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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer. Stelzvögel. Trappen.
unmittelbaren Fortsätze. Das Haken- und Schlüsselbein ist kurz, das Schulterblatt hingegen ver-
breitert. Fast alle Knochen nehmen Luft auf. Die Zunge ähnelt der eines Huhnes und entspricht in
Form und Größe der Mundhöhle, ist weich, vorn etwas gespalten, hinten pfeilförmig getheilt, am
Hinterrande gezahnt, der Vormagen ansehnlich groß, der Magen ein sehr dehnbarer, sackförmiger
Hautmagen, die Milz klein, die Leber mittel-, die Gallenblase ansehnlich groß, der Darmschlauch
größtentheils weit, mehr als sechsmal so lang als der Rumpf, die Länge der Blinddärme beträchtlich.
Auch die Athmungswerkzeuge haben ihre Absonderlichkeit; ganz eigenthümlich ist ein großer häutiger,
unter der Zunge geöffneter Sack, welcher vorn, unmittelbar unter der Halshaut, vor der Luftröhre
liegt, bis zum Gabelknochen herabsteigt, sich nur beim alten Männchen findet, während der Paarungs-
zeit mit Luft gefüllt wird, sich sonst aber so zusammenzieht, daß selbst sorgfältig arbeitende Zergliederer
ihn nicht aufzufinden vermochten und sein Vorhandensein leugneten.

Mit Ausnahme Amerikas findet man in allen Erdtheilen einen oder mehrere Trappen: besonders
reich an ihnen sind Afrika und Asien; denn diese Vögel gehören eigentlich der Steppe an. Bei uns
zu Lande bewohnen sie zwar auch die großen offenen Felder ebener Gegenden, treten aber nicht
entfernt in derselben Menge auf wie in der Steppe. Eigentliche Waldungen meiden sie ängstlich,
dünnbuschige Gegenden hingegen scheuen sie durchaus nicht, und zumal die kleineren Arten verstehen
es, auch hier behaglich sich einzurichten. Gewöhnlich leben sie in kleinen Trupps oder mehreren
Familien, welche sich gesellten; nach der Brutzeit aber vereinigen sie sich oft zu Herden, welche Hun-
derte zählen und wie es scheint wochenlang zusammen leben. Alle südländischen Arten dürfen als
Standvögel angesehen werden, während diejenigen, welche in dem gemäßigten Gürtel leben, entweder
regelmäßige Wanderungen antreten, oder doch unregelmäßig in einem weiten Gebiete hin- und her-
streifen. So plump und schwerfällig sie zu sein scheinen, so leicht bewegen sie sich. Jhr gewöhnlicher
Gang ist ein gemessener Schritt; derselbe kann jedoch zu ziemlicher Eilfertigkeit gesteigert werden.
Der Flug erscheint ungeschickter als er wirklich ist; denn die Trappen erheben sich nach einem kurzen
Anlaufe leicht wieder vom Boden, fördern sich bald in eine genügende Höhe und fliegen, wenn auch
nicht gerade sehr schnell, so doch mit großer Ausdauer meilenweit in einem Zuge fort; sie übersetzen
sogar das Meer oder unternehmen Reisen in fernliegende Länder. Die Stimme ist sehr verschieden.
Einige Arten gehören zu den schweigsamsten aller Vögel und lassen nur ausnahmsweise sonderbare
Laute vernehmen, welche man am liebsten Geräusch nennen möchte, weil ihnen aller Klang und Ton
fehlt; andere hingegen besitzen eine helle, weithin schallende Stimme und lassen sie sehr häufig
hören. Die Sinne dürfen, vielleicht mit Ausnahme des Geruchs, als hoch entwickelt bezeichnet
werden, und die geistigen Fähigkeiten wird Niemand, welcher Trappen kennen lernte, gering-
schätzen. Alle Arten sind sehr kluge Vögel, welche vorsichtig jeden ihnen bedenklich erscheinenden
Gegenstand beobachten, sich selten täuschen lassen, gemachte Erfahrungen nie vergessen, und, wenn
dieselben übler Art waren, schließlich auch dem harmlosesten Geschöpfe nicht mehr trauen. Neben
dieser Vorsicht spricht sich in ihrem Wesen Erregbarkeit und insbesondere eine entschiedene Heftig-
keit aus; auch kann ihnen ein gewisser Hochmuth durchaus nicht abgesprochen werden. Sie fliehen
den Feind, welchen sie fürchten müssen, stellen sich aber, gezwungen, selbst dem Menschen kühn
gegenüber oder bedrohen ihn, nachdem sie vertraut mit ihm geworden waren; sie leben mit Jhres-
gleichen in ziemlichem Frieden, kämpfen aber erbittert, wenn Liebe oder Ehrsucht ins Spiel kommen;
sie nehmen auch einen Kampf mit anderen Vögeln, welche an Größe und Stärke ihnen gleichen, ohne
Bedenken auf. Alte Hähne werden wirklich bösartig. An veränderte Verhältnisse gewöhnen sie sich
schwer; doch fügen sie sich schließlich, scheinbar ohne Widerstreben, obwohl sie keine Gelegenheit vorüber-
gehen lassen, ihr Müthchen an einer ihnen unangenehmen Persönlichkeit oder einem ihnen verhaßten
Thiere zu kühlen.

