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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Wiedehopf.
und ehe man es sich versieht, flüchtet er sich in die belaubten Zweige eines nahen Baumes, läßt auch
im Ausruhen oder beim Wegfliegen seine schnarchende Stimme hören und macht auch hierbei allerlei
sonderbare Bewegungen. Gewöhnlich trägt er den Federbusch nicht entfaltet, sondern spitz nach
hinten gelegt. Er fächelt aber damit, wenn er böse wird und breitet ihn aus, wenn er in Ruhe auf
einem Baume sitzt oder, wenn er seinen Ruf ertönen läßt. Zur Paarungszeit spielt er mit dem
Fächer, auch dann, wenn er am Boden umherläuft, und zuweilen entfaltet er ihn selbst während
des Fluges so, wie man spielend einen Fächer auf- und zumacht." Sein Gang auf dem Boden
ist gut, schrittweise, nicht hüpfend. Jm Gezweig dagegen bewegt er sich wenig, geht höchstens auf
stärkeren, wagrechten Aesten auf und nieder. Der Flug ist leicht und geräuschlos, aber höchst
unregelmäßig. Die beiden Flügel werden abwechselnd bald schnell, bald langsam geschwungen und
der Flug erhält dadurch ein ängstliches Aussehen und geht zuckend vorwärts. Dabei wird der Hals
lang ausgestreckt und der Schnabel etwas abwärts gesenkt. Vor dem Niedersitzen schwebt er auf
einige Augenblicke, und dann entfaltet er auch regelmäßig seinen Federbusch. Die Lockstimme ist
ein heiser schnarchendes "Chrr", welches zuweilen wie "schwär" klingt; bei guter Laune läßt er ein
dumpfes "Queg queg" vernehmen; der Paarungsruf ist das hohl klingende "Hup hup", welches ihm
seinen Namen verschafft hat und zwar nicht blos in der deutschen, sondern in fast allen übrigen
Sprachen; denn weitaus die meisten Namen, welche er bei den verschiedenen Völkern führt, sind
Klangbilder jenes Rufes. Jm Frühjahr stößt diesen das Männchen ununterbrochen aus, aber schon
gegen das Ende des Juli hin ruft es nicht mehr. Wenn sich im Anfang der Begattungszeit zwei
Männchen um ein Weibchen streiten, rufen sie unablässig, und dann hängen sie dem Hup auch ein
tiefes, heiseres "Puh" an.

Obwohl an günstigen Orten ein Wiedehopfpaar dicht neben dem andern wohnt, darf man doch
von Geselligkeit bei ihnen nicht reden. Blos die Familie im eigentlichen Sinne des Wortes hält
treu zusammen -- die Nachbarn streiten sich fortwährend. Es kommt zwar selten zu Thätlichkeiten
zwischen ihnen; wohl aber jagen sie sich sehr ärgerlich hin und her und geberden sich so, daß
ihr Unwille nicht zu verkennen ist. Mit andern Vögeln hält der Wiedehopf gar keine Freund-
schaft. Die einen fürchtet er, die andern scheinen ihm gleichgiltig zu sein. Aber dieser, der
Zuneigung scheinbar so wenig zugängliche Vogel schließt sich, wenn er von Jugend auf freundlich
behandelt wird, seinem Pfleger mit außerordentlicher Zärtlichkeit an, und deshalb gehört ein zahmer
Wiedehopf zu den unterhaltendsten und liebenswürdigsten Gefangenen, welche man sich denken kann.
Sein Geberdenspiel belustigt, seine Zahmheit und Zutraulichkeit entzücken. Er wird zahm, wie ein
Hund, kommt auf den Ruf, nimmt seinem Gebieter das Futter aus der Hand, folgt ihm durch alle
Zimmer des Hauses, in den Hof, in den Garten, ins Freie, ohne ans Wegfliegen zu denken; er
fügt sich förmlich seinen Launen. Je mehr man sich mit ihm beschäftigt, um so umgänglicher wird
er: er geht schließlich selbst auf Scherze ein, welche ihm anfangs entschieden unbehaglich zu sein
scheinen. Allerdings darf man ihn nicht im engen Bauer halten und ebenso wenig der künstlichen
Wärme zu sehr aussetzen. Jm ersteren Falle beschmuzt er sich sein Gefieder, im letzteren verdirbt
er sich den Schnabel; denn er sucht, sowie es kalt wird, die wärmste Stelle im Zimmer, d. h. die
unmittelbare Nähe des Ofens auf. Das aber kann sein Schnabel nicht vertragen; derselbe zieht sich
in der Wärme krumm, so daß bald die Spitzen aus einander klaffen und der Vogel schließlich gar
nicht mehr fähig ist, seine Nahrung zu sich zu nehmen.

