Man darf wohl behaupten, daß die Perlhühner den mit niederem Grase bewachsenen oder ganz verdorrten Blößen einen prächtigen Schmuck verleihen. Die dunkeln Vögel verschwinden zwischen den ihnen ähnlich gefärbten Steinen, heben sich aber scharf ab von den grün oder graugelb erschei- nenden Grasflächen. Verkennen wird man sie nie: der wagerecht gehaltene Körper, die locker zusammengetragenen, wie gesträubt erscheinenden Bürzelfedern und der dachförmig abfallende Schwanz sind für ihre Gestalt so bezeichnend, daß nur der Ungeübte sie mit irgend einem anderen Huhne verwechseln könnte. Jn der Schnelle des Laufes kommen ihnen die Frankoline freilich gleich; ihr Flug aber ist von dem dieser Verwandten verschieden und ausgezeichnet durch die vielen fast schwirrenden Flügelschläge, auf welche ein kurzes, schwebendes Dahingleiten folgt.
Die Nahrung wechselt je nach der Gegend und Oertlichkeit oder auch nach der Jahreszeit. Jm Frühlinge, wenn die Regen fallen, werden Kerbthiere wahrscheinlich das Hauptfutter bilden: denn ich fand den Kropf der von mir Erlegten zuweilen vollständig mit Heuschrecken angefüllt; später fressen die Perlhühner Beeren, Blätter, Knospenblätter, Grasspitzen und endlich Körner aller Art. Auf Jamaika machen sie sich sehr verhaßt. Sie kommen in den kühleren Monaten des Jahres in zahl- reichen Gesperren aus ihren Wäldern hervor, vertheilen sich über die Felder und richten nun durch Abpflücken der frischen Pflanzen und durch Ausgraben anderer bedeutenden Schaden an. Ein tiefes Loch wird, wie Gosse erzählt, in kürzester Zeit ausgetieft, die Samenwurzel blosgelegt und sofort auf- gefressen oder wenigstens zerstört. Zur Pflanzzeit des Jams werden sie noch lästiger, weil sie jetzt die Saatwurzeln ausscharren. "Das Korn", versichert Cham, "ist kaum gefät, so wird es bereits wieder ausgegraben und aufgepickt." Als auffallend hebt Gosse hervor, daß die süßen Kartoffeln von den Perlhühnern hartnäckig verschmäht werden.
Ueber die Fortpflanzung habe ich eigene Beobachtungen nicht angestellt, d. h., soviel ich mich erinnere, niemals ein Nest mit Eiern gefunden, Junge unter Führung ihrer Eltern aber oft gesehen. Gerade diese Beobachtungen, welche ich an Familien machte, bestimmen mich zu glauben, daß das frei- lebende Perlhuhn in Einehigkeit lebt. Durch andere Reisende erfahren wir, daß die Eier mitten in einem dichten Grasbusche abgelegt werden, und ihre Anzahl ein Dutzend oder mehr beträgt. Gosse sagt, daß ein Dutzend die gewöhnliche Anzahl sei, und daß die Eier in einer Lage über den Boden gelegt, durch Blätter aber geschieden werden. Zuweilen soll man gegen zwanzig in einem Neste finden. Die Jungen werden bald nach dem Ausschlüpfen von den Alten weggeführt, wachsen rasch heran und folgen bereits, wenn sie die halbe Größe der Eltern erreicht haben, diesen auf allen Streifereien, bäumen dann auch schon nachts regelmäßig mit ihnen. Perlhühner lassen sich leichter zähmen als irgend ein anderes Wildhuhn, werden aber nie so zahm wie Haushühner z. B. Nicht einmal in Afrika gelingt es, sie ohne weiteres zur Fortpflanzung zu bringen, und bei uns zu Lande geschieht es sehr selten, daß frisch Eingefangene, von Afrika Eingeführte, sich paaren und Eier legen. Dagegen kann man die Gefangenen bald soweit gewöhnen, daß sie in Haus und Hof umherlaufen, oder selbst an einen Reisewagen derart fesseln, daß sie auf dem jedesmaligen Rastplatze umherlaufen dürfen, weil sie sich am Morgen beim Weiterziehen wieder pünktlich beim Wagen einfinden und sich ohne Umstände von neuem in ihre Käfige sperren lassen. Die Gefangenen bereiten ihrem Eigenthümer viel Aerger, aber auch manche Freude. Sie sind zänkisch, liegen mit Haus- und Truthühnern beständig im Streite, werden so bösartig, daß sie Kinder und erwachsene Hähne angreifen, streifen weit umher, ver- stecken ihr Nest soviel als möglich, brüten nicht eifrig und können auch starke Kälte nicht vertragen. Andererseits erfreuen sie durch ihre ewige Rastlosigkeit, ihr hübsches Gefieder und die sonderbaren Stellungen und Bewegungen, welche sie beim Laufen annehmen, ihren Gebieter. Das Geierperlhuhn unterscheidet sich, wenn ich von dem von mir beobachteten auf das Betragen anderer schließen darf, sehr zu seinem Vortheile von den übrigen. Es trägt sich zierlicher, erscheint schlanker, weil es den Kopf erhebt, und nimmt niemals die eckige Gestalt an, welche gerade seine Familienverwandten kenn- zeichnet. Bemerkenswerth scheint mir seine große Gutmüthigkeit und Sanftheit zu sein. Das in Rede stehende ist, wie mein Bruder bereits berichtet hat, nach kurzer Zeit ungemein zahm geworden und
Die Läufer. Scharrvögel. Perlhühner.
