besteht aus dünnen Aestchen, trocknen Blättern und dergleichen und ist ebenso unordentlich gebaut wie das anderer Hühnerarten. Das Gelege zählt, laut Jerdon, vier bis acht oder neun, laut William- son ungefähr ein Dutzend bis funfzehn Eier. Sie werden von der Henne mit großem Eifer bebrütet und nur im äußersten Nothfalle verlassen. "Bei verschiedenen Gelegenheiten", sagt der Erstgenannte, "habe ich wilde Pfauhennen auf ihrem Neste beobachtet. Falls ich sie nicht störte, rührten sie sich nicht, auch wenn sie mich unzweifelhaft gesehen hatten." Das Jugendleben verläuft wie das anderer Hühner.
Obgleich man nicht sagen kann, daß unser Vogel zu dem gesuchten Wilde der indisch-europäischen Jäger gehört, vermag anfänglich doch keiner von ihnen der Versuchung zu widerstehen, einen in der Luft dahinstreichenden Pfauhahn herabzuschießen oder zu demselben Zwecke abends einen der Schlaf- bäume aufzusuchen. Das Wildpret der Alten ist zwar nur zur Suppe gut genug, das der Halber- wachsenen aber ganz ausgezeichnet wegen seiner Weichheit und des vortrefflichen Wildgeschmacks. Die Jagd selbst verursacht bei der Häufigkeit der Vögel keine Schwierigkeit, und auch der Fang gelingt selbst dem Ungeübten. Jn Gegenden, wo Pfauen häufig und nicht heilig gesprochen sind, werden viele von ihnen in Schlingen, Netzen und anderen Fallen gefangen und lebend auf den Markt gebracht. Sie gewöhnen sich bald an die Gefangenschaft, müssen aber doch schon ein gewisses Alter erreicht haben; denn die Jungen sollen schwer aufzuziehen sein. Jm allgemeinen werden die prächtigen Vögel von den Menschen wenig belästigt, um so ärger aber von dem Tiger und verschiedenen Wild- hunden heimgesucht. Jhre Furcht vor den größern Vierfüßlern hat gewiß ihre guten Gründe.
Die Zeit, in welcher der Pfau zuerst nach Europa gelangte, ist nicht festgestellt. Alexander der Große kannte ihn als gezähmten Vogel nicht; denn er bewunderte ihn, als er ihn während des Zuges nach Jndien zum ersten Male wild sah und brachte, wie die Sage berichtet, Gezähmte mit sich nach Europa. Ob sie die ersten waren, oder ob Salomo's Flotte wirklich Pfauen aus dem Lande Ophir brachte, steht dahin. Zu Perikles' Zeit soll der Pfau noch so selten in Griechenland gewesen sein, daß Leute aus weiter Ferne kamen, um ihn zu sehen; Aelian erwähnt, daß ein Hahn tausend Drachmen oder vierhundert und sechsundsechzig Thaler unsers Geldes werth gewesen sei. Wenn Alerander wirklich Derjenige war, welcher den stolzen Vogel bei uns einbürgerte, muß dieser sich, wie Pöppig bemerkt, in Griechenland sehr schnell vermehrt haben; denn Aristoteles, welcher seinen Schüler nur zwei Jahre überlebte, schildert ihn als überall im Lande gewöhnlich und wohlbe- kannt. Bei den Gelagen der römischen Kaiser spielte er bereits eine große Rolle: Vitellius und Heliogabalus setzten den Gästen gewaltige Schüsseln vor, welche aus Zungen und Hirn der Pfauen und den theuersten Gewürzen Jndiens bestanden. Zu Samos wurde er im Tempel der Juno gehalten und auf den Münzen abgebildet. Jn Deutschland und England scheint er im vier- zehnten und funfzehnten Jahrhunderte noch sehr selten gewesen zu sein, weil englische Barone ihren Reichthum dadurch bewiesen, daß sie bei großen Schmäusen einen gebratenen Pfau auftragen ließen, welcher mit den eigenen Federn geschmückt und mit (damals noch sehr seltenen) Pflaumen umgeben war. Der alte Geßner, dessen Naturgeschichte 1557 erschien, kannte ihn sehr genau und gibt bereits eine ausführliche Beschreibung von ihm, erklärt aber das auffallende Betragen in seiner Weise:
"Vnder dem grossen gevögel hat der Pfaw den preiß, an seiner gestalt, am verstand vnd seiner herrlichkeit. Er verwundert sich ob seiner schönen zierde, vnd wenn jhn jemand lobt vnd schön nennet, so streckt er schnell seine geblümbten vnd goldfarbnen Federn auß, vnd erzeigt dieselbigen als einen schönen Blumengarten: schiltet man aber jhn, so verbirgt er seinen Wädel, vnd bezeuget damit, daß er seinen schmeher hasse. So er gelobt, streckt er seinen Schwantz auß: so bald er aber seine vngestal- tete Bein ansiehet, wirt er trawrig, vnd läst jhn widerumb nider. So er zu Nacht erwachet, vnd sich selbst in der Finsternus nicht besichtigen mag, schreyet er gantz forchtsam, vnd vermeint er habe sein schöne verlohren. Der Pfaw weiß nicht allein daß er der schönest ist auß allen Vögeln, sonder er weiß auch wo die schöne am meinsten gelegen ist, darumb richtet er seinen Halß auff, vnd wirt
Die Läufer. Scharrvögel. Pfauen.
