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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Strauß.

"Jndessen legen die Hennen während des Brütens immerfort und nicht nur bis das Nest voll
ist, welcher Fall eintritt, sobald dreißig Eier darin sind, sondern auch nachher. Diese später gelegten
Eier liegen unordentlich um das Nest herum und scheinen von der Natur dazu bestimmt, die Raub-
sucht der oben genannten Feinde zu befriedigen, denen sie lieber diese frischen Eier, als die schon
bebrüteten preisgeben will. Jndessen haben sie noch eine wichtigere Bestimmung, die nämlich, die
jungen Strauße, die gleich, wenn sie ausgekrochen sind, schon die Größe eines gewöhnlichen Hahnes
haben und deren zarte Magen doch nicht gleich das harte Futter der Alten vertragen, zur ersten
Nahrung zu dienen. Die Alten selbst zertreten ihnen eins dieser Eier nach einander und bringen sie
durch dieses nahrhafte Futter in kurzer Zeit soweit, daß sie selbst im Stande sind, sich im Felde ihre
Nahrung zu suchen."

"Besonders sorgfältig suchen die Strauße den Ort zu verheimlichen, wo sie ihr Nest angelegt
haben. Sie laufen nie gerade darauf zu, sondern pflegen es erst in weiten Bogen zu umkreisen.
Ferner lösen sich die Weibchen im Brüten entweder nicht unmittelbar ab, und entfernen sich erst beide
aus der Gegend des Nestes, damit man nicht gewahr werde, wo sie sich legen, oder sie wechseln so
schnell, daß der etwaige Späher nie beide zugleich zu sehen bekommt. Am Tage verlassen sie das
Nest auch wohl ganz und überlassen der Sonne das Geschäft des Brütens, sobald sie bemerken, daß
ihr Nest entdeckt ist und daß ein Mensch oder ein Raubthier dabei gewesen, die Lage der Eier ver-
ändert, oder wohl gar davon mitgenommen, zerstören sie es augenblicklich selbst, zertreten alle Eier
und legen an einem anderen Orte ihr Nest an. Wenn daher die Ansiedler ein Nest finden, pflegen
sie sich mit einem oder ein Paar der umherliegenden, noch nicht bebrüteten Eier zu begnügen, scharren
mit einem Strauche die Spuren ihrer Fußtritte wieder zu und können auf diese Art ein solches Nest
zu einer wahren Vorrathskammer eines sehr angenehmen Nahrungsmittels machen, aus welcher alle
zwei bis drei Tage soviel geholt werden kann, als die Haushaltung davon bedarf. ... Jn den
Wintermonaten (Juli, August, September) findet man die Straußennester am häufigsten, und dann
taugen die Federn, die beim Brüten viel auf der Erde abgestoßen und beschädigt werden, am wenigsten.
Jndessen habe ich zu allen Jahreszeiten Nester und bebrütete Eier gefunden." Dieser Bericht,
welcher sich theils auf eigene Beobachtung, zum größeren Theile aber wohl auf die Erzählung der
Südafrikaner gründet, findet sich nicht nur in den meisten Reisebeschreibungen wieder, sondern ist auch
in alle Naturgeschichten übergegangen; er enthält aber, wie wir jetzt wissen, viel Unrichtiges.

