sich unter die Haushühner, vertrauen sich gleichsam deren Führung an und nehmen die Brosamen auf, welche von dem Tische ihrer glücklicheren Verwandten fallen. Finden die liebenswürdigen und an- muthigen Bettler gastliche Aufnahme von Seiten der Menschen, so nehmen sie während der bösen Zeit gern in der Nähe der Wohnung ihres Gastfreundes Herberge, und je mehr ihr Vertrauen steigt, um so zutraulicher werden sie: einzelne von solchen Wildlingen sollen zu halben Hausthieren geworden sein.
Die Baumwachtel eignet sich ebenso sehr zur Zähmung, wie zur Einbürgerung in andere Gegen- den. Gefangene, welche anfänglich mit einiger Sorgfalt behandelt und vor allen Dingen in Käfige mit weicher Leinwanddecke gesperrt wurden, söhnen sich schon nach einigen Tagen mit ihrem Loose aus, verlieren bald alle Scheu und gewöhnen sich in überraschend kurzer Zeit an ihre Pfleger. Noch leichter freilich lassen sich diejenigen zähmen, welche unter dem Auge des Menschen groß geworden sind. Die Amerikaner versichern, daß man zuweilen Baumwachteleier in den Nestern derjenigen Hühner finde, welche außerhalb des Gehöftes brüten, daß solche Eier auch wohl gezeitigt und die jungen Baum- wachteln mit den eigenen Küchlein der Pflegemutter groß gezogen werden. Anfänglich sollen sie sich ganz wie ihre Stiefgeschwister betragen, d. h. jedem Lockrufe der Henne folgen, mit ihr ins Jnnere des Gehöftes kommen; später aber pflegt doch der Freiheitstrieb in ihnen zu erwachen, und wenn der Früh- ling kommt, fliegen sie regelmäßig davon. Von zwei Baumwachteln, welche auf solche Weise erbrütet worden waren, erzählt Wilson, daß sie, nachdem sie der Stiefmutter bereits entwachsen, eine eigenthümliche Zuneigung zu Kühen zeigten. Sie begleiteten diese überall hin, auf die Weide hinaus und wieder nach dem Gehöfte zurück, und als im Winter die Heerde eingebracht wurde, folgten sie ihren Freunden bis in den Stall. Aber auch diese beiden flogen mit Beginn des Frühlings hinaus auf ihre Felder. Bachmann versuchte eine größere Anzahl von Baumwachteln zu zähmen. Er ließ im Felde Eier suchen und legte diese Bantamhühnern unter. Die ausgeschlüpften Jungen folgten ihrer Pflegemutter, als ob sie deren eigene Kinder wären, bald darauf auch ihrem Gebieter, welcher die Vorsicht gebraucht hatte, ihnen das äußerste Flügelgelenk wegzuschneiden. Sie wurden so zahm, daß sie ungescheut in das Jnnere des Hauses kamen, auf den Tisch flogen, an welchem ihr Pfleger schrieb, und diesem in die Hände pickten. Jhre Nachtruhe verbrachten sie in einem Hühnerkorbe, welchen man in den Garten gestellt hatte. Leider holten die Katzen der Nachbarschaft so viele von ihnen weg, daß im nächsten Frühjahre nur noch zwei Weibchen und eine größere Anzahl von Männchen übrig waren. Diese belebten jetzt die Umgegend durch ihr lautes und wohltönendes Rufen, welches sich, obgleich sie doch keine Anleitung gehabt, von dem der freilebenden nicht im geringsten unterschied. Sie kämpften unter einander, aber auch mit Tauben und jungen Hühnern, welche gelegentlich ihr Gebiet betraten. Jm Mai legten beide Weibchen in ein und dasselbe Nest, und die Eier wurden von einer Haushenne ausgebrütet. Bachmann konnte diese Versuche nicht weiter verfolgen; andere Beobachter aber waren glücklicher und erzogen, namentlich in geschlossenen Räumen, ohne alle Mühe viele dieser niedlichen Vögel. Jn unsern Thiergärten brüteten die Baumwachteln am sichersten, wenn man sie angemessen füttert, sich sonst aber möglichst wenig um sie bekümmert. Jhre erstaunliche Frucht- barkeit ist der Vermehrung überaus günstig. Wollte man bei uns zu Lande denselben Versuch wagen, welchen die Engländer bereits ausgeführt haben: es würden wenige Paare genügen, um zunächst eine Fasanerie und von dieser aus ein Revier mit dem vielversprechenden Wilde zu bevölkern. Ein solcher Versuch wird, wie ich mir zu behaupten getraue, wenn er von Sachverständigen unternommen wird, nicht fehl schlagen; denn selbst die Zucht unseres gemeinen Fasanen verursacht größere Mühe und Sachkenntniß als die der Baumwachteln.