Kerbthiere mancherlei Art, welche der Wiedehopf vom Erdboden aufliest oder mit seinem langen
Schnabel aus Löchern hervorzieht und bezüglich herausbohrt, bilden seine Nahrung. Mist- und
Aaskäfer, Schmeißfliegen, Larven und andere kothliebende Kerfe scheint er zu bevorzugen; er ver-
schmäht aber auch Mai-, Bach-, Rosenkäfer, Heuschrecken, Heimchen, Ameisenpuppen, Raupen u. s. w.
nicht. Seine Beute zieht er mit viel Geschicklichkeit aus den verborgensten Schlupfwinkeln hervor
und erschließt sich solche oft mit großer Anstrengung, indem er wie ein Specht hämmert und meiselt.
"Wo er den Mist der Herden und des Wildes durchsucht", sagt Naumann, "oder wo er sonst eine

Wiedehopf.
und ehe man es ſich verſieht, flüchtet er ſich in die belaubten Zweige eines nahen Baumes, läßt auch
im Ausruhen oder beim Wegfliegen ſeine ſchnarchende Stimme hören und macht auch hierbei allerlei
ſonderbare Bewegungen. Gewöhnlich trägt er den Federbuſch nicht entfaltet, ſondern ſpitz nach
hinten gelegt. Er fächelt aber damit, wenn er böſe wird und breitet ihn aus, wenn er in Ruhe auf
einem Baume ſitzt oder, wenn er ſeinen Ruf ertönen läßt. Zur Paarungszeit ſpielt er mit dem
Fächer, auch dann, wenn er am Boden umherläuft, und zuweilen entfaltet er ihn ſelbſt während
des Fluges ſo, wie man ſpielend einen Fächer auf- und zumacht.“ Sein Gang auf dem Boden
iſt gut, ſchrittweiſe, nicht hüpfend. Jm Gezweig dagegen bewegt er ſich wenig, geht höchſtens auf
ſtärkeren, wagrechten Aeſten auf und nieder. Der Flug iſt leicht und geräuſchlos, aber höchſt
unregelmäßig. Die beiden Flügel werden abwechſelnd bald ſchnell, bald langſam geſchwungen und
der Flug erhält dadurch ein ängſtliches Ausſehen und geht zuckend vorwärts. Dabei wird der Hals
lang ausgeſtreckt und der Schnabel etwas abwärts geſenkt. Vor dem Niederſitzen ſchwebt er auf
einige Augenblicke, und dann entfaltet er auch regelmäßig ſeinen Federbuſch. Die Lockſtimme iſt
ein heiſer ſchnarchendes „Chrr“, welches zuweilen wie „ſchwär“ klingt; bei guter Laune läßt er ein
dumpfes „Queg queg“ vernehmen; der Paarungsruf iſt das hohl klingende „Hup hup“, welches ihm
ſeinen Namen verſchafft hat und zwar nicht blos in der deutſchen, ſondern in faſt allen übrigen
Sprachen; denn weitaus die meiſten Namen, welche er bei den verſchiedenen Völkern führt, ſind
Klangbilder jenes Rufes. Jm Frühjahr ſtößt dieſen das Männchen ununterbrochen aus, aber ſchon
gegen das Ende des Juli hin ruft es nicht mehr. Wenn ſich im Anfang der Begattungszeit zwei
Männchen um ein Weibchen ſtreiten, rufen ſie unabläſſig, und dann hängen ſie dem Hup auch ein
tiefes, heiſeres „Puh“ an.