Jhre Lebensweise erinnert in vieler Hinsicht an die der Scharrvögel, aber ebenso auch an das
Treiben der Regenpfeifer und Verwandten. Ungestört verweilen sie fast den ganzen Tag auf dem
Boden, indem sie in den Morgenstunden mit einander kämpfen, schreien oder sich äßen, mittags, in

Die Läufer. Stelzvögel. Trappen.
unmittelbaren Fortſätze. Das Haken- und Schlüſſelbein iſt kurz, das Schulterblatt hingegen ver-
breitert. Faſt alle Knochen nehmen Luft auf. Die Zunge ähnelt der eines Huhnes und entſpricht in
Form und Größe der Mundhöhle, iſt weich, vorn etwas geſpalten, hinten pfeilförmig getheilt, am
Hinterrande gezahnt, der Vormagen anſehnlich groß, der Magen ein ſehr dehnbarer, ſackförmiger
Hautmagen, die Milz klein, die Leber mittel-, die Gallenblaſe anſehnlich groß, der Darmſchlauch
größtentheils weit, mehr als ſechsmal ſo lang als der Rumpf, die Länge der Blinddärme beträchtlich.
Auch die Athmungswerkzeuge haben ihre Abſonderlichkeit; ganz eigenthümlich iſt ein großer häutiger,
unter der Zunge geöffneter Sack, welcher vorn, unmittelbar unter der Halshaut, vor der Luftröhre
liegt, bis zum Gabelknochen herabſteigt, ſich nur beim alten Männchen findet, während der Paarungs-
zeit mit Luft gefüllt wird, ſich ſonſt aber ſo zuſammenzieht, daß ſelbſt ſorgfältig arbeitende Zergliederer
ihn nicht aufzufinden vermochten und ſein Vorhandenſein leugneten.

Mit Ausnahme Amerikas findet man in allen Erdtheilen einen oder mehrere Trappen: beſonders
reich an ihnen ſind Afrika und Aſien; denn dieſe Vögel gehören eigentlich der Steppe an. Bei uns
zu Lande bewohnen ſie zwar auch die großen offenen Felder ebener Gegenden, treten aber nicht
entfernt in derſelben Menge auf wie in der Steppe. Eigentliche Waldungen meiden ſie ängſtlich,
dünnbuſchige Gegenden hingegen ſcheuen ſie durchaus nicht, und zumal die kleineren Arten verſtehen
es, auch hier behaglich ſich einzurichten. Gewöhnlich leben ſie in kleinen Trupps oder mehreren
Familien, welche ſich geſellten; nach der Brutzeit aber vereinigen ſie ſich oft zu Herden, welche Hun-
derte zählen und wie es ſcheint wochenlang zuſammen leben. Alle ſüdländiſchen Arten dürfen als
Standvögel angeſehen werden, während diejenigen, welche in dem gemäßigten Gürtel leben, entweder
regelmäßige Wanderungen antreten, oder doch unregelmäßig in einem weiten Gebiete hin- und her-
ſtreifen. So plump und ſchwerfällig ſie zu ſein ſcheinen, ſo leicht bewegen ſie ſich. Jhr gewöhnlicher
Gang iſt ein gemeſſener Schritt; derſelbe kann jedoch zu ziemlicher Eilfertigkeit geſteigert werden.