Die Jagd der letzteren wird von den Amerikanern gern betrieben, obgleich sie nicht so leicht ist, wie die auf unser Rebhuhn. Die Baumwachtel läßt sich nämlich nicht vom Hunde stellen, sondern sucht, wenn sie Gefahr steht, sich laufend zu retten; dann, im äußersten Nothfalle, steht eine hier, die andere dort auf, gewöhnlich dicht vor den Füßen des Jägers, welcher ein guter Schütz sein muß, wenn er der rasch dahineilenden Beute habhaft werden will. Noch schwieriger wird die Jagd, wenn ein Volk Baumwachteln glücklich den Wald erreicht hat; denn dann pflegen alle, welche sich erheben, zu
Die Läufer. Scharrvögel. Baumhühner.
ſich unter die Haushühner, vertrauen ſich gleichſam deren Führung an und nehmen die Broſamen auf, welche von dem Tiſche ihrer glücklicheren Verwandten fallen. Finden die liebenswürdigen und an- muthigen Bettler gaſtliche Aufnahme von Seiten der Menſchen, ſo nehmen ſie während der böſen Zeit gern in der Nähe der Wohnung ihres Gaſtfreundes Herberge, und je mehr ihr Vertrauen ſteigt, um ſo zutraulicher werden ſie: einzelne von ſolchen Wildlingen ſollen zu halben Hausthieren geworden ſein.
Die Baumwachtel eignet ſich ebenſo ſehr zur Zähmung, wie zur Einbürgerung in andere Gegen- den. Gefangene, welche anfänglich mit einiger Sorgfalt behandelt und vor allen Dingen in Käfige mit weicher Leinwanddecke geſperrt wurden, ſöhnen ſich ſchon nach einigen Tagen mit ihrem Looſe aus, verlieren bald alle Scheu und gewöhnen ſich in überraſchend kurzer Zeit an ihre Pfleger. Noch leichter freilich laſſen ſich diejenigen zähmen, welche unter dem Auge des Menſchen groß geworden ſind. Die Amerikaner verſichern, daß man zuweilen Baumwachteleier in den Neſtern derjenigen Hühner finde, welche außerhalb des Gehöftes brüten, daß ſolche Eier auch wohl gezeitigt und die jungen Baum- wachteln mit den eigenen Küchlein der Pflegemutter groß gezogen werden. Anfänglich ſollen ſie ſich ganz wie ihre Stiefgeſchwiſter betragen, d. h. jedem Lockrufe der Henne folgen, mit ihr ins Jnnere des Gehöftes kommen; ſpäter aber pflegt doch der Freiheitstrieb in ihnen zu erwachen, und wenn der Früh- ling kommt, fliegen ſie regelmäßig davon. Von zwei Baumwachteln, welche auf ſolche Weiſe erbrütet worden waren, erzählt Wilſon, daß ſie, nachdem ſie der Stiefmutter bereits entwachſen, eine eigenthümliche Zuneigung zu Kühen zeigten. Sie begleiteten dieſe überall hin, auf die Weide hinaus und wieder nach dem Gehöfte zurück, und als im Winter die Heerde eingebracht wurde, folgten ſie ihren Freunden bis in den Stall. Aber auch dieſe beiden flogen mit Beginn des Frühlings hinaus auf ihre Felder. Bachmann verſuchte eine größere Anzahl von Baumwachteln zu zähmen. Er ließ im Felde Eier ſuchen und legte dieſe Bantamhühnern unter. Die ausgeſchlüpften Jungen folgten ihrer Pflegemutter, als ob ſie deren eigene Kinder wären, bald darauf auch ihrem