graues Dunenkleid mit dunklen Längsstreifen, hatte etwa die Größe eines starken Rebhuhnes, aber selbstverständlich längere Beine und einen verhältnißmäßig langen Hals.
Auch in Südamerika ist die Ansicht ziemlich allgemein verbreitet, daß die Findlinge zu der ersten Nahrung der Jungen dienen. Dobritzhofer erzählt, daß die Küchlein von dem Männchen geäzt werden und zunächst die von diesem aufgeschlagenen Eier fressen. Der Prinz sagt, daß das Zer- brechen derselben nur deshalb geschieht, um Bremsen und Fliegen herbei zu locken, welche den Jungen zur ersten Nahrung dienen. Böcking bezweifelt die Wahrheit beider Angaben, weil weder ein Natur- forscher, noch ein Beobachter als Zeuge für sie einstehen kann, und die Jungen nach seiner Beobachtung, sobald sie fähig sind, zu stehen, Kerbthiere fangen, an solchen auch während dieser Zeit durchaus kein Mangel ist.
Jn Südamerika schlüpfen die ersten jungen Nandus Anfangs Februar aus, im Norden etwas früher, im Süden später. Sie wachsen erstaunlich rasch; denn sie sind nach zwei Wochen schon anderthalb Fuß hoch. Am dritten oder vierten Tage ihres Lebens soll kein Mensch mehr im Stande sein, sie im freien Felde einzuholen; früher aber ist Dies möglich, weil sie sich, wenn sie gejagt werden, platt auf den Boden drücken. Ungefähr fünf Wochen lang folgen sie dem Vater allein; nach und nach gesellen sich auch wieder die Weibchen zu der Familie. Jm Herbste, also im April oder im Mai, hat der junge Nandu sein Flaumenkleid schon mit dem ersten, schmuzig gelbgrauen Federkleide ver- tauscht. Die jungen Hähne lassen sich an ihrem stärkeren Wuchse bald unterscheiden; in jeder Herde aber findet man einige Küchlein, welche verkümmert, d. h. sehr klein sind.
Böcking nimmt an, daß man die Lebensdauer des Nandu auf vierzehn bis funfzehn Jahre schätzen könne, und glaubt, daß viele von ihnen an Altersschwäche sterben, da er zur Winterszeit öfters einzelne antraf, welche im Verenden waren, aber keine Spur äußerer Verletzung oder innerer Vergiftung an sich trugen. Unter den Thieren hat der Nandu eigentlich keine Feinde. Es wird zwar hier und da ein Erwachsener die Beute des Kuguars und das Junge auch wohl von einem Fuchse oder Adler weggenommen; diese Fälle dürften jedoch selten sein, nicht einmal das Zerstören des Nestes oft vorkommen. Spaßhaft ist die Abneigung, welche der amerikanische Sporenkiebitz gegen den Strauß hat, obgleich dieser ihm gewiß niemals ein Leid zufügt. Nähert sich ein Nandu dem Stande eines solchen Kiebitzpaares, so stoßen beide Gatten unter unaufhörlichem Geschrei wie Krähen auf einen Falken herab. Eine Zeitlang unterhält Dies den Riesen; er weicht durch Seiten- sprünge und Flügelschwenken den Stößen aus; nach und nach aber wird ihm die Hartnäckigkeit seiner Quäler doch lästig, und er entfernt sich, wenn auch nicht, ohne von ihnen noch eine Strecke Weges höhnend verfolgt zu werden. Empfindlicher plagt ihn eine ihm eigenthümliche Zecke und ein Ein- geweidewurm, welchen man zu jeder Zeit des Jahres bei ihm zwischen Haut und Muskelfleisch, bündelsörmig wie Suppennudeln zusammengerollt, findet. Das Feuer und der Mensch sind die gefährlichsten Feinde des Nandu. Gerade zur Zeit, wenn die Vögel brüten, pflegen die Hirten bei frischem Winde die Steppe anzuzünden, um das vorjährige trockne Stroh zu entfernen. Ein solcher Steppenbrand scheucht alle Thiere in die feuchten Niederungen, zerstört sehr viele schädliche, aber auch eine Masse von Nestern der verschiedenen Erdbrüter. Der Steppenbewohner sammelt ohne Rücksicht alle Nandueier, deren er habhaft werden kann; die Gauchos haben sich besondere Kunstgriffe angeeignet, um alle Eier eines Straußennestes, ohne daß ein einziges zerbricht, nach Hause zu bringen. Ein solches Ei wird funfzehn Hühnereiern gleichgeschätzt und von den Eingebornen sehr gern gegessen. Man öffnet die Spitze, gießt das Weiße, welches einen groben Geschmack besitzt, ab, thut etwas Fett, Pfeffer und Salz ins Jnnere und kocht den Dotter dann in der eignen Schale unter beständigem Umrühren. Um ein Ei im Wasser hart zu sieden, wie die Europäer gewöhnlich thun, bedarf es vierzig Minuten Zeit. Uebrigens ist das Ei zu allen Küchenzwecken dienlich; hält sich aber nicht lange, geht rasch in Fäulniß über und platzt dann entweder mit einem Knall, oder wird von kleinen Würmern, welche durch die Poren der Schale eindringen, ausgefressen. Das Wildpret ist grob wie Pferdefleisch, hat auch die Färbung des letzteren, wird aber doch von den Jndianern gegessen, während
Die Läufer. Kurzflügler. Strauße.
