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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer. Scharrvögel. Rauchsußhühner.
starkes Hervortreten des Schwarzen am Kopfe, welches dort nicht allein viel breiter wird beim
Männchen, sondern sich auch zu einem oft recht deutlichen Streifen emporhebt beim Weibchen,
obwohl er bei jüngeren erst mit Ausgang des ersten Winters ihres Lebens erscheint. Wenn übrigens
die isländischen zugleich etwas schlanker gebaut aussehen, so kommt Dies, sofern es nicht bloser
Schein ist, wohl von einer nicht so umfangreichen Befiederung her. -- Weiter nach Osten, wie in
Skandinavien, ist das Sommerkleid im allgemeinen schöner; das Winterkleid der Weibchen dagegen
wieder ohne deutliches Schwarz am Kopfe, wie überhaupt außer Jsland wohl überall, wenn nicht
etwa mit Ausnahme von Schottland. Noch tiefer im festländischen Osten, wo die Winterkälte im
gleichen Maße wächst, wie die Sommerwärme steigt, scheinen auch die Männchen ihr Schwarz aus
dem Streifen zu verlieren. -- So scheint ferner den minder heißen und wenig heiteren Sommern
unserer süddeutschen Alpen, im Vergleiche mit allen nordeuropäischen, auch ein helleres Sommerkleid
der schweizer Schneehühner zu entsprechen. Auf den deutschen, nordeuropäischen und schottischen
Gebirgen scheinen diese Vögel das hellgrauliche zweite oder Spätsommerkleid oft zu tragen, im
höheren Norden Amerikas dagegen es wegen Kürze des Sommers selten oder gar nicht mehr anlegen
zu können; denn dort findet man z. B. auf der Melvilleinsel noch mitten im Juni manche Männchen
in voller reiner Wintertracht. Von den südlicheren aber, z. B. auf dem Felsengebirge, unter
54 Grad nördlicher Breite, scheinen manche die eigentliche grauere Sommertracht vollständig zu
bekommen. Hierzu kommt sogleich eine merkwürdige Abänderung oder Ausartung vor mit einem an
den vierzehn Hauptfedern ganz weißen Schwanze, der selbst im Sommer so bleibt."

Es läßt sich gewiß nicht leugnen, daß diese Auslassung Manches für sich hat; aber ebenso-
wenig wird man verkennen dürfen, daß sie einstweilen nur ein Phantasiegebilde ist. Faber und
Holboell, welche auf Jsland und in Grönland viele Jahre lang Schneehühner beobachteten, sind
anderer Ansicht: sie sehen im isländischen und grönländischen Schneehuhne eigene Arten. Doch
darf auch auf ihre Ansicht zur Zeit noch kein besonderes Gewicht gelegt werden: bis jetzt sind wir
noch nicht im Stande, über die Arteinheit oder Artverschiedenheit dieses Vogels endgültig zu
entscheiden. Nur Derjenige, welcher viele von allen den in Frage kommenden Schneehühnern
während ihres Freilebens und (wo möglich gleichzeitig) in der Gefangenschaft beobachten könnte,
würde befähigt erscheinen, ein Urtheil abzugeben, welches, wenn auch nicht entscheidend, so doch von
Gewicht sein möchte. Wir unsererseits dürfen, unbeschadet der Wissenschaftlichkeit, alle Alpenschnee-
hühner der Erde als gleichartig ansehen und demgemäß ein allgemein giltiges Lebensbild zu
gewinnen suchen.

Die Alpenschneehühner bewohnen die Alpenkette in ihrer ganzen Ausdehnung, die Pyrenäen,
die schottischen Hochgebirge, alle höheren Berggipfel Skandinaviens, Jsland, die Gebirge Nord-
sibiriens oder Nordasiens überhaupt, den Norden des festländischen Amerika und Grönland. Von
den Alpen verirren sich einzelne bis auf den Schwarzwald, von den Pyrenäen aus nach den Berg-
ketten Asturiens und Galiziens und von dem Festlande Asiens aus vermuthlich bis nach Nordjapan,
falls ein von den dortigen Eingebornen herrührendes Gemälde wirklich nach einem im Lande
erbeuteten Alpenschneehuhne gefertigt wurde. Nach Norden hin hat man unseren Vogel überall
gefunden, wo man das Festland betrat, in Amerika bis zum 75. Grade, auf Spitzbergen, soweit man
vorgedrungen.