Gebieter, welcher die Vorſicht gebraucht hatte, ihnen das äußerſte Flügelgelenk wegzuſchneiden. Sie wurden ſo zahm, daß ſie ungeſcheut in das Jnnere des Hauſes kamen, auf den Tiſch flogen, an welchem ihr Pfleger ſchrieb, und dieſem in die Hände pickten. Jhre Nachtruhe verbrachten ſie in einem Hühnerkorbe, welchen man in den Garten geſtellt hatte. Leider holten die Katzen der Nachbarſchaft ſo viele von ihnen weg, daß im nächſten Frühjahre nur noch zwei Weibchen und eine größere Anzahl von Männchen übrig waren. Dieſe belebten jetzt die Umgegend durch ihr lautes und wohltönendes Rufen, welches ſich, obgleich ſie doch keine Anleitung gehabt, von dem der freilebenden nicht im geringſten unterſchied. Sie kämpften unter einander, aber auch mit Tauben und jungen Hühnern, welche gelegentlich ihr Gebiet betraten. Jm Mai legten beide Weibchen in ein und daſſelbe Neſt, und die Eier wurden von einer Haushenne ausgebrütet. Bachmann konnte dieſe Verſuche nicht weiter verfolgen; andere Beobachter aber waren glücklicher und erzogen, namentlich in geſchloſſenen Räumen, ohne alle Mühe viele dieſer niedlichen Vögel. Jn unſern Thiergärten brüteten die Baumwachteln am ſicherſten, wenn man ſie angemeſſen füttert, ſich ſonſt aber möglichſt wenig um ſie bekümmert. Jhre erſtaunliche Frucht- barkeit iſt der Vermehrung überaus günſtig. Wollte man bei uns zu Lande denſelben Verſuch wagen, welchen die Engländer bereits ausgeführt haben: es würden wenige Paare genügen, um zunächſt eine Faſanerie und von dieſer aus ein Revier mit dem vielverſprechenden Wilde zu bevölkern. Ein ſolcher Verſuch wird, wie ich mir zu behaupten getraue, wenn er von Sachverſtändigen unternommen wird, nicht fehl ſchlagen; denn ſelbſt die Zucht unſeres gemeinen Faſanen verurſacht größere Mühe und Sachkenntniß als die der Baumwachteln.
Die Jagd der letzteren wird von den Amerikanern gern betrieben, obgleich ſie nicht ſo leicht iſt, wie die auf unſer Rebhuhn. Die Baumwachtel läßt ſich nämlich nicht vom Hunde ſtellen, ſondern ſucht, wenn ſie Gefahr ſteht, ſich laufend zu retten; dann, im äußerſten Nothfalle, ſteht eine hier, die andere dort auf, gewöhnlich dicht vor den Füßen des Jägers, welcher ein guter Schütz ſein muß, wenn er der raſch dahineilenden Beute habhaft werden will. Noch ſchwieriger wird die Jagd, wenn ein Volk Baumwachteln glücklich den Wald erreicht hat; denn dann pflegen alle, welche ſich erheben, zu
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0440"n="412"/><fwplace="top"type="header">Die Läufer. Scharrvögel. Baumhühner.</fw><lb/>ſich unter die Haushühner, vertrauen ſich gleichſam deren Führung an und nehmen die Broſamen auf,<lb/>
welche von dem Tiſche ihrer glücklicheren Verwandten fallen. Finden die liebenswürdigen und an-<lb/>
muthigen Bettler gaſtliche Aufnahme von Seiten der Menſchen, ſo nehmen ſie während der böſen Zeit<lb/>
