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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Allgemeines.
behaglicher Ruhe dahin gestreckt, sich sanden, gegen Abend von neuem nach Nahrung suchen und
schließlich einen möglichst gesicherten Platz zur Nachtruhe erwählen. Sie erscheinen wenigstens in
gewissen Gegenden zu bestimmten Zeiten auf bestimmten Plätzen und fliegen tagtäglich nach anderen
zurück, oder aber sie durchlaufen, vielleicht mit derselben Regelmäßigkeit, eine gewisse Strecke. Jhre
Nahrung wird zum großen Theile dem Pflanzenreiche entnommen; die Küchlein hingegen äßen sich nur
mit Kerbthieren und gehen sicher zu Grunde, wenn diese ihnen fehlen. Erst wenn sie ihr volles
Gefieder erlangt haben und etwa halb ausgewachsen sind, gehen sie, mindestens die größeren Arten,
zur Pflanzennahrung über, und nunmehr verschmähen sie thierische Stoffe mehr oder weniger. Sie
genießen Körner ebenso gern als Blätter, Knospen und Knollenfrüchte; aber sie lieben es, sich die
Blätter selbst zu pflücken, lassen beispielsweise klar geschnittenen Kohl unberücksichtigt, während sie
dasselbe Futter, wenn ihnen davon ein ganzer Kopf gereicht wird, leidenschaftlich gern fressen. An
Brot lassen sich die Gefangenen leicht gewöhnen, und später sehen sie in dieser Nahrung einen
Leckerbissen.

Die Fortpflanzung fällt mit dem Spätfrühlinge der betreffenden Heimat zusammen. Alle größeren
Vereinigungen, welche während der Winterszeit gebildet wurden, haben sich jetzt gelöst und alle
Männchen sich Weibchen erkoren. Es wird behauptet, daß ältere Trappen zwei, auch mehrere Hennen
nehmen, und einige Forscher glauben, gewisse Mitglieder unserer Familie zu den vielehelichen Vögeln
zählen zu müssen; dagegen sprechen aber die Erfahrungen, welche von den sorgfältigsten Beobachtern
gesammelt worden. Doch ist man über die ehelichen Verhältnisse der Trappen noch nicht vollständig
im Reinen, und allem Anscheine nach darf an einen festen Ehebund bei ihnen nicht gedacht werden.
Die Hähne zeigen sich, wenn die Paarungszeit herannaht, im höchsten Grade erregt, schreiten pomphaft
mit dick aufgeblasenem Halse, gewölbten Flügeln und ausgebreitetem Schwanze einher, kämpfen wacker
mit jedem Nebenbuhler, lassen, wenn sie schreilustig sind, ihre Stimme fast ununterbrochen vernehmen
und machen dabei fortwährend der Henne nach ihrer Weise den Hof. Letztere scharrt sich nach erfolgter
Begattung eine seichte Mulde im aufschießenden Getreide oder zwischen hohem Steppengrase aus und
legt in diese ihre wenigen Eier. Bei allen großen Trappen scheint das Gelege regelmäßig nur aus
zwei Eiern zu bestehen, die kleineren Arten legen deren drei bis sechs. Das Weibchen brütet allein
und führt auch anfänglich die zierlich beflaumten, aber etwas täppischen Jungen, ohne Hilfe des
Gemahls; dieser stellt sich jedoch später wieder bei der Familie ein und dient ihr fortan als treuer
Wächter. Das Wachsthum der Jungen geht langsamer von statten als bei vielen anderen Vögeln;
ja, wahrscheinlich bedürfen die großen Trappen vier bis fünf Jahre, bevor sie ihre Mannbarkeit
erlangen.

