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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Kronen- und Fächertaube. Zahntaube.
Folge des Uebermaßes von Vorforge oder in Folge eines Zufalls, will ich unentschieden lassen.
Die Mutter saß auch noch auf dem Todten mit ungeminderter Beharrlichkeit und wärmte den Leich-
nam mit ihrer Brust, als ob sie an ihren Verlust nicht glauben könne. Da ich mir wohlbewußt war,
welche Theilnahme dieser Fremdling verdient, bat ich meinen Freund Wolf, ihn abzubilden."

"Am 24. Oktober wurde ein anderes Ei gelegt, dasselbe fiel aber leider von dem Zweige herab
und wurde zerbrochen am Boden gefunden. Noch befinden sich beide Vögel ausgezeichnet wohl, und
so habe ich Hoffnung, daß sie im nächsten Jahre und jeder in einer besseren Zeit und unter
günstigeren Umständen wieder brüten und so glücklich sein werden, ihr Junges aufzubringen."

Ob dieser fromme Wunsch Mitchell's in Erfüllung gegangen ist, weiß ich nicht; dagegen kann
ich mittheilen, daß Aehnliches am Thiergarten zu Rotterdam geschehen ist.

"Jm September des Jahres 1864", fährt Martin fort, "legte das Weibchen unseres Paares
ein Ei, bebrütete es mehrere Tage, verließ dann aber das Nest. Untersuchung des Eies ergab, daß
eine Entwickelung nicht stattgefunden hatte. Jm Jahre 1865 legte die Taube nicht. Zu Anfang
dieses Frühjahrs bemerkten wir, daß sie wiederholt Federn hin- und hertrug; es wurde ihr deshalb
ein Nestplatz hergerichtet, und sie schien darüber sehr befriedigt zu sein; denn sie begann sofort mit
dem Bau des Nestes. Am 21. März legte sie wieder ein Ei, bebrütete es zwar nicht, verjagte
jedoch den Tauber, wenn dieser sich dem Neste nähern wollte, aus der Nähe desselben. Ein Junges
wurde, wie ich später erfuhr, auch diesmal noch nicht erzielt."



Eine Taube, welche die Beachtung der Forscher in hohem Grade auf sich gezogen hat, weicht im
Schnabelbau erheblich von allen übrigen uns bekannten ab; doch scheint es mir, als ob man auf die Bil-
dung des Schnabels mehr Gewicht gelegt habe, als sie verdient. Jedenfalls dürfte eine Schlußfolgerung,
welche man gezogen hat, noch zu gerechten Zweifeln herausfordern. Man glaubte nämlich in der
Zahntaube, wie wir unsern Vogel nennen können, die nächste Verwandte der berühmten Dronte
zu erkennen und nahm keinen Anstand, beide in ein und derselben Familie zu vereinigen. Seitdem ich
eine in Weingeist hierher gesandte Zahntaube, welche sich in der Sammlung der Herren Godeffroy
befindet, gesehen habe, muß ich behaupten, daß sie anderen Tauben, und insbesondere den Frucht-
tauben, doch in ungleich höherem Maße ähnelt als der Dronte, und jedenfalls mit ihr nicht in ein und
dieselbe Familie gebracht werden darf.

Die Zahntaube (Didunculus strigirostris) wird anzusehen sein als Vertreterin einer
besonderen Familie. Sie hat die Gestalt einer etwas plumpen Erdtaube. Der Leib ist kräftig, der
Hals ziemlich lang, der Kopf groß, der Schnabel viel höher als breit, sein Obertheil vom Grund an
aufwärts, im übrigen Verlaufe gleichmäßig stark abwärts gebogen und scharfhakig übergekrümmt, an
der Schneide ohne Zahn oder Ausbuchtung, sein Untertheil nach unten hin ebenfalls ausgebogen,
vorn aber schief abgestutzt und hier jederseits dreizähnig eingeschnitten, seine Schneide seicht nach
unten ausgeschweift, der Fuß kräftig und ein echter Taubenfuß, der Lauf stark und bis zur Ferse
nackt, länger als die Mittelzehe; die Zehen sind frei und mit starken, flach ausgebogenen, unten aus-
gehöhlten Nägeln bewehrt. Der Flügel ist abgerundet, in ihm die dritte Schwinge die längste, die
vierte länger als die zweite, diese länger als die fünfte, letztere länger als die erste, diese länger als
die sechste u. s. w. Die Oberarmfedern sind so lang, daß sie fast den Handfedern gleichkommen. Der
aus vierzehn Federn gebildete Schwanz ist mittellang und seicht abgerundet; die zusammengelegten
Flügel erreichen mit ihrer Spitze das letzte Viertheil seiner Länge.