Jm Gegensatz zum Morasthuhne lebt das Alpenschneehuhn nur auf offenen, d. h. nicht mit
Gebüsch bedeckten Stellen, deshalb auf den Alpen immer über dem Gürtel des Holzwuchses, nahe an
Schnee und Eis, in Norwegen auf den kahlen mit Geröll bedeckten Berggipfeln und nur in Jsland
und Grönland während der Brutzeit in tieferen Gegenden, selbst in den Niederungen in unmittelbarer
Nähe des Meeres. Aber das isländische und das grönländische Alpenschneehuhn, welches jenen
entsprechend lebt, bringt wenigstens noch einen großen Theil des Jahres auf den Bergen zu. Aus
Radde's Bericht geht hervor, daß es in Ostsibirien ebenfalls nur im Hochgebirge und zwar über der
Grenze der Alpenrosen, in Höhen von acht- bis neuntausend Fuß über dem Meere, sich ansiedelt.

Die Läufer. Scharrvögel. Rauchſußhühner.
ſtarkes Hervortreten des Schwarzen am Kopfe, welches dort nicht allein viel breiter wird beim
Männchen, ſondern ſich auch zu einem oft recht deutlichen Streifen emporhebt beim Weibchen,
obwohl er bei jüngeren erſt mit Ausgang des erſten Winters ihres Lebens erſcheint. Wenn übrigens
die isländiſchen zugleich etwas ſchlanker gebaut ausſehen, ſo kommt Dies, ſofern es nicht bloſer
Schein iſt, wohl von einer nicht ſo umfangreichen Befiederung her. — Weiter nach Oſten, wie in
Skandinavien, iſt das Sommerkleid im allgemeinen ſchöner; das Winterkleid der Weibchen dagegen
wieder ohne deutliches Schwarz am Kopfe, wie überhaupt außer Jsland wohl überall, wenn nicht
etwa mit Ausnahme von Schottland. Noch tiefer im feſtländiſchen Oſten, wo die Winterkälte im
gleichen Maße wächſt, wie die Sommerwärme ſteigt, ſcheinen auch die Männchen ihr Schwarz aus
dem Streifen zu verlieren. — So ſcheint ferner den minder heißen und wenig heiteren Sommern
unſerer ſüddeutſchen Alpen, im Vergleiche mit allen nordeuropäiſchen, auch ein helleres Sommerkleid
der ſchweizer Schneehühner zu entſprechen. Auf den deutſchen, nordeuropäiſchen und ſchottiſchen
Gebirgen ſcheinen dieſe Vögel das hellgrauliche zweite oder Spätſommerkleid oft zu tragen, im
höheren Norden Amerikas dagegen es wegen Kürze des Sommers ſelten oder gar nicht mehr anlegen
zu können; denn dort findet man z. B. auf der Melvilleinſel noch mitten im Juni manche Männchen
in voller reiner Wintertracht. Von den ſüdlicheren aber, z. B. auf dem Felſengebirge, unter
54 Grad nördlicher Breite, ſcheinen manche die eigentliche grauere Sommertracht vollſtändig zu
bekommen. Hierzu kommt ſogleich eine merkwürdige Abänderung oder Ausartung vor mit einem an
den vierzehn Hauptfedern ganz weißen Schwanze, der ſelbſt im Sommer ſo bleibt.“