beſteht aus dünnen Aeſtchen, trocknen Blättern und dergleichen und iſt ebenſo unordentlich gebaut wie das anderer Hühnerarten. Das Gelege zählt, laut Jerdon, vier bis acht oder neun, laut William- ſon ungefähr ein Dutzend bis funfzehn Eier. Sie werden von der Henne mit großem Eifer bebrütet und nur im äußerſten Nothfalle verlaſſen. „Bei verſchiedenen Gelegenheiten“, ſagt der Erſtgenannte, „habe ich wilde Pfauhennen auf ihrem Neſte beobachtet. Falls ich ſie nicht ſtörte, rührten ſie ſich nicht, auch wenn ſie mich unzweifelhaft geſehen hatten.“ Das Jugendleben verläuft wie das anderer Hühner.
Obgleich man nicht ſagen kann, daß unſer Vogel zu dem geſuchten Wilde der indiſch-europäiſchen Jäger gehört, vermag anfänglich doch keiner von ihnen der Verſuchung zu widerſtehen, einen in der Luft dahinſtreichenden Pfauhahn herabzuſchießen oder zu demſelben Zwecke abends einen der Schlaf- bäume aufzuſuchen. Das Wildpret der Alten iſt zwar nur zur Suppe gut genug, das der Halber- wachſenen aber ganz ausgezeichnet wegen ſeiner Weichheit und des vortrefflichen Wildgeſchmacks. Die Jagd ſelbſt verurſacht bei der Häufigkeit der Vögel keine Schwierigkeit, und auch der Fang gelingt ſelbſt dem Ungeübten. Jn Gegenden, wo Pfauen häufig und nicht heilig geſprochen ſind, werden viele von ihnen in Schlingen, Netzen und anderen Fallen gefangen und lebend auf den Markt gebracht. Sie gewöhnen ſich bald an die Gefangenſchaft, müſſen aber doch ſchon ein gewiſſes Alter erreicht haben; denn die Jungen ſollen ſchwer aufzuziehen ſein. Jm allgemeinen werden die prächtigen Vögel von den Menſchen wenig beläſtigt, um ſo ärger aber von dem Tiger und verſchiedenen Wild- hunden heimgeſucht. Jhre Furcht vor den größern Vierfüßlern hat gewiß ihre guten Gründe.
