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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Lebensweise der Perlhühner.
mit seinem Wärter in ein sehr inniges Verhältniß getreten. Es läßt sich von diesem fangen, ohne
sich zu sträuben, hin- und hertragen, an einen bestimmten Ort setzen und hier solange festhalten, als
der Wärter eben für gut befindet; es begnügt sich mit einfachem Futter, wird aber erklärlicher Weise
sorgfältiger behandelt als andere Hühner und erhält hauptsächlich Drosselfutter und nebenbei sehr
viel Grünzeug verschiedener Art vorgesetzt. Die Wärme liebt es, wie es scheint, noch mehr als andere
Perlhühner. Es erfror in dem einen kalten Winter, aller Vorsicht ungeachtet, in einem wohlgeheizten
Zimmer die Füße, wahrscheinlich weil ihm der Boden noch zu kalt war. Jm Sommer sieht man es
während der Mittagshitze sich behaglich in den Strahlen der Sonne dehnen und recken, während
andere Perlhühner zur selben Zeit unter schattigen Büschen Schutz suchen. Bei heftigem Winde
verkriecht es sich fast ängstlich an einer geschützten Stelle, verweilt hier während des ganzen Tages
oder begehrt selbst an der Thüre seines Hauses Einlaß. Gerade dieses Perlhuhn würde unseren
Hühnerhöfen zur größten Zierde gereichen: aber freilich scheint es, daß es der Züchtung in der
Gefangenschaft noch größere Schwierigkeiten in den Weg legen wird als das gemeine Perlhuhn, dessen
Eier man bei uns nur ausnahmsweise der rechten Mutter überläßt und gewöhnlich Trut- oder
Haushühnern zum Brüten unterlegt. Die Brütezeit währt fünfundzwanzig Tage. Beim Aus-
kriechen sind die Jungen oben auf braunem Grunde gelb gestreift und gepunktet, unten weißlich,
Fuß und Schnabel roth, die Federn des ersten Jugend-, d. h. nicht des Dunenkleides, braun, rost-
farben und rostgelb gerändert. Hier zu Lande hält man auf mehrere Hennen nur einen einzigen
Hahn; es scheint mir deshalb nicht unmöglich, daß viele Mißerfolge der Züchtung auf dieses
unnatürliche Verhältniß zurückgeführt werden müssen.

Die Perlhühner haben sehr viele Feinde. Alle Katzen Afrikas, vom Leopard oder Gepard an
bis zum Luchse oder der kleinpfotigen Katze herab, alle Schakale und Füchse stellen den Alten und
Jungen, die Schleichkatzen namentlich den Eiern und Küchlein nach; alle größeren Raubvögel machen
eifrig Jagd auf dieses so leicht zu bewältigende Wild, und selbst die Lurche erlangen es nicht selten:
wir fanden im Magen einer acht Fuß langen Boaschlange ein vollständig ausgewachsenes Perlhuhn.
Der Mensch jagt diese Scharrvögel überall mit einer gewissen Vorliebe, aus dem einfachen Grunde,
weil sie sich ohne besondere Mühe berücken und erlangen lassen, obwohl sie, wenn sie Verfolgungen
verspüren, ebenfalls bald sehr scheu werden. Dazu kommt nun noch, daß ihre reiche Befiederung die
meisten Schüsse unwirksam macht, daß sie selbst das beste Gewehr zu verspotten scheinen. Ganz
anders ist es, wenn man einen guten Hund zur Verfügung hat und diesen auf ihre Fährte setzt.
