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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer. Scharrvögel. Flughühner.
ist. Seine Eier findet man bereits in den ersten Tagen des April und Ende Mais zum zweiten
Male. Nach vollbrachter zweiter Brut wechselt er wahrscheinlich oft den Aufenthaltsort, und
während der Wintermonate schweift er bis zum Südrande der Gobi in die Vorberge der nördlichen
Himalayaverflachungen. Schon am 10. März 1856, als die Kälte über Nacht noch bis zu
-- 13 R. fiel und die Wärme um die Mittagszeit sich auf + 2 R. Grade belief, kam die erste kleine
Schar Steppenhühner zum Tarai-nor. Sie fliegen in ganz geschlossenen Ketten, ähnlich den
Regenpfeiferarten, halten sich im Frühjahr in kleinen Trupps, welche aus bereits gepaarten Vögeln
(vier bis sechs Paare) bestehen, zusammen, bilden aber im Herbst oft Flüge von mehreren Hundert
Stücken. Während des Fluges lassen sie ein recht vernehmliches Schreien hören, welches Ver-
anlassung zu der bei den Mongolen gebräuchlichen Benennung Njüpterjün gegeben hat. Die
Paare bleiben auch während des Fluges beisammen."

"Jm Frühlinge erscheinen die Steppenhühner sehr regelmäßig zu ganz bestimmter Zeit am süßen
Wasser, um zu trinken. Sie ziehen dann aus allen Richtungen herbei und schreien, sobald sie das
Ufer gewahr werden, worauf die bereits anwesenden antworten und jene sich zu diesen gesellen.
Am Rande des Wassers stehen sie in Reihen, meistens zu zehn bis zwölf bei einander. Jhre Ruhe
hier währt aber nicht lange; sie ziehen dann wieder fort, um förmlich zu äsen, und zwar zu den weißen
Stellen in der Steppe, auf denen Salz ausgewittert ist, und zu den kleinen Höhen, die mit Gräsern
bewachsen sind. Sie verschmähen nicht die junge saftreiche Sprosse der Salicornien und weiden
diese förmlich ab, also in der Art, wie der Trappe es mit Gräsern thut. Jm Frühling fand ich im
Schlunde und Magen die Samen der Salsole."

"Jm Sommer sonnen sie sich gern; auch hierbei traf ich gesonderte Paare, aber meistens
mehrere derselben beisammen. Wie die Hühner scharren sie sich dann flache Vertiefungen in die
weißgrauen, salzdurchdrungenen, geringen Erhöhungen, die hier und da am Ufer des Tarai-nor
weite Strecken bilden und die Salzpflanzen ernähren. Jch habe sie in dieser Ruhe einige Mal
lange beobachtet. Anfangs laufen sie noch emsig herum, gleichsam suchend; sind sie ganz satt, so
beginnt ihre Ruhe, gewöhnlich gegen elf Uhr, wenn es recht heiß wird. Dann scharren sie Ver-
tiefungen und hocken sich in dieselben, suchen sich auch ganz wie die Haushühner recht gemächlich in
den gelockerten Boden einzuwühlen, wobei sie den Körper seitwärts hin- und herbewegen und das
sonst so glattanliegende Gefieder aufblähen. Wachen stellen sie dabei nicht aus. So sitzen sie ganz
ruhig, und man kann sie kaum bemerken, da ihr gelbgraues, schwarz gesprenkeltes Gefieder dem
Boden recht ähnlich ist. Ein Falk schießt im Pfeilflug über die Ruhenden dahin, sie raffen sich
auf und entziehen sich bald unsern und des begierigen Räubers Blicken. Jhr Nothruf weckt die
nächsten Kameraden; auch diese erheben sich und eilen davon, durch ihr Geschrei ganze Banden zur
Flucht aufmunternd; denn alle, welche den Angstruf vernehmen, folgen, auch wenn sie nicht derselben
Bande angehören, dem Beispiel der Aufgescheuchten. So erfüllt sich die Luft in kurzer Zeit mit
unzähligen kleinen Scharen dieser eigenthümlichen Hühner. Jhr Lärmen läßt sich von allen Seiten
her vernehmen, und im Nu schießen die Vögel an uns vorüber, ehe wir zum Schusse kommen. Aber
ebenso rasch, wie diese Ruhe gestört wurde, stellt sie sich wieder ein. Die Steppenhühner lassen sich
nieder, laufen anfangs furchtsam über die weiße Salzstelle, bis sie abermals auf flache Erhöhungen
sich legen und wie vorher sich verhalten. Sie dürften übrigens kaum dem geschicktesten Edelfalken
zum Raube werden. Jhr Flug ist schneidender und rascher als der der Tauben. Daß sie aber
zugleich ausdauernde Laufvögel sind, bezweifle ich; denn ihre Bewegungen zu Fuß sind zwar rasch,
aber nicht anhaltend."