Die Zeit, in welcher der Pfau zuerſt nach Europa gelangte, iſt nicht feſtgeſtellt. Alexander der Große kannte ihn als gezähmten Vogel nicht; denn er bewunderte ihn, als er ihn während des Zuges nach Jndien zum erſten Male wild ſah und brachte, wie die Sage berichtet, Gezähmte mit ſich nach Europa. Ob ſie die erſten waren, oder ob Salomo’s Flotte wirklich Pfauen aus dem Lande Ophir brachte, ſteht dahin. Zu Perikles’ Zeit ſoll der Pfau noch ſo ſelten in Griechenland geweſen ſein, daß Leute aus weiter Ferne kamen, um ihn zu ſehen; Aelian erwähnt, daß ein Hahn tauſend Drachmen oder vierhundert und ſechsundſechzig Thaler unſers Geldes werth geweſen ſei. Wenn Alerander wirklich Derjenige war, welcher den ſtolzen Vogel bei uns einbürgerte, muß dieſer ſich, wie Pöppig bemerkt, in Griechenland ſehr ſchnell vermehrt haben; denn Ariſtoteles, welcher ſeinen Schüler nur zwei Jahre überlebte, ſchildert ihn als überall im Lande gewöhnlich und wohlbe- kannt. Bei den Gelagen der römiſchen Kaiſer ſpielte er bereits eine große Rolle: Vitellius und Heliogabalus ſetzten den Gäſten gewaltige Schüſſeln vor, welche aus Zungen und Hirn der Pfauen und den theuerſten Gewürzen Jndiens beſtanden. Zu Samos wurde er im Tempel der Juno gehalten und auf den Münzen abgebildet. Jn Deutſchland und England ſcheint er im vier- zehnten und funfzehnten Jahrhunderte noch ſehr ſelten geweſen zu ſein, weil engliſche Barone ihren Reichthum dadurch bewieſen, daß ſie bei großen Schmäuſen einen gebratenen Pfau auftragen ließen, welcher mit den eigenen Federn geſchmückt und mit (damals noch ſehr ſeltenen) Pflaumen umgeben war. Der alte Geßner, deſſen Naturgeſchichte 1557 erſchien, kannte ihn ſehr genau und gibt bereits eine ausführliche Beſchreibung von ihm, erklärt aber das auffallende Betragen in ſeiner Weiſe:
„Vnder dem groſſen gevögel hat der Pfaw den preiß, an ſeiner geſtalt, am verſtand vnd ſeiner herrlichkeit. Er verwundert ſich ob ſeiner ſchönen zierde, vnd wenn jhn jemand lobt vnd ſchön nennet, ſo ſtreckt er ſchnell ſeine geblümbten vnd goldfarbnen Federn auß, vnd erzeigt dieſelbigen als einen ſchönen Blumengarten: ſchiltet man aber jhn, ſo verbirgt er ſeinen Wädel, vnd bezeuget damit, daß er ſeinen ſchmeher haſſe. So er gelobt, ſtreckt er ſeinen Schwantz auß: ſo bald er aber ſeine vngeſtal- tete Bein anſiehet, wirt er trawrig, vnd läſt jhn widerumb nider. So er zu Nacht erwachet, vnd ſich ſelbſt in der Finſternus nicht beſichtigen mag, ſchreyet er gantz forchtſam, vnd vermeint er habe ſein ſchöne verlohren. Der Pfaw weiß nicht allein daß er der ſchöneſt iſt auß allen Vögeln, ſonder er weiß auch wo die ſchöne am meinſten gelegen iſt, darumb richtet er ſeinen Halß auff, vnd wirt
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das anderer Hühnerarten. Das Gelege zählt, laut Jerdon, vier bis acht oder neun, laut William-
ſon ungefähr ein Dutzend bis funfzehn Eier. Sie werden von der Henne mit großem Eifer
bebrütet und nur im äußerſten Nothfalle verlaſſen. „Bei verſchiedenen Gelegenheiten“, ſagt der
Erſtgenannte, „habe ich wilde Pfauhennen auf ihrem Neſte beobachtet. Falls ich ſie nicht ſtörte, rührten
ſie ſich nicht, auch wenn ſie mich unzweifelhaft geſehen hatten.“ Das Jugendleben verläuft wie
das anderer Hühner.
Obgleich man nicht ſagen kann, daß unſer Vogel zu dem geſuchten Wilde der indiſch-europäiſchen
Jäger gehört, vermag anfänglich doch keiner von ihnen der Verſuchung zu widerſtehen, einen in der
Luft dahinſtreichenden Pfauhahn herabzuſchießen oder zu demſelben Zwecke abends einen der Schlaf-
bäume aufzuſuchen. Das Wildpret der Alten iſt zwar nur zur Suppe gut genug, das der Halber-
wachſenen aber ganz ausgezeichnet wegen ſeiner Weichheit und des vortrefflichen Wildgeſchmacks.