Versucht man, die Spreu vom Weizen zu sondern, so ergibt sich, daß allerdings mehrere Hennen
in ein und dasselbe Nest legen, daß aber nicht sie, sondern der Strauß brütet, und jene höchst aus-
nahmsweise an diesem Geschäfte sich betheiligen. Je nach der Gegend tritt die Brutzeit früher oder
später ein, immer und überall aber kurz vor Beginn des Frühlings, welcher das Weidegebiet der
jungen Brut ergiebig macht. Die Eier werden während der Nacht regelmäßig bebrütet, bei Tage
ohne Schaden für sie stundenlang verlassen, dann aber gewöhnlich mit Sand zugedeckt. Letzteres
wurde mir von den Beduinen erzählt und durch Tristram selbst beobachtet. "Einmal, aber auch
nur einmal", sagt dieser verläßliche Forscher, "hatte ich das Glück, ein Straußennest auszunehmen.
Mit Hilfe unserer Ferngläser beobachteten wir zwei Vögel, welche längere Zeit auf ein und derselben
Stelle standen und fühlten uns veranlaßt, dahin zu reiten. Nachdem wir die schwer zu verfolgende
Fährte aufgefunden hatten, ritten wir zur Stelle, auf welcher wir die Strauße hatten stehen sehen,
und fanden dort den Sand niedergetrampelt. Zwei Araber begannen mit ihren Händen zu wühlen
und brachten bald vier frische Eier aus einer Tiefe von ungefähr einem Fuß unter der Oberfläche zum
Vorschein." Die Eier selbst sind verschieden groß, erklärlicher Weise aber die größten von allen
Vögeleiern. Jhre Gestalt ist schön eiförmig, an beiden Enden fast gleich abgerundet, die glänzende
Schale sehr hart und dick, die Färbung gilblichweiß mit hellgelblicher, marmorartiger Zeichnung.
Das Gewicht beträgt nach Hardy's Untersuchung im Durchschnitt 1442 Kilogramme, ebensoviel
wie die von vierundzwanzig Eiern des Haushuhnes. Der Dotter ist sehr schmackhaft, obschon er dem
des Haushuhnes nicht gleichkommt. Die Eier, welche man ums Nest herum findet, haben schwerlich

Strauß.

„Jndeſſen legen die Hennen während des Brütens immerfort und nicht nur bis das Neſt voll
iſt, welcher Fall eintritt, ſobald dreißig Eier darin ſind, ſondern auch nachher. Dieſe ſpäter gelegten
Eier liegen unordentlich um das Neſt herum und ſcheinen von der Natur dazu beſtimmt, die Raub-
ſucht der oben genannten Feinde zu befriedigen, denen ſie lieber dieſe friſchen Eier, als die ſchon
bebrüteten preisgeben will. Jndeſſen haben ſie noch eine wichtigere Beſtimmung, die nämlich, die
jungen Strauße, die gleich, wenn ſie ausgekrochen ſind, ſchon die Größe eines gewöhnlichen Hahnes
haben und deren zarte Magen doch nicht gleich das harte Futter der Alten vertragen, zur erſten
Nahrung zu dienen. Die Alten ſelbſt zertreten ihnen eins dieſer Eier nach einander und bringen ſie
durch dieſes nahrhafte Futter in kurzer Zeit ſoweit, daß ſie ſelbſt im Stande ſind, ſich im Felde ihre
Nahrung zu ſuchen.“

„Beſonders ſorgfältig ſuchen die Strauße den Ort zu verheimlichen, wo ſie ihr Neſt angelegt
haben. Sie laufen nie gerade darauf zu, ſondern pflegen es erſt in weiten Bogen zu umkreiſen.
Ferner löſen ſich die Weibchen im Brüten entweder nicht unmittelbar ab, und entfernen ſich erſt beide
aus der Gegend des Neſtes, damit man nicht gewahr werde, wo ſie ſich legen, oder ſie wechſeln ſo
ſchnell, daß der etwaige Späher nie beide zugleich zu ſehen bekommt. Am Tage verlaſſen ſie das
Neſt auch wohl ganz und überlaſſen der Sonne das Geſchäft des Brütens, ſobald ſie bemerken, daß
ihr Neſt entdeckt iſt und daß ein Menſch oder ein Raubthier dabei geweſen, die Lage der Eier ver-
ändert, oder wohl gar davon mitgenommen, zerſtören ſie es augenblicklich ſelbſt, zertreten alle Eier
und legen an einem anderen Orte ihr Neſt an. Wenn daher die Anſiedler ein Neſt finden, pflegen
ſie ſich mit einem oder ein Paar der umherliegenden, noch nicht bebrüteten Eier zu begnügen, ſcharren
mit einem Strauche die Spuren ihrer Fußtritte wieder zu und können auf dieſe Art ein ſolches Neſt
zu einer wahren Vorrathskammer eines ſehr angenehmen Nahrungsmittels machen, aus welcher alle
zwei bis drei Tage ſoviel geholt werden kann, als die Haushaltung davon bedarf. ... Jn den
Wintermonaten (Juli, Auguſt, September) findet man die Straußenneſter am häufigſten, und dann
taugen die Federn, die beim Brüten viel auf der Erde abgeſtoßen und beſchädigt werden, am wenigſten.
Jndeſſen habe ich zu allen Jahreszeiten Neſter und bebrütete Eier gefunden.“ Dieſer Bericht,
welcher ſich theils auf eigene Beobachtung, zum größeren Theile aber wohl auf die Erzählung der
Südafrikaner gründet, findet ſich nicht nur in den meiſten Reiſebeſchreibungen wieder, ſondern iſt auch
in alle Naturgeſchichten übergegangen; er enthält aber, wie wir jetzt wiſſen, viel Unrichtiges.

