die Europäer nur die wohlschmeckenden Jungen genießen; das reichlich vorhandene, ölige, dünn- flüssige Fett eignet sich frisch vortrefflich zum Küchengebrauch, hält sich aber ebenfalls nicht lange und ist, erst ranzig geworden, nicht einmal mehr tauglich zur Lederschmiere; das Leder hat, obgleich es ziemlich widerstandsfähig ist, in dem an Häuten so reichlichen Lande keinen Gebrauchswerth. Aus der Halshaut fertigen sich die Gauchos kleine Säcke zu verschiedenen Hauszwecken; aus dem sehr biegsamen des Bartes entkleideten Federschaft bereiten sich die Knaben die Schlingen, in denen sie die Steißhühner fangen, oder die Erwachsenen geflochtene zierliche und starke Reitzeuge, weben sich auch wohl in allerlei Zeichnungen schöne Fußteppiche davon. Außerdem dienen die Federn zu Staub- wedeln, die besten und längsten aber zum Schmuck.
Die Jagd wird auf verschiedene Weise ausgeübt. Jndianer und Gauchos verfolgen den Nandu zu Pferde und erlegen ihn mit Wurfkugeln oder hetzen ihn durch Hunde, weniger der zu erlangenden Beute selbst wegen, als vielmehr, um die Schnelligkeit und Ausdauer ihrer herrlichen Pferde und die eigene Geschicklichkeit in Handhabung ihrer Wurfkugeln zu erproben. Zu solcher Jagd versammeln sich mehrere Reiter, suchen unter dem Winde die Vögel auf, nähern sich im Schritt, soviel sie können, und beginnen das Rennen, sobald die Nandus unruhig werden. Zunächst sucht man ein Stück aus der Herde zu trennen und verfolgt nun dieses allein. Trotz aller Listen sind die Gauchos in kürzester Zeit dicht hinter ihm, und derjenige Reiter, welcher ihm zur Linken dahin sprengt, schleudert die Kugeln, worauf einen Augenblick später der Nandu, einem riesigen Federklumpen vergleichbar, über den Boden rollt und durch die Gewalt des eigenen Laufes getödtet wird. Fehlt der eine, so tritt der andere Reiter ein; wenn es also dem gehetzten Thiere nicht gelingt, einen Sumpf zu erreichen, in welchem die Pferde stecken bleiben oder im Gebüsch, in dem die Wurfkugeln nicht gebraucht werden können, ist es jedes Mal verloren. Zum Hetzen bedient man sich einer Blendlingsrasse von großen Metzger- oder Schäferhunden mit Windhunden, hütet sich aber wohl, junge Hunde ohne Begleitung älterer auf den Nandu anlaufen zu lassen, weil diese Neulinge im Augenblicke des Zugreifens so geschlagen werden, daß sie sich überstürzen und beschädigen, oder sich doch einschüchtern lassen. Die Jagd mit dem Feuergewehr erfordert einen sichern Schützen. Der Nandu ist zählebig und läuft oft mit der Kugel im Leibe noch weit davon. Wird eine Herde in der oben beschriebenen Art herbei- gelockt und ein Stück des Volkes gefällt, so umspringen dieses die übrigen, falls es noch zappelt, mit sonderbaren Sätzen, als wenn sie Zuckungen in Flügeln und Beinen hätten, noch eine Weile, sodaß der Schütze Zeit hat, einen zweiten Schuß abzugeben. Der Knall an und für sich erschreckt sie nicht; denn wenn sie gänzlich gefehlt wurden, fliehen sie nicht nur nicht, sondern kommen noch näher, um die Sache zu untersuchen. Ein verwundeter Nandu folgt seinem Rudel solange er kann, schlägt sich dann abseits und verendet allein.
