gebracht und führte sie mit mütterlichem Stolze im Hühnerhofe hin und her. Aber da trafen sie auf den Strauß, welcher mit feierlichen Schritten im Hofe auf und ab ging, und dieser verschluckte mit den freundlichsten Blicken von der Welt alle jene jungen Enten, eine nach der andern, als wären es ebenso viele Austern gewesen."
Eigentlich gefräßig kann man den Strauß übrigens nicht nennen; denn die Nahrungsmenge, welche er verzehrt, steht keineswegs außer Verhältniß zu seiner Größe. Für eine gewisse Genügsamkeit spricht schon sein Aufenthalt in Gegenden, welche so arm sind, daß man es oft nicht begreift, wie sich der große Vogel überhaupt ernähren kann. Sein Gebahren beim Fressen erscheint gierig, ohne es eigentlich zu sein. Dagegen nimmt der Strauß tagtäglich eine bedeutende Wassermenge zu sich. Es ist wahrscheinlich, daß auch er, wie das Kamel, mehrere Tage lang dursten kann; in der Regel aber findet er sich tagtäglich an Quellen oder Wasserlachen ein und vergißt, wenn ihn der Durst arg zusetzt, sogar die ihm sonst eigene Scheu. "Wenn Strauße an einer Quelle trinken", sagt Ander- son, "scheinen sie weder zu hören, noch zu sehen. Während unsers Aufenthaltes an einer solchen, wo ich in kurzer Zeit acht dieser prächtigen Vögel tödtete, erschienen sie regelmäßig jeden Mittag, und, obwohl ich mich nicht an sie heranschleichen konnte, ohne von ihnen gesehen zu werden, ließen sie mich doch in Schußweite kommen und zogen sich noch Schritt für Schritt zurück." Genau Dasselbe haben mir die Araber erzählt, und nach Beobachtungen an Gefangenen scheint mir die Angabe glaub- würdig. Ob mit dieser Menge von Getränk in Verbindung steht, daß der Strauß harnt, wie es sonst kein anderer Vogel thut, lasse ich dahingestellt sein.
Ueber die Fortpflanzung sind wir erst durch die Beobachtungen, welche an gefangenen Straußen angestellt werden konnten, unterrichtet worden. Jn allen früheren Berichten vermischen sich Wahrheit und Dichtung. Der alte Sparmann ist der erste Naturforscher, welcher aus eigner Anschauung eine wahrheitsgetreue Schilderung gibt; aber auch er läßt sich durch Mittheilungen der Eingebornen beirren. "Heute", so erzählt er, "scheuchten wir einen Strauß und zwar ein Männchen vom Neste, welches er mitten auf dem freien Felde hatte, das indessen aus Nichts weiter bestand, als aus dem Erdboden, auf dem die Eier lose und frei lagen. Der Strauß läßt also seine Eier nicht liegen, damit sie von der Sonne allein ausgebrütet werden, sondern er sitzt sie aus, zum wenigsten thut er Dies in diesem Theile von Afrika. Es erhellt aus jenem Umstande, daß Männchen und Weibchen abwechselnd brüten. ... Die eigentliche Zahl der Eier, welche die Strauße jedesmal legen, getraue ich mir nicht genau zu bestimmen. Derjenigen, welche wir jetzt antrafen, waren nur elf; sie waren alle frisch und sollten vermuthlich mit verschiedenen vermehrt werden; denn ein anderes Mal jagten zwei meiner Hottentotten wieder einen Strauß auf und nahmen vierzehn Eier aus dem Neste, von denen sie mir die meisten brachten, die übrigen aber liegen ließen, weil sie solche nicht frisch hielten. Wahrscheinlich legt also der Strauß sechszehn, achtzehn oder zwanzig Eier." Lichtenstein beschreibt das Brutgeschäft ausführlicher. Nachdem er angegeben hat, daß während der Brutzeit nie mehr als vier bis fünf Strauße, ein Hahn und drei bis vier Hennen beisammen leben, sagt er: "Alle die Hennen legen ihre Eier in ein und dasselbe Nest, welches aus nichts weiter besteht, als aus einer runden Vertiefung in dem etwas aufgelockerten Thonboden, welche so groß ist, daß sie sie beim Brüten eben bedecken können. Rund umher scharren sie mit den Füßen eine Art von Wall, gegen welchen sich die Eier im äußersten Kreise anlehnen. Jedes Ei im Neste steht auf der Spitze, damit ihrer die größtmöglichste Zahl Platz finde. Sobald zehn bis zwölf Eier in dem Neste sind, fangen sie an zu brüten und zwar abwechselnd, indem am Tage sich die Hennen einander ablösen; bei Nacht aber brütet das Männchen allein, um die Angriffe des Schakals und der wilden Katzen abwehren zu können, die den Eiern gierig nachstellen. Man hat häufig solche kleine Raubthiere erschlagen neben den Nestern gefunden, ein Beweis, daß die Strauße sich nicht nur mit ihnen in einen Kampf einlassen, sondern sie auch zu besiegen wissen. Ein Schlag mit ihren plumpen Füßen ist hinreichend, ein solches Thier zu Boden zu strecken."
