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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer. Scharrvögel. Rauchfußhühner.
erschallt und das Schleifen anfängt. Dieses besteht aus zischenden Lauten, welche dem Wetzen
eines eisernen Werkzeuges sehr ähnlich sind und in mehreren, an einander gereihten Sätzen sich folgen;
der letzte Ton wird lang gezogen. Gewöhnlich gleich beim Anfange des Balzens, seltener in der
Mitte des aus klappenden Lauten bestehenden Satzes hebt er den Schwanz etwas, sodaß derfelbe
zwischen senk- und wagrechter Richtung mitten inne steht, breitet ihn fächerförmig aus und hält die
etwas gesenkten Flügel vom Leibe abstehend. Beim Klappen trippelt er bisweilen auf dem Aste;
beim Schleifen sträubt er fast alle Federn und dreht sich nicht selten herum. Doch geht das Balzen
nicht immer so regelmäßig vor sich. Einige hören im Klappen vor dem Hauptschlage, andere nach
ihm, andere mitten im Schleifen auf, noch andere lassen nur einige klappende Töne hören; ja, zuweilen
geschieht es, daß ein Auerhahn an ein und demselben Morgen mit ordentlichem und unordentlichem
Balzen wechselt." Man hat vielfach versucht, die Laute, welche der Auerhahn hören läßt, mit
Buchstaben wiederzugeben; es ist Dies jedoch niemals gelungen, und auch Freund Geyer wird der
Wahrheit eben nur nahe gekommen sein, sie aber gewiß nicht erreicht haben. "Der erste Schlag",
sagt er, "ist vergleichbar dem Ausruf "Töd"; dann folgt "Töd, töd, töd, töd" und endlich immer
schneller "Töd öd öd öd öd öd" u. s. w., bis der sogenannte Hauptschlag, welcher ungefähr wie
"Glack" klingt und stärker hörbar als die vorhergehenden ist, geschieht. Dann beginnt das fabelhafte
Schleifen, Wetzen, Einspielen, auch das "Vers- oder sogenannte Gesetzelmachen" benannt, welches bis
jetzt, trotz aller möglichen Versuche und Bemühungen, keinem Sterblichen auch nur annäherungsweise
nachzuahmen gelang und wahrscheinlich nie gelingen wird. Es dauert ungefähr drei und eine halbe,
aber nie über vier Sekunden, läßt sich einigermaßen mit dem Wetzen eines langen Tischmessers an
einer Sense vergleichen und klingt etwa wie "Heide heide heide heide heide heide heide heiderei."
An dem Auerhahne des hamburger Gartens, welcher in jedem Frühjahre regelmäßig und höchst eifrig
balzt, habe ich beobachtet, daß das Schnalzen bei geöffnetem Schnabel hervorgebracht und höchst
wahrscheinlich durch eine große Anstrengung der Kehlkopfmuskeln bewirkt wird. Das Ausstoßen
des Hauptschlags wenigstens erschüttert den Kehlkopf genau in derselben Weise, wie ein kräftiges
Zungenschnalzen den unserigen; man kann diese Erschütterung deutlich wahrnehmen. -- Jedes neue
Einspielen macht den Hahn erregter. Er geht auf dem Aste auf und nieder, läßt häufig seine
Losung fallen, greift mit einem oder dem andern Ständer in die Luft, springt auch wohl von einem
Aste zum andern oder steht nach, wie der Jäger sagt, kurz, befindet sich in einer gewissen Ver-
zückung, welche ihn zuweilen All es um sich her vergessen läßt. Dies geht soweit, daß er sich sogar
um den Knall eines Feuergewehres nicht kümmert, selbst wenn der Schuß ihm gegolten hat, voraus-
gesetzt natürlich, daß er nicht von einem Schrotkorne berührt wurde. "Jm Schwerhören beim
Schleifen", fährt mein Vater fort, "sind alle Auerhähne einander gleich; aber mit dem Sehen ist
es anders. Wir gingen einst auf die Auerhahnsbalze, und als Einer von uns, um einen Auerhahn
zu unterlaufen, über eine Blöße weg mußte, stiebte der Auerhahn mitten im Schleifen ab und schwieg
gänzlich, ein deutlicher Beweis, daß er den Schützen bemerkt hatte. Ein anderes Mal schlugen wir,
während des Schleifens eines Auerhahnes, Feuer unter ihm. Das Geräusch des Feuerschlagens
hörte er nicht, aber die Funken sah er recht gut. Ein drittes Mal bemerkten wir, daß ein Auerhahn
mitten im Schleifen abbrach, als ein weißes Taschentuch unter ihm geschwenkt wurde." Mein
Vater glaubte, daß die starke Pressung der von ihm bewegten Luft, das Geräusch, welches er
selbst verursacht, die Ursache dieser Schwerhörigkeit sei; ich kann mich jedoch seiner Ansicht nicht
anschließen, sondern muß Gadamer Recht geben, welcher die sogenannte Taub- und Blindheit
ansieht als die Wirkung einer auf das Höchste gestiegenen Brunst oder Sinnlichkeit, welche den Vogel
Alles um sich her vergessen läßt. Jeder Beobachter, welcher einen Auerhahn in der Gefangenschaft
balzen sah, kommt zu der Ueberzeugung, daß die Sinnesthätigkeit des verliebten Gecken einzig und
allein durch seine auf das Höchste gesteigerte Aufregung beeinträchtigt werden kann. Während des
eigentlichen Einspielens pflegt er den Kopf senkrecht in die Höhe zu heben, und so kann es recht wohl
vorkommen, daß sein Auge das unter ihm Vorgehende nicht wahrnimmt, auch abgesehen davon, daß

Die Läufer. Scharrvögel. Rauchfußhühner.
