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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer. Scharrvögel. Flughühner. Rauchfußhühner.
und Watschelnden bei der größten Eile. Doch noch einmal, die Bewegungen des Kopfes, das Hin-
und Herwerfen des Sandes mit dem Schnabel, das Benehmen beim Nahrungsuchen, das Horchen,
das Ausspähen nach etwas Ungewöhnlichem, kurz, der ganze Ausdruck des geistigen Lebens, dies
Alles ist durchaus hühner- und nicht taubenartig und erinnert nicht allein, sondern ist ganz so wie
beim Flughuhn. Flug- und Steppenhuhn dürfen niemals getrennt werden."

Nachdem ich das Erstlingsrecht meiner werthen Freunde gewahrt, darf ich wohl meine eigenen
Beobachtungen über gefangene Steppenhühner folgen lassen.

Der hamburger Thiergarten erhielt im ganzen sieben Stück der eingewanderten Fremdlinge, am
2. und 5. Oktober und am 1. Dezember 1863. Zwei von ihnen kamen krank an und starben am
1. und bezüglich 15. November desselben Jahres; ein drittes verendete am 21. März 1865; zwei
andere wurden von einem Wiesel getödtet, welches sich durch das Drahtgeflechte des Käfigs gedrängt
hatte, zwei leben noch heute. Betragen und Wesen haben sich vom ersten Tage wenig verändert
und entsprechen durchaus den Schilderungen Bolle's und Homeyer's. Namentlich will ich
hervorheben, daß ich meinestheils niemals versucht worden bin, die Stimmlaute durch "Köckerick" zu
übersetzen, wie Dr. Altum es gethan, sondern auch hierin meinen Freunden beistimmen muß. Unsere
Gefangenen haben sich bei einfacher Nahrung recht wohl befunden, im Sommer wie im Winter;
denn sie sind jahraus, jahrein in ihrem Käfig geblieben, haben auch nur selten von der ihnen
zustehenden Freiheit, sich in den bedeckten und theilweise durch Glas geschützten Hinterraum dieses
Käfigs zu verfügen, Gebrauch gemacht. Bei Regenwetter zogen oder ziehen sie sich gern an eine
geschützte Stelle zurück, hat es aber längere Zeit nicht geregnet, so verweilen sie etwa eine halbe
Stunde lang im unbedeckten Theile des Käfigs und lassen sich ihr Gefieder einnässen; dann erst
trippeln sie ins Jnnere. Kälte behelligt sie nicht; sie haben den strengen Winter von 1863 zu 64
ohne anscheinende Beschwerde überstanden und sich auch in ziemlich tiefem Schnee noch mit großer
Geschicklichkeit bewegt. Wenn es nicht gerade schneiete, blieben sie immer draußen; sie drängten
sich dann aber dicht zusammen, -- ich möchte sagen: sie legten sich förmlich in einander -- denn
während sie im Sommer zwar truppweise, aber doch nicht unmittelbar neben einander zu schlafen
pflegten, legten sie sich im Schnee so neben einander, daß alle fünf gleichsam nur eine Masse bildeten.
Dabei lagen sie nicht in ein und derselben Richtung, sondern zwei oder drei mit den Köpfen nach
dieser, die übrigen nach der andern Seite, sodaß in der That kaum ein Zwischenraum blieb. Aus
dieser Lage ließen sie sich nicht einmal durch Schneefall vertreiben, sondern lieber theilweise einschneien,
manchmal bis auf die Köpfe. Jm Schnee schien ihnen jede Bewegung schwer zu fallen. Sie mußten
dann den Vordertheil ihres Körpers buchstäblich wie einen Schlitten durch den Schnee schieben, und
bildeten dadurch eine ziemlich tiefe, der Breite ihres Vorderleibes entsprechende Bahn, welche in der
Mitte durch zwei tiefere Furchen die eigentlichen Fährten zeigte, falls man hier noch von Fährten reden
darf, da die einzelnen Fußtapfen nicht mehr ausgedrückt waren, sondern unmittelbar in einander
übergingen.