Man darf wohl behaupten, daß die Perlhühner den mit niederem Graſe bewachſenen oder ganz verdorrten Blößen einen prächtigen Schmuck verleihen. Die dunkeln Vögel verſchwinden zwiſchen den ihnen ähnlich gefärbten Steinen, heben ſich aber ſcharf ab von den grün oder graugelb erſchei- nenden Grasflächen. Verkennen wird man ſie nie: der wagerecht gehaltene Körper, die locker zuſammengetragenen, wie geſträubt erſcheinenden Bürzelfedern und der dachförmig abfallende Schwanz ſind für ihre Geſtalt ſo bezeichnend, daß nur der Ungeübte ſie mit irgend einem anderen Huhne verwechſeln könnte. Jn der Schnelle des Laufes kommen ihnen die Frankoline freilich gleich; ihr Flug aber iſt von dem dieſer Verwandten verſchieden und ausgezeichnet durch die vielen faſt ſchwirrenden Flügelſchläge, auf welche ein kurzes, ſchwebendes Dahingleiten folgt.
Die Nahrung wechſelt je nach der Gegend und Oertlichkeit oder auch nach der Jahreszeit. Jm Frühlinge, wenn die Regen fallen, werden Kerbthiere wahrſcheinlich das Hauptfutter bilden: denn ich fand den Kropf der von mir Erlegten zuweilen vollſtändig mit Heuſchrecken angefüllt; ſpäter freſſen die Perlhühner Beeren, Blätter, Knospenblätter, Grasſpitzen und endlich Körner aller Art. Auf Jamaika machen ſie ſich ſehr verhaßt. Sie kommen in den kühleren Monaten des Jahres in zahl- reichen Geſperren aus ihren Wäldern hervor, vertheilen ſich über die Felder und richten nun durch Abpflücken der friſchen Pflanzen und durch Ausgraben anderer bedeutenden Schaden an. Ein tiefes Loch wird, wie Goſſe erzählt, in kürzeſter Zeit ausgetieft, die Samenwurzel blosgelegt und ſofort auf- gefreſſen oder wenigſtens zerſtört. Zur Pflanzzeit des Jams werden ſie noch läſtiger, weil ſie jetzt die Saatwurzeln ausſcharren. „Das Korn“, verſichert Cham, „iſt kaum gefät, ſo wird es bereits wieder ausgegraben und aufgepickt.“ Als auffallend hebt Goſſe hervor, daß die ſüßen Kartoffeln von den Perlhühnern hartnäckig verſchmäht werden.
