Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite
Steppenhuhn.

Nachdem die Steppenhühner fünf Monate lang auf Borkum wie in ihrer Heimat gelebt hatten,
verschwanden sie nach und nach gänzlich von der Jnsel. Am 1. Oktober wurden mit dem Fernrohre
noch vierundfunfzig Stück von ihnen gezählt, am 10. waren noch acht, am 12. noch fünf, am 13.
noch zwei beobachtet worden: sie waren die letzten. Vom 1. bis 15. Oktober hatte sich also der ganze
Flug allmählich entfernt. Ungefähr um dieselbe Zeit wurden sie wiederum hier und dann im
Jnnern Deutschlands beobachtet: so, laut Altum, im Oldenburgischen und nach meinen eigenen
Beobachtungen in der Nähe von Hamburg. Sie waren aber keineswegs gänzlich verschwunden, wie
Altum behauptete, sondern wurden noch im folgenden Jahre in Deutschland beobachtet: so im Juni
1864 in der Gegend von Plauen, und viel später noch, zu Ende Oktobers desselben Jahres, bei
Wreschen in Posen; sie haben sich ebenso in der Nähe Hamburgs, ungefähr um dieselbe Zeit, noch
gezeigt, höchst wahrscheinlich also auch gebrütet wie im Jahre 1863 in Jütland und auf mehreren
dänischen Jnseln. Leider war es mir nicht vergönnt, über die bei Hamburg brütenden Vögel eigene
Beobachtungen anzustellen; über diejenigen aber, welche in Dänemark nisteten, hat Reinhardt
uns berichtet. Die ersten Eier wurden kurz nach Ankunft der Vögel gefunden und genanntem
Forscher am 6. Juni übersendet. Das Nest hatte drei Eier enthalten. Nach Mittheilung eines
Berichterstatters hatte der betreffende Jäger zwei Nester und sein Nachbar ein drittes gefunden; auf
diesen Nestern waren dann die brütenden Vögel, erst die Hennen, dann die Hähne, gefangen worden.
Zwei nahe neben einander stehende Nester hatten drei und bezüglich zwei Eier enthalten. Das erste
bestand aus einer kleinen mit etwas trockenem Sandrohr ausgekleideten Vertiefung im Sande; das
zweite war im Haidekraut angelegt und mit etwas verdorrtem Grase ausgefüttert. Jm Verlaufe des
Juni fand man noch mehrere Nester auf den Dünen; sie waren alle in derselben Weise gebaut.
Noch am 27. Juli trieb jener Jäger ein Steppenhuhn vom Neste auf und sah, daß es drei Eier enthielt,
setzte Schlingen, kehrte nach einigen Stunden zurück und fand, daß die Henne gefangen war; der
Hahn wurde in derselben Weise erbeutet. Jnzwischen war ein Küchlein ausgeschlüpft, und ihm folgte
später ein zweites; doch starben beide am ersten Tage, wahrscheinlich aus Mangel an geeigneter
Pflege. Diese Beobachtungen beweisen also, daß das Steppenhuhn in Einweibigkeit lebt, und daß
der Hahn sich am Brüten betheiligt.

Jn dem bereits erwähnten Aufsatze, welchen ich im Jahre 1863 über die Einwanderung die-
ser Vögel veröffentlichte, hatte ich die Hoffnung ausgesprochen, daß sich die Steppenhühner,
falls ihnen allseitig Schonung werde, bei uns wohl festsetzen und ständiges Flugwild werden könnten.
"Und wenn Dies nicht der Fall wäre, wenn alle berechtigten Hoffnungen scheitern sollten, so würde
das Ergebniß des Versuches, ob die Steppenhühner bei uns heimisch werden oder nicht, sicherlich
immer noch mehr werth sein, als der geringe Ruhm, welchen sich ein Jäger erwirbt, der schonungslos
und ungastlich gegen diesen zu uns gekommenen Besuch verfährt."