Obwohl an günſtigen Orten ein Wiedehopfpaar dicht neben dem andern wohnt, darf man doch
von Geſelligkeit bei ihnen nicht reden. Blos die Familie im eigentlichen Sinne des Wortes hält
treu zuſammen — die Nachbarn ſtreiten ſich fortwährend. Es kommt zwar ſelten zu Thätlichkeiten
zwiſchen ihnen; wohl aber jagen ſie ſich ſehr ärgerlich hin und her und geberden ſich ſo, daß
ihr Unwille nicht zu verkennen iſt. Mit andern Vögeln hält der Wiedehopf gar keine Freund-
ſchaft. Die einen fürchtet er, die andern ſcheinen ihm gleichgiltig zu ſein. Aber dieſer, der
Zuneigung ſcheinbar ſo wenig zugängliche Vogel ſchließt ſich, wenn er von Jugend auf freundlich
behandelt wird, ſeinem Pfleger mit außerordentlicher Zärtlichkeit an, und deshalb gehört ein zahmer
Wiedehopf zu den unterhaltendſten und liebenswürdigſten Gefangenen, welche man ſich denken kann.
Sein Geberdenſpiel beluſtigt, ſeine Zahmheit und Zutraulichkeit entzücken. Er wird zahm, wie ein
Hund, kommt auf den Ruf, nimmt ſeinem Gebieter das Futter aus der Hand, folgt ihm durch alle
Zimmer des Hauſes, in den Hof, in den Garten, ins Freie, ohne ans Wegfliegen zu denken; er
fügt ſich förmlich ſeinen Launen. Je mehr man ſich mit ihm beſchäftigt, um ſo umgänglicher wird
er: er geht ſchließlich ſelbſt auf Scherze ein, welche ihm anfangs entſchieden unbehaglich zu ſein
ſcheinen. Allerdings darf man ihn nicht im engen Bauer halten und ebenſo wenig der künſtlichen
Wärme zu ſehr ausſetzen. Jm erſteren Falle beſchmuzt er ſich ſein Gefieder, im letzteren verdirbt
er ſich den Schnabel; denn er ſucht, ſowie es kalt wird, die wärmſte Stelle im Zimmer, d. h. die
unmittelbare Nähe des Ofens auf. Das aber kann ſein Schnabel nicht vertragen; derſelbe zieht ſich
in der Wärme krumm, ſo daß bald die Spitzen aus einander klaffen und der Vogel ſchließlich gar
nicht mehr fähig iſt, ſeine Nahrung zu ſich zu nehmen.

Kerbthiere mancherlei Art, welche der Wiedehopf vom Erdboden auflieſt oder mit ſeinem langen
Schnabel aus Löchern hervorzieht und bezüglich herausbohrt, bilden ſeine Nahrung. Miſt- und
Aaskäfer, Schmeißfliegen, Larven und andere kothliebende Kerfe ſcheint er zu bevorzugen; er ver-
ſchmäht aber auch Mai-, Bach-, Roſenkäfer, Heuſchrecken, Heimchen, Ameiſenpuppen, Raupen u. ſ. w.
nicht. Seine Beute zieht er mit viel Geſchicklichkeit aus den verborgenſten Schlupfwinkeln hervor
und erſchließt ſich ſolche oft mit großer Anſtrengung, indem er wie ein Specht hämmert und meiſelt.
„Wo er den Miſt der Herden und des Wildes durchſucht“, ſagt Naumann, „oder wo er ſonſt eine