Die Läufer. Kurzflügler. Strauße.
gebracht und führte ſie mit mütterlichem Stolze im Hühnerhofe hin und her. Aber da trafen ſie auf den Strauß, welcher mit feierlichen Schritten im Hofe auf und ab ging, und dieſer verſchluckte mit den freundlichſten Blicken von der Welt alle jene jungen Enten, eine nach der andern, als wären es ebenſo viele Auſtern geweſen.“
Eigentlich gefräßig kann man den Strauß übrigens nicht nennen; denn die Nahrungsmenge, welche er verzehrt, ſteht keineswegs außer Verhältniß zu ſeiner Größe. Für eine gewiſſe Genügſamkeit ſpricht ſchon ſein Aufenthalt in Gegenden, welche ſo arm ſind, daß man es oft nicht begreift, wie ſich der große Vogel überhaupt ernähren kann. Sein Gebahren beim Freſſen erſcheint gierig, ohne es eigentlich zu ſein. Dagegen nimmt der Strauß tagtäglich eine bedeutende Waſſermenge zu ſich. Es iſt wahrſcheinlich, daß auch er, wie das Kamel, mehrere Tage lang durſten kann; in der Regel aber findet er ſich tagtäglich an Quellen oder Waſſerlachen ein und vergißt, wenn ihn der Durſt arg zuſetzt, ſogar die ihm ſonſt eigene Scheu. „Wenn Strauße an einer Quelle trinken“, ſagt Ander- ſon, „ſcheinen ſie weder zu hören, noch zu ſehen. Während unſers Aufenthaltes an einer ſolchen, wo ich in kurzer Zeit acht dieſer prächtigen Vögel tödtete, erſchienen ſie regelmäßig jeden Mittag, und, obwohl ich mich nicht an ſie heranſchleichen konnte, ohne von ihnen geſehen zu werden, ließen ſie mich doch in Schußweite kommen und zogen ſich noch Schritt für Schritt zurück.“ Genau Daſſelbe haben mir die Araber erzählt, und nach Beobachtungen an Gefangenen ſcheint mir die Angabe glaub- würdig. Ob mit dieſer Menge von Getränk in Verbindung ſteht, daß der Strauß harnt, wie es ſonſt kein anderer Vogel thut, laſſe ich dahingeſtellt ſein.
