen Hornraben wieder; denn dieſer eine hat mich durch ſeine Scheuheit
ſtets geärgert. Niemals habe ich ihn in ſeinem Thun und Treiben beobachten können und mit
Niemand hat er ſich befreundet.“

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[251/0273] Abbagamba. Boden auf, führte die wunderlichſten Bewegungen mit dem Kopfe aus u. ſ. w. Nicht ſelten beſtieg er eine unſerer Lagerſtätten, legte ſich hier gemüthlich nieder, breitete die Flügel aus und ſteckte ſeinen Kopf bald unter den Bauch, bald unter die Flügel. Gegen uns war er durchaus nicht bösartig: er ließ ſich ſtreichen, aufheben, forttragen, beſehen und unterſuchen, ohne jemals in Zorn zu gerathen, machte überhaupt von ſeinem furchtbaren Schnabel niemals Gebrauch. Daß nicht alle gefangenen Hornraben ſo anziehend ſind, wie dieſer jung aufgezogene, geht aus einer Mittheilung von Bodinus hervor: „Sie ſchätzen mich“, ſchreibt mir mein Freund, „im Beſitze des Hornraben glücklich, ich mich ſelbſt aber nicht. Jch muß ſagen, daß der Vogel ein ungemein langweiliger Geſell iſt, obwohl ſeine ganze Erſcheinung ſehr in die Augen fällt. Als das Thier ankam, überwies ich ihm eine eigene Abtheilung in meinem Geſellſchaftskäfig, in welcher ſich zufällig eine flügellahme Haustaube, ſonſt kein lebendes Weſen befand. Die erſte That des Horn- raben, welcher ſich nach dem Herausnehmen aus dem Verſandkäfige ſcheu niederbückte, war, daß er, ſobald er ſich unbeobachtet glaubte, ſofort die Taube überfiel, tödtete und halb auffraß. Wenn ich mich fern oder verſteckt hielt, ging er, ungefähr wie ein Stelzvogel ſchreitend, in ſeinem Aufenthalts- orte umher, begehrlich nach allen benachbarten Vögeln ſchielend, und er würde dieſe gewiß getödtet haben, wären ſie nicht durch ſichere Drahtwände von ihm getrennt geweſen. Nahte ſich ihm Jemand, ſo drückte er ſich ſofort in eine kleine Ecke nieder und hielt ſich ſo ruhig, daß man ihn für aus- geſtopft halten konnte, hätte er nicht das große lebhafte Auge bewegt. Wendete man ſich einen Augenblick ab, ſo ſchlüpfte er wie ein Pfeil in ſein Häuschen und verſuchte ſich jedem Blicke zu ent- ziehen. Allmählich erhob er ſich dann wieder und ſah ſich, langſam vorſchleichend, um, ob die Luft rein ſei. Hatte er ſich in dieſer Beziehung beruhigt, ſo ſchritt er mit gemeſſenen Schritten weiter und ſchwang ſich, halb ſpringend, halb fliegend, auf eine Sitzſtange oder am liebſten auf die Spitze einer kleinen Tanne, welche ſich unter dem Gewichte des Vogels umbog. Hier ſaß er dann ganz ruhig, obgleich es mir unbegreiflich war, wie er mit ſeinen kurzen Zehen auf dem ſchwankenden Sitze ſich zu erhalten vermochte. Jmmer aber ſah er ſich ängſtlich um, ob wohl auch Jemand ſich ihm nähere. Bei größerer Annäherung hatte man alle Urſache, ſich vor ſeinem mächtigen Schnabel in Acht zu nehmen. Mit dem Auge jeder Bewegung des ſich ihm Nähernden folgend, öffnete er den Schnabel und fuhr pfeilſchnell nach der ausgeſtreckten Hand, und ſeine Biſſe waren ungemein kräftig und ſchmerzten empfindlich. Die Ränder des Schnabels ſind ſehr ſcharf, und der dazwiſchen gerathene Finger iſt in großer Gefahr, halb abgeſchält zu werden, wie ich ſelbſt zu meinem nicht geringen Verdruſſe erfahren mußte. Dennoch iſt es leicht, den Vogel zu packen; denn man braucht ihm mit der einen Hand nur einen Gegenſtand vorzuhalten, auf welchen er ſein Augenmerk richtet, und kann ihn dann durch einen ſchnellen Griff mit der Hand am Halſe packen.“ „Mein Gefangener verſchmähte jede andere Nahrung, als Fleiſch; Brod und Früchte rührte er nicht an. Am liebſten verzehrte er Mäuſe, deren er ſechs bis acht Stück nach einander verſchlang; ebenſo waren ihm Vögel ſehr willkommen. Die Mäuſe wurden mit dem Haar, die Vögel mit allen Federn hinuntergewürgt. Ein einziger Biß genügte, um den armen Spatz, welcher mit Blitzesſchnelle erfaßt wurde, zu tödten. Regenwürmer waren gleichfalls eine geſuchte Speiſe unſeres Vogels; doch ſchien ihm alle dieſe Koſt nicht zuzuſagen, und ich möchte behaupten, daß er in der Freiheit hauptſächlich von Lurchen lebt. Trotz der ſorgſamſten Pflege und reichlichſten Koſt wurde mein Gefangener ſehr mager, das fleiſchige Kehlfeld, welches ſich früher ganz feſt anfühlte, zeigte ſich ſchlaff und weich und einer Hautfalte ähnlich. Man konnte das Thier nicht krank nennen: es fraß und verdaute gut, die Federn lagen ihm knapp am Leibe; die überhandnehmende Abzehrung unter dieſen Umſtänden aber war ein ſicheres Zeichen, daß es ſich nicht wohl fühlte und irgend Etwas vermiſſen mußte. Eines Morgens fand ich ihn todt in ſeinem Käfige.“ „Jch kaufe niemals einen Hornraben wieder; denn dieſer eine hat mich durch ſeine Scheuheit ſtets geärgert. Niemals habe ich ihn in ſeinem Thun und Treiben beobachten können und mit Niemand hat er ſich befreundet.“

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/273>, abgerufen am 20.05.2024.