Es war mir also hauptsächlich darum zu thun, Gastfreundschaft für die Fremdlinge zu
erwirken; jedenfalls lag mir die Absicht fern, eine Naturgeschichte der Vögel zu schreiben oder meinen
Hoffnungen den Stempel der Unfehlbarkeit aufzudrücken. Jch wurde jedoch mißverstanden. Altum
fand sich veranlaßt, gegen meine "Bitte an alle deutschen Jäger" zu Felde zu ziehen. "Brehm's
Hoffnung", so läßt er sich unter Anderem vernehmen, "daß die Steppenhühner sich hier vermehren und
bei anfangs gehöriger Schonung bleibendes Flugwild werden würden, ist mir für den Hauptherd
Borkum, welcher doch denselben bei reichlicher Nahrung so günstiges Terrain bot, wie wohl kaum
eine andere Lokalität in unserer Gegend, gründlich zerschlagen. Da er (nämlich ich) wahrscheinlich
nie einen Syrrhaptes in der freien Natur gesehen hat, so werden ihm auch wohl keine anderweitigen,
durch die Lebensweise dieser Vögel gestützten Gründe für diese Vermuthung zu Gebote stehen." Es
liegt meines Erachtens kein Grund vor, die Unmöglichkeit einer Einbürgerung des Steppenhuhns in
Deutschland zu behaupten, und meine Vermuthung ist, wie aus Vorstehendem hervorgeht, doch so
ganz haltlos nicht gewesen. Aber freilich eine Bedingung hätte vor Allem erfüllt werden müssen:
man hätte die Steppenhühner mit mehr Schonung behandeln sollen, als es geschehen ist. Leute,

Steppenhuhn.

Nachdem die Steppenhühner fünf Monate lang auf Borkum wie in ihrer Heimat gelebt hatten,
verſchwanden ſie nach und nach gänzlich von der Jnſel. Am 1. Oktober wurden mit dem Fernrohre
noch vierundfunfzig Stück von ihnen gezählt, am 10. waren noch acht, am 12. noch fünf, am 13.
noch zwei beobachtet worden: ſie waren die letzten. Vom 1. bis 15. Oktober hatte ſich alſo der ganze
Flug allmählich entfernt. Ungefähr um dieſelbe Zeit wurden ſie wiederum hier und dann im
Jnnern Deutſchlands beobachtet: ſo, laut Altum, im Oldenburgiſchen und nach meinen eigenen
Beobachtungen in der Nähe von Hamburg. Sie waren aber keineswegs gänzlich verſchwunden, wie
Altum behauptete, ſondern wurden noch im folgenden Jahre in Deutſchland beobachtet: ſo im Juni
1864 in der Gegend von Plauen, und viel ſpäter noch, zu Ende Oktobers deſſelben Jahres, bei
Wreſchen in Poſen; ſie haben ſich ebenſo in der Nähe Hamburgs, ungefähr um dieſelbe Zeit, noch
gezeigt, höchſt wahrſcheinlich alſo auch gebrütet wie im Jahre 1863 in Jütland und auf mehreren
däniſchen Jnſeln. Leider war es mir nicht vergönnt, über die bei Hamburg brütenden Vögel eigene
Beobachtungen anzuſtellen; über diejenigen aber, welche in Dänemark niſteten, hat Reinhardt
uns berichtet. Die erſten Eier wurden kurz nach Ankunft der Vögel gefunden und genanntem
Forſcher am 6. Juni überſendet. Das Neſt hatte drei Eier enthalten. Nach Mittheilung eines
Berichterſtatters hatte der betreffende Jäger zwei Neſter und ſein Nachbar ein drittes gefunden; auf
dieſen Neſtern waren dann die brütenden Vögel, erſt die Hennen, dann die Hähne, gefangen worden.
Zwei nahe neben einander ſtehende Neſter hatten drei und bezüglich zwei Eier enthalten. Das erſte
beſtand aus einer kleinen mit etwas trockenem Sandrohr ausgekleideten Vertiefung im Sande; das
zweite war im Haidekraut angelegt und mit etwas verdorrtem Graſe ausgefüttert. Jm Verlaufe des
Juni fand man noch mehrere Neſter auf den Dünen; ſie waren alle in derſelben Weiſe gebaut.
Noch am 27. Juli trieb jener Jäger ein Steppenhuhn vom Neſte auf und ſah, daß es drei Eier enthielt,
ſetzte Schlingen, kehrte nach einigen Stunden zurück und fand, daß die Henne gefangen war; der
Hahn wurde in derſelben Weiſe erbeutet. Jnzwiſchen war ein Küchlein ausgeſchlüpft, und ihm folgte
ſpäter ein zweites; doch ſtarben beide am erſten Tage, wahrſcheinlich aus Mangel an geeigneter
Pflege. Dieſe Beobachtungen beweiſen alſo, daß das Steppenhuhn in Einweibigkeit lebt, und daß
der Hahn ſich am Brüten betheiligt.