gern in der Nähe der Wohnung ihres Gaſtfreundes Herberge, und je mehr ihr Vertrauen ſteigt, um<lb/>ſo zutraulicher werden ſie: einzelne von ſolchen Wildlingen ſollen zu halben Hausthieren geworden ſein.</p><lb/><p>Die Baumwachtel eignet ſich ebenſo ſehr zur Zähmung, wie zur Einbürgerung in andere Gegen-<lb/>
den. Gefangene, welche anfänglich mit einiger Sorgfalt behandelt und vor allen Dingen in Käfige<lb/>
mit weicher Leinwanddecke geſperrt wurden, ſöhnen ſich ſchon nach einigen Tagen mit ihrem Looſe<lb/>
aus, verlieren bald alle Scheu und gewöhnen ſich in überraſchend kurzer Zeit an ihre Pfleger. Noch<lb/>
leichter freilich laſſen ſich diejenigen zähmen, welche unter dem Auge des Menſchen groß geworden ſind.<lb/>
Die Amerikaner verſichern, daß man zuweilen Baumwachteleier in den Neſtern derjenigen Hühner<lb/>
finde, welche außerhalb des Gehöftes brüten, daß ſolche Eier auch wohl gezeitigt und die jungen Baum-<lb/>
wachteln mit den eigenen Küchlein der Pflegemutter groß gezogen werden. Anfänglich ſollen ſie ſich<lb/>
ganz wie ihre Stiefgeſchwiſter betragen, d. h. jedem Lockrufe der Henne folgen, mit ihr ins Jnnere des<lb/>
Gehöftes kommen; ſpäter aber pflegt doch der Freiheitstrieb in ihnen zu erwachen, und wenn der Früh-<lb/>
ling kommt, fliegen ſie regelmäßig davon. Von zwei Baumwachteln, welche auf ſolche Weiſe erbrütet<lb/>
worden waren, erzählt <hirendition="#g">Wilſon,</hi> daß ſie, nachdem ſie der Stiefmutter bereits entwachſen, eine<lb/>
eigenthümliche Zuneigung zu Kühen zeigten. Sie begleiteten dieſe überall hin, auf die Weide hinaus<lb/>
und wieder nach dem Gehöfte zurück, und als im Winter die Heerde eingebracht wurde, folgten ſie ihren<lb/>
Freunden bis in den Stall. Aber auch dieſe beiden flogen mit Beginn des Frühlings hinaus auf<lb/>
ihre Felder. <hirendition="#g">Bachmann</hi> verſuchte eine größere Anzahl von Baumwachteln zu zähmen. Er ließ<lb/>
im Felde Eier ſuchen und legte dieſe Bantamhühnern unter. Die ausgeſchlüpften Jungen folgten<lb/>
ihrer Pflegemutter, als ob ſie deren eigene Kinder wären, bald darauf auch ihrem Gebieter, welcher<lb/>
die Vorſicht gebraucht hatte, ihnen das äußerſte Flügelgelenk wegzuſchneiden. Sie wurden ſo zahm,<lb/>
daß ſie ungeſcheut in das Jnnere des Hauſes kamen, auf den Tiſch flogen, an welchem ihr Pfleger<lb/>ſchrieb, und dieſem in die Hände pickten. Jhre Nachtruhe verbrachten ſie in einem Hühnerkorbe,<lb/>
welchen man in den Garten geſtellt hatte. Leider holten die Katzen der Nachbarſchaft ſo viele von ihnen<lb/>
weg, daß im nächſten Frühjahre nur noch zwei Weibchen und eine größere Anzahl von Männchen übrig<lb/>
waren. Dieſe belebten jetzt die Umgegend durch ihr lautes und wohltönendes Rufen, welches ſich,<lb/>
obgleich ſie doch keine Anleitung gehabt, von dem der freilebenden nicht im geringſten unterſchied.<lb/>