Es läßt ſich gewiß nicht leugnen, daß dieſe Auslaſſung Manches für ſich hat; aber ebenſo-
wenig wird man verkennen dürfen, daß ſie einſtweilen nur ein Phantaſiegebilde iſt. Faber und
Holboell, welche auf Jsland und in Grönland viele Jahre lang Schneehühner beobachteten, ſind
anderer Anſicht: ſie ſehen im isländiſchen und grönländiſchen Schneehuhne eigene Arten. Doch
darf auch auf ihre Anſicht zur Zeit noch kein beſonderes Gewicht gelegt werden: bis jetzt ſind wir
noch nicht im Stande, über die Arteinheit oder Artverſchiedenheit dieſes Vogels endgültig zu
entſcheiden. Nur Derjenige, welcher viele von allen den in Frage kommenden Schneehühnern
während ihres Freilebens und (wo möglich gleichzeitig) in der Gefangenſchaft beobachten könnte,
würde befähigt erſcheinen, ein Urtheil abzugeben, welches, wenn auch nicht entſcheidend, ſo doch von
Gewicht ſein möchte. Wir unſererſeits dürfen, unbeſchadet der Wiſſenſchaftlichkeit, alle Alpenſchnee-
hühner der Erde als gleichartig anſehen und demgemäß ein allgemein giltiges Lebensbild zu
gewinnen ſuchen.

Die Alpenſchneehühner bewohnen die Alpenkette in ihrer ganzen Ausdehnung, die Pyrenäen,
die ſchottiſchen Hochgebirge, alle höheren Berggipfel Skandinaviens, Jsland, die Gebirge Nord-
ſibiriens oder Nordaſiens überhaupt, den Norden des feſtländiſchen Amerika und Grönland. Von
den Alpen verirren ſich einzelne bis auf den Schwarzwald, von den Pyrenäen aus nach den Berg-
ketten Aſturiens und Galiziens und von dem Feſtlande Aſiens aus vermuthlich bis nach Nordjapan,
falls ein von den dortigen Eingebornen herrührendes Gemälde wirklich nach einem im Lande
erbeuteten Alpenſchneehuhne gefertigt wurde. Nach Norden hin hat man unſeren Vogel überall
gefunden, wo man das Feſtland betrat, in Amerika bis zum 75. Grade, auf Spitzbergen, ſoweit man
vorgedrungen.

Jm Gegenſatz zum Moraſthuhne lebt das Alpenſchneehuhn nur auf offenen, d. h. nicht mit
Gebüſch bedeckten Stellen, deshalb auf den Alpen immer über dem Gürtel des Holzwuchſes, nahe an
Schnee und Eis, in Norwegen auf den kahlen mit Geröll bedeckten Berggipfeln und nur in Jsland
und Grönland während der Brutzeit in tieferen Gegenden, ſelbſt in den Niederungen in unmittelbarer
Nähe des Meeres. Aber das isländiſche und das grönländiſche Alpenſchneehuhn, welches jenen
entſprechend lebt, bringt wenigſtens noch einen großen Theil des Jahres auf den Bergen zu. Aus
Radde’s Bericht geht hervor, daß es in Oſtſibirien ebenfalls nur im Hochgebirge und zwar über der
Grenze der Alpenroſen, in Höhen von acht- bis neuntauſend Fuß über dem Meere, ſich anſiedelt.