Verſucht man, die Spreu vom Weizen zu ſondern, ſo ergibt ſich, daß allerdings mehrere Hennen
in ein und daſſelbe Neſt legen, daß aber nicht ſie, ſondern der Strauß brütet, und jene höchſt aus-
nahmsweiſe an dieſem Geſchäfte ſich betheiligen. Je nach der Gegend tritt die Brutzeit früher oder
ſpäter ein, immer und überall aber kurz vor Beginn des Frühlings, welcher das Weidegebiet der
jungen Brut ergiebig macht. Die Eier werden während der Nacht regelmäßig bebrütet, bei Tage
ohne Schaden für ſie ſtundenlang verlaſſen, dann aber gewöhnlich mit Sand zugedeckt. Letzteres
wurde mir von den Beduinen erzählt und durch Triſtram ſelbſt beobachtet. „Einmal, aber auch
nur einmal“, ſagt dieſer verläßliche Forſcher, „hatte ich das Glück, ein Straußenneſt auszunehmen.
Mit Hilfe unſerer Ferngläſer beobachteten wir zwei Vögel, welche längere Zeit auf ein und derſelben
Stelle ſtanden und fühlten uns veranlaßt, dahin zu reiten. Nachdem wir die ſchwer zu verfolgende
Fährte aufgefunden hatten, ritten wir zur Stelle, auf welcher wir die Strauße hatten ſtehen ſehen,
und fanden dort den Sand niedergetrampelt. Zwei Araber begannen mit ihren Händen zu wühlen
und brachten bald vier friſche Eier aus einer Tiefe von ungefähr einem Fuß unter der Oberfläche zum
Vorſchein.“ Die Eier ſelbſt ſind verſchieden groß, erklärlicher Weiſe aber die größten von allen
Vögeleiern. Jhre Geſtalt iſt ſchön eiförmig, an beiden Enden faſt gleich abgerundet, die glänzende
Schale ſehr hart und dick, die Färbung gilblichweiß mit hellgelblicher, marmorartiger Zeichnung.
Das Gewicht beträgt nach Hardy’s Unterſuchung im Durchſchnitt 1442 Kilogramme, ebenſoviel
wie die von vierundzwanzig Eiern des Haushuhnes. Der Dotter iſt ſehr ſchmackhaft, obſchon er dem
des Haushuhnes nicht gleichkommt. Die Eier, welche man ums Neſt herum findet, haben ſchwerlich