Sie kämpften unter einander, aber auch mit Tauben und jungen Hühnern, welche gelegentlich ihr<lb/>
Gebiet betraten. Jm Mai legten beide Weibchen in ein und daſſelbe Neſt, und die Eier wurden von<lb/>
einer Haushenne ausgebrütet. <hirendition="#g">Bachmann</hi> konnte dieſe Verſuche nicht weiter verfolgen; andere<lb/>
Beobachter aber waren glücklicher und erzogen, namentlich in geſchloſſenen Räumen, ohne alle Mühe<lb/>
viele dieſer niedlichen Vögel. Jn unſern Thiergärten brüteten die Baumwachteln am ſicherſten, wenn<lb/>
man ſie angemeſſen füttert, ſich ſonſt aber möglichſt wenig um ſie bekümmert. Jhre erſtaunliche Frucht-<lb/>
barkeit iſt der Vermehrung überaus günſtig. Wollte man bei uns zu Lande denſelben Verſuch wagen,<lb/>
welchen die Engländer bereits ausgeführt haben: es würden wenige Paare genügen, um zunächſt eine<lb/>
Faſanerie und von dieſer aus ein Revier mit dem vielverſprechenden Wilde zu bevölkern. Ein ſolcher<lb/>
Verſuch wird, wie ich mir zu behaupten getraue, wenn er von Sachverſtändigen unternommen wird,<lb/>
nicht fehl ſchlagen; denn ſelbſt die Zucht unſeres gemeinen Faſanen verurſacht größere Mühe und<lb/>
Sachkenntniß als die der Baumwachteln.</p><lb/><p>Die Jagd der letzteren wird von den Amerikanern gern betrieben, obgleich ſie nicht ſo leicht iſt,<lb/>
wie die auf unſer Rebhuhn. Die Baumwachtel läßt ſich nämlich nicht vom Hunde ſtellen, ſondern<lb/>ſucht, wenn ſie Gefahr ſteht, ſich laufend zu retten; dann, im äußerſten Nothfalle, ſteht eine hier, die<lb/>
andere dort auf, gewöhnlich dicht vor den Füßen des Jägers, welcher ein guter Schütz ſein muß, wenn<lb/>
er der raſch dahineilenden Beute habhaft werden will. Noch ſchwieriger wird die Jagd, wenn ein<lb/>
Volk Baumwachteln glücklich den Wald erreicht hat; denn dann pflegen alle, welche ſich erheben, zu<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[412/0440]
Die Läufer. Scharrvögel. Baumhühner.
ſich unter die Haushühner, vertrauen ſich gleichſam deren Führung an und nehmen die Broſamen auf,
welche von dem Tiſche ihrer glücklicheren Verwandten fallen. Finden die liebenswürdigen und an-
muthigen Bettler gaſtliche Aufnahme von Seiten der Menſchen, ſo nehmen ſie während der böſen Zeit
gern in der Nähe der Wohnung ihres Gaſtfreundes Herberge, und je mehr ihr Vertrauen ſteigt, um
ſo zutraulicher werden ſie: einzelne von ſolchen Wildlingen ſollen zu halben Hausthieren geworden ſein.
Die Baumwachtel eignet ſich ebenſo ſehr zur Zähmung, wie zur Einbürgerung in andere Gegen-
den. Gefangene, welche anfänglich mit einiger Sorgfalt behandelt und vor allen Dingen in Käfige
mit weicher Leinwanddecke geſperrt wurden, ſöhnen ſich ſchon nach einigen Tagen mit ihrem Looſe
aus, verlieren bald alle Scheu und gewöhnen ſich in überraſchend kurzer Zeit an ihre Pfleger. Noch
leichter freilich laſſen ſich diejenigen zähmen, welche unter dem Auge des Menſchen groß geworden ſind.