Trappen werden in allen Ländern mit einer gewissen Leidenschaft gejagt, weil ihre große Vorsicht
die menschliche Ueberlegenheit herausfordert. Man wendet die verschiedensten Mittel an, um sich der
achtsamen Geschöpfe zu bemächtigen, jagt aber trotzdem durchaus nicht immer mit Glück. Der Fang
ist, wenigstens zu gewissen Zeiten, verhältnißmäßig leicht; es hält aber schwer, Trappen einzuge-
wöhnen. Alt gefangene verschmähen regelmäßig das Futter und trotzen und hungern sich zu Tode;
jung erbeutete verlangen eine sorgfältige Pflege, wenn sie gedeihen und groß werden sollen. Doch
glaube ich ausdrücklich hervorheben zu müssen, daß die Aufzucht solcher jungen Trappen nicht so
schwierig ist, als die meisten Thierkundigen annehmen. Wer nicht vergißt, daß diese Vögel in der
Jugend Kerbthier-, im Alter Pflanzenfresser sind und demgemäß mit dem geeigneten Ersatzfutter
rechtzeitig wechselt, kommt gewiß zum Ziele. Jn Ungarn und in Rußland werden jetzt alljährlich
sehr viele Trappen großgezogen; wir erhalten solche aus Afrika, Asien und Australien: ein deutlicher
Beweis, daß sie sich leicht an den Verlust ihrer Freiheit gewöhnen.



Allgemeines.
behaglicher Ruhe dahin geſtreckt, ſich ſanden, gegen Abend von neuem nach Nahrung ſuchen und
ſchließlich einen möglichſt geſicherten Platz zur Nachtruhe erwählen. Sie erſcheinen wenigſtens in
gewiſſen Gegenden zu beſtimmten Zeiten auf beſtimmten Plätzen und fliegen tagtäglich nach anderen
zurück, oder aber ſie durchlaufen, vielleicht mit derſelben Regelmäßigkeit, eine gewiſſe Strecke. Jhre
Nahrung wird zum großen Theile dem Pflanzenreiche entnommen; die Küchlein hingegen äßen ſich nur
mit Kerbthieren und gehen ſicher zu Grunde, wenn dieſe ihnen fehlen. Erſt wenn ſie ihr volles
Gefieder erlangt haben und etwa halb ausgewachſen ſind, gehen ſie, mindeſtens die größeren Arten,
zur Pflanzennahrung über, und nunmehr verſchmähen ſie thieriſche Stoffe mehr oder weniger. Sie
genießen Körner ebenſo gern als Blätter, Knospen und Knollenfrüchte; aber ſie lieben es, ſich die
Blätter ſelbſt zu pflücken, laſſen beiſpielsweiſe klar geſchnittenen Kohl unberückſichtigt, während ſie
daſſelbe Futter, wenn ihnen davon ein ganzer Kopf gereicht wird, leidenſchaftlich gern freſſen. An
Brot laſſen ſich die Gefangenen leicht gewöhnen, und ſpäter ſehen ſie in dieſer Nahrung einen
Leckerbiſſen.

Die Fortpflanzung fällt mit dem Spätfrühlinge der betreffenden Heimat zuſammen. Alle größeren
Vereinigungen, welche während der Winterszeit gebildet wurden, haben ſich jetzt gelöſt und alle
Männchen ſich Weibchen erkoren. Es wird behauptet, daß ältere Trappen zwei, auch mehrere Hennen
nehmen, und einige Forſcher glauben, gewiſſe Mitglieder unſerer Familie zu den vielehelichen Vögeln
zählen zu müſſen; dagegen ſprechen aber die Erfahrungen, welche von den ſorgfältigſten Beobachtern
geſammelt worden. Doch iſt man über die ehelichen Verhältniſſe der Trappen noch nicht vollſtändig
im Reinen, und allem Anſcheine nach darf an einen feſten Ehebund bei ihnen nicht gedacht werden.
