welche selbst zugestehen, daß sie, nachdem die Jagd mit dem Feuergewehr schwierig geworden, zu Gift (mit Strychninlösung getränkten Weizenkörnern) ihre Zuflucht nehmen, scheinen von Thierschonung keine Vorstellung zu haben. Ebenso, wie auf Borkum, wüthete man überall gegen die harmlosen Fremdlinge: man verfolgte sie auf das Rücksichtsloseste, so lange man sie verfolgen konnte. Viele fanden auch durch eigenes Verschulden ihren Tod; so wurden mehrere eingeliefert, welche gegen die Telegraphendrähte geflogen waren und sich dabei lebensgefährlich verletzt hatten. Glücklicherweise wurden aber auch mehrere Steppenhühner gefangen, und so uns wenigstens Gelegenheit geboten, ihr Betragen im Käfige zu beobachten. Der Thiergarten zu London hatte bereits zwei Jahre vor der großen Einwanderung eine reiche Sendung lebender Steppenhühner aus China erhalten; das Jahr 1863 aber brachte die Vögel in fast alle größere Thiergärten, und ebenso in den Besitz mehrerer Lieb- haber; es konnten also vielfache Beobachtungen über ihr Gefangenleben angestellt werden.
Unter den hierüber veröffentlichten Mittheilungen verdienen die von Bolle, A. v. Homeyer und Holtz herrührenden Beachtung; meine eigenen Wahrnehmungen stimmen namentlich mit denen der beiden Erstgenannten überein. Holtz erzählt, daß er am 17. Oktober 1863 ein verwundetes Steppenhuhn in einem kleinen Käfig sah und mit ihm verschiedene Versuche anstellte, deren Ergebniß war, daß das Huhn sich benahm wie andere Vögel auch. Der kranke Flügel wurde abgenommen, die Wunde gebrannt und hierauf dem Gefangenen eine Wohnstube zum Aufenthalte angewiesen. Am dritten Tage nach der Gefangenschaft nahm er Weizenkörner zu sich, und begann nun ehne Furcht im Zimmer umherzutrippeln; er pickte sein Futter auf, hockte sich an gewissen Stellen nieder und war zuweilen auch sehr ärgerlich. Namentlich konnte er die Krinolinen nicht leiden; denn wurde eine solche von ihrer Besitzerin ihm zu nahe gebracht, so stieß er Töne des Unwillens aus, lief mit vor- gehaltenem Kopfe und Halse entrüstet darauf los und biß darnach.
Später brachte ihn Holtz in sein eigenes Zimmer und setzte ihn hier in einen ziemlich langen und breiten, niedrigen, mit Kiessand gefüllten Kasten, welcher in der Rähe des Ofens stand, versorgte ihn mit Futter und beobachtete ihn. Die nun gesammelten Erfahrungen sind anziehend. "Mit dem erwachenden Tage", sagt unser Gewährsmann, "war auch der Vogel wach, begab sich nach seiner Futterstelle, welche er gar bald kennen lernte, und pickte emsig die Körner auf. Dann trippelte er in der Stube umher, pickte auch wohl hier und dort auf den Bohlen (Dielen), einer Strohmatte und einer Pelzdecke, und putzte sich, indem er sein ganzes Kleid einer genauen Besichtigung unterwarf. Die widerständigen Federn der Flügel, des Schwanzes und der übrigen Körpertheile, welche er erreichen konnte, zog er dabei durch den Schnabel, legte sie zierlich zurecht und erhob sich auch zuweilen, um die Flügel auszubreiten und lose Federn auszuschütteln, wobei sein Körper aber, durch das Fehlen der einen Flügelspitze, leicht aus dem Gleichgewichte kam."
