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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer. Scharrvögel. Feldhühner.
der ganze Schwarm rasch dem Gesichtskreise des Beobachters entschwand. Man will bemerkt haben,
daß diese Hühner, welche von den Jägern Zughühner genannt werden, kleiner als die sogenannten
Standhühner sind, sich übrigens aber von diesen nicht unterscheiden. Ob man beide genau verglichen
hat, weiß ich jedoch nicht, und deshalb erscheint es mir nicht so ganz unmöglich, daß wirklich zwei von
einander abweichende Arten der Sippe bei uns gefunden werden. Möglicherweise sind es gerade
jene Sumpfhühner, welche wandern, und die geringere Anzahl der Steuerfedern, welche bei diesen
beobachtet wurde, wäre dann vielleicht nicht als zufällig anzusehen, sondern als ein bestimmtes Merk-
mal zu betrachten. Die Feldhühner, welche das östliche Sibirien bewohnen, verlassen die nördlichen
Striche allwinterlich und suchen in den südlichen Steppen der Tartarei, auf Sandhügeln und in den
Sümpfen, wo der Schnee niemals dauernd liegen bleibt, eine Herberge; sie sollen sich in Taurien auch
wohl unter die Haushühner mischen und vor den Scheuern einfinden. Jn Schweden hat man die
Rebhühner erst eingeführt, und zwar, wie es heißt, vor etwa 350 Jahren. Nach Rilsson's Ver-
sicherung verbreiten sie gleichzeitig mit dem fortschreitenden Anbau des Landes sich immer weiter,
sodaß sie nunmehr nach Gegenden vorgedrungen sind, in denen sie vor ein oder zwei Jahrzehnten
nicht gesehen wurden. Von den großen, an Saatfeldern reichen Ebenen Schoonens, wo sie vordem
am zahlreichsten vorhanden waren, haben sie sich aufwärts gezogen und kommen jetzt nicht blos auf
den größeren Ackerfeldern und Flächen in den übrigen Landschaften bis nach Upland und Gestrickland,
sondern auch in Helsingland vor. Jn Norwegen haben sie sich gleichfalls nicht blos in der Nähe von
Christiania eingefunden, sondern bereits das Dovrefjeld überstiegen. Auf den in der Ostsee liegenden
Jnseln sind sie gemein. Bemerkenswerth ist, daß sie sich auch auf den erst neu angebauten Stellen
angesiedelt haben und im Winter zuweilen in Gegenden erscheinen, in denen sie bisher noch niemals
beobachtet worden waren.

Das Rebhuhn wird gern gesehen von Forschern und Laien, von Jägern und Nichtjägern. Es
hat ein anmuthiges Wesen und viele gute Eigenschaften. Jn seinen Bewegungen ähnelt es den
Rothhühnern. Ruhigen Ganges schreitet es mit eingezogenem Halse und gekrümmtem Rücken gebückt
dahin; wenn es Eile hat, trägt es sich hoch und den Hals vorgestreckt. Das Versteckenspielen versteht
es ebensogut wie seine Verwandten; es benutzt jeden Schlupfwinkel und drückt sich im Nothfalle auf
den flachen Boden nieder, in der Hoffnung, wegen der Gleichfarbigkeit seines Gefieders mit jenem
übersehen zu werden. Der Flug ist zwar nicht gerade schwerfällig, erfordert aber doch bedeutende
Anstrengungen und ermüdet bald. Beim Aufstehen arbeitet sich das Rebhuhn mit lebhaftem Flügel-
schlag empor; hat es jedoch einmal eine gewisse Höhe erreicht, so streicht es streckenweit mit unbewegten
Flügeln durch die Luft und gibt sich nur zeitweise durch rasche Schläge wieder einen neuen Anstoß.
Uebrigens erhebt es sich ungern hoch und fliegt auch selten weit in einem Zuge, am allerwenigsten bei
heftigem Winde, welcher es förmlich mit sich fortschleudert. Abweichend von seinen Verwandten
bäumt es nie, wenigstens solange es gesund ist; es gehört schon zu den größten Seltenheiten, wenn
ein Rebhuhn sich einmal auf dem Dache eines Gebäudes niederläßt. Dagegen übt es unter Umständen
eine Fertigkeit, welche man ihm nicht zutrauen möchte: es versteht nämlich zu schwimmen. Wodzicki
beobachtete zwei Ketten, welche bei Gefahr jedes Mal einem wasserreichen Bruche oder Flusse zuflogen
und schwimmend ihre Sicherheit suchten. "Als wir diese Erfahrung gemacht hatten", erzählt er,
"ließen wir eines Tages die Hühner auftreiben und legten uns am entgegengesetzten Ufer platt nieder.
Bald sahen wir denn auch die Vögel in das seichte Wasser waten, ohne Zögern dem alten Hahne
folgend, dann dicht neben einander schwimmend, scheinbar ohne Anstrengung. Sie trugen dabei die
Schwänze in die Höhe gehoben, die Flügel etwas vom Leibe entfernt. Als sie herauskamen,
schüttelten sie das Gefieder, wie Haushühner nach einem Sandbade, und schienen gar nicht ermüdet
zu sein."