Die Jagd ſelbſt verurſacht bei der Häufigkeit der Vögel keine Schwierigkeit, und auch der Fang
gelingt ſelbſt dem Ungeübten. Jn Gegenden, wo Pfauen häufig und nicht heilig geſprochen ſind,
werden viele von ihnen in Schlingen, Netzen und anderen Fallen gefangen und lebend auf den Markt
gebracht. Sie gewöhnen ſich bald an die Gefangenſchaft, müſſen aber doch ſchon ein gewiſſes Alter
erreicht haben; denn die Jungen ſollen ſchwer aufzuziehen ſein. Jm allgemeinen werden die prächtigen
Vögel von den Menſchen wenig beläſtigt, um ſo ärger aber von dem Tiger und verſchiedenen Wild-
hunden heimgeſucht. Jhre Furcht vor den größern Vierfüßlern hat gewiß ihre guten Gründe.
Die Zeit, in welcher der Pfau zuerſt nach Europa gelangte, iſt nicht feſtgeſtellt. Alexander der
Große kannte ihn als gezähmten Vogel nicht; denn er bewunderte ihn, als er ihn während des Zuges
nach Jndien zum erſten Male wild ſah und brachte, wie die Sage berichtet, Gezähmte mit ſich nach
Europa. Ob ſie die erſten waren, oder ob Salomo’s Flotte wirklich Pfauen aus dem Lande Ophir
brachte, ſteht dahin. Zu Perikles’ Zeit ſoll der Pfau noch ſo ſelten in Griechenland geweſen ſein,
daß Leute aus weiter Ferne kamen, um ihn zu ſehen; Aelian erwähnt, daß ein Hahn tauſend
Drachmen oder vierhundert und ſechsundſechzig Thaler unſers Geldes werth geweſen ſei. Wenn
Alerander wirklich Derjenige war, welcher den ſtolzen Vogel bei uns einbürgerte, muß dieſer ſich,
wie Pöppig bemerkt, in Griechenland ſehr ſchnell vermehrt haben; denn Ariſtoteles, welcher
ſeinen Schüler nur zwei Jahre überlebte, ſchildert ihn als überall im Lande gewöhnlich und wohlbe-
kannt. Bei den Gelagen der römiſchen Kaiſer ſpielte er bereits eine große Rolle: Vitellius und
Heliogabalus ſetzten den Gäſten gewaltige Schüſſeln vor, welche aus Zungen und Hirn der
Pfauen und den theuerſten Gewürzen Jndiens beſtanden. Zu Samos wurde er im Tempel der
Juno gehalten und auf den Münzen abgebildet. Jn Deutſchland und England ſcheint er im vier-
zehnten und funfzehnten Jahrhunderte noch ſehr ſelten geweſen zu ſein, weil engliſche Barone
ihren Reichthum dadurch bewieſen, daß ſie bei großen Schmäuſen einen gebratenen Pfau auftragen
ließen, welcher mit den eigenen Federn geſchmückt und mit (damals noch ſehr ſeltenen) Pflaumen
umgeben war. Der alte Geßner, deſſen Naturgeſchichte 1557 erſchien, kannte ihn ſehr genau
und gibt bereits eine ausführliche Beſchreibung von ihm, erklärt aber das auffallende Betragen in
ſeiner Weiſe:
„Vnder dem groſſen gevögel hat der Pfaw den preiß, an ſeiner geſtalt, am verſtand vnd ſeiner
herrlichkeit. Er verwundert ſich ob ſeiner ſchönen zierde, vnd wenn jhn jemand lobt vnd ſchön nennet,
ſo ſtreckt er ſchnell ſeine geblümbten vnd goldfarbnen Federn auß, vnd erzeigt dieſelbigen als einen
ſchönen Blumengarten: ſchiltet man aber jhn, ſo verbirgt er ſeinen Wädel, vnd bezeuget damit, daß
er ſeinen ſchmeher haſſe. So er gelobt, ſtreckt er ſeinen Schwantz auß: ſo bald er aber ſeine vngeſtal-
tete Bein anſiehet, wirt er trawrig, vnd läſt jhn widerumb nider. So er zu Nacht erwachet, vnd
ſich ſelbſt in der Finſternus nicht beſichtigen mag, ſchreyet er gantz forchtſam, vnd vermeint er habe
ſein ſchöne verlohren. Der Pfaw weiß nicht allein daß er der ſchöneſt iſt auß allen Vögeln, ſonder
er weiß auch wo die ſchöne am meinſten gelegen iſt, darumb richtet er ſeinen Halß auff, vnd wirt
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 474. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/504>, abgerufen am 22.11.2024.
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