Jhre Furcht vor dem Vierfüßler verblüfft sie so, daß sie den gefährlicheren Feind gänzlich verkennen,
und nicht selten geschieht es, daß sie sich geradezu mit der Hand wegnehmen oder doch, wenn sie
gebäumt haben, ohne alle Umstände vom Aste herabschießen lassen. Jm Sudahn wendet man einfache
Schnellgalgen an, um sie zu fangen, stellt ihnen auch wohl Netze quer durch das niedere Gebüsch
und darf in beiden Fällen reichlicher Beute gewiß sein. Die ersteren erinnern an unsere Maulwurfs-
fallen. Sie bestehen aus einem langen, biegsamen Stocke, welcher auf der einen Seite in die Erde
gesteckt, an der anderen durch einen Faden herabgebogen und mittels eines Stäbchens so befestigt wird,
daß er bei der leisesten Berührung nach oben schnellt und dabei eine Schlinge, in deren Berührung
das betreffende Wild gekommen sein muß, zusammenzieht. Die Steppenbewohner Kordofahns bedie-
nen sich zu ihrer Jagd vorzugsweise ihrer Hunde, jener vortrefflichen, oben geschilderten Windspiele,
welche laufende Perlhühner regelmäßig fangen, -- sogar nach den bereits aufgestandenen empor-
springen und in vielen Fällen eins von ihnen glücklich erschnappen. Auf Jamaika setzt man ihnen
Körner vor, welche man mit Rum oder Kassava tränkte; die Hühner fressen davon, berauschen sich,
verlieren die Besinnung, taumeln umher, drücken sich endlich an einem Orte nieder, welcher ihnen
Schutz zu gewähren scheint und lassen sich nun von dem Jäger aufnehmen, ohne einen weiteren
Versuch zur Flucht zu machen. Häufig findet man übrigens einen großen Theil von denen, welche
von berauschenden Körnern fraßen, verendet.



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Lebensweiſe der Perlhühner.
mit ſeinem Wärter in ein ſehr inniges Verhältniß getreten. Es läßt ſich von dieſem fangen, ohne
ſich zu ſträuben, hin- und hertragen, an einen beſtimmten Ort ſetzen und hier ſolange feſthalten, als
der Wärter eben für gut befindet; es begnügt ſich mit einfachem Futter, wird aber erklärlicher Weiſe
ſorgfältiger behandelt als andere Hühner und erhält hauptſächlich Droſſelfutter und nebenbei ſehr
viel Grünzeug verſchiedener Art vorgeſetzt. Die Wärme liebt es, wie es ſcheint, noch mehr als andere
Perlhühner. Es erfror in dem einen kalten Winter, aller Vorſicht ungeachtet, in einem wohlgeheizten
Zimmer die Füße, wahrſcheinlich weil ihm der Boden noch zu kalt war. Jm Sommer ſieht man es
während der Mittagshitze ſich behaglich in den Strahlen der Sonne dehnen und recken, während
andere Perlhühner zur ſelben Zeit unter ſchattigen Büſchen Schutz ſuchen. Bei heftigem Winde
verkriecht es ſich faſt ängſtlich an einer geſchützten Stelle, verweilt hier während des ganzen Tages
oder begehrt ſelbſt an der Thüre ſeines Hauſes Einlaß. Gerade dieſes Perlhuhn würde unſeren
Hühnerhöfen zur größten Zierde gereichen: aber freilich ſcheint es, daß es der Züchtung in der
Gefangenſchaft noch größere Schwierigkeiten in den Weg legen wird als das gemeine Perlhuhn, deſſen
Eier man bei uns nur ausnahmsweiſe der rechten Mutter überläßt und gewöhnlich Trut- oder
Haushühnern zum Brüten unterlegt. Die Brütezeit währt fünfundzwanzig Tage. Beim Aus-
kriechen ſind die Jungen oben auf braunem Grunde gelb geſtreift und gepunktet, unten weißlich,
Fuß und Schnabel roth, die Federn des erſten Jugend-, d. h. nicht des Dunenkleides, braun, roſt-
farben und roſtgelb gerändert. Hier zu Lande hält man auf mehrere Hennen nur einen einzigen
Hahn; es ſcheint mir deshalb nicht unmöglich, daß viele Mißerfolge der Züchtung auf dieſes
unnatürliche Verhältniß zurückgeführt werden müſſen.

Die Perlhühner haben ſehr viele Feinde. Alle Katzen Afrikas, vom Leopard oder Gepard an
bis zum Luchſe oder der kleinpfotigen Katze herab, alle Schakale und Füchſe ſtellen den Alten und
Jungen, die Schleichkatzen namentlich den Eiern und Küchlein nach; alle größeren Raubvögel machen
eifrig Jagd auf dieſes ſo leicht zu bewältigende Wild, und ſelbſt die Lurche erlangen es nicht ſelten:
wir fanden im Magen einer acht Fuß langen Boaſchlange ein vollſtändig ausgewachſenes Perlhuhn.