Jn Südamerika sieht man allerorten Nandus, welche jung eingefangen und zu halben Haus- thieren wurden, frei umherlaufen. Sie gewöhnen sich so an die Oertlichkeit, auf welcher sie groß wurden, daß sie gegen Abend stets zurückkehren. Ein Peone brachte Böcking vier Stück, welche er soeben gefangen hatte. Sie mochten zwei Tage alt sein. Zunächst wurden sie in eine Kammer gesperrt; hier aber liefen sie lautrufend umher und mit dem Kopfe wider die Wände, sodaß unser Forscher nicht übel Lust hatte, sie der Freiheit zurückzugeben. Am andern Morgen war ihre Wildheit vollständig gebrochen. Sie pickten das gehackte Fleisch, welches man ihnen vorstreute, gierig auf und wurden äußerst zahm, folgten ihrem Pfleger, wenn er zu Fuße war, überall hin, selbst zur Jagd hinaus, gewöhnten sich an alles Eßbare, zogen aber doch frisches Fleisch jedem andern Futter vor und mußten bald durch enges Gitter von der Fleischkammer abgehalten werden. Mit dem zahlreichen Federvieh des Hofes lebten sie im friedlichsten Einvernehmen; oft lagen sie auch mitten unter den Hunden, um sich zu sonnen, und ebenso ließen sie sich von einem zahmen Papagei geduldig das Gefieder krauen. Als dieser sie einmal gebissen hatte, mieden sie ihn ängstlich. Streicheln oder überhaupt Liebkosungen, ja selbst Anfassen liebten sie nicht. Auch sie hatten die Sucht, glänzende Sachen zu verschleppen oder zu verschlucken; sie versteckten aber nie Etwas, sondern ließen Alles fallen, welches ihre Theilnahme
Nandu.
die Europäer nur die wohlſchmeckenden Jungen genießen; das reichlich vorhandene, ölige, dünn- flüſſige Fett eignet ſich friſch vortrefflich zum Küchengebrauch, hält ſich aber ebenfalls nicht lange und iſt, erſt ranzig geworden, nicht einmal mehr tauglich zur Lederſchmiere; das Leder hat, obgleich es ziemlich widerſtandsfähig iſt, in dem an Häuten ſo reichlichen Lande keinen Gebrauchswerth. Aus der Halshaut fertigen ſich die Gauchos kleine Säcke zu verſchiedenen Hauszwecken; aus dem ſehr biegſamen des Bartes entkleideten Federſchaft bereiten ſich die Knaben die Schlingen, in denen ſie die Steißhühner fangen, oder die Erwachſenen geflochtene zierliche und ſtarke Reitzeuge, weben ſich auch wohl in allerlei Zeichnungen ſchöne Fußteppiche davon. Außerdem dienen die Federn zu Staub- wedeln, die beſten und längſten aber zum Schmuck.
Die Jagd wird auf verſchiedene Weiſe ausgeübt. Jndianer und Gauchos verfolgen den Nandu zu Pferde und erlegen ihn mit Wurfkugeln oder hetzen ihn durch Hunde, weniger der zu erlangenden Beute ſelbſt wegen, als vielmehr, um die Schnelligkeit und Ausdauer ihrer herrlichen Pferde und die eigene Geſchicklichkeit in Handhabung ihrer Wurfkugeln zu erproben. Zu ſolcher Jagd verſammeln ſich mehrere Reiter, ſuchen unter dem Winde die Vögel auf, nähern ſich im Schritt, ſoviel ſie können, und beginnen das Rennen, ſobald die Nandus unruhig werden. Zunächſt ſucht man ein Stück aus der Herde zu trennen und verfolgt nun dieſes allein. Trotz aller Liſten ſind die Gauchos in kürzeſter Zeit dicht hinter ihm, und derjenige Reiter, welcher ihm zur Linken dahin ſprengt, ſchleudert die Kugeln, worauf einen Augenblick ſpäter der Nandu, einem rieſigen Federklumpen vergleichbar, über den Boden rollt und durch die Gewalt des eigenen Laufes getödtet wird. Fehlt der eine, ſo tritt der andere Reiter ein; wenn es alſo dem gehetzten Thiere nicht gelingt, einen Sumpf zu erreichen, in welchem die Pferde ſtecken bleiben oder im Gebüſch, in dem die Wurfkugeln nicht gebraucht werden können, iſt es jedes Mal verloren. Zum Hetzen bedient man ſich einer Blendlingsraſſe von großen Metzger- oder Schäferhunden mit Windhunden, hütet ſich aber wohl, junge Hunde ohne Begleitung älterer auf den Nandu anlaufen zu laſſen, weil dieſe Neulinge im Augenblicke des Zugreifens ſo geſchlagen werden, daß ſie ſich überſtürzen und beſchädigen, oder ſich doch einſchüchtern laſſen. Die Jagd mit dem Feuergewehr erfordert einen ſichern Schützen. Der Nandu iſt zählebig und läuft oft mit der Kugel im Leibe noch weit davon. Wird eine Herde in der oben beſchriebenen Art herbei- gelockt und ein Stück des Volkes gefällt, ſo umſpringen dieſes die übrigen, falls es noch zappelt, mit ſonderbaren Sätzen, als wenn ſie Zuckungen in Flügeln und Beinen hätten, noch eine Weile, ſodaß der Schütze Zeit hat, einen zweiten Schuß abzugeben. Der Knall an und für ſich erſchreckt ſie nicht; denn wenn ſie gänzlich gefehlt wurden, fliehen ſie nicht nur nicht, ſondern kommen noch näher, um die Sache zu unterſuchen. Ein verwundeter Nandu folgt ſeinem Rudel ſolange er kann, ſchlägt ſich dann abſeits und verendet allein.