Ueber die Fortpflanzung habe ich eigene Beobachtungen nicht angeſtellt, d. h., ſoviel ich mich erinnere, niemals ein Neſt mit Eiern gefunden, Junge unter Führung ihrer Eltern aber oft geſehen. Gerade dieſe Beobachtungen, welche ich an Familien machte, beſtimmen mich zu glauben, daß das frei- lebende Perlhuhn in Einehigkeit lebt. Durch andere Reiſende erfahren wir, daß die Eier mitten in einem dichten Grasbuſche abgelegt werden, und ihre Anzahl ein Dutzend oder mehr beträgt. Goſſe ſagt, daß ein Dutzend die gewöhnliche Anzahl ſei, und daß die Eier in einer Lage über den Boden gelegt, durch Blätter aber geſchieden werden. Zuweilen ſoll man gegen zwanzig in einem Neſte finden. Die Jungen werden bald nach dem Ausſchlüpfen von den Alten weggeführt, wachſen raſch heran und folgen bereits, wenn ſie die halbe Größe der Eltern erreicht haben, dieſen auf allen Streifereien, bäumen dann auch ſchon nachts regelmäßig mit ihnen. Perlhühner laſſen ſich leichter zähmen als irgend ein anderes Wildhuhn, werden aber nie ſo zahm wie Haushühner z. B. Nicht einmal in Afrika gelingt es, ſie ohne weiteres zur Fortpflanzung zu bringen, und bei uns zu Lande geſchieht es ſehr ſelten, daß friſch Eingefangene, von Afrika Eingeführte, ſich paaren und Eier legen. Dagegen kann man die Gefangenen bald ſoweit gewöhnen, daß ſie in Haus und Hof umherlaufen, oder ſelbſt an einen Reiſewagen derart feſſeln, daß ſie auf dem jedesmaligen Raſtplatze umherlaufen dürfen, weil ſie ſich am Morgen beim Weiterziehen wieder pünktlich beim Wagen einfinden und ſich ohne Umſtände von neuem in ihre Käfige ſperren laſſen. Die Gefangenen bereiten ihrem Eigenthümer viel Aerger, aber auch manche Freude. Sie ſind zänkiſch, liegen mit Haus- und Truthühnern beſtändig im Streite, werden ſo bösartig, daß ſie Kinder und erwachſene Hähne angreifen, ſtreifen weit umher, ver- ſtecken ihr Neſt ſoviel als möglich, brüten nicht eifrig und können auch ſtarke Kälte nicht vertragen. Andererſeits erfreuen ſie durch ihre ewige Raſtloſigkeit, ihr hübſches Gefieder und die ſonderbaren Stellungen und Bewegungen, welche ſie beim Laufen annehmen, ihren Gebieter. Das Geierperlhuhn unterſcheidet ſich, wenn ich von dem von mir beobachteten auf das Betragen anderer ſchließen darf, ſehr zu ſeinem Vortheile von den übrigen. Es trägt ſich zierlicher, erſcheint ſchlanker, weil es den Kopf erhebt, und nimmt niemals die eckige Geſtalt an, welche gerade ſeine Familienverwandten kenn- zeichnet. Bemerkenswerth ſcheint mir ſeine große Gutmüthigkeit und Sanftheit zu ſein. Das in Rede ſtehende iſt, wie mein Bruder bereits berichtet hat, nach kurzer Zeit ungemein zahm geworden und
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[482/0512]
Die Läufer. Scharrvögel. Perlhühner.
Man darf wohl behaupten, daß die Perlhühner den mit niederem Graſe bewachſenen oder ganz
verdorrten Blößen einen prächtigen Schmuck verleihen. Die dunkeln Vögel verſchwinden zwiſchen
den ihnen ähnlich gefärbten Steinen, heben ſich aber ſcharf ab von den grün oder graugelb erſchei-
nenden Grasflächen. Verkennen wird man ſie nie: der wagerecht gehaltene Körper, die locker
zuſammengetragenen, wie geſträubt erſcheinenden Bürzelfedern und der dachförmig abfallende
Schwanz ſind für ihre Geſtalt ſo bezeichnend, daß nur der Ungeübte ſie mit irgend einem anderen
Huhne verwechſeln könnte. Jn der Schnelle des Laufes kommen ihnen die Frankoline freilich gleich;
ihr Flug aber iſt von dem dieſer Verwandten verſchieden und ausgezeichnet durch die vielen faſt
ſchwirrenden Flügelſchläge, auf welche ein kurzes, ſchwebendes Dahingleiten folgt.