graues Dunenkleid mit dunklen Längsſtreifen, hatte etwa die Größe eines ſtarken Rebhuhnes, aber ſelbſtverſtändlich längere Beine und einen verhältnißmäßig langen Hals.
Auch in Südamerika iſt die Anſicht ziemlich allgemein verbreitet, daß die Findlinge zu der erſten Nahrung der Jungen dienen. Dobritzhofer erzählt, daß die Küchlein von dem Männchen geäzt werden und zunächſt die von dieſem aufgeſchlagenen Eier freſſen. Der Prinz ſagt, daß das Zer- brechen derſelben nur deshalb geſchieht, um Bremſen und Fliegen herbei zu locken, welche den Jungen zur erſten Nahrung dienen. Böcking bezweifelt die Wahrheit beider Angaben, weil weder ein Natur- forſcher, noch ein Beobachter als Zeuge für ſie einſtehen kann, und die Jungen nach ſeiner Beobachtung, ſobald ſie fähig ſind, zu ſtehen, Kerbthiere fangen, an ſolchen auch während dieſer Zeit durchaus kein Mangel iſt.
Jn Südamerika ſchlüpfen die erſten jungen Nandus Anfangs Februar aus, im Norden etwas früher, im Süden ſpäter. Sie wachſen erſtaunlich raſch; denn ſie ſind nach zwei Wochen ſchon anderthalb Fuß hoch. Am dritten oder vierten Tage ihres Lebens ſoll kein Menſch mehr im Stande ſein, ſie im freien Felde einzuholen; früher aber iſt Dies möglich, weil ſie ſich, wenn ſie gejagt werden, platt auf den Boden drücken. Ungefähr fünf Wochen lang folgen ſie dem Vater allein; nach und nach geſellen ſich auch wieder die Weibchen zu der Familie. Jm Herbſte, alſo im April oder im Mai, hat der junge Nandu ſein Flaumenkleid ſchon mit dem erſten, ſchmuzig gelbgrauen Federkleide ver- tauſcht. Die jungen Hähne laſſen ſich an ihrem ſtärkeren Wuchſe bald unterſcheiden; in jeder Herde aber findet man einige Küchlein, welche verkümmert, d. h. ſehr klein ſind.