Der Flug erſcheint ungeſchickter als er wirklich iſt; denn die Trappen erheben ſich nach einem kurzen
Anlaufe leicht wieder vom Boden, fördern ſich bald in eine genügende Höhe und fliegen, wenn auch
nicht gerade ſehr ſchnell, ſo doch mit großer Ausdauer meilenweit in einem Zuge fort; ſie überſetzen
ſogar das Meer oder unternehmen Reiſen in fernliegende Länder. Die Stimme iſt ſehr verſchieden.
Einige Arten gehören zu den ſchweigſamſten aller Vögel und laſſen nur ausnahmsweiſe ſonderbare
Laute vernehmen, welche man am liebſten Geräuſch nennen möchte, weil ihnen aller Klang und Ton
fehlt; andere hingegen beſitzen eine helle, weithin ſchallende Stimme und laſſen ſie ſehr häufig
hören. Die Sinne dürfen, vielleicht mit Ausnahme des Geruchs, als hoch entwickelt bezeichnet
werden, und die geiſtigen Fähigkeiten wird Niemand, welcher Trappen kennen lernte, gering-
ſchätzen. Alle Arten ſind ſehr kluge Vögel, welche vorſichtig jeden ihnen bedenklich erſcheinenden
Gegenſtand beobachten, ſich ſelten täuſchen laſſen, gemachte Erfahrungen nie vergeſſen, und, wenn
dieſelben übler Art waren, ſchließlich auch dem harmloſeſten Geſchöpfe nicht mehr trauen. Neben
dieſer Vorſicht ſpricht ſich in ihrem Weſen Erregbarkeit und insbeſondere eine entſchiedene Heftig-
keit aus; auch kann ihnen ein gewiſſer Hochmuth durchaus nicht abgeſprochen werden. Sie fliehen
den Feind, welchen ſie fürchten müſſen, ſtellen ſich aber, gezwungen, ſelbſt dem Menſchen kühn
gegenüber oder bedrohen ihn, nachdem ſie vertraut mit ihm geworden waren; ſie leben mit Jhres-
gleichen in ziemlichem Frieden, kämpfen aber erbittert, wenn Liebe oder Ehrſucht ins Spiel kommen;
ſie nehmen auch einen Kampf mit anderen Vögeln, welche an Größe und Stärke ihnen gleichen, ohne
Bedenken auf. Alte Hähne werden wirklich bösartig. An veränderte Verhältniſſe gewöhnen ſie ſich
ſchwer; doch fügen ſie ſich ſchließlich, ſcheinbar ohne Widerſtreben, obwohl ſie keine Gelegenheit vorüber-
gehen laſſen, ihr Müthchen an einer ihnen unangenehmen Perſönlichkeit oder einem ihnen verhaßten
Thiere zu kühlen.

Jhre Lebensweiſe erinnert in vieler Hinſicht an die der Scharrvögel, aber ebenſo auch an das
Treiben der Regenpfeifer und Verwandten. Ungeſtört verweilen ſie faſt den ganzen Tag auf dem
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[558/0594] Die Läufer. Stelzvögel. Trappen. unmittelbaren Fortſätze. Das Haken- und Schlüſſelbein iſt kurz, das Schulterblatt hingegen ver- breitert. Faſt alle Knochen nehmen Luft auf. Die Zunge ähnelt der eines Huhnes und entſpricht in Form und Größe der Mundhöhle, iſt weich, vorn etwas geſpalten, hinten pfeilförmig getheilt, am Hinterrande gezahnt, der Vormagen anſehnlich groß, der Magen ein ſehr dehnbarer, ſackförmiger Hautmagen, die Milz klein, die Leber mittel-, die Gallenblaſe anſehnlich groß, der Darmſchlauch größtentheils weit, mehr als ſechsmal ſo lang als der Rumpf, die Länge der Blinddärme beträchtlich. Auch die Athmungswerkzeuge haben ihre Abſonderlichkeit; ganz eigenthümlich iſt ein großer häutiger, unter der Zunge geöffneter Sack, welcher vorn, unmittelbar unter der Halshaut, vor der Luftröhre liegt, bis zum Gabelknochen herabſteigt, ſich nur beim alten Männchen findet, während der Paarungs- zeit mit Luft gefüllt wird, ſich ſonſt aber ſo zuſammenzieht, daß ſelbſt ſorgfältig arbeitende Zergliederer ihn nicht aufzufinden vermochten und ſein Vorhandenſein leugneten. Mit Ausnahme Amerikas findet man in allen Erdtheilen einen oder mehrere Trappen: beſonders reich an ihnen ſind Afrika und Aſien; denn