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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer Stelzvögel. Rennvögel.
aber weiß, seitlich und an der Brust blaßrothbraun, welche Färbung in der Steißgegend ins Bräun-
lich-Jsabellfarbene übergeht, die Oberflügeldeck- und die Schulterfedern lichtschieferblau oder asch-
grau, die Schwingen, mit Ausnahme der ersten, welche nur an der Wurzel der Außenfahne einen
lichten Saum zeigt, in ihrer Mitte und an der Spitze schwarz, an der Wurzel und vor der Spitze
aber weiß, sodaß zwei breite Bänder entstehen, welche den geöffneten Flügeln zum größten Schmucke
werden, die Steuerfedern blaugrau, an der Spitze weiß, vor ihr durch ein schwarzes Band
gezeichnet. Das Auge ist lichtbraun, der Schnabel schwarz, der Fuß hell und lebhaft bleigrau.
Die Länge beträgt ungefähr 81/2 Zoll, die Fittiglänge 5, die Schwanzlänge 23/4 Zoll. Das Weibchen
ist kaum kleiner als das Männchen.

Von Kairo an stromaufwärts vermißt man den Krokodilwächter an keiner geeigneten Stelle des
Nilufers; er muß sich in Unteregypten sogar mit ungeeigneten begnügen. Sein Verbreitungskreis
reicht soweit nach Süden, als ich selbst gekommen bin; ich habe ihn aber immer nur am Nile selbst
gesehen, und darf also diesen Strom für den Nordosten Afrikas als seine eigentliche Heimat bezeichnen.
An den Strömen Westafrikas hat man ihn ebenfalls beobachtet; ob er aber wirklich schon auf euro-
päischem Boden angetroffen wurde, wie man behauptet hat, bleibt einstweilen noch fraglich. Jeden-
falls dürfte soviel feststehen, daß er weder zu den Zug- noch zu den Strichvögeln gehört. Wenn er
es irgend haben kann, wählt er sich eine größere Sandbank zu seinem Standorte und hält an diesem
fest, falls ihn der Hochstand des Wassers nicht dazu zwingt, sich einen anderen Aufenthaltsort
zu suchen.

Schwerlich dürfte es einen Nilreisenden geben, dem der schmucke, lebendige, gewandte und schrei-
lustige Vogel nicht aufgefallen wäre. Er macht sich bemerklich, wenn er mit der seiner Familie eigenen
Eilfertigkeit dahinrennt, und noch bemerklicher, wenn er über dem Wasser wegfliegt und dabei seine
volle Schönheit, die weiß und schwarz gebänderten Schwingen, entfaltet. Sein Lauf ist sehr gewandt,
geschieht aber nicht so ruckweise, wie bei dem Wüstenläufer, sondern eher nach Art des Dahinrennens
der Regenpfeifer; der Flug fördert, den spitzen Schwingen entsprechend, sehr rasch, scheint auch durch-
aus nicht zu ermüden, wird aber selten weit ausgedehnt. Der Krokodilwächter fliegt höchstens von
einer Sandbank zur anderen und dabei stets sehr niedrig über dem Wasser dahin, niemals nach Art
unserer Regenpfeifer oder Strandläufer, welche sobald als möglich eine gewisse, ihnen sicher dünkende
Höhe zu erreichen suchen. Während des Fluges vernimmt man regelmäßig seine laute, pfeifende
Stimme, welche aus einer Reihe von Tönen besteht und ungefähr wie "Tschip-tschip-hoit" klingt.
Aber auch im Sitzen oder Umherlaufen läßt sich der Vogel sehr oft vernehmen; denn er ist ebenso
redselig, wie sein vorher beschriebener Verwandter schweigsam.