erſchallt und das Schleifen anfängt. Dieſes beſteht aus ziſchenden Lauten, welche dem Wetzen
eines eiſernen Werkzeuges ſehr ähnlich ſind und in mehreren, an einander gereihten Sätzen ſich folgen;
der letzte Ton wird lang gezogen. Gewöhnlich gleich beim Anfange des Balzens, ſeltener in der
Mitte des aus klappenden Lauten beſtehenden Satzes hebt er den Schwanz etwas, ſodaß derfelbe
zwiſchen ſenk- und wagrechter Richtung mitten inne ſteht, breitet ihn fächerförmig aus und hält die
etwas geſenkten Flügel vom Leibe abſtehend. Beim Klappen trippelt er bisweilen auf dem Aſte;
beim Schleifen ſträubt er faſt alle Federn und dreht ſich nicht ſelten herum. Doch geht das Balzen
nicht immer ſo regelmäßig vor ſich. Einige hören im Klappen vor dem Hauptſchlage, andere nach
ihm, andere mitten im Schleifen auf, noch andere laſſen nur einige klappende Töne hören; ja, zuweilen
geſchieht es, daß ein Auerhahn an ein und demſelben Morgen mit ordentlichem und unordentlichem
Balzen wechſelt.“ Man hat vielfach verſucht, die Laute, welche der Auerhahn hören läßt, mit
Buchſtaben wiederzugeben; es iſt Dies jedoch niemals gelungen, und auch Freund Geyer wird der
Wahrheit eben nur nahe gekommen ſein, ſie aber gewiß nicht erreicht haben. „Der erſte Schlag“,
ſagt er, „iſt vergleichbar dem Ausruf „Töd“; dann folgt „Töd, töd, töd, töd“ und endlich immer
ſchneller „Töd öd öd öd öd öd“ u. ſ. w., bis der ſogenannte Hauptſchlag, welcher ungefähr wie
„Glack“ klingt und ſtärker hörbar als die vorhergehenden iſt, geſchieht. Dann beginnt das fabelhafte
Schleifen, Wetzen, Einſpielen, auch das „Vers- oder ſogenannte Geſetzelmachen“ benannt, welches bis
jetzt, trotz aller möglichen Verſuche und Bemühungen, keinem Sterblichen auch nur annäherungsweiſe
nachzuahmen gelang und wahrſcheinlich nie gelingen wird. Es dauert ungefähr drei und eine halbe,
aber nie über vier Sekunden, läßt ſich einigermaßen mit dem Wetzen eines langen Tiſchmeſſers an
einer Senſe vergleichen und klingt etwa wie „Heide heide heide heide heide heide heide heiderei.“
An dem Auerhahne des hamburger Gartens, welcher in jedem Frühjahre regelmäßig und höchſt eifrig
balzt, habe ich beobachtet, daß das Schnalzen bei geöffnetem Schnabel hervorgebracht und höchſt
wahrſcheinlich durch eine große Anſtrengung der Kehlkopfmuskeln bewirkt wird. Das Ausſtoßen
des Hauptſchlags wenigſtens erſchüttert den Kehlkopf genau in derſelben Weiſe, wie ein kräftiges
Zungenſchnalzen den unſerigen; man kann dieſe Erſchütterung deutlich wahrnehmen. — Jedes neue
Einſpielen macht den Hahn erregter. Er geht auf dem Aſte auf und nieder, läßt häufig ſeine
Loſung fallen, greift mit einem oder dem andern Ständer in die Luft, ſpringt auch wohl von einem
Aſte zum andern oder ſteht nach, wie der Jäger ſagt, kurz, befindet ſich in einer gewiſſen Ver-
zückung, welche ihn zuweilen All es um ſich her vergeſſen läßt. Dies geht ſoweit, daß er ſich ſogar
um den Knall eines Feuergewehres nicht kümmert, ſelbſt wenn der Schuß ihm gegolten hat, voraus-
geſetzt natürlich, daß er nicht von einem Schrotkorne berührt wurde. „Jm Schwerhören beim