Die Hähne zeigen ſich, wenn die Paarungszeit herannaht, im höchſten Grade erregt, ſchreiten pomphaft
mit dick aufgeblaſenem Halſe, gewölbten Flügeln und ausgebreitetem Schwanze einher, kämpfen wacker
mit jedem Nebenbuhler, laſſen, wenn ſie ſchreiluſtig ſind, ihre Stimme faſt ununterbrochen vernehmen
und machen dabei fortwährend der Henne nach ihrer Weiſe den Hof. Letztere ſcharrt ſich nach erfolgter
Begattung eine ſeichte Mulde im aufſchießenden Getreide oder zwiſchen hohem Steppengraſe aus und
legt in dieſe ihre wenigen Eier. Bei allen großen Trappen ſcheint das Gelege regelmäßig nur aus
zwei Eiern zu beſtehen, die kleineren Arten legen deren drei bis ſechs. Das Weibchen brütet allein
und führt auch anfänglich die zierlich beflaumten, aber etwas täppiſchen Jungen, ohne Hilfe des
Gemahls; dieſer ſtellt ſich jedoch ſpäter wieder bei der Familie ein und dient ihr fortan als treuer
Wächter. Das Wachsthum der Jungen geht langſamer von ſtatten als bei vielen anderen Vögeln;
ja, wahrſcheinlich bedürfen die großen Trappen vier bis fünf Jahre, bevor ſie ihre Mannbarkeit
erlangen.

Trappen werden in allen Ländern mit einer gewiſſen Leidenſchaft gejagt, weil ihre große Vorſicht
die menſchliche Ueberlegenheit herausfordert. Man wendet die verſchiedenſten Mittel an, um ſich der
achtſamen Geſchöpfe zu bemächtigen, jagt aber trotzdem durchaus nicht immer mit Glück. Der Fang
iſt, wenigſtens zu gewiſſen Zeiten, verhältnißmäßig leicht; es hält aber ſchwer, Trappen einzuge-
wöhnen. Alt gefangene verſchmähen regelmäßig das Futter und trotzen und hungern ſich zu Tode;
jung erbeutete verlangen eine ſorgfältige Pflege, wenn ſie gedeihen und groß werden ſollen. Doch
glaube ich ausdrücklich hervorheben zu müſſen, daß die Aufzucht ſolcher jungen Trappen nicht ſo
ſchwierig iſt, als die meiſten Thierkundigen annehmen. Wer nicht vergißt, daß dieſe Vögel in der
Jugend Kerbthier-, im Alter Pflanzenfreſſer ſind und demgemäß mit dem geeigneten Erſatzfutter
rechtzeitig wechſelt, kommt gewiß zum Ziele. Jn Ungarn und in Rußland werden jetzt alljährlich
ſehr viele Trappen großgezogen; wir erhalten ſolche aus Afrika, Aſien und Auſtralien: ein deutlicher
Beweis, daß ſie ſich leicht an den Verluſt ihrer Freiheit gewöhnen.



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[559/0595] Allgemeines. behaglicher Ruhe dahin geſtreckt, ſich ſanden, gegen Abend von neuem nach Nahrung ſuchen und ſchließlich einen möglichſt geſicherten Platz zur Nachtruhe erwählen. Sie erſcheinen wenigſtens in gewiſſen Gegenden zu beſtimmten Zeiten auf beſtimmten Plätzen und fliegen tagtäglich nach anderen zurück, oder aber ſie durchlaufen, vielleicht mit derſelben Regelmäßigkeit, eine gewiſſe Strecke. Jhre Nahrung wird zum großen Theile dem Pflanzenreiche entnommen; die Küchlein hingegen äßen ſich nur mit Kerbthieren und gehen ſicher zu Grunde, wenn dieſe ihnen fehlen. Erſt wenn ſie ihr volles Gefieder erlangt haben und etwa halb ausgewachſen ſind, gehen ſie, mindeſtens die größeren Arten, zur Pflanzennahrung über, und nunmehr verſchmähen ſie thieriſche Stoffe mehr oder weniger. Sie genießen Körner ebenſo gern als Blätter, Knospen und Knollenfrüchte; aber ſie lieben es, ſich die Blätter ſelbſt zu pflücken, laſſen beiſpielsweiſe klar geſchnittenen Kohl unberückſichtigt, während