Jn Südamerika ſieht man allerorten Nandus, welche jung eingefangen und zu halben Haus- thieren wurden, frei umherlaufen. Sie gewöhnen ſich ſo an die Oertlichkeit, auf welcher ſie groß wurden, daß ſie gegen Abend ſtets zurückkehren. Ein Peone brachte Böcking vier Stück, welche er ſoeben gefangen hatte. Sie mochten zwei Tage alt ſein. Zunächſt wurden ſie in eine Kammer geſperrt; hier aber liefen ſie lautrufend umher und mit dem Kopfe wider die Wände, ſodaß unſer Forſcher nicht übel Luſt hatte, ſie der Freiheit zurückzugeben. Am andern Morgen war ihre Wildheit vollſtändig gebrochen. Sie pickten das gehackte Fleiſch, welches man ihnen vorſtreute, gierig auf und wurden äußerſt zahm, folgten ihrem Pfleger, wenn er zu Fuße war, überall hin, ſelbſt zur Jagd hinaus, gewöhnten ſich an alles Eßbare, zogen aber doch friſches Fleiſch jedem andern Futter vor und mußten bald durch enges Gitter von der Fleiſchkammer abgehalten werden. Mit dem zahlreichen Federvieh des Hofes lebten ſie im friedlichſten Einvernehmen; oft lagen ſie auch mitten unter den Hunden, um ſich zu ſonnen, und ebenſo ließen ſie ſich von einem zahmen Papagei geduldig das Gefieder krauen. Als dieſer ſie einmal gebiſſen hatte, mieden ſie ihn ängſtlich. Streicheln oder überhaupt Liebkoſungen, ja ſelbſt Anfaſſen liebten ſie nicht. Auch ſie hatten die Sucht, glänzende Sachen zu verſchleppen oder zu verſchlucken; ſie verſteckten aber nie Etwas, ſondern ließen Alles fallen, welches ihre Theilnahme
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[541/0573]
Nandu.
die Europäer nur die wohlſchmeckenden Jungen genießen; das reichlich vorhandene, ölige, dünn-
flüſſige Fett eignet ſich friſch vortrefflich zum Küchengebrauch, hält ſich aber ebenfalls nicht lange und
iſt, erſt ranzig geworden, nicht einmal mehr tauglich zur Lederſchmiere; das Leder hat, obgleich es
ziemlich widerſtandsfähig iſt, in dem an Häuten ſo reichlichen Lande keinen Gebrauchswerth. Aus
der Halshaut fertigen ſich die Gauchos kleine Säcke zu verſchiedenen Hauszwecken; aus dem ſehr
biegſamen des Bartes entkleideten Federſchaft bereiten ſich die Knaben die Schlingen, in denen ſie die
Steißhühner fangen, oder die Erwachſenen geflochtene zierliche und ſtarke Reitzeuge, weben ſich auch
wohl in allerlei Zeichnungen ſchöne Fußteppiche davon. Außerdem dienen die Federn zu Staub-
wedeln, die beſten und längſten aber zum Schmuck.