Schleifen“, fährt mein Vater fort, „ſind alle Auerhähne einander gleich; aber mit dem Sehen iſt
es anders. Wir gingen einſt auf die Auerhahnsbalze, und als Einer von uns, um einen Auerhahn
zu unterlaufen, über eine Blöße weg mußte, ſtiebte der Auerhahn mitten im Schleifen ab und ſchwieg
gänzlich, ein deutlicher Beweis, daß er den Schützen bemerkt hatte. Ein anderes Mal ſchlugen wir,
während des Schleifens eines Auerhahnes, Feuer unter ihm. Das Geräuſch des Feuerſchlagens
hörte er nicht, aber die Funken ſah er recht gut. Ein drittes Mal bemerkten wir, daß ein Auerhahn
mitten im Schleifen abbrach, als ein weißes Taſchentuch unter ihm geſchwenkt wurde.“ Mein
Vater glaubte, daß die ſtarke Preſſung der von ihm bewegten Luft, das Geräuſch, welches er
ſelbſt verurſacht, die Urſache dieſer Schwerhörigkeit ſei; ich kann mich jedoch ſeiner Anſicht nicht
anſchließen, ſondern muß Gadamer Recht geben, welcher die ſogenannte Taub- und Blindheit
anſieht als die Wirkung einer auf das Höchſte geſtiegenen Brunſt oder Sinnlichkeit, welche den Vogel
Alles um ſich her vergeſſen läßt. Jeder Beobachter, welcher einen Auerhahn in der Gefangenſchaft
balzen ſah, kommt zu der Ueberzeugung, daß die Sinnesthätigkeit des verliebten Gecken einzig und
allein durch ſeine auf das Höchſte geſteigerte Aufregung beeinträchtigt werden kann. Während des
eigentlichen Einſpielens pflegt er den Kopf ſenkrecht in die Höhe zu heben, und ſo kann es recht wohl
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[340/0368] Die Läufer. Scharrvögel. Rauchfußhühner. erſchallt und das Schleifen anfängt. Dieſes beſteht aus ziſchenden Lauten, welche dem Wetzen eines eiſernen Werkzeuges ſehr ähnlich ſind und in mehreren, an einander gereihten Sätzen ſich folgen; der letzte Ton wird lang gezogen. Gewöhnlich gleich beim Anfange des Balzens, ſeltener in der Mitte des aus klappenden Lauten beſtehenden Satzes hebt er den Schwanz etwas, ſodaß derfelbe zwiſchen ſenk- und wagrechter Richtung mitten inne ſteht, breitet ihn fächerförmig aus und hält die etwas geſenkten Flügel vom Leibe abſtehend. Beim Klappen trippelt er bisweilen auf dem Aſte; beim Schleifen ſträubt er faſt alle Federn und dreht ſich nicht ſelten herum. Doch geht das Balzen nicht immer ſo regelmäßig vor ſich. Einige hören im Klappen vor dem Hauptſchlage, andere nach ihm, andere mitten im Schleifen auf, noch andere laſſen nur einige klappende Töne hören; ja, zuweilen geſchieht es, daß ein Auerhahn an ein und demſelben Morgen mit ordentlichem und unordentlichem Balzen wechſelt.“ Man hat vielfach verſucht, die Laute, welche der Auerhahn hören läßt, mit Buchſtaben wiederzugeben; es iſt Dies jedoch niemals gelungen, und auch Freund Geyer wird der Wahrheit eben nur nahe gekommen ſein, ſie aber gewiß nicht erreicht haben. „Der erſte Schlag“, ſagt er, „iſt vergleichbar dem Ausruf „Töd“; dann folgt „Töd, töd, töd, töd“ und endlich immer ſchneller „Töd öd öd öd öd öd“ u. ſ. w., bis der ſogenannte Hauptſchlag, welcher ungefähr wie „Glack“ klingt und ſtärker hörbar als die vorhergehenden iſt, geſchieht. Dann beginnt das fabelhafte Schleifen, Wetzen, Einſpielen, auch das „Vers- oder ſogenannte Geſetzelmachen“ benannt, welches bis jetzt, trotz aller möglichen Verſuche und Bemühungen, keinem Sterblichen auch nur annäherungsweiſe nachzuahmen gelang und wahrſcheinlich nie gelingen wird. Es dauert ungefähr drei und eine halbe, aber nie über vier Sekunden, läßt ſich einigermaßen mit dem Wetzen eines langen Tiſchmeſſers an einer Senſe vergleichen und klingt etwa wie „Heide heide heide heide heide heide heide heiderei.