"Sehr sonderbar ist das Fortziehen zahlreicher Steppenhühnerbanden im Sommer. Es liegt
mir hierüber eine eigene Beobachtung vor, die entschieden dafür spricht. Als ich mich in den letzten
Tagen des Mai zu den im Tarai-nor gelegenen Aralinseln begeben wollte, mußte ich weite Ufer-
strecken am jetzt ausgetrockneten See zurücklegen, und stieß vormittags auf eine Unzahl kleiner
Banden dieser Vögel, welche insgesammt ein Gebiet bewohnten, aber so scheu waren, daß ich mich

Die Läufer. Scharrvögel. Flughühner.
iſt. Seine Eier findet man bereits in den erſten Tagen des April und Ende Mais zum zweiten
Male. Nach vollbrachter zweiter Brut wechſelt er wahrſcheinlich oft den Aufenthaltsort, und
während der Wintermonate ſchweift er bis zum Südrande der Gobi in die Vorberge der nördlichen
Himalayaverflachungen. Schon am 10. März 1856, als die Kälte über Nacht noch bis zu
— 13 R. fiel und die Wärme um die Mittagszeit ſich auf + 2 R. Grade belief, kam die erſte kleine
Schar Steppenhühner zum Tarai-nor. Sie fliegen in ganz geſchloſſenen Ketten, ähnlich den
Regenpfeiferarten, halten ſich im Frühjahr in kleinen Trupps, welche aus bereits gepaarten Vögeln
(vier bis ſechs Paare) beſtehen, zuſammen, bilden aber im Herbſt oft Flüge von mehreren Hundert
Stücken. Während des Fluges laſſen ſie ein recht vernehmliches Schreien hören, welches Ver-
anlaſſung zu der bei den Mongolen gebräuchlichen Benennung Njüpterjün gegeben hat. Die
Paare bleiben auch während des Fluges beiſammen.“

„Jm Frühlinge erſcheinen die Steppenhühner ſehr regelmäßig zu ganz beſtimmter Zeit am ſüßen
Waſſer, um zu trinken. Sie ziehen dann aus allen Richtungen herbei und ſchreien, ſobald ſie das
Ufer gewahr werden, worauf die bereits anweſenden antworten und jene ſich zu dieſen geſellen.
Am Rande des Waſſers ſtehen ſie in Reihen, meiſtens zu zehn bis zwölf bei einander. Jhre Ruhe
hier währt aber nicht lange; ſie ziehen dann wieder fort, um förmlich zu äſen, und zwar zu den weißen
Stellen in der Steppe, auf denen Salz ausgewittert iſt, und zu den kleinen Höhen, die mit Gräſern
bewachſen ſind. Sie verſchmähen nicht die junge ſaftreiche Sproſſe der Salicornien und weiden
dieſe förmlich ab, alſo in der Art, wie der Trappe es mit Gräſern thut. Jm Frühling fand ich im
Schlunde und Magen die Samen der Salſole.“