Jn dem bereits erwähnten Aufſatze, welchen ich im Jahre 1863 über die Einwanderung die-
ſer Vögel veröffentlichte, hatte ich die Hoffnung ausgeſprochen, daß ſich die Steppenhühner,
falls ihnen allſeitig Schonung werde, bei uns wohl feſtſetzen und ſtändiges Flugwild werden könnten.
„Und wenn Dies nicht der Fall wäre, wenn alle berechtigten Hoffnungen ſcheitern ſollten, ſo würde
das Ergebniß des Verſuches, ob die Steppenhühner bei uns heimiſch werden oder nicht, ſicherlich
immer noch mehr werth ſein, als der geringe Ruhm, welchen ſich ein Jäger erwirbt, der ſchonungslos
und ungaſtlich gegen dieſen zu uns gekommenen Beſuch verfährt.“

Es war mir alſo hauptſächlich darum zu thun, Gaſtfreundſchaft für die Fremdlinge zu
erwirken; jedenfalls lag mir die Abſicht fern, eine Naturgeſchichte der Vögel zu ſchreiben oder meinen
Hoffnungen den Stempel der Unfehlbarkeit aufzudrücken. Jch wurde jedoch mißverſtanden. Altum
fand ſich veranlaßt, gegen meine „Bitte an alle deutſchen Jäger“ zu Felde zu ziehen. „Brehm’s
Hoffnung“, ſo läßt er ſich unter Anderem vernehmen, „daß die Steppenhühner ſich hier vermehren und
bei anfangs gehöriger Schonung bleibendes Flugwild werden würden, iſt mir für den Hauptherd
Borkum, welcher doch denſelben bei reichlicher Nahrung ſo günſtiges Terrain bot, wie wohl kaum
eine andere Lokalität in unſerer Gegend, gründlich zerſchlagen. Da er (nämlich ich) wahrſcheinlich
nie einen Syrrhaptes in der freien Natur geſehen hat, ſo werden ihm auch wohl keine anderweitigen,
durch die Lebensweiſe dieſer Vögel geſtützten Gründe für dieſe Vermuthung zu Gebote ſtehen.“ Es
liegt meines Erachtens kein Grund vor, die Unmöglichkeit einer Einbürgerung des Steppenhuhns in
Deutſchland zu behaupten, und meine Vermuthung iſt, wie aus Vorſtehendem hervorgeht, doch ſo
ganz haltlos nicht geweſen. Aber freilich eine Bedingung hätte vor Allem erfüllt werden müſſen:
man hätte die Steppenhühner mit mehr Schonung behandeln ſollen, als es geſchehen iſt. Leute,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0355" n="329"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Steppenhuhn.</hi> </fw><lb/>
          <p>Nachdem die Steppenhühner fünf Monate lang auf Borkum wie in ihrer Heimat gelebt hatten,<lb/>
ver&#x017F;chwanden &#x017F;ie nach und nach gänzlich von der Jn&#x017F;el. Am 1. Oktober wurden mit dem Fernrohre<lb/>
noch vierundfunfzig Stück von ihnen gezählt, am 10. waren noch acht, am 12. noch fünf, am 13.<lb/>
noch zwei beobachtet worden: &#x017F;ie waren die letzten. Vom 1. bis 15. Oktober hatte &#x017F;ich al&#x017F;o der ganze<lb/>
Flug allmählich entfernt. Ungefähr um die&#x017F;elbe Zeit wurden &#x017F;ie wiederum hier und dann im<lb/>
Jnnern Deut&#x017F;chlands beobachtet: &#x017F;o, laut <hi rendition="#g">Altum,</hi> im Oldenburgi&#x017F;chen und nach meinen eigenen<lb/>
Beobachtungen in der Nähe von Hamburg. Sie waren aber keineswegs gänzlich ver&#x017F;chwunden, wie<lb/><hi rendition="#g">Altum</hi> behauptete, &#x017F;ondern wurden noch im folgenden Jahre in Deut&#x017F;chland beobachtet: &#x017F;o im Juni<lb/>
1864 in der Gegend von Plauen, und viel &#x017F;päter noch, zu Ende Oktobers de&#x017F;&#x017F;elben Jahres, bei<lb/>