Da das vom Weingeist durchnäßte Gefieder mir verwehrte, die Zeichnung und Färbung zu
erkennen, muß ich die von Gould zuerst veröffentlichte, von Bennett und Ramsay vervoll-

Kronen- und Fächertaube. Zahntaube.
Folge des Uebermaßes von Vorforge oder in Folge eines Zufalls, will ich unentſchieden laſſen.
Die Mutter ſaß auch noch auf dem Todten mit ungeminderter Beharrlichkeit und wärmte den Leich-
nam mit ihrer Bruſt, als ob ſie an ihren Verluſt nicht glauben könne. Da ich mir wohlbewußt war,
welche Theilnahme dieſer Fremdling verdient, bat ich meinen Freund Wolf, ihn abzubilden.“

„Am 24. Oktober wurde ein anderes Ei gelegt, daſſelbe fiel aber leider von dem Zweige herab
und wurde zerbrochen am Boden gefunden. Noch befinden ſich beide Vögel ausgezeichnet wohl, und
ſo habe ich Hoffnung, daß ſie im nächſten Jahre und jeder in einer beſſeren Zeit und unter
günſtigeren Umſtänden wieder brüten und ſo glücklich ſein werden, ihr Junges aufzubringen.“

Ob dieſer fromme Wunſch Mitchell’s in Erfüllung gegangen iſt, weiß ich nicht; dagegen kann
ich mittheilen, daß Aehnliches am Thiergarten zu Rotterdam geſchehen iſt.

„Jm September des Jahres 1864“, fährt Martin fort, „legte das Weibchen unſeres Paares
ein Ei, bebrütete es mehrere Tage, verließ dann aber das Neſt. Unterſuchung des Eies ergab, daß
eine Entwickelung nicht ſtattgefunden hatte. Jm Jahre 1865 legte die Taube nicht. Zu Anfang
dieſes Frühjahrs bemerkten wir, daß ſie wiederholt Federn hin- und hertrug; es wurde ihr deshalb
ein Neſtplatz hergerichtet, und ſie ſchien darüber ſehr befriedigt zu ſein; denn ſie begann ſofort mit
dem Bau des Neſtes. Am 21. März legte ſie wieder ein Ei, bebrütete es zwar nicht, verjagte
jedoch den Tauber, wenn dieſer ſich dem Neſte nähern wollte, aus der Nähe deſſelben. Ein Junges
wurde, wie ich ſpäter erfuhr, auch diesmal noch nicht erzielt.“



Eine Taube, welche die Beachtung der Forſcher in hohem Grade auf ſich gezogen hat, weicht im
Schnabelbau erheblich von allen übrigen uns bekannten ab; doch ſcheint es mir, als ob man auf die Bil-
dung des Schnabels mehr Gewicht gelegt habe, als ſie verdient. Jedenfalls dürfte eine Schlußfolgerung,
welche man gezogen hat, noch zu gerechten Zweifeln herausfordern. Man glaubte nämlich in der
Zahntaube, wie wir unſern Vogel nennen können, die nächſte Verwandte der berühmten Dronte
zu erkennen und nahm keinen Anſtand, beide in ein und derſelben Familie zu vereinigen. Seitdem ich
eine in Weingeiſt hierher geſandte Zahntaube, welche ſich in der Sammlung der Herren Godeffroy
befindet, geſehen habe, muß ich behaupten, daß ſie anderen Tauben, und insbeſondere den Frucht-
tauben, doch in ungleich höherem Maße ähnelt als der Dronte, und jedenfalls mit ihr nicht in ein und
dieſelbe Familie gebracht werden darf.

Die Zahntaube (Didunculus strigirostris) wird anzuſehen ſein als Vertreterin einer
beſonderen Familie. Sie hat die Geſtalt einer etwas plumpen Erdtaube. Der Leib iſt kräftig, der
Hals ziemlich lang, der Kopf groß, der Schnabel viel höher als breit, ſein Obertheil vom Grund an
aufwärts, im übrigen Verlaufe gleichmäßig ſtark abwärts gebogen und ſcharfhakig übergekrümmt, an
der Schneide ohne Zahn oder Ausbuchtung, ſein Untertheil nach unten hin ebenfalls ausgebogen,
vorn aber ſchief abgeſtutzt und hier jederſeits dreizähnig eingeſchnitten, ſeine Schneide ſeicht nach
unten ausgeſchweift, der Fuß kräftig und ein echter Taubenfuß, der Lauf ſtark und bis zur Ferſe
nackt, länger als die Mittelzehe; die Zehen ſind frei und mit ſtarken, flach ausgebogenen, unten aus-
gehöhlten Nägeln bewehrt. Der Flügel iſt abgerundet, in ihm die dritte Schwinge die längſte, die
vierte länger als die zweite, dieſe länger als die fünfte, letztere länger als die erſte, dieſe länger als
die ſechste u. ſ. w. Die Oberarmfedern ſind ſo lang, daß ſie faſt den Handfedern gleichkommen. Der
aus vierzehn Federn gebildete Schwanz iſt mittellang und ſeicht abgerundet; die zuſammengelegten
Flügel erreichen mit ihrer Spitze das letzte Viertheil ſeiner Länge.