"Schaute die Sonne in das nach Süden gelegene Fenster, so suchte der Vogel begierig die Strahlen derselben auf, hockte an der dem Fenster gegenüberliegenden Zimmerwand nieder, lehnte sich mit der einen Seite an das Gesims, ließ die andere Seite von den Strahlen erwärmen und folgte denselben, so lange er sie erhaschen konnte. Jnzwischen fiel es ihm öfters ein zu fressen. Er erhob sich dann, eilte ohne Aufenthalt nach der ungefähr acht Fuß entfernten Futterstelle, pickte die Körner rasch auf, begab sich alsdann meistens -- nicht immer -- zum Wassernapfe, steckte den Schnabel hinein, nahm zwei oder drei und mehrere ziemlich lange Züge, hob den Kopf wieder (wobei der Schnabel aber nie über seine wagerechte Stellung hinauskam) und eilte ohne weiteren Aufenthalt zu seinem sonnigen Platze zurück, um sich daselbst niederzulassen. Dieses Trinken mit zwei bis drei Zügen geschah zuweilen nur einmal, zuweilen aber auch zwei- bis viermal unmittelbar hinter einander, d. h. ohne daß das Steppenhuhn vom Gefäß wegging."
"Merkwürdig ist es mir gewesen, daß der Vogel erst nach zwölf Tagen, vom Tage seiner Ver- wundung an gerechnet, Wasser zu sich nahm, obgleich der täglich frisch gefüllte Napf neben seinen Körnern stand, da das Steppenhuhn doch, den Nachrichten der Schriftsteller zufolge, die Quellen in der Steppe fleißig besucht; es muß seine Unkenntniß daran Schuld gewesen sein." Den Gang
Die Läufer. Scharrvögel. Flughühner.
welche ſelbſt zugeſtehen, daß ſie, nachdem die Jagd mit dem Feuergewehr ſchwierig geworden, zu Gift (mit Strychninlöſung getränkten Weizenkörnern) ihre Zuflucht nehmen, ſcheinen von Thierſchonung keine Vorſtellung zu haben. Ebenſo, wie auf Borkum, wüthete man überall gegen die harmloſen Fremdlinge: man verfolgte ſie auf das Rückſichtsloſeſte, ſo lange man ſie verfolgen konnte. Viele fanden auch durch eigenes Verſchulden ihren Tod; ſo wurden mehrere eingeliefert, welche gegen die Telegraphendrähte geflogen waren und ſich dabei lebensgefährlich verletzt hatten. Glücklicherweiſe wurden aber auch mehrere Steppenhühner gefangen, und ſo uns wenigſtens Gelegenheit geboten, ihr Betragen im Käfige zu beobachten. Der Thiergarten zu London hatte bereits zwei Jahre vor der großen Einwanderung eine reiche Sendung lebender Steppenhühner aus China erhalten; das Jahr 1863 aber brachte die Vögel in faſt alle größere Thiergärten, und ebenſo in den Beſitz mehrerer Lieb- haber; es konnten alſo vielfache Beobachtungen über ihr Gefangenleben angeſtellt werden.
Unter den hierüber veröffentlichten Mittheilungen verdienen die von Bolle, A. v. Homeyer und Holtz herrührenden Beachtung; meine eigenen Wahrnehmungen ſtimmen namentlich mit denen der beiden Erſtgenannten überein. Holtz erzählt, daß er am 17. Oktober 1863 ein verwundetes Steppenhuhn in einem kleinen Käfig ſah und mit ihm verſchiedene Verſuche anſtellte, deren Ergebniß war, daß das Huhn ſich benahm wie andere Vögel auch. Der kranke Flügel wurde abgenommen, die Wunde gebrannt und hierauf dem Gefangenen eine Wohnſtube zum Aufenthalte angewieſen. Am dritten Tage nach der Gefangenſchaft nahm er Weizenkörner zu ſich, und begann nun ehne Furcht im Zimmer umherzutrippeln; er pickte ſein Futter auf, hockte ſich an gewiſſen Stellen nieder und war zuweilen auch ſehr ärgerlich. Namentlich konnte er die Krinolinen nicht leiden; denn wurde eine ſolche von ihrer Beſitzerin ihm zu nahe gebracht, ſo ſtieß er Töne des Unwillens aus, lief mit vor- gehaltenem Kopfe und Halſe entrüſtet darauf los und biß darnach.