Wre&#x017F;chen in Po&#x017F;en; &#x017F;ie haben &#x017F;ich eben&#x017F;o in der Nähe Hamburgs, ungefähr um die&#x017F;elbe Zeit, noch<lb/>
gezeigt, höch&#x017F;t wahr&#x017F;cheinlich al&#x017F;o auch gebrütet wie im Jahre 1863 in Jütland und auf mehreren<lb/>
däni&#x017F;chen Jn&#x017F;eln. Leider war es mir nicht vergönnt, über die bei Hamburg brütenden Vögel eigene<lb/>
Beobachtungen anzu&#x017F;tellen; über diejenigen aber, welche in Dänemark ni&#x017F;teten, hat <hi rendition="#g">Reinhardt</hi><lb/>
uns berichtet. Die er&#x017F;ten Eier wurden kurz nach Ankunft der Vögel gefunden und genanntem<lb/>
For&#x017F;cher am 6. Juni über&#x017F;endet. Das Ne&#x017F;t hatte drei Eier enthalten. Nach Mittheilung eines<lb/>
Berichter&#x017F;tatters hatte der betreffende Jäger zwei Ne&#x017F;ter und &#x017F;ein Nachbar ein drittes gefunden; auf<lb/>
die&#x017F;en Ne&#x017F;tern waren dann die brütenden Vögel, er&#x017F;t die Hennen, dann die Hähne, gefangen worden.<lb/>
Zwei nahe neben einander &#x017F;tehende Ne&#x017F;ter hatten drei und bezüglich zwei Eier enthalten. Das er&#x017F;te<lb/>
be&#x017F;tand aus einer kleinen mit etwas trockenem Sandrohr ausgekleideten Vertiefung im Sande; das<lb/>
zweite war im Haidekraut angelegt und mit etwas verdorrtem Gra&#x017F;e ausgefüttert. Jm Verlaufe des<lb/>
Juni fand man noch mehrere Ne&#x017F;ter auf den Dünen; &#x017F;ie waren alle in der&#x017F;elben Wei&#x017F;e gebaut.<lb/>
Noch am 27. Juli trieb jener Jäger ein Steppenhuhn vom Ne&#x017F;te auf und &#x017F;ah, daß es drei Eier enthielt,<lb/>
&#x017F;etzte Schlingen, kehrte nach einigen Stunden zurück und fand, daß die Henne gefangen war; der<lb/>
Hahn wurde in der&#x017F;elben Wei&#x017F;e erbeutet. Jnzwi&#x017F;chen war ein Küchlein ausge&#x017F;chlüpft, und ihm folgte<lb/>
&#x017F;päter ein zweites; doch &#x017F;tarben beide am er&#x017F;ten Tage, wahr&#x017F;cheinlich aus Mangel an geeigneter<lb/>
Pflege. Die&#x017F;e Beobachtungen bewei&#x017F;en al&#x017F;o, daß das Steppenhuhn in Einweibigkeit lebt, und daß<lb/>
der Hahn &#x017F;ich am Brüten betheiligt.</p><lb/>
          <p>Jn dem bereits erwähnten Auf&#x017F;atze, welchen ich im Jahre 1863 über die Einwanderung die-<lb/>
&#x017F;er Vögel veröffentlichte, hatte ich die Hoffnung ausge&#x017F;prochen, daß &#x017F;ich die Steppenhühner,<lb/>
falls ihnen all&#x017F;eitig Schonung werde, bei uns wohl fe&#x017F;t&#x017F;etzen und &#x017F;tändiges Flugwild werden könnten.<lb/>
&#x201E;Und wenn Dies nicht der Fall wäre, wenn alle berechtigten Hoffnungen &#x017F;cheitern &#x017F;ollten, &#x017F;o würde<lb/>
das Ergebniß des Ver&#x017F;uches, ob die Steppenhühner bei uns heimi&#x017F;ch werden oder nicht, &#x017F;icherlich<lb/>
immer noch mehr werth &#x017F;ein, als der geringe Ruhm, welchen &#x017F;ich ein Jäger erwirbt, der &#x017F;chonungslos<lb/>
und unga&#x017F;tlich gegen die&#x017F;en zu uns gekommenen Be&#x017F;uch verfährt.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Es war mir al&#x017F;o haupt&#x017F;ächlich darum zu thun, Ga&#x017F;tfreund&#x017F;chaft für die Fremdlinge zu<lb/>