Die Amerikaner verſichern, daß man zuweilen Baumwachteleier in den Neſtern derjenigen Hühner
finde, welche außerhalb des Gehöftes brüten, daß ſolche Eier auch wohl gezeitigt und die jungen Baum-
wachteln mit den eigenen Küchlein der Pflegemutter groß gezogen werden. Anfänglich ſollen ſie ſich
ganz wie ihre Stiefgeſchwiſter betragen, d. h. jedem Lockrufe der Henne folgen, mit ihr ins Jnnere des
Gehöftes kommen; ſpäter aber pflegt doch der Freiheitstrieb in ihnen zu erwachen, und wenn der Früh-
ling kommt, fliegen ſie regelmäßig davon. Von zwei Baumwachteln, welche auf ſolche Weiſe erbrütet
worden waren, erzählt Wilſon, daß ſie, nachdem ſie der Stiefmutter bereits entwachſen, eine
eigenthümliche Zuneigung zu Kühen zeigten. Sie begleiteten dieſe überall hin, auf die Weide hinaus
und wieder nach dem Gehöfte zurück, und als im Winter die Heerde eingebracht wurde, folgten ſie ihren
Freunden bis in den Stall. Aber auch dieſe beiden flogen mit Beginn des Frühlings hinaus auf
ihre Felder. Bachmann verſuchte eine größere Anzahl von Baumwachteln zu zähmen. Er ließ
im Felde Eier ſuchen und legte dieſe Bantamhühnern unter. Die ausgeſchlüpften Jungen folgten
ihrer Pflegemutter, als ob ſie deren eigene Kinder wären, bald darauf auch ihrem Gebieter, welcher
die Vorſicht gebraucht hatte, ihnen das äußerſte Flügelgelenk wegzuſchneiden. Sie wurden ſo zahm,
daß ſie ungeſcheut in das Jnnere des Hauſes kamen, auf den Tiſch flogen, an welchem ihr Pfleger
ſchrieb, und dieſem in die Hände pickten. Jhre Nachtruhe verbrachten ſie in einem Hühnerkorbe,
welchen man in den Garten geſtellt hatte. Leider holten die Katzen der Nachbarſchaft ſo viele von ihnen
weg, daß im nächſten Frühjahre nur noch zwei Weibchen und eine größere Anzahl von Männchen übrig
waren. Dieſe belebten jetzt die Umgegend durch ihr lautes und wohltönendes Rufen, welches ſich,
obgleich ſie doch keine Anleitung gehabt, von dem der freilebenden nicht im geringſten unterſchied.
Sie kämpften unter einander, aber auch mit Tauben und jungen Hühnern, welche gelegentlich ihr
Gebiet betraten. Jm Mai legten beide Weibchen in ein und daſſelbe Neſt, und die Eier wurden von
einer Haushenne ausgebrütet. Bachmann konnte dieſe Verſuche nicht weiter verfolgen; andere
Beobachter aber waren glücklicher und erzogen, namentlich in geſchloſſenen Räumen, ohne alle Mühe
viele dieſer niedlichen Vögel. Jn unſern Thiergärten brüteten die Baumwachteln am ſicherſten, wenn
man ſie angemeſſen füttert, ſich ſonſt aber möglichſt wenig um ſie bekümmert. Jhre erſtaunliche Frucht-
barkeit iſt der Vermehrung überaus günſtig. Wollte man bei uns zu Lande denſelben Verſuch wagen,
welchen die Engländer bereits ausgeführt haben: es würden wenige Paare genügen, um zunächſt eine
Faſanerie und von dieſer aus ein Revier mit dem vielverſprechenden Wilde zu bevölkern. Ein ſolcher
Verſuch wird, wie ich mir zu behaupten getraue, wenn er von Sachverſtändigen unternommen wird,
nicht fehl ſchlagen; denn ſelbſt die Zucht unſeres gemeinen Faſanen verurſacht größere Mühe und
Sachkenntniß als die der Baumwachteln.
Die Jagd der letzteren wird von den Amerikanern gern betrieben, obgleich ſie nicht ſo leicht iſt,
wie die auf unſer Rebhuhn. Die Baumwachtel läßt ſich nämlich nicht vom Hunde ſtellen, ſondern
ſucht, wenn ſie Gefahr ſteht, ſich laufend zu retten; dann, im äußerſten Nothfalle, ſteht eine hier, die
andere dort auf, gewöhnlich dicht vor den Füßen des Jägers, welcher ein guter Schütz ſein muß, wenn
er der raſch dahineilenden Beute habhaft werden will. Noch ſchwieriger wird die Jagd, wenn ein
Volk Baumwachteln glücklich den Wald erreicht hat; denn dann pflegen alle, welche ſich erheben, zu
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/440>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.