Seinen Namen trägt er mit vollstem Recht, leistet jedoch nicht blos dem Krokodil, sondern allen
übrigen Geschöpfen, welche auf ihn achten wollen, Wächterdienste. Sein reger Geist scheint sich mit
Allem, was um ihn her vorgehen mag, zu beschäftigen. Jedes Schiff, jeder sich nahende Mensch,
jedes Säugethier, jeder größere Vogel erregt seine Aufmerksamkeit, und er beeilt sich durch lebhaftes
Geschrei Dies männiglich kundzugeben. Eine anerkennenswerthe List, scharf beurtheilender Verstand
und bewunderungswürdiges Gedächtniß sind ihm außerdem eigen: es scheint, als fürchte er keine
Gefahr, aus dem einfachen Grunde, weil er sie kennt und zu würdigen weiß. Mit dem Krokodil lebt
er wirklich in Freundschaft, aber nicht etwa, weil der gefräßige Lurch wohlwollende Gefühle gegen ihn
hegt, sondern weil seine Klugheit und Gewandtheit ihn vor böswilligen Gelüsten sichert. Bewohner
der Sandbänke, welche das Krokodil zum Schlafen und Sonnen aufsucht, ist er mit diesem Ungeheuer
von Jugend auf vertraut geworden und hat gelernt, wie er sich ihm gegenüber benehmen muß. Ohne
Besorgniß läuft er auf dem Rücken der Panzerechse auf und nieder, als ob dieser ein Stück grüner
Nasen wäre, unbekümmert liest er die Kerbthiere und die Egel ab, welche das Krokodil schröpfen
wollen; ja, er wagt sich sogar daran, seinem gewaltigen Feinde die Zähne zu putzen, d. h. buchstäblich
Brocken, welche zwischen denselben hängen blieben, oder Thiere, welche sich an den Kinnladen und dem
Zahnfleische festsetzten, wegzunehmen: ich habe Das gesehen und zwar zu wiederholten Malen. Der

Die Läufer Stelzvögel. Rennvögel.
aber weiß, ſeitlich und an der Bruſt blaßrothbraun, welche Färbung in der Steißgegend ins Bräun-
lich-Jſabellfarbene übergeht, die Oberflügeldeck- und die Schulterfedern lichtſchieferblau oder aſch-
grau, die Schwingen, mit Ausnahme der erſten, welche nur an der Wurzel der Außenfahne einen
lichten Saum zeigt, in ihrer Mitte und an der Spitze ſchwarz, an der Wurzel und vor der Spitze
aber weiß, ſodaß zwei breite Bänder entſtehen, welche den geöffneten Flügeln zum größten Schmucke
werden, die Steuerfedern blaugrau, an der Spitze weiß, vor ihr durch ein ſchwarzes Band
gezeichnet. Das Auge iſt lichtbraun, der Schnabel ſchwarz, der Fuß hell und lebhaft bleigrau.
Die Länge beträgt ungefähr 8½ Zoll, die Fittiglänge 5, die Schwanzlänge 2¾ Zoll. Das Weibchen
iſt kaum kleiner als das Männchen.

Von Kairo an ſtromaufwärts vermißt man den Krokodilwächter an keiner geeigneten Stelle des
Nilufers; er muß ſich in Unteregypten ſogar mit ungeeigneten begnügen. Sein Verbreitungskreis
reicht ſoweit nach Süden, als ich ſelbſt gekommen bin; ich habe ihn aber immer nur am Nile ſelbſt
geſehen, und darf alſo dieſen Strom für den Nordoſten Afrikas als ſeine eigentliche Heimat bezeichnen.
An den Strömen Weſtafrikas hat man ihn ebenfalls beobachtet; ob er aber wirklich ſchon auf euro-
päiſchem Boden angetroffen wurde, wie man behauptet hat, bleibt einſtweilen noch fraglich. Jeden-
falls dürfte ſoviel feſtſtehen, daß er weder zu den Zug- noch zu den Strichvögeln gehört. Wenn er
es irgend haben kann, wählt er ſich eine größere Sandbank zu ſeinem Standorte und hält an dieſem
feſt, falls ihn der Hochſtand des Waſſers nicht dazu zwingt, ſich einen anderen Aufenthaltsort
zu ſuchen.

Schwerlich dürfte es einen Nilreiſenden geben, dem der ſchmucke, lebendige, gewandte und ſchrei-
luſtige Vogel nicht aufgefallen wäre. Er macht ſich bemerklich, wenn er mit der ſeiner Familie eigenen
Eilfertigkeit dahinrennt, und noch bemerklicher, wenn er über dem Waſſer wegfliegt und dabei ſeine
volle Schönheit, die weiß und ſchwarz gebänderten Schwingen, entfaltet. Sein Lauf iſt ſehr gewandt,
geſchieht aber nicht ſo ruckweiſe, wie bei dem Wüſtenläufer, ſondern eher nach Art des Dahinrennens
der Regenpfeifer; der Flug fördert, den ſpitzen Schwingen entſprechend, ſehr raſch, ſcheint auch durch-
aus nicht zu ermüden, wird aber ſelten weit ausgedehnt. Der Krokodilwächter fliegt höchſtens von
einer Sandbank zur anderen und dabei ſtets ſehr niedrig über dem Waſſer dahin, niemals nach Art
unſerer Regenpfeifer oder Strandläufer, welche ſobald als möglich eine gewiſſe, ihnen ſicher dünkende
Höhe zu erreichen ſuchen. Während des Fluges vernimmt man regelmäßig ſeine laute, pfeifende
Stimme, welche aus einer Reihe von Tönen beſteht und ungefähr wie „Tſchip-tſchip-hoit“ klingt.
Aber auch im Sitzen oder Umherlaufen läßt ſich der Vogel ſehr oft vernehmen; denn er iſt ebenſo
redſelig, wie ſein vorher beſchriebener Verwandter ſchweigſam.