erwirken; jedenfalls lag mir die Ab&#x017F;icht fern, eine Naturge&#x017F;chichte der Vögel zu &#x017F;chreiben oder meinen<lb/>
Hoffnungen den Stempel der Unfehlbarkeit aufzudrücken. Jch wurde jedoch mißver&#x017F;tanden. <hi rendition="#g">Altum</hi><lb/>
fand &#x017F;ich veranlaßt, gegen meine &#x201E;Bitte an alle deut&#x017F;chen Jäger&#x201C; zu Felde zu ziehen. &#x201E;Brehm&#x2019;s<lb/>
Hoffnung&#x201C;, &#x017F;o läßt er &#x017F;ich unter Anderem vernehmen, &#x201E;daß die Steppenhühner &#x017F;ich hier vermehren und<lb/>
bei anfangs gehöriger Schonung bleibendes Flugwild werden würden, i&#x017F;t mir für den Hauptherd<lb/>
Borkum, welcher doch den&#x017F;elben bei reichlicher Nahrung &#x017F;o gün&#x017F;tiges Terrain bot, wie wohl kaum<lb/>
eine andere Lokalität in un&#x017F;erer Gegend, gründlich zer&#x017F;chlagen. Da er (nämlich ich) wahr&#x017F;cheinlich<lb/>
nie einen Syrrhaptes in der freien Natur ge&#x017F;ehen hat, &#x017F;o werden ihm auch wohl keine anderweitigen,<lb/>
durch die Lebenswei&#x017F;e die&#x017F;er Vögel ge&#x017F;tützten Gründe für die&#x017F;e Vermuthung zu Gebote &#x017F;tehen.&#x201C; Es<lb/>
liegt meines Erachtens kein Grund vor, die Unmöglichkeit einer Einbürgerung des Steppenhuhns in<lb/>
Deut&#x017F;chland zu behaupten, und meine Vermuthung i&#x017F;t, wie aus Vor&#x017F;tehendem hervorgeht, doch &#x017F;o<lb/>
ganz haltlos nicht gewe&#x017F;en. Aber freilich eine Bedingung hätte vor Allem erfüllt werden mü&#x017F;&#x017F;en:<lb/>
man hätte die Steppenhühner mit mehr Schonung behandeln &#x017F;ollen, als es ge&#x017F;chehen i&#x017F;t. Leute,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[329/0355] Steppenhuhn. Nachdem die Steppenhühner fünf Monate lang auf Borkum wie in ihrer Heimat gelebt hatten, verſchwanden ſie nach und nach gänzlich von der Jnſel. Am 1. Oktober wurden mit dem Fernrohre noch vierundfunfzig Stück von ihnen gezählt, am 10. waren noch acht, am 12. noch fünf, am 13. noch zwei beobachtet worden: ſie waren die letzten. Vom 1. bis 15. Oktober hatte ſich alſo der ganze Flug allmählich entfernt. Ungefähr um dieſelbe Zeit wurden ſie wiederum hier und dann im Jnnern Deutſchlands beobachtet: ſo, laut Altum, im Oldenburgiſchen und nach meinen eigenen Beobachtungen in der Nähe von Hamburg. Sie waren aber keineswegs gänzlich verſchwunden, wie Altum behauptete, ſondern wurden noch im folgenden Jahre in Deutſchland beobachtet: ſo im Juni 1864 in der Gegend von Plauen, und viel ſpäter noch, zu Ende Oktobers deſſelben Jahres, bei Wreſchen in Poſen; ſie haben ſich ebenſo in der Nähe Hamburgs, ungefähr um dieſelbe Zeit, noch gezeigt, höchſt wahrſcheinlich alſo auch gebrütet wie im Jahre 1863 in Jütland und auf mehreren däniſchen Jnſeln. Leider war es mir nicht vergönnt, über die bei Hamburg brütenden Vögel eigene Beobachtungen anzuſtellen; über diejenigen aber, welche in Dänemark niſteten, hat Reinhardt uns berichtet. Die erſten Eier wurden kurz nach Ankunft der Vögel gefunden und genanntem Forſcher am 6. Juni überſendet. Das Neſt hatte drei Eier enthalten. Nach Mittheilung eines Berichterſtatters hatte der betreffende Jäger zwei Neſter und