Die Nahrung wechſelt je nach der Gegend und Oertlichkeit oder auch nach der Jahreszeit. Jm
Frühlinge, wenn die Regen fallen, werden Kerbthiere wahrſcheinlich das Hauptfutter bilden: denn ich
fand den Kropf der von mir Erlegten zuweilen vollſtändig mit Heuſchrecken angefüllt; ſpäter freſſen
die Perlhühner Beeren, Blätter, Knospenblätter, Grasſpitzen und endlich Körner aller Art. Auf
Jamaika machen ſie ſich ſehr verhaßt. Sie kommen in den kühleren Monaten des Jahres in zahl-
reichen Geſperren aus ihren Wäldern hervor, vertheilen ſich über die Felder und richten nun durch
Abpflücken der friſchen Pflanzen und durch Ausgraben anderer bedeutenden Schaden an. Ein tiefes
Loch wird, wie Goſſe erzählt, in kürzeſter Zeit ausgetieft, die Samenwurzel blosgelegt und ſofort auf-
gefreſſen oder wenigſtens zerſtört. Zur Pflanzzeit des Jams werden ſie noch läſtiger, weil ſie jetzt
die Saatwurzeln ausſcharren. „Das Korn“, verſichert Cham, „iſt kaum gefät, ſo wird es bereits
wieder ausgegraben und aufgepickt.“ Als auffallend hebt Goſſe hervor, daß die ſüßen Kartoffeln
von den Perlhühnern hartnäckig verſchmäht werden.
Ueber die Fortpflanzung habe ich eigene Beobachtungen nicht angeſtellt, d. h., ſoviel ich mich
erinnere, niemals ein Neſt mit Eiern gefunden, Junge unter Führung ihrer Eltern aber oft geſehen.
Gerade dieſe Beobachtungen, welche ich an Familien machte, beſtimmen mich zu glauben, daß das frei-
lebende Perlhuhn in Einehigkeit lebt. Durch andere Reiſende erfahren wir, daß die Eier mitten in
einem dichten Grasbuſche abgelegt werden, und ihre Anzahl ein Dutzend oder mehr beträgt. Goſſe
ſagt, daß ein Dutzend die gewöhnliche Anzahl ſei, und daß die Eier in einer Lage über den Boden gelegt,
durch Blätter aber geſchieden werden. Zuweilen ſoll man gegen zwanzig in einem Neſte finden.
Die Jungen werden bald nach dem Ausſchlüpfen von den Alten weggeführt, wachſen raſch heran und
folgen bereits, wenn ſie die halbe Größe der Eltern erreicht haben, dieſen auf allen Streifereien,
bäumen dann auch ſchon nachts regelmäßig mit ihnen. Perlhühner laſſen ſich leichter zähmen als irgend
ein anderes Wildhuhn, werden aber nie ſo zahm wie Haushühner z. B. Nicht einmal in Afrika
gelingt es, ſie ohne weiteres zur Fortpflanzung zu bringen, und bei uns zu Lande geſchieht es ſehr
ſelten, daß friſch Eingefangene, von Afrika Eingeführte, ſich paaren und Eier legen. Dagegen kann
man die Gefangenen bald ſoweit gewöhnen, daß ſie in Haus und Hof umherlaufen, oder ſelbſt an
einen Reiſewagen derart feſſeln, daß ſie auf dem jedesmaligen Raſtplatze umherlaufen dürfen, weil
ſie ſich am Morgen beim Weiterziehen wieder pünktlich beim Wagen einfinden und ſich ohne Umſtände
von neuem in ihre Käfige ſperren laſſen. Die Gefangenen bereiten ihrem Eigenthümer viel Aerger,
aber auch manche Freude. Sie ſind zänkiſch, liegen mit Haus- und Truthühnern beſtändig im
Streite, werden ſo bösartig, daß ſie Kinder und erwachſene Hähne angreifen, ſtreifen weit umher, ver-
ſtecken ihr Neſt ſoviel als möglich, brüten nicht eifrig und können auch ſtarke Kälte nicht vertragen.
Andererſeits erfreuen ſie durch ihre ewige Raſtloſigkeit, ihr hübſches Gefieder und die ſonderbaren
Stellungen und Bewegungen, welche ſie beim Laufen annehmen, ihren Gebieter. Das Geierperlhuhn
unterſcheidet ſich, wenn ich von dem von mir beobachteten auf das Betragen anderer ſchließen darf,
ſehr zu ſeinem Vortheile von den übrigen. Es trägt ſich zierlicher, erſcheint ſchlanker, weil es den
Kopf erhebt, und nimmt niemals die eckige Geſtalt an, welche gerade ſeine Familienverwandten kenn-
zeichnet. Bemerkenswerth ſcheint mir ſeine große Gutmüthigkeit und Sanftheit zu ſein. Das in Rede
ſtehende iſt, wie mein Bruder bereits berichtet hat, nach kurzer Zeit ungemein zahm geworden und
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/512>, abgerufen am 22.11.2024.
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