Seinen Namen trägt er mit vollſtem Recht, leiſtet jedoch nicht blos dem Krokodil, ſondern allen
übrigen Geſchöpfen, welche auf ihn achten wollen, Wächterdienſte. Sein reger Geiſt ſcheint ſich mit
Allem, was um ihn her vorgehen mag, zu beſchäftigen. Jedes Schiff, jeder ſich nahende Menſch,
jedes Säugethier, jeder größere Vogel erregt ſeine Aufmerkſamkeit, und er beeilt ſich durch lebhaftes
Geſchrei Dies männiglich kundzugeben. Eine anerkennenswerthe Liſt, ſcharf beurtheilender Verſtand
und bewunderungswürdiges Gedächtniß ſind ihm außerdem eigen: es ſcheint, als fürchte er keine
Gefahr, aus dem einfachen Grunde, weil er ſie kennt und zu würdigen weiß. Mit dem Krokodil lebt
er wirklich in Freundſchaft, aber nicht etwa, weil der gefräßige Lurch wohlwollende Gefühle gegen ihn
hegt, ſondern weil ſeine Klugheit und Gewandtheit ihn vor böswilligen Gelüſten ſichert. Bewohner
der Sandbänke, welche das Krokodil zum Schlafen und Sonnen aufſucht, iſt er mit dieſem Ungeheuer
von Jugend auf vertraut geworden und hat gelernt, wie er ſich ihm gegenüber benehmen muß. Ohne
Beſorgniß läuft er auf dem Rücken der Panzerechſe auf und nieder, als ob dieſer ein Stück grüner
Naſen wäre, unbekümmert lieſt er die Kerbthiere und die Egel ab, welche das Krokodil ſchröpfen
wollen; ja, er wagt ſich ſogar daran, ſeinem gewaltigen Feinde die Zähne zu putzen, d. h. buchſtäblich
Brocken, welche zwiſchen denſelben hängen blieben, oder Thiere, welche ſich an den Kinnladen und dem
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[576/0614] Die Läufer Stelzvögel. Rennvögel. aber weiß, ſeitlich und an der Bruſt blaßrothbraun, welche Färbung in der Steißgegend ins Bräun- lich-Jſabellfarbene übergeht, die Oberflügeldeck- und die Schulterfedern lichtſchieferblau oder aſch- grau, die Schwingen, mit Ausnahme der erſten, welche nur an der Wurzel der Außenfahne einen lichten Saum zeigt, in ihrer Mitte und an der Spitze ſchwarz, an der Wurzel und vor der Spitze aber weiß, ſodaß zwei breite Bänder entſtehen, welche den geöffneten Flügeln zum größten Schmucke werden, die Steuerfedern blaugrau, an der Spitze weiß, vor ihr durch ein ſchwarzes Band gezeichnet. Das Auge iſt lichtbraun, der Schnabel ſchwarz, der Fuß hell und lebhaft bleigrau. Die Länge beträgt ungefähr 8½ Zoll, die Fittiglänge 5, die Schwanzlänge 2¾ Zoll. Das Weibchen iſt kaum kleiner als das Männchen. Von Kairo an ſtromaufwärts vermißt man den Krokodilwächter an keiner geeigneten Stelle des Nilufers; er muß ſich in Unteregypten ſogar mit ungeeigneten begnügen. Sein Verbreitungskreis reicht ſoweit nach Süden, als ich ſelbſt gekommen bin; ich habe ihn aber immer nur am Nile ſelbſt geſehen, und darf alſo dieſen Strom für den Nordoſten Afrikas als ſeine eigentliche Heimat bezeichnen. An den Strömen Weſtafrikas hat man ihn ebenfalls beobachtet; ob er aber wirklich ſchon auf euro- päiſchem Boden angetroffen wurde, wie man behauptet hat, bleibt einſtweilen noch fraglich. Jeden- falls dürfte ſoviel feſtſtehen, daß er weder zu den Zug- noch zu den Strichvögeln gehört. Wenn er es irgend haben kann, wählt er ſich eine größere Sandbank