Die Stimme, welche man gewöhnlich vernimmt, ist ein lautes, weittönendes "Girrhik" und
wird ebensowohl im Fluge, wie im Sitzen ausgestoßen. Der alte Hahn ändert diesen Lockton in ein
"Girrhäk" um, und gebraucht ihn ebensowohl, um seine Gattin und Kinder herbeizurufen, als um

Die Läufer. Scharrvögel. Feldhühner.
der ganze Schwarm raſch dem Geſichtskreiſe des Beobachters entſchwand. Man will bemerkt haben,
daß dieſe Hühner, welche von den Jägern Zughühner genannt werden, kleiner als die ſogenannten
Standhühner ſind, ſich übrigens aber von dieſen nicht unterſcheiden. Ob man beide genau verglichen
hat, weiß ich jedoch nicht, und deshalb erſcheint es mir nicht ſo ganz unmöglich, daß wirklich zwei von
einander abweichende Arten der Sippe bei uns gefunden werden. Möglicherweiſe ſind es gerade
jene Sumpfhühner, welche wandern, und die geringere Anzahl der Steuerfedern, welche bei dieſen
beobachtet wurde, wäre dann vielleicht nicht als zufällig anzuſehen, ſondern als ein beſtimmtes Merk-
mal zu betrachten. Die Feldhühner, welche das öſtliche Sibirien bewohnen, verlaſſen die nördlichen
Striche allwinterlich und ſuchen in den ſüdlichen Steppen der Tartarei, auf Sandhügeln und in den
Sümpfen, wo der Schnee niemals dauernd liegen bleibt, eine Herberge; ſie ſollen ſich in Taurien auch
wohl unter die Haushühner miſchen und vor den Scheuern einfinden. Jn Schweden hat man die
Rebhühner erſt eingeführt, und zwar, wie es heißt, vor etwa 350 Jahren. Nach Rilſſon’s Ver-
ſicherung verbreiten ſie gleichzeitig mit dem fortſchreitenden Anbau des Landes ſich immer weiter,
ſodaß ſie nunmehr nach Gegenden vorgedrungen ſind, in denen ſie vor ein oder zwei Jahrzehnten
nicht geſehen wurden. Von den großen, an Saatfeldern reichen Ebenen Schoonens, wo ſie vordem
am zahlreichſten vorhanden waren, haben ſie ſich aufwärts gezogen und kommen jetzt nicht blos auf
den größeren Ackerfeldern und Flächen in den übrigen Landſchaften bis nach Upland und Geſtrickland,
ſondern auch in Helſingland vor. Jn Norwegen haben ſie ſich gleichfalls nicht blos in der Nähe von
Chriſtiania eingefunden, ſondern bereits das Dovrefjeld überſtiegen. Auf den in der Oſtſee liegenden
Jnſeln ſind ſie gemein. Bemerkenswerth iſt, daß ſie ſich auch auf den erſt neu angebauten Stellen
angeſiedelt haben und im Winter zuweilen in Gegenden erſcheinen, in denen ſie bisher noch niemals
beobachtet worden waren.