ſie daſſelbe Futter, wenn ihnen davon ein ganzer Kopf gereicht wird, leidenſchaftlich gern freſſen. An Brot laſſen ſich die Gefangenen leicht gewöhnen, und ſpäter ſehen ſie in dieſer Nahrung einen Leckerbiſſen. Die Fortpflanzung fällt mit dem Spätfrühlinge der betreffenden Heimat zuſammen. Alle größeren Vereinigungen, welche während der Winterszeit gebildet wurden, haben ſich jetzt gelöſt und alle Männchen ſich Weibchen erkoren. Es wird behauptet, daß ältere Trappen zwei, auch mehrere Hennen nehmen, und einige Forſcher glauben, gewiſſe Mitglieder unſerer Familie zu den vielehelichen Vögeln zählen zu müſſen; dagegen ſprechen aber die Erfahrungen, welche von den ſorgfältigſten Beobachtern geſammelt worden. Doch iſt man über die ehelichen Verhältniſſe der Trappen noch nicht vollſtändig im Reinen, und allem Anſcheine nach darf an einen feſten Ehebund bei ihnen nicht gedacht werden. Die Hähne zeigen ſich, wenn die Paarungszeit herannaht, im höchſten Grade erregt, ſchreiten pomphaft mit dick aufgeblaſenem Halſe, gewölbten Flügeln und ausgebreitetem Schwanze einher, kämpfen wacker mit jedem Nebenbuhler, laſſen, wenn ſie ſchreiluſtig ſind, ihre Stimme faſt ununterbrochen vernehmen und machen dabei fortwährend der Henne nach ihrer Weiſe den Hof. Letztere ſcharrt ſich nach erfolgter Begattung eine ſeichte Mulde im aufſchießenden Getreide oder zwiſchen hohem Steppengraſe aus und legt in dieſe ihre wenigen Eier. Bei allen großen Trappen ſcheint das Gelege regelmäßig nur aus zwei Eiern zu beſtehen, die kleineren Arten legen deren drei bis ſechs. Das Weibchen brütet allein und führt auch anfänglich die zierlich beflaumten, aber etwas täppiſchen Jungen, ohne Hilfe des Gemahls; dieſer ſtellt ſich jedoch ſpäter wieder bei der Familie ein und dient ihr fortan als treuer Wächter. Das Wachsthum der Jungen geht langſamer von ſtatten als bei vielen anderen Vögeln; ja, wahrſcheinlich bedürfen die großen Trappen vier bis fünf Jahre, bevor ſie ihre Mannbarkeit erlangen. Trappen werden in allen Ländern mit einer gewiſſen Leidenſchaft gejagt, weil ihre große Vorſicht die menſchliche Ueberlegenheit herausfordert. Man wendet die verſchiedenſten Mittel an, um ſich der achtſamen Geſchöpfe zu bemächtigen, jagt aber trotzdem durchaus nicht immer mit Glück. Der Fang iſt, wenigſtens zu gewiſſen Zeiten, verhältnißmäßig leicht; es hält aber ſchwer, Trappen einzuge- wöhnen. Alt gefangene verſchmähen regelmäßig das Futter und trotzen und hungern ſich zu Tode; jung erbeutete verlangen eine ſorgfältige Pflege, wenn ſie gedeihen und groß werden ſollen. Doch glaube ich ausdrücklich hervorheben zu müſſen, daß die Aufzucht ſolcher jungen Trappen nicht ſo ſchwierig iſt, als die meiſten Thierkundigen annehmen. Wer nicht vergißt, daß dieſe Vögel in der Jugend Kerbthier-, im Alter Pflanzenfreſſer ſind und demgemäß mit dem geeigneten Erſatzfutter rechtzeitig wechſelt, kommt gewiß zum Ziele. Jn Ungarn und in Rußland werden jetzt alljährlich ſehr viele Trappen großgezogen; wir erhalten ſolche aus Afrika, Aſien und Auſtralien: ein deutlicher Beweis, daß ſie ſich leicht an den Verluſt ihrer Freiheit gewöhnen.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 559. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/595>, abgerufen am 22.11.2024.