Anfangs Juni 1864 zeigten die sich sonst so friedlichen Hähne unruhig und begannen schließlich
mit einander zu kämpfen. Sie nahmen dabei eine Stellung an, welche von der ihrer Verwandten,
der Flughühner, sehr verschieden war; denn sie erhoben sich mit dem Vordertheil ihres Leibes,
sträubten alle Federn des Halses, der Brust und des Oberrückens, lüfteten die Flügel etwas und
fuhren nun ziemlich eilfertig auf einander los, wohlgezielte, aber, wie es schien, wenig empfindliche
Schnabelhiebe austheilend. Der eine wurde regelmäßig in die Flucht geschlagen und der andere
begab sich dann siegesstolz zu einem der Weibchen, hinter und neben welchem er eine Zeitlang umher-
trippelte. Am 6. Juni wurde ein unzweifelhaft von diesem Weibchen herrührendes Ei gefunden.
Jm Jahre 1865 zeigten sich die Steppenhühner schon im Mai paarungslustig, und dieselbe Henne,
welche im vorigen Jahre Hoffnungen wach gerufen hatte, legte diesmal am 14., 19. und 21. Mai ihre
drei Eier. Ein Nest wurde nicht gebaut, nicht einmal eine Vertiefung gescharrt, und jedes Ei an
einer verschiedenen Stelle abgelegt, obgleich ich angeordnet hatte, daß das erste unberührt blieb und

Die Läufer. Scharrvögel. Flughühner. Rauchfußhühner.
und Watſchelnden bei der größten Eile. Doch noch einmal, die Bewegungen des Kopfes, das Hin-
und Herwerfen des Sandes mit dem Schnabel, das Benehmen beim Nahrungſuchen, das Horchen,
das Ausſpähen nach etwas Ungewöhnlichem, kurz, der ganze Ausdruck des geiſtigen Lebens, dies
Alles iſt durchaus hühner- und nicht taubenartig und erinnert nicht allein, ſondern iſt ganz ſo wie
beim Flughuhn. Flug- und Steppenhuhn dürfen niemals getrennt werden.“

Nachdem ich das Erſtlingsrecht meiner werthen Freunde gewahrt, darf ich wohl meine eigenen
Beobachtungen über gefangene Steppenhühner folgen laſſen.

Der hamburger Thiergarten erhielt im ganzen ſieben Stück der eingewanderten Fremdlinge, am
2. und 5. Oktober und am 1. Dezember 1863. Zwei von ihnen kamen krank an und ſtarben am
1. und bezüglich 15. November deſſelben Jahres; ein drittes verendete am 21. März 1865; zwei
andere wurden von einem Wieſel getödtet, welches ſich durch das Drahtgeflechte des Käfigs gedrängt
hatte, zwei leben noch heute. Betragen und Weſen haben ſich vom erſten Tage wenig verändert
und entſprechen durchaus den Schilderungen Bolle’s und Homeyer’s. Namentlich will ich
hervorheben, daß ich meinestheils niemals verſucht worden bin, die Stimmlaute durch „Köckerick“ zu
überſetzen, wie Dr. Altum es gethan, ſondern auch hierin meinen Freunden beiſtimmen muß. Unſere
Gefangenen haben ſich bei einfacher Nahrung recht wohl befunden, im Sommer wie im Winter;
denn ſie ſind jahraus, jahrein in ihrem Käfig geblieben, haben auch nur ſelten von der ihnen
zuſtehenden Freiheit, ſich in den bedeckten und theilweiſe durch Glas geſchützten Hinterraum dieſes
Käfigs zu verfügen, Gebrauch gemacht. Bei Regenwetter zogen oder ziehen ſie ſich gern an eine
geſchützte Stelle zurück, hat es aber längere Zeit nicht geregnet, ſo verweilen ſie etwa eine halbe
Stunde lang im unbedeckten Theile des Käfigs und laſſen ſich ihr Gefieder einnäſſen; dann erſt
trippeln ſie ins Jnnere. Kälte behelligt ſie nicht; ſie haben den ſtrengen Winter von 1863 zu 64
ohne anſcheinende Beſchwerde überſtanden und ſich auch in ziemlich tiefem Schnee noch mit großer
Geſchicklichkeit bewegt. Wenn es nicht gerade ſchneiete, blieben ſie immer draußen; ſie drängten
ſich dann aber dicht zuſammen, — ich möchte ſagen: ſie legten ſich förmlich in einander — denn
während ſie im Sommer zwar truppweiſe, aber doch nicht unmittelbar neben einander zu ſchlafen
pflegten, legten ſie ſich im Schnee ſo neben einander, daß alle fünf gleichſam nur eine Maſſe bildeten.
Dabei lagen ſie nicht in ein und derſelben Richtung, ſondern zwei oder drei mit den Köpfen nach
dieſer, die übrigen nach der andern Seite, ſodaß in der That kaum ein Zwiſchenraum blieb. Aus
dieſer Lage ließen ſie ſich nicht einmal durch Schneefall vertreiben, ſondern lieber theilweiſe einſchneien,
manchmal bis auf die Köpfe. Jm Schnee ſchien ihnen jede Bewegung ſchwer zu fallen. Sie mußten
dann den Vordertheil ihres Körpers buchſtäblich wie einen Schlitten durch den Schnee ſchieben, und
bildeten dadurch eine ziemlich tiefe, der Breite ihres Vorderleibes entſprechende Bahn, welche in der
Mitte durch zwei tiefere Furchen die eigentlichen Fährten zeigte, falls man hier noch von Fährten reden
darf, da die einzelnen Fußtapfen nicht mehr ausgedrückt waren, ſondern unmittelbar in einander
übergingen.