„Jm Sommer ſonnen ſie ſich gern; auch hierbei traf ich geſonderte Paare, aber meiſtens
mehrere derſelben beiſammen. Wie die Hühner ſcharren ſie ſich dann flache Vertiefungen in die
weißgrauen, ſalzdurchdrungenen, geringen Erhöhungen, die hier und da am Ufer des Tarai-nor
weite Strecken bilden und die Salzpflanzen ernähren. Jch habe ſie in dieſer Ruhe einige Mal
lange beobachtet. Anfangs laufen ſie noch emſig herum, gleichſam ſuchend; ſind ſie ganz ſatt, ſo
beginnt ihre Ruhe, gewöhnlich gegen elf Uhr, wenn es recht heiß wird. Dann ſcharren ſie Ver-
tiefungen und hocken ſich in dieſelben, ſuchen ſich auch ganz wie die Haushühner recht gemächlich in
den gelockerten Boden einzuwühlen, wobei ſie den Körper ſeitwärts hin- und herbewegen und das
ſonſt ſo glattanliegende Gefieder aufblähen. Wachen ſtellen ſie dabei nicht aus. So ſitzen ſie ganz
ruhig, und man kann ſie kaum bemerken, da ihr gelbgraues, ſchwarz geſprenkeltes Gefieder dem
Boden recht ähnlich iſt. Ein Falk ſchießt im Pfeilflug über die Ruhenden dahin, ſie raffen ſich
auf und entziehen ſich bald unſern und des begierigen Räubers Blicken. Jhr Nothruf weckt die
nächſten Kameraden; auch dieſe erheben ſich und eilen davon, durch ihr Geſchrei ganze Banden zur
Flucht aufmunternd; denn alle, welche den Angſtruf vernehmen, folgen, auch wenn ſie nicht derſelben
Bande angehören, dem Beiſpiel der Aufgeſcheuchten. So erfüllt ſich die Luft in kurzer Zeit mit
unzähligen kleinen Scharen dieſer eigenthümlichen Hühner. Jhr Lärmen läßt ſich von allen Seiten
her vernehmen, und im Nu ſchießen die Vögel an uns vorüber, ehe wir zum Schuſſe kommen. Aber
ebenſo raſch, wie dieſe Ruhe geſtört wurde, ſtellt ſie ſich wieder ein. Die Steppenhühner laſſen ſich
nieder, laufen anfangs furchtſam über die weiße Salzſtelle, bis ſie abermals auf flache Erhöhungen
ſich legen und wie vorher ſich verhalten. Sie dürften übrigens kaum dem geſchickteſten Edelfalken
zum Raube werden. Jhr Flug iſt ſchneidender und raſcher als der der Tauben. Daß ſie aber
zugleich ausdauernde Laufvögel ſind, bezweifle ich; denn ihre Bewegungen zu Fuß ſind zwar raſch,
aber nicht anhaltend.“

„Sehr ſonderbar iſt das Fortziehen zahlreicher Steppenhühnerbanden im Sommer. Es liegt
mir hierüber eine eigene Beobachtung vor, die entſchieden dafür ſpricht. Als ich mich in den letzten
Tagen des Mai zu den im Tarai-nor gelegenen Aralinſeln begeben wollte, mußte ich weite Ufer-
ſtrecken am jetzt ausgetrockneten See zurücklegen, und ſtieß vormittags auf eine Unzahl kleiner
Banden dieſer Vögel, welche insgeſammt ein Gebiet bewohnten, aber ſo ſcheu waren, daß ich mich