Da das vom Weingeiſt durchnäßte Gefieder mir verwehrte, die Zeichnung und Färbung zu
erkennen, muß ich die von Gould zuerſt veröffentlichte, von Bennett und Ramſay vervoll-

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[301/0325] Kronen- und Fächertaube. Zahntaube. Folge des Uebermaßes von Vorforge oder in Folge eines Zufalls, will ich unentſchieden laſſen. Die Mutter ſaß auch noch auf dem Todten mit ungeminderter Beharrlichkeit und wärmte den Leich- nam mit ihrer Bruſt, als ob ſie an ihren Verluſt nicht glauben könne. Da ich mir wohlbewußt war, welche Theilnahme dieſer Fremdling verdient, bat ich meinen Freund Wolf, ihn abzubilden.“ „Am 24. Oktober wurde ein anderes Ei gelegt, daſſelbe fiel aber leider von dem Zweige herab und wurde zerbrochen am Boden gefunden. Noch befinden ſich beide Vögel ausgezeichnet wohl, und ſo habe ich Hoffnung, daß ſie im nächſten Jahre und jeder in einer beſſeren Zeit und unter günſtigeren Umſtänden wieder brüten und ſo glücklich ſein werden, ihr Junges aufzubringen.“ Ob dieſer fromme Wunſch Mitchell’s in Erfüllung gegangen iſt, weiß ich nicht; dagegen kann ich mittheilen, daß Aehnliches am Thiergarten zu Rotterdam geſchehen iſt. „Jm September des Jahres 1864“, fährt Martin fort, „legte das Weibchen unſeres Paares ein Ei, bebrütete es mehrere Tage, verließ dann aber das Neſt. Unterſuchung des Eies ergab, daß eine Entwickelung nicht ſtattgefunden hatte. Jm Jahre 1865 legte die Taube nicht. Zu Anfang dieſes Frühjahrs bemerkten wir, daß ſie wiederholt Federn hin- und hertrug; es wurde ihr deshalb ein Neſtplatz hergerichtet, und ſie ſchien darüber ſehr befriedigt zu ſein; denn ſie begann ſofort mit dem Bau des Neſtes. Am 21. März legte ſie wieder ein Ei, bebrütete es zwar nicht, verjagte jedoch den Tauber, wenn dieſer ſich dem Neſte nähern wollte, aus der Nähe deſſelben. Ein Junges wurde, wie ich ſpäter erfuhr, auch diesmal noch nicht erzielt.“ Eine Taube, welche die Beachtung der Forſcher in hohem Grade auf ſich gezogen hat, weicht im Schnabelbau erheblich von allen übrigen uns bekannten ab; doch ſcheint es mir, als ob man auf die Bil- dung des Schnabels mehr Gewicht gelegt habe, als ſie verdient. Jedenfalls dürfte eine Schlußfolgerung, welche man gezogen hat, noch zu gerechten Zweifeln herausfordern. Man glaubte nämlich in der Zahntaube, wie wir unſern Vogel nennen können, die nächſte Verwandte der berühmten Dronte zu erkennen und nahm keinen Anſtand, beide in ein und derſelben Familie zu vereinigen. Seitdem ich eine in Weingeiſt hierher geſandte Zahntaube, welche ſich in der Sammlung der Herren Godeffroy befindet, geſehen habe, muß ich behaupten, daß ſie anderen Tauben, und insbeſondere den Frucht- tauben, doch in ungleich höherem Maße ähnelt als der Dronte, und jedenfalls mit ihr nicht in ein und dieſelbe Familie gebracht werden darf. Die Zahntaube (Didunculus strigirostris) wird anzuſehen ſein als Vertreterin einer beſonderen Familie. Sie hat die Geſtalt einer etwas plumpen Erdtaube. Der Leib iſt kräftig, der Hals ziemlich lang, der Kopf groß, der Schnabel viel höher als breit, ſein Obertheil vom Grund an aufwärts, im übrigen Verlaufe gleichmäßig ſtark abwärts gebogen und ſcharfhakig übergekrümmt, an der Schneide ohne Zahn oder Ausbuchtung, ſein Untertheil nach unten hin ebenfalls ausgebogen, vorn aber ſchief abgeſtutzt und hier jederſeits dreizähnig eingeſchnitten, ſeine Schneide ſeicht nach unten ausgeſchweift, der Fuß kräftig und ein echter Taubenfuß, der Lauf ſtark und bis zur Ferſe nackt, länger als die Mittelzehe; die Zehen ſind frei und mit ſtarken, flach ausgebogenen, unten aus- gehöhlten Nägeln bewehrt. Der Flügel iſt abgerundet, in ihm die dritte Schwinge die längſte, die vierte länger als die zweite, dieſe länger als die fünfte, letztere länger als die erſte, dieſe länger als die ſechste u. ſ. w. Die Oberarmfedern ſind ſo lang, daß ſie faſt den Handfedern gleichkommen. Der aus vierzehn Federn gebildete Schwanz iſt mittellang und ſeicht abgerundet; die zuſammengelegten Flügel erreichen mit ihrer Spitze das letzte Viertheil ſeiner Länge. Da das vom Weingeiſt durchnäßte Gefieder mir verwehrte, die Zeichnung und Färbung zu erkennen, muß ich die von Gould zuerſt veröffentlichte, von Bennett und Ramſay vervoll-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/325>, abgerufen am 28.11.2024.