Böcking nimmt an, daß man die Lebensdauer des Nandu auf vierzehn bis funfzehn Jahre ſchätzen könne, und glaubt, daß viele von ihnen an Altersſchwäche ſterben, da er zur Winterszeit öfters einzelne antraf, welche im Verenden waren, aber keine Spur äußerer Verletzung oder innerer Vergiftung an ſich trugen. Unter den Thieren hat der Nandu eigentlich keine Feinde. Es wird zwar hier und da ein Erwachſener die Beute des Kuguars und das Junge auch wohl von einem Fuchſe oder Adler weggenommen; dieſe Fälle dürften jedoch ſelten ſein, nicht einmal das Zerſtören des Neſtes oft vorkommen. Spaßhaft iſt die Abneigung, welche der amerikaniſche Sporenkiebitz gegen den Strauß hat, obgleich dieſer ihm gewiß niemals ein Leid zufügt. Nähert ſich ein Nandu dem Stande eines ſolchen Kiebitzpaares, ſo ſtoßen beide Gatten unter unaufhörlichem Geſchrei wie Krähen auf einen Falken herab. Eine Zeitlang unterhält Dies den Rieſen; er weicht durch Seiten- ſprünge und Flügelſchwenken den Stößen aus; nach und nach aber wird ihm die Hartnäckigkeit ſeiner Quäler doch läſtig, und er entfernt ſich, wenn auch nicht, ohne von ihnen noch eine Strecke Weges höhnend verfolgt zu werden. Empfindlicher plagt ihn eine ihm eigenthümliche Zecke und ein Ein- geweidewurm, welchen man zu jeder Zeit des Jahres bei ihm zwiſchen Haut und Muskelfleiſch, bündelſörmig wie Suppennudeln zuſammengerollt, findet. Das Feuer und der Menſch ſind die gefährlichſten Feinde des Nandu. Gerade zur Zeit, wenn die Vögel brüten, pflegen die Hirten bei friſchem Winde die Steppe anzuzünden, um das vorjährige trockne Stroh zu entfernen. Ein ſolcher Steppenbrand ſcheucht alle Thiere in die feuchten Niederungen, zerſtört ſehr viele ſchädliche, aber auch eine Maſſe von Neſtern der verſchiedenen Erdbrüter. Der Steppenbewohner ſammelt ohne Rückſicht alle Nandueier, deren er habhaft werden kann; die Gauchos haben ſich beſondere Kunſtgriffe angeeignet, um alle Eier eines Straußenneſtes, ohne daß ein einziges zerbricht, nach Hauſe zu bringen. Ein ſolches Ei wird funfzehn Hühnereiern gleichgeſchätzt und von den Eingebornen ſehr gern gegeſſen. Man öffnet die Spitze, gießt das Weiße, welches einen groben Geſchmack beſitzt, ab, thut etwas Fett, Pfeffer und Salz ins Jnnere und kocht den Dotter dann in der eignen Schale unter beſtändigem Umrühren. Um ein Ei im Waſſer hart zu ſieden, wie die Europäer gewöhnlich thun, bedarf es vierzig Minuten Zeit. Uebrigens iſt das Ei zu allen Küchenzwecken dienlich; hält ſich aber nicht lange, geht raſch in Fäulniß über und platzt dann entweder mit einem Knall, oder wird von kleinen Würmern, welche durch die Poren der Schale eindringen, ausgefreſſen. Das Wildpret iſt grob wie Pferdefleiſch, hat auch die Färbung des letzteren, wird aber doch von den Jndianern gegeſſen, während
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Die Läufer. Kurzflügler. Strauße.
graues Dunenkleid mit dunklen Längsſtreifen, hatte etwa die Größe eines ſtarken Rebhuhnes,
aber ſelbſtverſtändlich längere Beine und einen verhältnißmäßig langen Hals.
Auch in Südamerika iſt die Anſicht ziemlich allgemein verbreitet, daß die Findlinge zu der erſten
Nahrung der Jungen dienen. Dobritzhofer erzählt, daß die Küchlein von dem Männchen geäzt
werden und zunächſt die von dieſem aufgeſchlagenen Eier freſſen. Der Prinz ſagt, daß das Zer-
brechen derſelben nur deshalb geſchieht, um Bremſen und Fliegen herbei zu locken, welche den Jungen
zur erſten Nahrung dienen. Böcking bezweifelt die Wahrheit beider Angaben, weil weder ein Natur-
forſcher, noch ein Beobachter als Zeuge für ſie einſtehen kann, und die Jungen nach ſeiner Beobachtung,
ſobald ſie fähig ſind, zu ſtehen, Kerbthiere fangen, an ſolchen auch während dieſer Zeit durchaus kein
Mangel iſt.