“ An dem Auerhahne des hamburger Gartens, welcher in jedem Frühjahre regelmäßig und höchſt eifrig balzt, habe ich beobachtet, daß das Schnalzen bei geöffnetem Schnabel hervorgebracht und höchſt wahrſcheinlich durch eine große Anſtrengung der Kehlkopfmuskeln bewirkt wird. Das Ausſtoßen des Hauptſchlags wenigſtens erſchüttert den Kehlkopf genau in derſelben Weiſe, wie ein kräftiges Zungenſchnalzen den unſerigen; man kann dieſe Erſchütterung deutlich wahrnehmen. — Jedes neue Einſpielen macht den Hahn erregter. Er geht auf dem Aſte auf und nieder, läßt häufig ſeine Loſung fallen, greift mit einem oder dem andern Ständer in die Luft, ſpringt auch wohl von einem Aſte zum andern oder ſteht nach, wie der Jäger ſagt, kurz, befindet ſich in einer gewiſſen Ver- zückung, welche ihn zuweilen All es um ſich her vergeſſen läßt. Dies geht ſoweit, daß er ſich ſogar um den Knall eines Feuergewehres nicht kümmert, ſelbſt wenn der Schuß ihm gegolten hat, voraus- geſetzt natürlich, daß er nicht von einem Schrotkorne berührt wurde. „Jm Schwerhören beim Schleifen“, fährt mein Vater fort, „ſind alle Auerhähne einander gleich; aber mit dem Sehen iſt es anders. Wir gingen einſt auf die Auerhahnsbalze, und als Einer von uns, um einen Auerhahn zu unterlaufen, über eine Blöße weg mußte, ſtiebte der Auerhahn mitten im Schleifen ab und ſchwieg gänzlich, ein deutlicher Beweis, daß er den Schützen bemerkt hatte. Ein anderes Mal ſchlugen wir, während des Schleifens eines Auerhahnes, Feuer unter ihm. Das Geräuſch des Feuerſchlagens hörte er nicht, aber die Funken ſah er recht gut. Ein drittes Mal bemerkten wir, daß ein Auerhahn mitten im Schleifen abbrach, als ein weißes Taſchentuch unter ihm geſchwenkt wurde.“ Mein Vater glaubte, daß die ſtarke Preſſung der von ihm bewegten Luft, das Geräuſch, welches er ſelbſt verurſacht, die Urſache dieſer Schwerhörigkeit ſei; ich kann mich jedoch ſeiner Anſicht nicht anſchließen, ſondern muß Gadamer Recht geben, welcher die ſogenannte Taub- und Blindheit anſieht als die Wirkung einer auf das Höchſte geſtiegenen Brunſt oder Sinnlichkeit, welche den Vogel Alles um ſich her vergeſſen läßt. Jeder Beobachter, welcher einen Auerhahn in der Gefangenſchaft balzen ſah, kommt zu der Ueberzeugung, daß die Sinnesthätigkeit des verliebten Gecken einzig und allein durch ſeine auf das Höchſte geſteigerte Aufregung beeinträchtigt werden kann. Während des eigentlichen Einſpielens pflegt er den Kopf ſenkrecht in die Höhe zu heben, und ſo kann es recht wohl vorkommen, daß ſein Auge das unter ihm Vorgehende nicht wahrnimmt, auch abgeſehen davon, daß

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/368>, abgerufen am 21.11.2024.