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[25/0037] Wiedehopf. und ehe man es ſich verſieht, flüchtet er ſich in die belaubten Zweige eines nahen Baumes, läßt auch im Ausruhen oder beim Wegfliegen ſeine ſchnarchende Stimme hören und macht auch hierbei allerlei ſonderbare Bewegungen. Gewöhnlich trägt er den Federbuſch nicht entfaltet, ſondern ſpitz nach hinten gelegt. Er fächelt aber damit, wenn er böſe wird und breitet ihn aus, wenn er in Ruhe auf einem Baume ſitzt oder, wenn er ſeinen Ruf ertönen läßt. Zur Paarungszeit ſpielt er mit dem Fächer, auch dann, wenn er am Boden umherläuft, und zuweilen entfaltet er ihn ſelbſt während des Fluges ſo, wie man ſpielend einen Fächer auf- und zumacht.“ Sein Gang auf dem Boden iſt gut, ſchrittweiſe, nicht hüpfend. Jm Gezweig dagegen bewegt er ſich wenig, geht höchſtens auf ſtärkeren, wagrechten Aeſten auf und nieder. Der Flug iſt leicht und geräuſchlos, aber höchſt unregelmäßig. Die beiden Flügel werden abwechſelnd bald ſchnell, bald langſam geſchwungen und der Flug erhält dadurch ein ängſtliches Ausſehen und geht zuckend vorwärts. Dabei wird der Hals lang ausgeſtreckt und der Schnabel etwas abwärts geſenkt. Vor dem Niederſitzen ſchwebt er auf einige Augenblicke, und dann entfaltet er auch regelmäßig ſeinen Federbuſch. Die Lockſtimme iſt ein heiſer ſchnarchendes „Chrr“, welches zuweilen wie „ſchwär“ klingt; bei guter Laune läßt er ein dumpfes „Queg queg“ vernehmen; der Paarungsruf iſt das hohl klingende „Hup hup“, welches ihm ſeinen Namen verſchafft hat und zwar nicht blos in der deutſchen, ſondern in faſt allen übrigen Sprachen; denn weitaus die meiſten Namen, welche er bei den verſchiedenen Völkern führt, ſind Klangbilder jenes Rufes. Jm Frühjahr ſtößt dieſen das Männchen ununterbrochen aus, aber ſchon gegen das Ende des Juli hin ruft es nicht mehr. Wenn ſich im Anfang der Begattungszeit zwei Männchen um ein Weibchen ſtreiten, rufen ſie unabläſſig, und dann hängen ſie dem Hup auch ein tiefes, heiſeres „Puh“ an. Obwohl an günſtigen Orten ein Wiedehopfpaar dicht neben dem andern wohnt, darf man doch von Geſelligkeit bei ihnen nicht reden. Blos die Familie im eigentlichen Sinne des Wortes hält treu zuſammen — die Nachbarn ſtreiten ſich fortwährend. Es kommt zwar ſelten zu Thätlichkeiten zwiſchen ihnen; wohl aber jagen ſie ſich ſehr ärgerlich hin und her und geberden ſich ſo, daß ihr Unwille nicht zu verkennen iſt. Mit andern Vögeln hält der Wiedehopf gar keine Freund- ſchaft. Die einen fürchtet er, die andern ſcheinen ihm gleichgiltig zu ſein. Aber dieſer, der Zuneigung ſcheinbar ſo wenig zugängliche Vogel ſchließt ſich, wenn er von Jugend auf freundlich behandelt wird, ſeinem Pfleger mit außerordentlicher Zärtlichkeit an, und deshalb gehört ein zahmer Wiedehopf zu den unterhaltendſten und liebenswürdigſten Gefangenen, welche man ſich denken kann. Sein Geberdenſpiel beluſtigt, ſeine Zahmheit und Zutraulichkeit entzücken. Er wird zahm, wie ein Hund, kommt auf den Ruf, nimmt ſeinem Gebieter das Futter aus der Hand, folgt ihm durch alle Zimmer des Hauſes, in den Hof, in den Garten, ins Freie, ohne ans Wegfliegen zu denken; er fügt ſich förmlich ſeinen Launen. Je mehr man ſich mit ihm beſchäftigt, um ſo umgänglicher wird er: er geht ſchließlich ſelbſt auf Scherze ein, welche ihm anfangs entſchieden unbehaglich zu ſein ſcheinen. Allerdings darf man ihn nicht im engen Bauer halten und ebenſo wenig der künſtlichen Wärme zu ſehr ausſetzen. Jm erſteren Falle beſchmuzt er ſich ſein Gefieder, im letzteren verdirbt er ſich den Schnabel; denn er ſucht, ſowie es kalt wird, die wärmſte Stelle im Zimmer, d. h. die unmittelbare Nähe des Ofens auf. Das aber kann ſein Schnabel nicht vertragen; derſelbe zieht ſich in der Wärme krumm, ſo daß bald die Spitzen aus einander klaffen und der Vogel ſchließlich gar nicht mehr fähig iſt, ſeine Nahrung zu ſich zu nehmen. Kerbthiere mancherlei Art, welche der Wiedehopf vom Erdboden auflieſt oder mit ſeinem langen Schnabel aus Löchern hervorzieht und bezüglich herausbohrt, bilden ſeine Nahrung. Miſt- und Aaskäfer, Schmeißfliegen, Larven und andere kothliebende Kerfe ſcheint er zu bevorzugen; er ver- ſchmäht aber auch Mai-, Bach-, Roſenkäfer, Heuſchrecken, Heimchen, Ameiſenpuppen, Raupen u. ſ. w. nicht. Seine Beute zieht er mit viel Geſchicklichkeit aus den verborgenſten Schlupfwinkeln hervor und erſchließt ſich ſolche oft mit großer Anſtrengung, indem er wie ein Specht hämmert und meiſelt. „Wo er den Miſt der Herden und des Wildes durchſucht“, ſagt Naumann, „oder wo er ſonſt eine

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/37>, abgerufen am 28.04.2024.