Ueber die Fortpflanzung ſind wir erſt durch die Beobachtungen, welche an gefangenen Straußen angeſtellt werden konnten, unterrichtet worden. Jn allen früheren Berichten vermiſchen ſich Wahrheit und Dichtung. Der alte Sparmann iſt der erſte Naturforſcher, welcher aus eigner Anſchauung eine wahrheitsgetreue Schilderung gibt; aber auch er läßt ſich durch Mittheilungen der Eingebornen beirren. „Heute“, ſo erzählt er, „ſcheuchten wir einen Strauß und zwar ein Männchen vom Neſte, welches er mitten auf dem freien Felde hatte, das indeſſen aus Nichts weiter beſtand, als aus dem Erdboden, auf dem die Eier loſe und frei lagen. Der Strauß läßt alſo ſeine Eier nicht liegen, damit ſie von der Sonne allein ausgebrütet werden, ſondern er ſitzt ſie aus, zum wenigſten thut er Dies in dieſem Theile von Afrika. Es erhellt aus jenem Umſtande, daß Männchen und Weibchen abwechſelnd brüten. ... Die eigentliche Zahl der Eier, welche die Strauße jedesmal legen, getraue ich mir nicht genau zu beſtimmen. Derjenigen, welche wir jetzt antrafen, waren nur elf; ſie waren alle friſch und ſollten vermuthlich mit verſchiedenen vermehrt werden; denn ein anderes Mal jagten zwei meiner Hottentotten wieder einen Strauß auf und nahmen vierzehn Eier aus dem Neſte, von denen ſie mir die meiſten brachten, die übrigen aber liegen ließen, weil ſie ſolche nicht friſch hielten. Wahrſcheinlich legt alſo der Strauß ſechszehn, achtzehn oder zwanzig Eier.“ Lichtenſtein beſchreibt das Brutgeſchäft ausführlicher. Nachdem er angegeben hat, daß während der Brutzeit nie mehr als vier bis fünf Strauße, ein Hahn und drei bis vier Hennen beiſammen leben, ſagt er: „Alle die Hennen legen ihre Eier in ein und daſſelbe Neſt, welches aus nichts weiter beſteht, als aus einer runden Vertiefung in dem etwas aufgelockerten Thonboden, welche ſo groß iſt, daß ſie ſie beim Brüten eben bedecken können. Rund umher ſcharren ſie mit den Füßen eine Art von Wall, gegen welchen ſich die Eier im äußerſten Kreiſe anlehnen. Jedes Ei im Neſte ſteht auf der Spitze, damit ihrer die größtmöglichſte Zahl Platz finde. Sobald zehn bis zwölf Eier in dem Neſte ſind, fangen ſie an zu brüten und zwar abwechſelnd, indem am Tage ſich die Hennen einander ablöſen; bei Nacht aber brütet das Männchen allein, um die Angriffe des Schakals und der wilden Katzen abwehren zu können, die den Eiern gierig nachſtellen. Man hat häufig ſolche kleine Raubthiere erſchlagen neben den Neſtern gefunden, ein Beweis, daß die Strauße ſich nicht nur mit ihnen in einen Kampf einlaſſen, ſondern ſie auch zu beſiegen wiſſen. Ein Schlag mit ihren plumpen Füßen iſt hinreichend, ein ſolches Thier zu Boden zu ſtrecken.“
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Die Läufer. Kurzflügler. Strauße.
gebracht und führte ſie mit mütterlichem Stolze im Hühnerhofe hin und her. Aber da trafen ſie auf
den Strauß, welcher mit feierlichen Schritten im Hofe auf und ab ging, und dieſer verſchluckte mit den
freundlichſten Blicken von der Welt alle jene jungen Enten, eine nach der andern, als wären es ebenſo
viele Auſtern geweſen.“
Eigentlich gefräßig kann man den Strauß übrigens nicht nennen; denn die Nahrungsmenge,
welche er verzehrt, ſteht keineswegs außer Verhältniß zu ſeiner Größe. Für eine gewiſſe Genügſamkeit
ſpricht ſchon ſein Aufenthalt in Gegenden, welche ſo arm ſind, daß man es oft nicht begreift, wie ſich
der große Vogel überhaupt ernähren kann. Sein Gebahren beim Freſſen erſcheint gierig, ohne es
eigentlich zu ſein. Dagegen nimmt der Strauß tagtäglich eine bedeutende Waſſermenge zu ſich. Es
iſt wahrſcheinlich, daß auch er, wie das Kamel, mehrere Tage lang durſten kann; in der Regel aber
findet er ſich tagtäglich an Quellen oder Waſſerlachen ein und vergißt, wenn ihn der Durſt arg
zuſetzt, ſogar die ihm ſonſt eigene Scheu. „Wenn Strauße an einer Quelle trinken“, ſagt Ander-
ſon, „ſcheinen ſie weder zu hören, noch zu ſehen. Während unſers Aufenthaltes an einer ſolchen,
wo ich in kurzer Zeit acht dieſer prächtigen Vögel tödtete, erſchienen ſie regelmäßig jeden Mittag, und,
obwohl ich mich nicht an ſie heranſchleichen konnte, ohne von ihnen geſehen zu werden, ließen ſie mich
doch in Schußweite kommen und zogen ſich noch Schritt für Schritt zurück.“ Genau Daſſelbe haben
mir die Araber erzählt, und nach Beobachtungen an Gefangenen ſcheint mir die Angabe glaub-
würdig. Ob mit dieſer Menge von Getränk in Verbindung ſteht, daß der Strauß harnt, wie es
ſonſt kein anderer Vogel thut, laſſe ich dahingeſtellt ſein.