ſein Nachbar ein drittes gefunden; auf dieſen Neſtern waren dann die brütenden Vögel, erſt die Hennen, dann die Hähne, gefangen worden. Zwei nahe neben einander ſtehende Neſter hatten drei und bezüglich zwei Eier enthalten. Das erſte beſtand aus einer kleinen mit etwas trockenem Sandrohr ausgekleideten Vertiefung im Sande; das zweite war im Haidekraut angelegt und mit etwas verdorrtem Graſe ausgefüttert. Jm Verlaufe des Juni fand man noch mehrere Neſter auf den Dünen; ſie waren alle in derſelben Weiſe gebaut. Noch am 27. Juli trieb jener Jäger ein Steppenhuhn vom Neſte auf und ſah, daß es drei Eier enthielt, ſetzte Schlingen, kehrte nach einigen Stunden zurück und fand, daß die Henne gefangen war; der Hahn wurde in derſelben Weiſe erbeutet. Jnzwiſchen war ein Küchlein ausgeſchlüpft, und ihm folgte ſpäter ein zweites; doch ſtarben beide am erſten Tage, wahrſcheinlich aus Mangel an geeigneter Pflege. Dieſe Beobachtungen beweiſen alſo, daß das Steppenhuhn in Einweibigkeit lebt, und daß der Hahn ſich am Brüten betheiligt. Jn dem bereits erwähnten Aufſatze, welchen ich im Jahre 1863 über die Einwanderung die- ſer Vögel veröffentlichte, hatte ich die Hoffnung ausgeſprochen, daß ſich die Steppenhühner, falls ihnen allſeitig Schonung werde, bei uns wohl feſtſetzen und ſtändiges Flugwild werden könnten. „Und wenn Dies nicht der Fall wäre, wenn alle berechtigten Hoffnungen ſcheitern ſollten, ſo würde das Ergebniß des Verſuches, ob die Steppenhühner bei uns heimiſch werden oder nicht, ſicherlich immer noch mehr werth ſein, als der geringe Ruhm, welchen ſich ein Jäger erwirbt, der ſchonungslos und ungaſtlich gegen dieſen zu uns gekommenen Beſuch verfährt.“ Es war mir alſo hauptſächlich darum zu thun, Gaſtfreundſchaft für die Fremdlinge zu erwirken; jedenfalls lag mir die Abſicht fern, eine Naturgeſchichte der Vögel zu ſchreiben oder meinen Hoffnungen den Stempel der Unfehlbarkeit aufzudrücken. Jch wurde jedoch mißverſtanden. Altum fand ſich veranlaßt, gegen meine „Bitte an alle deutſchen Jäger“ zu Felde zu ziehen. „Brehm’s Hoffnung“, ſo läßt er ſich unter Anderem vernehmen, „daß die Steppenhühner ſich hier vermehren und bei anfangs gehöriger Schonung bleibendes Flugwild werden würden, iſt mir für den Hauptherd Borkum, welcher doch denſelben bei reichlicher Nahrung ſo günſtiges Terrain bot, wie wohl kaum eine andere Lokalität in unſerer Gegend, gründlich zerſchlagen. Da er (nämlich ich) wahrſcheinlich nie einen Syrrhaptes in der freien Natur geſehen hat, ſo werden ihm auch wohl keine anderweitigen, durch die Lebensweiſe dieſer Vögel geſtützten Gründe für dieſe Vermuthung zu Gebote ſtehen.“ Es liegt meines Erachtens kein Grund vor, die Unmöglichkeit einer Einbürgerung des Steppenhuhns in Deutſchland zu behaupten, und meine Vermuthung iſt, wie aus Vorſtehendem hervorgeht, doch ſo ganz haltlos nicht geweſen. Aber freilich eine Bedingung hätte vor Allem erfüllt werden müſſen: man hätte die Steppenhühner mit mehr Schonung behandeln ſollen, als es geſchehen iſt. Leute,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/355
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/355>, abgerufen am 24.11.2024.