Das Rebhuhn wird gern geſehen von Forſchern und Laien, von Jägern und Nichtjägern. Es
hat ein anmuthiges Weſen und viele gute Eigenſchaften. Jn ſeinen Bewegungen ähnelt es den
Rothhühnern. Ruhigen Ganges ſchreitet es mit eingezogenem Halſe und gekrümmtem Rücken gebückt
dahin; wenn es Eile hat, trägt es ſich hoch und den Hals vorgeſtreckt. Das Verſteckenſpielen verſteht
es ebenſogut wie ſeine Verwandten; es benutzt jeden Schlupfwinkel und drückt ſich im Nothfalle auf
den flachen Boden nieder, in der Hoffnung, wegen der Gleichfarbigkeit ſeines Gefieders mit jenem
überſehen zu werden. Der Flug iſt zwar nicht gerade ſchwerfällig, erfordert aber doch bedeutende
Anſtrengungen und ermüdet bald. Beim Aufſtehen arbeitet ſich das Rebhuhn mit lebhaftem Flügel-
ſchlag empor; hat es jedoch einmal eine gewiſſe Höhe erreicht, ſo ſtreicht es ſtreckenweit mit unbewegten
Flügeln durch die Luft und gibt ſich nur zeitweiſe durch raſche Schläge wieder einen neuen Anſtoß.
Uebrigens erhebt es ſich ungern hoch und fliegt auch ſelten weit in einem Zuge, am allerwenigſten bei
heftigem Winde, welcher es förmlich mit ſich fortſchleudert. Abweichend von ſeinen Verwandten
bäumt es nie, wenigſtens ſolange es geſund iſt; es gehört ſchon zu den größten Seltenheiten, wenn
ein Rebhuhn ſich einmal auf dem Dache eines Gebäudes niederläßt. Dagegen übt es unter Umſtänden
eine Fertigkeit, welche man ihm nicht zutrauen möchte: es verſteht nämlich zu ſchwimmen. Wodzicki
beobachtete zwei Ketten, welche bei Gefahr jedes Mal einem waſſerreichen Bruche oder Fluſſe zuflogen
und ſchwimmend ihre Sicherheit ſuchten. „Als wir dieſe Erfahrung gemacht hatten“, erzählt er,
„ließen wir eines Tages die Hühner auftreiben und legten uns am entgegengeſetzten Ufer platt nieder.
Bald ſahen wir denn auch die Vögel in das ſeichte Waſſer waten, ohne Zögern dem alten Hahne
folgend, dann dicht neben einander ſchwimmend, ſcheinbar ohne Anſtrengung. Sie trugen dabei die
Schwänze in die Höhe gehoben, die Flügel etwas vom Leibe entfernt. Als ſie herauskamen,
ſchüttelten ſie das Gefieder, wie Haushühner nach einem Sandbade, und ſchienen gar nicht ermüdet
zu ſein.“

Die Stimme, welche man gewöhnlich vernimmt, iſt ein lautes, weittönendes „Girrhik“ und
wird ebenſowohl im Fluge, wie im Sitzen ausgeſtoßen. Der alte Hahn ändert dieſen Lockton in ein
„Girrhäk“ um, und gebraucht ihn ebenſowohl, um ſeine Gattin und Kinder herbeizurufen, als um