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[378/0406] Die Läufer. Scharrvögel. Rauchſußhühner. ſtarkes Hervortreten des Schwarzen am Kopfe, welches dort nicht allein viel breiter wird beim Männchen, ſondern ſich auch zu einem oft recht deutlichen Streifen emporhebt beim Weibchen, obwohl er bei jüngeren erſt mit Ausgang des erſten Winters ihres Lebens erſcheint. Wenn übrigens die isländiſchen zugleich etwas ſchlanker gebaut ausſehen, ſo kommt Dies, ſofern es nicht bloſer Schein iſt, wohl von einer nicht ſo umfangreichen Befiederung her. — Weiter nach Oſten, wie in Skandinavien, iſt das Sommerkleid im allgemeinen ſchöner; das Winterkleid der Weibchen dagegen wieder ohne deutliches Schwarz am Kopfe, wie überhaupt außer Jsland wohl überall, wenn nicht etwa mit Ausnahme von Schottland. Noch tiefer im feſtländiſchen Oſten, wo die Winterkälte im gleichen Maße wächſt, wie die Sommerwärme ſteigt, ſcheinen auch die Männchen ihr Schwarz aus dem Streifen zu verlieren. — So ſcheint ferner den minder heißen und wenig heiteren Sommern unſerer ſüddeutſchen Alpen, im Vergleiche mit allen nordeuropäiſchen, auch ein helleres Sommerkleid der ſchweizer Schneehühner zu entſprechen. Auf den deutſchen, nordeuropäiſchen und ſchottiſchen Gebirgen ſcheinen dieſe Vögel das hellgrauliche zweite oder Spätſommerkleid oft zu tragen, im höheren Norden Amerikas dagegen es wegen Kürze des Sommers ſelten oder gar nicht mehr anlegen zu können; denn dort findet man z. B. auf der Melvilleinſel noch mitten im Juni manche Männchen in voller reiner Wintertracht. Von den ſüdlicheren aber, z. B. auf dem Felſengebirge, unter 54 Grad nördlicher Breite, ſcheinen manche die eigentliche grauere Sommertracht vollſtändig zu bekommen. Hierzu kommt ſogleich eine merkwürdige Abänderung oder Ausartung vor mit einem an den vierzehn Hauptfedern ganz weißen Schwanze, der ſelbſt im Sommer ſo bleibt.“ Es läßt ſich gewiß nicht leugnen, daß dieſe Auslaſſung Manches für ſich hat; aber ebenſo- wenig wird man verkennen dürfen, daß ſie einſtweilen nur ein Phantaſiegebilde iſt. Faber und Holboell, welche auf Jsland und in Grönland viele Jahre lang Schneehühner beobachteten, ſind anderer Anſicht: ſie ſehen im isländiſchen und grönländiſchen Schneehuhne eigene Arten. Doch darf auch auf ihre Anſicht zur Zeit noch kein beſonderes Gewicht gelegt werden: bis jetzt ſind wir noch nicht im Stande, über die Arteinheit oder Artverſchiedenheit dieſes Vogels endgültig zu entſcheiden. Nur Derjenige, welcher viele von allen den in Frage kommenden Schneehühnern während ihres Freilebens und (wo möglich gleichzeitig) in der Gefangenſchaft beobachten könnte, würde befähigt erſcheinen, ein Urtheil abzugeben, welches, wenn auch nicht entſcheidend, ſo doch von Gewicht ſein möchte. Wir unſererſeits dürfen, unbeſchadet der Wiſſenſchaftlichkeit, alle Alpenſchnee- hühner der Erde als gleichartig anſehen und demgemäß ein allgemein giltiges Lebensbild zu gewinnen ſuchen. Die Alpenſchneehühner bewohnen die Alpenkette in ihrer ganzen Ausdehnung, die Pyrenäen, die ſchottiſchen Hochgebirge, alle höheren Berggipfel Skandinaviens, Jsland, die Gebirge Nord- ſibiriens oder Nordaſiens überhaupt, den Norden des feſtländiſchen Amerika und Grönland. Von den Alpen verirren ſich einzelne bis auf den Schwarzwald, von den Pyrenäen aus nach den Berg- ketten Aſturiens und Galiziens und von dem Feſtlande Aſiens aus vermuthlich bis nach Nordjapan, falls ein von den dortigen Eingebornen herrührendes Gemälde wirklich nach einem im Lande erbeuteten Alpenſchneehuhne gefertigt wurde. Nach Norden hin hat man unſeren Vogel überall gefunden, wo man das Feſtland betrat, in Amerika bis zum 75. Grade, auf Spitzbergen, ſoweit man vorgedrungen. Jm Gegenſatz zum Moraſthuhne lebt das Alpenſchneehuhn nur auf offenen, d. h. nicht mit Gebüſch bedeckten Stellen, deshalb auf den Alpen immer über dem Gürtel des Holzwuchſes, nahe an Schnee und Eis, in Norwegen auf den kahlen mit Geröll bedeckten Berggipfeln und nur in Jsland und Grönland während der Brutzeit in tieferen Gegenden, ſelbſt in den Niederungen in unmittelbarer Nähe des Meeres. Aber das isländiſche und das grönländiſche Alpenſchneehuhn, welches jenen entſprechend lebt, bringt wenigſtens noch einen großen Theil des Jahres auf den Bergen zu. Aus Radde’s Bericht geht hervor, daß es in Oſtſibirien ebenfalls nur im Hochgebirge und zwar über der Grenze der Alpenroſen, in Höhen von acht- bis neuntauſend Fuß über dem Meere, ſich anſiedelt.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/406>, abgerufen am 22.11.2024.