dieſe Vögel gehören eigentlich der Steppe an. Bei uns zu Lande bewohnen ſie zwar auch die großen offenen Felder ebener Gegenden, treten aber nicht entfernt in derſelben Menge auf wie in der Steppe. Eigentliche Waldungen meiden ſie ängſtlich, dünnbuſchige Gegenden hingegen ſcheuen ſie durchaus nicht, und zumal die kleineren Arten verſtehen es, auch hier behaglich ſich einzurichten. Gewöhnlich leben ſie in kleinen Trupps oder mehreren Familien, welche ſich geſellten; nach der Brutzeit aber vereinigen ſie ſich oft zu Herden, welche Hun- derte zählen und wie es ſcheint wochenlang zuſammen leben. Alle ſüdländiſchen Arten dürfen als Standvögel angeſehen werden, während diejenigen, welche in dem gemäßigten Gürtel leben, entweder regelmäßige Wanderungen antreten, oder doch unregelmäßig in einem weiten Gebiete hin- und her- ſtreifen. So plump und ſchwerfällig ſie zu ſein ſcheinen, ſo leicht bewegen ſie ſich. Jhr gewöhnlicher Gang iſt ein gemeſſener Schritt; derſelbe kann jedoch zu ziemlicher Eilfertigkeit geſteigert werden. Der Flug erſcheint ungeſchickter als er wirklich iſt; denn die Trappen erheben ſich nach einem kurzen Anlaufe leicht wieder vom Boden, fördern ſich bald in eine genügende Höhe und fliegen, wenn auch nicht gerade ſehr ſchnell, ſo doch mit großer Ausdauer meilenweit in einem Zuge fort; ſie überſetzen ſogar das Meer oder unternehmen Reiſen in fernliegende Länder. Die Stimme iſt ſehr verſchieden. Einige Arten gehören zu den ſchweigſamſten aller Vögel und laſſen nur ausnahmsweiſe ſonderbare Laute vernehmen, welche man am liebſten Geräuſch nennen möchte, weil ihnen aller Klang und Ton fehlt; andere hingegen beſitzen eine helle, weithin ſchallende Stimme und laſſen ſie ſehr häufig hören. Die Sinne dürfen, vielleicht mit Ausnahme des Geruchs, als hoch entwickelt bezeichnet werden, und die geiſtigen Fähigkeiten wird Niemand, welcher Trappen kennen lernte, gering- ſchätzen. Alle Arten ſind ſehr kluge Vögel, welche vorſichtig jeden ihnen bedenklich erſcheinenden Gegenſtand beobachten, ſich ſelten täuſchen laſſen, gemachte Erfahrungen nie vergeſſen, und, wenn dieſelben übler Art waren, ſchließlich auch dem harmloſeſten Geſchöpfe nicht mehr trauen. Neben dieſer Vorſicht ſpricht ſich in ihrem Weſen Erregbarkeit und insbeſondere eine entſchiedene Heftig- keit aus; auch kann ihnen ein gewiſſer Hochmuth durchaus nicht abgeſprochen werden. Sie fliehen den Feind, welchen ſie fürchten müſſen, ſtellen ſich aber, gezwungen, ſelbſt dem Menſchen kühn gegenüber oder bedrohen ihn, nachdem ſie vertraut mit ihm geworden waren; ſie leben mit Jhres- gleichen in ziemlichem Frieden, kämpfen aber erbittert, wenn Liebe oder Ehrſucht ins Spiel kommen; ſie nehmen auch einen Kampf mit anderen Vögeln, welche an Größe und Stärke ihnen gleichen, ohne Bedenken auf. Alte Hähne werden wirklich bösartig. An veränderte Verhältniſſe gewöhnen ſie ſich ſchwer; doch fügen ſie ſich ſchließlich, ſcheinbar ohne Widerſtreben, obwohl ſie keine Gelegenheit vorüber- gehen laſſen, ihr Müthchen an einer ihnen unangenehmen Perſönlichkeit oder einem ihnen verhaßten Thiere zu kühlen. Jhre Lebensweiſe erinnert in vieler Hinſicht an die der Scharrvögel, aber ebenſo auch an das Treiben der Regenpfeifer und Verwandten. Ungeſtört verweilen ſie faſt den ganzen Tag auf dem Boden, indem ſie in den Morgenſtunden mit einander kämpfen, ſchreien oder ſich äßen, mittags, in

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 558. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/594>, abgerufen am 22.11.2024.