Der Menſch jagt dieſe Scharrvögel überall mit einer gewiſſen Vorliebe, aus dem einfachen Grunde,
weil ſie ſich ohne beſondere Mühe berücken und erlangen laſſen, obwohl ſie, wenn ſie Verfolgungen
verſpüren, ebenfalls bald ſehr ſcheu werden. Dazu kommt nun noch, daß ihre reiche Befiederung die
meiſten Schüſſe unwirkſam macht, daß ſie ſelbſt das beſte Gewehr zu verſpotten ſcheinen. Ganz
anders iſt es, wenn man einen guten Hund zur Verfügung hat und dieſen auf ihre Fährte ſetzt.
Jhre Furcht vor dem Vierfüßler verblüfft ſie ſo, daß ſie den gefährlicheren Feind gänzlich verkennen,
und nicht ſelten geſchieht es, daß ſie ſich geradezu mit der Hand wegnehmen oder doch, wenn ſie
gebäumt haben, ohne alle Umſtände vom Aſte herabſchießen laſſen. Jm Sudahn wendet man einfache
Schnellgalgen an, um ſie zu fangen, ſtellt ihnen auch wohl Netze quer durch das niedere Gebüſch
und darf in beiden Fällen reichlicher Beute gewiß ſein. Die erſteren erinnern an unſere Maulwurfs-
fallen. Sie beſtehen aus einem langen, biegſamen Stocke, welcher auf der einen Seite in die Erde
geſteckt, an der anderen durch einen Faden herabgebogen und mittels eines Stäbchens ſo befeſtigt wird,
daß er bei der leiſeſten Berührung nach oben ſchnellt und dabei eine Schlinge, in deren Berührung
das betreffende Wild gekommen ſein muß, zuſammenzieht. Die Steppenbewohner Kordofahns bedie-
nen ſich zu ihrer Jagd vorzugsweiſe ihrer Hunde, jener vortrefflichen, oben geſchilderten Windſpiele,
welche laufende Perlhühner regelmäßig fangen, — ſogar nach den bereits aufgeſtandenen empor-
ſpringen und in vielen Fällen eins von ihnen glücklich erſchnappen. Auf Jamaika ſetzt man ihnen
Körner vor, welche man mit Rum oder Kaſſava tränkte; die Hühner freſſen davon, berauſchen ſich,
verlieren die Beſinnung, taumeln umher, drücken ſich endlich an einem Orte nieder, welcher ihnen
Schutz zu gewähren ſcheint und laſſen ſich nun von dem Jäger aufnehmen, ohne einen weiteren
Verſuch zur Flucht zu machen. Häufig findet man übrigens einen großen Theil von denen, welche
von berauſchenden Körnern fraßen, verendet.



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[483/0513] Lebensweiſe der Perlhühner. mit ſeinem Wärter in ein ſehr inniges Verhältniß getreten. Es läßt ſich von dieſem fangen, ohne ſich zu ſträuben, hin- und hertragen, an einen beſtimmten Ort ſetzen und hier ſolange feſthalten, als der Wärter eben für gut befindet; es begnügt ſich mit einfachem Futter, wird aber erklärlicher Weiſe ſorgfältiger behandelt als andere Hühner und erhält hauptſächlich Droſſelfutter und nebenbei ſehr viel Grünzeug verſchiedener Art vorgeſetzt. Die Wärme liebt es, wie es ſcheint, noch mehr als andere Perlhühner. Es erfror in dem einen kalten Winter, aller Vorſicht ungeachtet, in einem wohlgeheizten Zimmer die Füße, wahrſcheinlich weil ihm der Boden noch zu kalt war. Jm Sommer ſieht man es während der Mittagshitze ſich behaglich in den Strahlen der Sonne dehnen und recken, während andere Perlhühner zur ſelben Zeit unter ſchattigen Büſchen Schutz ſuchen. Bei heftigem Winde verkriecht es ſich faſt ängſtlich an einer geſchützten Stelle, verweilt hier während des ganzen Tages oder begehrt ſelbſt an der Thüre ſeines Hauſes Einlaß. Gerade dieſes Perlhuhn würde unſeren Hühnerhöfen zur größten Zierde gereichen: aber freilich ſcheint es, daß es der Züchtung in der