Anfangs Juni 1864 zeigten die ſich ſonſt ſo friedlichen Hähne unruhig und begannen ſchließlich
mit einander zu kämpfen. Sie nahmen dabei eine Stellung an, welche von der ihrer Verwandten,
der Flughühner, ſehr verſchieden war; denn ſie erhoben ſich mit dem Vordertheil ihres Leibes,
ſträubten alle Federn des Halſes, der Bruſt und des Oberrückens, lüfteten die Flügel etwas und
fuhren nun ziemlich eilfertig auf einander los, wohlgezielte, aber, wie es ſchien, wenig empfindliche
Schnabelhiebe austheilend. Der eine wurde regelmäßig in die Flucht geſchlagen und der andere
begab ſich dann ſiegesſtolz zu einem der Weibchen, hinter und neben welchem er eine Zeitlang umher-
trippelte. Am 6. Juni wurde ein unzweifelhaft von dieſem Weibchen herrührendes Ei gefunden.
Jm Jahre 1865 zeigten ſich die Steppenhühner ſchon im Mai paarungsluſtig, und dieſelbe Henne,
welche im vorigen Jahre Hoffnungen wach gerufen hatte, legte diesmal am 14., 19. und 21. Mai ihre
drei Eier. Ein Neſt wurde nicht gebaut, nicht einmal eine Vertiefung geſcharrt, und jedes Ei an
einer verſchiedenen Stelle abgelegt, obgleich ich angeordnet hatte, daß das erſte unberührt blieb und