Jn Südamerika ſchlüpfen die erſten jungen Nandus Anfangs Februar aus, im Norden etwas
früher, im Süden ſpäter. Sie wachſen erſtaunlich raſch; denn ſie ſind nach zwei Wochen ſchon
anderthalb Fuß hoch. Am dritten oder vierten Tage ihres Lebens ſoll kein Menſch mehr im Stande
ſein, ſie im freien Felde einzuholen; früher aber iſt Dies möglich, weil ſie ſich, wenn ſie gejagt werden,
platt auf den Boden drücken. Ungefähr fünf Wochen lang folgen ſie dem Vater allein; nach und
nach geſellen ſich auch wieder die Weibchen zu der Familie. Jm Herbſte, alſo im April oder im Mai,
hat der junge Nandu ſein Flaumenkleid ſchon mit dem erſten, ſchmuzig gelbgrauen Federkleide ver-
tauſcht. Die jungen Hähne laſſen ſich an ihrem ſtärkeren Wuchſe bald unterſcheiden; in jeder Herde
aber findet man einige Küchlein, welche verkümmert, d. h. ſehr klein ſind.
Böcking nimmt an, daß man die Lebensdauer des Nandu auf vierzehn bis funfzehn Jahre
ſchätzen könne, und glaubt, daß viele von ihnen an Altersſchwäche ſterben, da er zur Winterszeit
öfters einzelne antraf, welche im Verenden waren, aber keine Spur äußerer Verletzung oder innerer
Vergiftung an ſich trugen. Unter den Thieren hat der Nandu eigentlich keine Feinde. Es wird
zwar hier und da ein Erwachſener die Beute des Kuguars und das Junge auch wohl von einem Fuchſe
oder Adler weggenommen; dieſe Fälle dürften jedoch ſelten ſein, nicht einmal das Zerſtören des
Neſtes oft vorkommen. Spaßhaft iſt die Abneigung, welche der amerikaniſche Sporenkiebitz
gegen den Strauß hat, obgleich dieſer ihm gewiß niemals ein Leid zufügt. Nähert ſich ein Nandu
dem Stande eines ſolchen Kiebitzpaares, ſo ſtoßen beide Gatten unter unaufhörlichem Geſchrei wie
Krähen auf einen Falken herab. Eine Zeitlang unterhält Dies den Rieſen; er weicht durch Seiten-
ſprünge und Flügelſchwenken den Stößen aus; nach und nach aber wird ihm die Hartnäckigkeit ſeiner
Quäler doch läſtig, und er entfernt ſich, wenn auch nicht, ohne von ihnen noch eine Strecke Weges
höhnend verfolgt zu werden. Empfindlicher plagt ihn eine ihm eigenthümliche Zecke und ein Ein-
geweidewurm, welchen man zu jeder Zeit des Jahres bei ihm zwiſchen Haut und Muskelfleiſch,
bündelſörmig wie Suppennudeln zuſammengerollt, findet. Das Feuer und der Menſch ſind die
gefährlichſten Feinde des Nandu. Gerade zur Zeit, wenn die Vögel brüten, pflegen die Hirten bei
friſchem Winde die Steppe anzuzünden, um das vorjährige trockne Stroh zu entfernen. Ein ſolcher
Steppenbrand ſcheucht alle Thiere in die feuchten Niederungen, zerſtört ſehr viele ſchädliche, aber auch
eine Maſſe von Neſtern der verſchiedenen Erdbrüter. Der Steppenbewohner ſammelt ohne Rückſicht
alle Nandueier, deren er habhaft werden kann; die Gauchos haben ſich beſondere Kunſtgriffe angeeignet,
um alle Eier eines Straußenneſtes, ohne daß ein einziges zerbricht, nach Hauſe zu bringen. Ein
ſolches Ei wird funfzehn Hühnereiern gleichgeſchätzt und von den Eingebornen ſehr gern gegeſſen.
Man öffnet die Spitze, gießt das Weiße, welches einen groben Geſchmack beſitzt, ab, thut etwas Fett,
Pfeffer und Salz ins Jnnere und kocht den Dotter dann in der eignen Schale unter beſtändigem
Umrühren. Um ein Ei im Waſſer hart zu ſieden, wie die Europäer gewöhnlich thun, bedarf es
vierzig Minuten Zeit. Uebrigens iſt das Ei zu allen Küchenzwecken dienlich; hält ſich aber nicht
lange, geht raſch in Fäulniß über und platzt dann entweder mit einem Knall, oder wird von kleinen
Würmern, welche durch die Poren der Schale eindringen, ausgefreſſen. Das Wildpret iſt grob wie
Pferdefleiſch, hat auch die Färbung des letzteren, wird aber doch von den Jndianern gegeſſen, während
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 540. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/572>, abgerufen am 22.11.2024.
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