Ueber die Fortpflanzung ſind wir erſt durch die Beobachtungen, welche an gefangenen Straußen
angeſtellt werden konnten, unterrichtet worden. Jn allen früheren Berichten vermiſchen ſich Wahrheit
und Dichtung. Der alte Sparmann iſt der erſte Naturforſcher, welcher aus eigner Anſchauung
eine wahrheitsgetreue Schilderung gibt; aber auch er läßt ſich durch Mittheilungen der Eingebornen
beirren. „Heute“, ſo erzählt er, „ſcheuchten wir einen Strauß und zwar ein Männchen vom Neſte,
welches er mitten auf dem freien Felde hatte, das indeſſen aus Nichts weiter beſtand, als aus dem
Erdboden, auf dem die Eier loſe und frei lagen. Der Strauß läßt alſo ſeine Eier nicht liegen,
damit ſie von der Sonne allein ausgebrütet werden, ſondern er ſitzt ſie aus, zum wenigſten thut er
Dies in dieſem Theile von Afrika. Es erhellt aus jenem Umſtande, daß Männchen und Weibchen
abwechſelnd brüten. ... Die eigentliche Zahl der Eier, welche die Strauße jedesmal legen, getraue
ich mir nicht genau zu beſtimmen. Derjenigen, welche wir jetzt antrafen, waren nur elf; ſie waren
alle friſch und ſollten vermuthlich mit verſchiedenen vermehrt werden; denn ein anderes Mal jagten
zwei meiner Hottentotten wieder einen Strauß auf und nahmen vierzehn Eier aus dem Neſte, von
denen ſie mir die meiſten brachten, die übrigen aber liegen ließen, weil ſie ſolche nicht friſch hielten.
Wahrſcheinlich legt alſo der Strauß ſechszehn, achtzehn oder zwanzig Eier.“ Lichtenſtein beſchreibt
das Brutgeſchäft ausführlicher. Nachdem er angegeben hat, daß während der Brutzeit nie mehr als
vier bis fünf Strauße, ein Hahn und drei bis vier Hennen beiſammen leben, ſagt er: „Alle die
Hennen legen ihre Eier in ein und daſſelbe Neſt, welches aus nichts weiter beſteht, als aus einer
runden Vertiefung in dem etwas aufgelockerten Thonboden, welche ſo groß iſt, daß ſie ſie beim Brüten
eben bedecken können. Rund umher ſcharren ſie mit den Füßen eine Art von Wall, gegen welchen ſich
die Eier im äußerſten Kreiſe anlehnen. Jedes Ei im Neſte ſteht auf der Spitze, damit ihrer die
größtmöglichſte Zahl Platz finde. Sobald zehn bis zwölf Eier in dem Neſte ſind, fangen ſie an zu
brüten und zwar abwechſelnd, indem am Tage ſich die Hennen einander ablöſen; bei Nacht aber
brütet das Männchen allein, um die Angriffe des Schakals und der wilden Katzen abwehren zu können,
die den Eiern gierig nachſtellen. Man hat häufig ſolche kleine Raubthiere erſchlagen neben den
Neſtern gefunden, ein Beweis, daß die Strauße ſich nicht nur mit ihnen in einen Kampf einlaſſen,
ſondern ſie auch zu beſiegen wiſſen. Ein Schlag mit ihren plumpen Füßen iſt hinreichend, ein
ſolches Thier zu Boden zu ſtrecken.“
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 526. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/556>, abgerufen am 22.11.2024.
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