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[332/0358] Die Läufer. Scharrvögel. Flughühner. Rauchfußhühner. und Watſchelnden bei der größten Eile. Doch noch einmal, die Bewegungen des Kopfes, das Hin- und Herwerfen des Sandes mit dem Schnabel, das Benehmen beim Nahrungſuchen, das Horchen, das Ausſpähen nach etwas Ungewöhnlichem, kurz, der ganze Ausdruck des geiſtigen Lebens, dies Alles iſt durchaus hühner- und nicht taubenartig und erinnert nicht allein, ſondern iſt ganz ſo wie beim Flughuhn. Flug- und Steppenhuhn dürfen niemals getrennt werden.“ Nachdem ich das Erſtlingsrecht meiner werthen Freunde gewahrt, darf ich wohl meine eigenen Beobachtungen über gefangene Steppenhühner folgen laſſen. Der hamburger Thiergarten erhielt im ganzen ſieben Stück der eingewanderten Fremdlinge, am 2. und 5. Oktober und am 1. Dezember 1863. Zwei von ihnen kamen krank an und ſtarben am 1. und bezüglich 15. November deſſelben Jahres; ein drittes verendete am 21. März 1865; zwei andere wurden von einem Wieſel getödtet, welches ſich durch das Drahtgeflechte des Käfigs gedrängt hatte, zwei leben noch heute. Betragen und Weſen haben ſich vom erſten Tage wenig verändert und entſprechen durchaus den Schilderungen Bolle’s und Homeyer’s. Namentlich will ich hervorheben, daß ich meinestheils niemals verſucht worden bin, die Stimmlaute durch „Köckerick“ zu überſetzen, wie Dr. Altum es gethan, ſondern auch hierin meinen Freunden beiſtimmen muß. Unſere Gefangenen haben ſich bei einfacher Nahrung recht wohl befunden, im Sommer wie im Winter; denn ſie ſind jahraus, jahrein in ihrem Käfig geblieben, haben auch nur ſelten von der ihnen zuſtehenden Freiheit, ſich in den bedeckten und theilweiſe durch Glas geſchützten Hinterraum dieſes Käfigs zu verfügen, Gebrauch gemacht. Bei Regenwetter zogen oder ziehen ſie ſich gern an eine geſchützte Stelle zurück, hat es aber längere Zeit nicht geregnet, ſo verweilen ſie etwa eine halbe Stunde lang im unbedeckten Theile des Käfigs und laſſen ſich ihr Gefieder einnäſſen; dann erſt trippeln ſie ins Jnnere. Kälte behelligt ſie nicht; ſie haben den ſtrengen Winter von 1863 zu 64 ohne anſcheinende Beſchwerde überſtanden und ſich auch in ziemlich tiefem Schnee noch mit großer Geſchicklichkeit bewegt. Wenn es nicht gerade ſchneiete, blieben ſie immer draußen; ſie drängten ſich dann aber dicht zuſammen, — ich möchte ſagen: ſie legten ſich förmlich in einander — denn während ſie im Sommer zwar truppweiſe, aber doch nicht unmittelbar neben einander zu ſchlafen pflegten, legten ſie ſich im Schnee ſo neben einander, daß alle fünf gleichſam nur eine Maſſe bildeten. Dabei lagen ſie nicht in ein und derſelben Richtung, ſondern zwei oder drei mit den Köpfen nach dieſer, die übrigen nach der andern Seite, ſodaß in der That kaum ein Zwiſchenraum blieb. Aus dieſer Lage ließen ſie ſich nicht einmal durch Schneefall vertreiben, ſondern lieber theilweiſe einſchneien, manchmal bis auf die Köpfe. Jm Schnee ſchien ihnen jede Bewegung ſchwer zu fallen. Sie mußten dann den Vordertheil ihres Körpers buchſtäblich wie einen Schlitten durch den Schnee ſchieben, und bildeten dadurch eine ziemlich tiefe, der Breite ihres Vorderleibes entſprechende Bahn, welche in der Mitte durch zwei tiefere Furchen die eigentlichen Fährten zeigte, falls man hier noch von Fährten reden darf, da die einzelnen Fußtapfen nicht mehr ausgedrückt waren, ſondern unmittelbar in einander übergingen. Anfangs Juni 1864 zeigten die ſich ſonſt ſo friedlichen Hähne unruhig und begannen ſchließlich mit einander zu kämpfen. Sie nahmen dabei eine Stellung an, welche von der ihrer Verwandten, der Flughühner, ſehr verſchieden war; denn ſie erhoben ſich mit dem Vordertheil ihres Leibes, ſträubten alle Federn des Halſes, der Bruſt und des Oberrückens, lüfteten die Flügel etwas und fuhren nun ziemlich eilfertig auf einander los, wohlgezielte, aber, wie es ſchien, wenig empfindliche Schnabelhiebe austheilend. Der eine wurde regelmäßig in die Flucht geſchlagen und der andere begab ſich dann ſiegesſtolz zu einem der Weibchen, hinter und neben welchem er eine Zeitlang umher- trippelte. Am 6. Juni wurde ein unzweifelhaft von dieſem Weibchen herrührendes Ei gefunden. Jm Jahre 1865 zeigten ſich die Steppenhühner ſchon im Mai paarungsluſtig, und dieſelbe Henne, welche im vorigen Jahre Hoffnungen wach gerufen hatte, legte diesmal am 14., 19. und 21. Mai ihre drei Eier. Ein Neſt wurde nicht gebaut, nicht einmal eine Vertiefung geſcharrt, und jedes Ei an einer verſchiedenen Stelle abgelegt, obgleich ich angeordnet hatte, daß das erſte unberührt blieb und

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/358>, abgerufen am 24.11.2024.