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[527/0557] Strauß. „Jndeſſen legen die Hennen während des Brütens immerfort und nicht nur bis das Neſt voll iſt, welcher Fall eintritt, ſobald dreißig Eier darin ſind, ſondern auch nachher. Dieſe ſpäter gelegten Eier liegen unordentlich um das Neſt herum und ſcheinen von der Natur dazu beſtimmt, die Raub- ſucht der oben genannten Feinde zu befriedigen, denen ſie lieber dieſe friſchen Eier, als die ſchon bebrüteten preisgeben will. Jndeſſen haben ſie noch eine wichtigere Beſtimmung, die nämlich, die jungen Strauße, die gleich, wenn ſie ausgekrochen ſind, ſchon die Größe eines gewöhnlichen Hahnes haben und deren zarte Magen doch nicht gleich das harte Futter der Alten vertragen, zur erſten Nahrung zu dienen. Die Alten ſelbſt zertreten ihnen eins dieſer Eier nach einander und bringen ſie durch dieſes nahrhafte Futter in kurzer Zeit ſoweit, daß ſie ſelbſt im Stande ſind, ſich im Felde ihre Nahrung zu ſuchen.“ „Beſonders ſorgfältig ſuchen die Strauße den Ort zu verheimlichen, wo ſie ihr Neſt angelegt haben. Sie laufen nie gerade darauf zu, ſondern pflegen es erſt in weiten Bogen zu umkreiſen. Ferner löſen ſich die Weibchen im Brüten entweder nicht unmittelbar ab, und entfernen ſich erſt beide aus der Gegend des Neſtes, damit man nicht gewahr werde, wo ſie ſich legen, oder ſie wechſeln ſo ſchnell, daß der etwaige Späher nie beide zugleich zu ſehen bekommt. Am Tage verlaſſen ſie das Neſt auch wohl ganz und überlaſſen der Sonne das Geſchäft des Brütens, ſobald ſie bemerken, daß ihr Neſt entdeckt iſt und daß ein Menſch oder ein Raubthier dabei geweſen, die Lage der Eier ver- ändert, oder wohl gar davon mitgenommen, zerſtören ſie es augenblicklich ſelbſt, zertreten alle Eier und legen an einem anderen Orte ihr Neſt an. Wenn daher die Anſiedler ein Neſt finden, pflegen ſie ſich mit einem oder ein Paar der umherliegenden, noch nicht bebrüteten Eier zu begnügen, ſcharren mit einem Strauche die Spuren ihrer Fußtritte wieder zu und können auf dieſe Art ein ſolches Neſt zu einer wahren Vorrathskammer eines ſehr angenehmen Nahrungsmittels machen, aus welcher alle zwei bis drei Tage ſoviel geholt werden kann, als die Haushaltung davon bedarf. ... Jn den Wintermonaten (Juli, Auguſt, September) findet man die Straußenneſter am häufigſten, und dann taugen die Federn, die beim Brüten viel auf der Erde abgeſtoßen und beſchädigt werden, am wenigſten. Jndeſſen habe ich zu allen Jahreszeiten Neſter und bebrütete Eier gefunden.“ Dieſer Bericht, welcher ſich theils auf eigene Beobachtung, zum größeren Theile aber wohl auf die Erzählung der Südafrikaner gründet, findet ſich nicht nur in den meiſten Reiſebeſchreibungen wieder, ſondern iſt auch in alle Naturgeſchichten übergegangen; er enthält aber, wie wir jetzt wiſſen, viel Unrichtiges. Verſucht man, die Spreu vom Weizen zu ſondern, ſo ergibt ſich, daß allerdings mehrere Hennen in ein und daſſelbe Neſt legen, daß aber nicht ſie, ſondern der Strauß brütet, und jene höchſt aus- nahmsweiſe an dieſem Geſchäfte ſich betheiligen. Je nach der Gegend tritt die Brutzeit früher oder ſpäter ein, immer und überall aber kurz vor Beginn des Frühlings, welcher das Weidegebiet der jungen Brut ergiebig macht. Die Eier werden während der Nacht regelmäßig bebrütet, bei Tage ohne Schaden für ſie ſtundenlang verlaſſen, dann aber gewöhnlich mit Sand zugedeckt. Letzteres wurde mir von den Beduinen erzählt und durch Triſtram ſelbſt beobachtet. „Einmal, aber auch nur einmal“, ſagt dieſer verläßliche Forſcher, „hatte ich das Glück, ein Straußenneſt auszunehmen. Mit Hilfe unſerer Ferngläſer beobachteten wir zwei Vögel, welche längere Zeit auf ein und derſelben Stelle ſtanden und fühlten uns veranlaßt, dahin zu reiten. Nachdem wir die ſchwer zu verfolgende Fährte aufgefunden hatten, ritten wir zur Stelle, auf welcher wir die Strauße hatten ſtehen ſehen, und fanden dort den Sand niedergetrampelt. Zwei Araber begannen mit ihren Händen zu wühlen und brachten bald vier friſche Eier aus einer Tiefe von ungefähr einem Fuß unter der Oberfläche zum Vorſchein.“ Die Eier ſelbſt ſind verſchieden groß, erklärlicher Weiſe aber die größten von allen Vögeleiern. Jhre Geſtalt iſt ſchön eiförmig, an beiden Enden faſt gleich abgerundet, die glänzende Schale ſehr hart und dick, die Färbung gilblichweiß mit hellgelblicher, marmorartiger Zeichnung. Das Gewicht beträgt nach Hardy’s Unterſuchung im Durchſchnitt 1442 Kilogramme, ebenſoviel wie die von vierundzwanzig Eiern des Haushuhnes. Der Dotter iſt ſehr ſchmackhaft, obſchon er dem des Haushuhnes nicht gleichkommt. Die Eier, welche man ums Neſt herum findet, haben ſchwerlich

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/557>, abgerufen am 22.11.2024.