Gefangenſchaft noch größere Schwierigkeiten in den Weg legen wird als das gemeine Perlhuhn, deſſen Eier man bei uns nur ausnahmsweiſe der rechten Mutter überläßt und gewöhnlich Trut- oder Haushühnern zum Brüten unterlegt. Die Brütezeit währt fünfundzwanzig Tage. Beim Aus- kriechen ſind die Jungen oben auf braunem Grunde gelb geſtreift und gepunktet, unten weißlich, Fuß und Schnabel roth, die Federn des erſten Jugend-, d. h. nicht des Dunenkleides, braun, roſt- farben und roſtgelb gerändert. Hier zu Lande hält man auf mehrere Hennen nur einen einzigen Hahn; es ſcheint mir deshalb nicht unmöglich, daß viele Mißerfolge der Züchtung auf dieſes unnatürliche Verhältniß zurückgeführt werden müſſen. Die Perlhühner haben ſehr viele Feinde. Alle Katzen Afrikas, vom Leopard oder Gepard an bis zum Luchſe oder der kleinpfotigen Katze herab, alle Schakale und Füchſe ſtellen den Alten und Jungen, die Schleichkatzen namentlich den Eiern und Küchlein nach; alle größeren Raubvögel machen eifrig Jagd auf dieſes ſo leicht zu bewältigende Wild, und ſelbſt die Lurche erlangen es nicht ſelten: wir fanden im Magen einer acht Fuß langen Boaſchlange ein vollſtändig ausgewachſenes Perlhuhn. Der Menſch jagt dieſe Scharrvögel überall mit einer gewiſſen Vorliebe, aus dem einfachen Grunde, weil ſie ſich ohne beſondere Mühe berücken und erlangen laſſen, obwohl ſie, wenn ſie Verfolgungen verſpüren, ebenfalls bald ſehr ſcheu werden. Dazu kommt nun noch, daß ihre reiche Befiederung die meiſten Schüſſe unwirkſam macht, daß ſie ſelbſt das beſte Gewehr zu verſpotten ſcheinen. Ganz anders iſt es, wenn man einen guten Hund zur Verfügung hat und dieſen auf ihre Fährte ſetzt. Jhre Furcht vor dem Vierfüßler verblüfft ſie ſo, daß ſie den gefährlicheren Feind gänzlich verkennen, und nicht ſelten geſchieht es, daß ſie ſich geradezu mit der Hand wegnehmen oder doch, wenn ſie gebäumt haben, ohne alle Umſtände vom Aſte herabſchießen laſſen. Jm Sudahn wendet man einfache Schnellgalgen an, um ſie zu fangen, ſtellt ihnen auch wohl Netze quer durch das niedere Gebüſch und darf in beiden Fällen reichlicher Beute gewiß ſein. Die erſteren erinnern an unſere Maulwurfs- fallen. Sie beſtehen aus einem langen, biegſamen Stocke, welcher auf der einen Seite in die Erde geſteckt, an der anderen durch einen Faden herabgebogen und mittels eines Stäbchens ſo befeſtigt wird, daß er bei der leiſeſten Berührung nach oben ſchnellt und dabei eine Schlinge, in deren Berührung das betreffende Wild gekommen ſein muß, zuſammenzieht. Die Steppenbewohner Kordofahns bedie- nen ſich zu ihrer Jagd vorzugsweiſe ihrer Hunde, jener vortrefflichen, oben geſchilderten Windſpiele, welche laufende Perlhühner regelmäßig fangen, — ſogar nach den bereits aufgeſtandenen empor- ſpringen und in vielen Fällen eins von ihnen glücklich erſchnappen. Auf Jamaika ſetzt man ihnen Körner vor, welche man mit Rum oder Kaſſava tränkte; die Hühner freſſen davon, berauſchen ſich, verlieren die Beſinnung, taumeln umher, drücken ſich endlich an einem Orte nieder, welcher ihnen Schutz zu gewähren ſcheint und laſſen ſich nun von dem Jäger aufnehmen, ohne einen weiteren Verſuch zur Flucht zu machen. Häufig findet man übrigens einen großen Theil von denen, welche von berauſchenden Körnern fraßen, verendet. 31*

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/513>, abgerufen am 16.07.2024.