Später brachte ihn Holtz in ſein eigenes Zimmer und ſetzte ihn hier in einen ziemlich langen und breiten, niedrigen, mit Kiesſand gefüllten Kaſten, welcher in der Rähe des Ofens ſtand, verſorgte ihn mit Futter und beobachtete ihn. Die nun geſammelten Erfahrungen ſind anziehend. „Mit dem erwachenden Tage“, ſagt unſer Gewährsmann, „war auch der Vogel wach, begab ſich nach ſeiner Futterſtelle, welche er gar bald kennen lernte, und pickte emſig die Körner auf. Dann trippelte er in der Stube umher, pickte auch wohl hier und dort auf den Bohlen (Dielen), einer Strohmatte und einer Pelzdecke, und putzte ſich, indem er ſein ganzes Kleid einer genauen Beſichtigung unterwarf. Die widerſtändigen Federn der Flügel, des Schwanzes und der übrigen Körpertheile, welche er erreichen konnte, zog er dabei durch den Schnabel, legte ſie zierlich zurecht und erhob ſich auch zuweilen, um die Flügel auszubreiten und loſe Federn auszuſchütteln, wobei ſein Körper aber, durch das Fehlen der einen Flügelſpitze, leicht aus dem Gleichgewichte kam.“
„Schaute die Sonne in das nach Süden gelegene Fenſter, ſo ſuchte der Vogel begierig die Strahlen derſelben auf, hockte an der dem Fenſter gegenüberliegenden Zimmerwand nieder, lehnte ſich mit der einen Seite an das Geſims, ließ die andere Seite von den Strahlen erwärmen und folgte denſelben, ſo lange er ſie erhaſchen konnte. Jnzwiſchen fiel es ihm öfters ein zu freſſen. Er erhob ſich dann, eilte ohne Aufenthalt nach der ungefähr acht Fuß entfernten Futterſtelle, pickte die Körner raſch auf, begab ſich alsdann meiſtens — nicht immer — zum Waſſernapfe, ſteckte den Schnabel hinein, nahm zwei oder drei und mehrere ziemlich lange Züge, hob den Kopf wieder (wobei der Schnabel aber nie über ſeine wagerechte Stellung hinauskam) und eilte ohne weiteren Aufenthalt zu ſeinem ſonnigen Platze zurück, um ſich daſelbſt niederzulaſſen. Dieſes Trinken mit zwei bis drei Zügen geſchah zuweilen nur einmal, zuweilen aber auch zwei- bis viermal unmittelbar hinter einander, d. h. ohne daß das Steppenhuhn vom Gefäß wegging.“
„Merkwürdig iſt es mir geweſen, daß der Vogel erſt nach zwölf Tagen, vom Tage ſeiner Ver- wundung an gerechnet, Waſſer zu ſich nahm, obgleich der täglich friſch gefüllte Napf neben ſeinen Körnern ſtand, da das Steppenhuhn doch, den Nachrichten der Schriftſteller zufolge, die Quellen in der Steppe fleißig beſucht; es muß ſeine Unkenntniß daran Schuld geweſen ſein.“ Den Gang
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Die Läufer. Scharrvögel. Flughühner.
welche ſelbſt zugeſtehen, daß ſie, nachdem die Jagd mit dem Feuergewehr ſchwierig geworden, zu Gift
(mit Strychninlöſung getränkten Weizenkörnern) ihre Zuflucht nehmen, ſcheinen von Thierſchonung
keine Vorſtellung zu haben. Ebenſo, wie auf Borkum, wüthete man überall gegen die harmloſen
Fremdlinge: man verfolgte ſie auf das Rückſichtsloſeſte, ſo lange man ſie verfolgen konnte. Viele
fanden auch durch eigenes Verſchulden ihren Tod; ſo wurden mehrere eingeliefert, welche gegen die
Telegraphendrähte geflogen waren und ſich dabei lebensgefährlich verletzt hatten. Glücklicherweiſe
wurden aber auch mehrere Steppenhühner gefangen, und ſo uns wenigſtens Gelegenheit geboten, ihr
Betragen im Käfige zu beobachten. Der Thiergarten zu London hatte bereits zwei Jahre vor der
großen Einwanderung eine reiche Sendung lebender Steppenhühner aus China erhalten; das Jahr
1863 aber brachte die Vögel in faſt alle größere Thiergärten, und ebenſo in den Beſitz mehrerer Lieb-
haber; es konnten alſo vielfache Beobachtungen über ihr Gefangenleben angeſtellt werden.