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[324/0350] Die Läufer. Scharrvögel. Flughühner. iſt. Seine Eier findet man bereits in den erſten Tagen des April und Ende Mais zum zweiten Male. Nach vollbrachter zweiter Brut wechſelt er wahrſcheinlich oft den Aufenthaltsort, und während der Wintermonate ſchweift er bis zum Südrande der Gobi in die Vorberge der nördlichen Himalayaverflachungen. Schon am 10. März 1856, als die Kälte über Nacht noch bis zu — 13 R. fiel und die Wärme um die Mittagszeit ſich auf + 2 R. Grade belief, kam die erſte kleine Schar Steppenhühner zum Tarai-nor. Sie fliegen in ganz geſchloſſenen Ketten, ähnlich den Regenpfeiferarten, halten ſich im Frühjahr in kleinen Trupps, welche aus bereits gepaarten Vögeln (vier bis ſechs Paare) beſtehen, zuſammen, bilden aber im Herbſt oft Flüge von mehreren Hundert Stücken. Während des Fluges laſſen ſie ein recht vernehmliches Schreien hören, welches Ver- anlaſſung zu der bei den Mongolen gebräuchlichen Benennung Njüpterjün gegeben hat. Die Paare bleiben auch während des Fluges beiſammen.“ „Jm Frühlinge erſcheinen die Steppenhühner ſehr regelmäßig zu ganz beſtimmter Zeit am ſüßen Waſſer, um zu trinken. Sie ziehen dann aus allen Richtungen herbei und ſchreien, ſobald ſie das Ufer gewahr werden, worauf die bereits anweſenden antworten und jene ſich zu dieſen geſellen. Am Rande des Waſſers ſtehen ſie in Reihen, meiſtens zu zehn bis zwölf bei einander. Jhre Ruhe hier währt aber nicht lange; ſie ziehen dann wieder fort, um förmlich zu äſen, und zwar zu den weißen Stellen in der Steppe, auf denen Salz ausgewittert iſt, und zu den kleinen Höhen, die mit Gräſern bewachſen ſind. Sie verſchmähen nicht die junge ſaftreiche Sproſſe der Salicornien und weiden dieſe förmlich ab, alſo in der Art, wie der Trappe es mit Gräſern thut. Jm Frühling fand ich im Schlunde und Magen die Samen der Salſole.“ „Jm Sommer ſonnen ſie ſich gern; auch hierbei traf ich geſonderte Paare, aber meiſtens mehrere derſelben beiſammen. Wie die Hühner ſcharren ſie ſich dann flache Vertiefungen in die weißgrauen, ſalzdurchdrungenen, geringen Erhöhungen, die hier und da am Ufer des Tarai-nor weite Strecken bilden und die Salzpflanzen ernähren. Jch habe ſie in dieſer Ruhe einige Mal lange beobachtet. Anfangs laufen ſie noch emſig herum, gleichſam ſuchend; ſind ſie ganz ſatt, ſo beginnt ihre Ruhe, gewöhnlich gegen elf Uhr, wenn es recht heiß wird. Dann ſcharren ſie Ver- tiefungen und hocken ſich in dieſelben, ſuchen ſich auch ganz wie die Haushühner recht gemächlich in den gelockerten Boden einzuwühlen, wobei ſie den Körper ſeitwärts hin- und herbewegen und das ſonſt ſo glattanliegende Gefieder aufblähen. Wachen ſtellen ſie dabei nicht aus. So ſitzen ſie ganz ruhig, und man kann ſie kaum bemerken, da ihr gelbgraues, ſchwarz geſprenkeltes Gefieder dem Boden recht ähnlich iſt. Ein Falk ſchießt im Pfeilflug über die Ruhenden dahin, ſie raffen ſich auf und entziehen ſich bald unſern und des begierigen Räubers Blicken. Jhr Nothruf weckt die nächſten Kameraden; auch dieſe erheben ſich und eilen davon, durch ihr Geſchrei ganze Banden zur Flucht aufmunternd; denn alle, welche den Angſtruf vernehmen, folgen, auch wenn ſie nicht derſelben Bande angehören, dem Beiſpiel der Aufgeſcheuchten. So erfüllt ſich die Luft in kurzer Zeit mit unzähligen kleinen Scharen dieſer eigenthümlichen Hühner. Jhr Lärmen läßt ſich von allen Seiten her vernehmen, und im Nu ſchießen die Vögel an uns vorüber, ehe wir zum Schuſſe kommen. Aber ebenſo raſch, wie dieſe Ruhe geſtört wurde, ſtellt ſie ſich wieder ein. Die Steppenhühner laſſen ſich nieder, laufen anfangs furchtſam über die weiße Salzſtelle, bis ſie abermals auf flache Erhöhungen ſich legen und wie vorher ſich verhalten. Sie dürften übrigens kaum dem geſchickteſten Edelfalken zum Raube werden. Jhr Flug iſt ſchneidender und raſcher als der der Tauben. Daß ſie aber zugleich ausdauernde Laufvögel ſind, bezweifle ich; denn ihre Bewegungen zu Fuß ſind zwar raſch, aber nicht anhaltend.“ „Sehr ſonderbar iſt das Fortziehen zahlreicher Steppenhühnerbanden im Sommer. Es liegt mir hierüber eine eigene Beobachtung vor, die entſchieden dafür ſpricht. Als ich mich in den letzten Tagen des Mai zu den im Tarai-nor gelegenen Aralinſeln begeben wollte, mußte ich weite Ufer- ſtrecken am jetzt ausgetrockneten See zurücklegen, und ſtieß vormittags auf eine Unzahl kleiner Banden dieſer Vögel, welche insgeſammt ein Gebiet bewohnten, aber ſo ſcheu waren, daß ich mich

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/350>, abgerufen am 22.11.2024.