zu ſeinem Standorte und hält an dieſem feſt, falls ihn der Hochſtand des Waſſers nicht dazu zwingt, ſich einen anderen Aufenthaltsort zu ſuchen. Schwerlich dürfte es einen Nilreiſenden geben, dem der ſchmucke, lebendige, gewandte und ſchrei- luſtige Vogel nicht aufgefallen wäre. Er macht ſich bemerklich, wenn er mit der ſeiner Familie eigenen Eilfertigkeit dahinrennt, und noch bemerklicher, wenn er über dem Waſſer wegfliegt und dabei ſeine volle Schönheit, die weiß und ſchwarz gebänderten Schwingen, entfaltet. Sein Lauf iſt ſehr gewandt, geſchieht aber nicht ſo ruckweiſe, wie bei dem Wüſtenläufer, ſondern eher nach Art des Dahinrennens der Regenpfeifer; der Flug fördert, den ſpitzen Schwingen entſprechend, ſehr raſch, ſcheint auch durch- aus nicht zu ermüden, wird aber ſelten weit ausgedehnt. Der Krokodilwächter fliegt höchſtens von einer Sandbank zur anderen und dabei ſtets ſehr niedrig über dem Waſſer dahin, niemals nach Art unſerer Regenpfeifer oder Strandläufer, welche ſobald als möglich eine gewiſſe, ihnen ſicher dünkende Höhe zu erreichen ſuchen. Während des Fluges vernimmt man regelmäßig ſeine laute, pfeifende Stimme, welche aus einer Reihe von Tönen beſteht und ungefähr wie „Tſchip-tſchip-hoit“ klingt. Aber auch im Sitzen oder Umherlaufen läßt ſich der Vogel ſehr oft vernehmen; denn er iſt ebenſo redſelig, wie ſein vorher beſchriebener Verwandter ſchweigſam. Seinen Namen trägt er mit vollſtem Recht, leiſtet jedoch nicht blos dem Krokodil, ſondern allen übrigen Geſchöpfen, welche auf ihn achten wollen, Wächterdienſte. Sein reger Geiſt ſcheint ſich mit Allem, was um ihn her vorgehen mag, zu beſchäftigen. Jedes Schiff, jeder ſich nahende Menſch, jedes Säugethier, jeder größere Vogel erregt ſeine Aufmerkſamkeit, und er beeilt ſich durch lebhaftes Geſchrei Dies männiglich kundzugeben. Eine anerkennenswerthe Liſt, ſcharf beurtheilender Verſtand und bewunderungswürdiges Gedächtniß ſind ihm außerdem eigen: es ſcheint, als fürchte er keine Gefahr, aus dem einfachen Grunde, weil er ſie kennt und zu würdigen weiß. Mit dem Krokodil lebt er wirklich in Freundſchaft, aber nicht etwa, weil der gefräßige Lurch wohlwollende Gefühle gegen ihn hegt, ſondern weil ſeine Klugheit und Gewandtheit ihn vor böswilligen Gelüſten ſichert. Bewohner der Sandbänke, welche das Krokodil zum Schlafen und Sonnen aufſucht, iſt er mit dieſem Ungeheuer von Jugend auf vertraut geworden und hat gelernt, wie er ſich ihm gegenüber benehmen muß. Ohne Beſorgniß läuft er auf dem Rücken der Panzerechſe auf und nieder, als ob dieſer ein Stück grüner Naſen wäre, unbekümmert lieſt er die Kerbthiere und die Egel ab, welche das Krokodil ſchröpfen wollen; ja, er wagt ſich ſogar daran, ſeinem gewaltigen Feinde die Zähne zu putzen, d. h. buchſtäblich Brocken, welche zwiſchen denſelben hängen blieben, oder Thiere, welche ſich an den Kinnladen und dem Zahnfleiſche feſtſetzten, wegzunehmen: ich habe Das geſehen und zwar zu wiederholten Malen. Der

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 576. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/614>, abgerufen am 22.11.2024.