Unter den hierüber veröffentlichten Mittheilungen verdienen die von Bolle, A. v. Homeyer
und Holtz herrührenden Beachtung; meine eigenen Wahrnehmungen ſtimmen namentlich mit denen der
beiden Erſtgenannten überein. Holtz erzählt, daß er am 17. Oktober 1863 ein verwundetes
Steppenhuhn in einem kleinen Käfig ſah und mit ihm verſchiedene Verſuche anſtellte, deren Ergebniß
war, daß das Huhn ſich benahm wie andere Vögel auch. Der kranke Flügel wurde abgenommen,
die Wunde gebrannt und hierauf dem Gefangenen eine Wohnſtube zum Aufenthalte angewieſen.
Am dritten Tage nach der Gefangenſchaft nahm er Weizenkörner zu ſich, und begann nun ehne Furcht
im Zimmer umherzutrippeln; er pickte ſein Futter auf, hockte ſich an gewiſſen Stellen nieder und
war zuweilen auch ſehr ärgerlich. Namentlich konnte er die Krinolinen nicht leiden; denn wurde eine
ſolche von ihrer Beſitzerin ihm zu nahe gebracht, ſo ſtieß er Töne des Unwillens aus, lief mit vor-
gehaltenem Kopfe und Halſe entrüſtet darauf los und biß darnach.
Später brachte ihn Holtz in ſein eigenes Zimmer und ſetzte ihn hier in einen ziemlich langen
und breiten, niedrigen, mit Kiesſand gefüllten Kaſten, welcher in der Rähe des Ofens ſtand, verſorgte
ihn mit Futter und beobachtete ihn. Die nun geſammelten Erfahrungen ſind anziehend. „Mit dem
erwachenden Tage“, ſagt unſer Gewährsmann, „war auch der Vogel wach, begab ſich nach ſeiner
Futterſtelle, welche er gar bald kennen lernte, und pickte emſig die Körner auf. Dann trippelte er
in der Stube umher, pickte auch wohl hier und dort auf den Bohlen (Dielen), einer Strohmatte und
einer Pelzdecke, und putzte ſich, indem er ſein ganzes Kleid einer genauen Beſichtigung unterwarf. Die
widerſtändigen Federn der Flügel, des Schwanzes und der übrigen Körpertheile, welche er erreichen
konnte, zog er dabei durch den Schnabel, legte ſie zierlich zurecht und erhob ſich auch zuweilen, um
die Flügel auszubreiten und loſe Federn auszuſchütteln, wobei ſein Körper aber, durch das Fehlen
der einen Flügelſpitze, leicht aus dem Gleichgewichte kam.“
„Schaute die Sonne in das nach Süden gelegene Fenſter, ſo ſuchte der Vogel begierig die
Strahlen derſelben auf, hockte an der dem Fenſter gegenüberliegenden Zimmerwand nieder, lehnte
ſich mit der einen Seite an das Geſims, ließ die andere Seite von den Strahlen erwärmen und folgte
denſelben, ſo lange er ſie erhaſchen konnte. Jnzwiſchen fiel es ihm öfters ein zu freſſen. Er erhob
ſich dann, eilte ohne Aufenthalt nach der ungefähr acht Fuß entfernten Futterſtelle, pickte die
Körner raſch auf, begab ſich alsdann meiſtens — nicht immer — zum Waſſernapfe, ſteckte den
Schnabel hinein, nahm zwei oder drei und mehrere ziemlich lange Züge, hob den Kopf wieder (wobei
der Schnabel aber nie über ſeine wagerechte Stellung hinauskam) und eilte ohne weiteren Aufenthalt
zu ſeinem ſonnigen Platze zurück, um ſich daſelbſt niederzulaſſen. Dieſes Trinken mit zwei bis drei
Zügen geſchah zuweilen nur einmal, zuweilen aber auch zwei- bis viermal unmittelbar hinter
einander, d. h. ohne daß das Steppenhuhn vom Gefäß wegging.“
„Merkwürdig iſt es mir geweſen, daß der Vogel erſt nach zwölf Tagen, vom Tage ſeiner Ver-
wundung an gerechnet, Waſſer zu ſich nahm, obgleich der täglich friſch gefüllte Napf neben ſeinen
Körnern ſtand, da das Steppenhuhn doch, den Nachrichten der Schriftſteller zufolge, die Quellen in
der Steppe fleißig beſucht; es muß ſeine Unkenntniß daran Schuld geweſen ſein.“ Den Gang
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/356>, abgerufen am 21.11.2024.
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