Die Jagd wird auf verſchiedene Weiſe ausgeübt. Jndianer und Gauchos verfolgen den Nandu
zu Pferde und erlegen ihn mit Wurfkugeln oder hetzen ihn durch Hunde, weniger der zu erlangenden
Beute ſelbſt wegen, als vielmehr, um die Schnelligkeit und Ausdauer ihrer herrlichen Pferde und die
eigene Geſchicklichkeit in Handhabung ihrer Wurfkugeln zu erproben. Zu ſolcher Jagd verſammeln
ſich mehrere Reiter, ſuchen unter dem Winde die Vögel auf, nähern ſich im Schritt, ſoviel ſie können,
und beginnen das Rennen, ſobald die Nandus unruhig werden. Zunächſt ſucht man ein Stück aus
der Herde zu trennen und verfolgt nun dieſes allein. Trotz aller Liſten ſind die Gauchos in kürzeſter
Zeit dicht hinter ihm, und derjenige Reiter, welcher ihm zur Linken dahin ſprengt, ſchleudert die
Kugeln, worauf einen Augenblick ſpäter der Nandu, einem rieſigen Federklumpen vergleichbar, über
den Boden rollt und durch die Gewalt des eigenen Laufes getödtet wird. Fehlt der eine, ſo tritt der
andere Reiter ein; wenn es alſo dem gehetzten Thiere nicht gelingt, einen Sumpf zu erreichen, in
welchem die Pferde ſtecken bleiben oder im Gebüſch, in dem die Wurfkugeln nicht gebraucht werden
können, iſt es jedes Mal verloren. Zum Hetzen bedient man ſich einer Blendlingsraſſe von großen
Metzger- oder Schäferhunden mit Windhunden, hütet ſich aber wohl, junge Hunde ohne Begleitung
älterer auf den Nandu anlaufen zu laſſen, weil dieſe Neulinge im Augenblicke des Zugreifens ſo
geſchlagen werden, daß ſie ſich überſtürzen und beſchädigen, oder ſich doch einſchüchtern laſſen. Die
Jagd mit dem Feuergewehr erfordert einen ſichern Schützen. Der Nandu iſt zählebig und läuft
oft mit der Kugel im Leibe noch weit davon. Wird eine Herde in der oben beſchriebenen Art herbei-
gelockt und ein Stück des Volkes gefällt, ſo umſpringen dieſes die übrigen, falls es noch zappelt, mit
ſonderbaren Sätzen, als wenn ſie Zuckungen in Flügeln und Beinen hätten, noch eine Weile, ſodaß der
Schütze Zeit hat, einen zweiten Schuß abzugeben. Der Knall an und für ſich erſchreckt ſie nicht;
denn wenn ſie gänzlich gefehlt wurden, fliehen ſie nicht nur nicht, ſondern kommen noch näher, um
die Sache zu unterſuchen. Ein verwundeter Nandu folgt ſeinem Rudel ſolange er kann, ſchlägt ſich
dann abſeits und verendet allein.
Jn Südamerika ſieht man allerorten Nandus, welche jung eingefangen und zu halben Haus-
thieren wurden, frei umherlaufen. Sie gewöhnen ſich ſo an die Oertlichkeit, auf welcher ſie groß
wurden, daß ſie gegen Abend ſtets zurückkehren. Ein Peone brachte Böcking vier Stück, welche er
ſoeben gefangen hatte. Sie mochten zwei Tage alt ſein. Zunächſt wurden ſie in eine Kammer
geſperrt; hier aber liefen ſie lautrufend umher und mit dem Kopfe wider die Wände, ſodaß unſer
Forſcher nicht übel Luſt hatte, ſie der Freiheit zurückzugeben. Am andern Morgen war ihre Wildheit
vollſtändig gebrochen. Sie pickten das gehackte Fleiſch, welches man ihnen vorſtreute, gierig auf und
wurden äußerſt zahm, folgten ihrem Pfleger, wenn er zu Fuße war, überall hin, ſelbſt zur Jagd hinaus,
gewöhnten ſich an alles Eßbare, zogen aber doch friſches Fleiſch jedem andern Futter vor und mußten
bald durch enges Gitter von der Fleiſchkammer abgehalten werden. Mit dem zahlreichen Federvieh
des Hofes lebten ſie im friedlichſten Einvernehmen; oft lagen ſie auch mitten unter den Hunden, um
ſich zu ſonnen, und ebenſo ließen ſie ſich von einem zahmen Papagei geduldig das Gefieder krauen.
Als dieſer ſie einmal gebiſſen hatte, mieden ſie ihn ängſtlich. Streicheln oder überhaupt Liebkoſungen,
ja ſelbſt Anfaſſen liebten ſie nicht. Auch ſie hatten die Sucht, glänzende Sachen zu verſchleppen oder
zu verſchlucken; ſie verſteckten aber nie Etwas, ſondern ließen Alles fallen, welches ihre Theilnahme
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 541. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/573>, abgerufen am 22.11.2024.
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