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[398/0426] Die Läufer. Scharrvögel. Feldhühner. der ganze Schwarm raſch dem Geſichtskreiſe des Beobachters entſchwand. Man will bemerkt haben, daß dieſe Hühner, welche von den Jägern Zughühner genannt werden, kleiner als die ſogenannten Standhühner ſind, ſich übrigens aber von dieſen nicht unterſcheiden. Ob man beide genau verglichen hat, weiß ich jedoch nicht, und deshalb erſcheint es mir nicht ſo ganz unmöglich, daß wirklich zwei von einander abweichende Arten der Sippe bei uns gefunden werden. Möglicherweiſe ſind es gerade jene Sumpfhühner, welche wandern, und die geringere Anzahl der Steuerfedern, welche bei dieſen beobachtet wurde, wäre dann vielleicht nicht als zufällig anzuſehen, ſondern als ein beſtimmtes Merk- mal zu betrachten. Die Feldhühner, welche das öſtliche Sibirien bewohnen, verlaſſen die nördlichen Striche allwinterlich und ſuchen in den ſüdlichen Steppen der Tartarei, auf Sandhügeln und in den Sümpfen, wo der Schnee niemals dauernd liegen bleibt, eine Herberge; ſie ſollen ſich in Taurien auch wohl unter die Haushühner miſchen und vor den Scheuern einfinden. Jn Schweden hat man die Rebhühner erſt eingeführt, und zwar, wie es heißt, vor etwa 350 Jahren. Nach Rilſſon’s Ver- ſicherung verbreiten ſie gleichzeitig mit dem fortſchreitenden Anbau des Landes ſich immer weiter, ſodaß ſie nunmehr nach Gegenden vorgedrungen ſind, in denen ſie vor ein oder zwei Jahrzehnten nicht geſehen wurden. Von den großen, an Saatfeldern reichen Ebenen Schoonens, wo ſie vordem am zahlreichſten vorhanden waren, haben ſie ſich aufwärts gezogen und kommen jetzt nicht blos auf den größeren Ackerfeldern und Flächen in den übrigen Landſchaften bis nach Upland und Geſtrickland, ſondern auch in Helſingland vor. Jn Norwegen haben ſie ſich gleichfalls nicht blos in der Nähe von Chriſtiania eingefunden, ſondern bereits das Dovrefjeld überſtiegen. Auf den in der Oſtſee liegenden Jnſeln ſind ſie gemein. Bemerkenswerth iſt, daß ſie ſich auch auf den erſt neu angebauten Stellen angeſiedelt haben und im Winter zuweilen in Gegenden erſcheinen, in denen ſie bisher noch niemals beobachtet worden waren. Das Rebhuhn wird gern geſehen von Forſchern und Laien, von Jägern und Nichtjägern. Es hat ein anmuthiges Weſen und viele gute Eigenſchaften. Jn ſeinen Bewegungen ähnelt es den Rothhühnern. Ruhigen Ganges ſchreitet es mit eingezogenem Halſe und gekrümmtem Rücken gebückt dahin; wenn es Eile hat, trägt es ſich hoch und den Hals vorgeſtreckt. Das Verſteckenſpielen verſteht es ebenſogut wie ſeine Verwandten; es benutzt jeden Schlupfwinkel und drückt ſich im Nothfalle auf den flachen Boden nieder, in der Hoffnung, wegen der Gleichfarbigkeit ſeines Gefieders mit jenem überſehen zu werden. Der Flug iſt zwar nicht gerade ſchwerfällig, erfordert aber doch bedeutende Anſtrengungen und ermüdet bald. Beim Aufſtehen arbeitet ſich das Rebhuhn mit lebhaftem Flügel- ſchlag empor; hat es jedoch einmal eine gewiſſe Höhe erreicht, ſo ſtreicht es ſtreckenweit mit unbewegten Flügeln durch die Luft und gibt ſich nur zeitweiſe durch raſche Schläge wieder einen neuen Anſtoß. Uebrigens erhebt es ſich ungern hoch und fliegt auch ſelten weit in einem Zuge, am allerwenigſten bei heftigem Winde, welcher es förmlich mit ſich fortſchleudert. Abweichend von ſeinen Verwandten bäumt es nie, wenigſtens ſolange es geſund iſt; es gehört ſchon zu den größten Seltenheiten, wenn ein Rebhuhn ſich einmal auf dem Dache eines Gebäudes niederläßt. Dagegen übt es unter Umſtänden eine Fertigkeit, welche man ihm nicht zutrauen möchte: es verſteht nämlich zu ſchwimmen. Wodzicki beobachtete zwei Ketten, welche bei Gefahr jedes Mal einem waſſerreichen Bruche oder Fluſſe zuflogen und ſchwimmend ihre Sicherheit ſuchten. „Als wir dieſe Erfahrung gemacht hatten“, erzählt er, „ließen wir eines Tages die Hühner auftreiben und legten uns am entgegengeſetzten Ufer platt nieder. Bald ſahen wir denn auch die Vögel in das ſeichte Waſſer waten, ohne Zögern dem alten Hahne folgend, dann dicht neben einander ſchwimmend, ſcheinbar ohne Anſtrengung. Sie trugen dabei die Schwänze in die Höhe gehoben, die Flügel etwas vom Leibe entfernt. Als ſie herauskamen, ſchüttelten ſie das Gefieder, wie Haushühner nach einem Sandbade, und ſchienen gar nicht ermüdet zu ſein.“ Die Stimme, welche man gewöhnlich vernimmt, iſt ein lautes, weittönendes „Girrhik“ und wird ebenſowohl im Fluge, wie im Sitzen ausgeſtoßen. Der alte Hahn ändert dieſen Lockton in ein „Girrhäk“ um, und gebraucht ihn ebenſowohl, um ſeine Gattin und Kinder herbeizurufen, als um

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/426>, abgerufen am 21.11.2024.