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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Krokodilwächter.
Krokodilwächter hat mir noch ein ganz anderes Pröbchen von seiner berechnenden Kühnheit gegeben:
er hat mir gezeigt, wie man mit großen Herren umgehen kann, ohne deren Zornesausbruch fürchten
zu müssen; -- doch ich habe die Geschichte auf Seite 480 des dritten Bandes unseres Buches bereits
erzählt. Jn seinem Gebahren zeigte sich bei jener Gelegenheit sicherlich ebensoviel Dreistigkeit und
Ueberlegung, als sie der Sperling bekundet, wenn er gefangene Adler in ihrem Käfige besucht und
scheinbar unbekümmert das verlangende Auge dieser Räuber auf sich ruhen sieht. Jn der Achtsamkeit
des Krokodilwächters und in der Würdigung der Umstände und Ereignisse beruhen auch die Dienste,
welche er leistet. Das Geschrei, welches er beim Anblick eines ihm fremdartig oder gefährlich
dünkenden Wesens oder Gegenstandes ausstößt, erweckt das schlafende Krokodil und läßt ihm gerathen
erscheinen, sich in die sicheren Fluthen zurückzuziehen.

Es ist möglich, daß unser Vogel dann und wann ein Samenkorn mit verzehrt; seine gewöhnliche
Nahrung aber entnimmt er dem Thierreiche. Er frißt Kerbthiere aller Art, namentlich Sandkäfer,
Fliegen, Wasserspinnen, Gewürm, kleine Muscheln, Fische und, wie aus der angegebenen Beobachtung
hervorgeht, auch Brocken vom Fleische größerer Wirbelthiere.

Die List des Krokodilwächters zeigt sich deutlich gelegentlich seines Fortpflanzungsgeschäftes.
Nur einmal ist es mir gelungen, das Nest des häufigen Vogels aufzufinden, obgleich ich zu allen
Jahreszeiten und insbesondere, wenn die Zergliederung der erlegten Stücke mich lehrte, daß die
Brutzeit eingetreten war, nach Nestern und Eiern gesucht habe. Ein Zufall ließ mich entdecken, wie
es der schlaue Gesell anfängt, seine Eier vor dem Auge eines Feindes zu verbergen. Durch das
Fernrohr beobachtete ich längere Zeit ein Pärchen, von dem der eine Gatte auf dem Sande saß,
während der andere in seiner gewöhnlichen Weise hin- und herlief. Jch vermuthete, daß der
Sitzende mit Brüten beschäftigt sein möge, nahm mir die Stelle fest ins Auge und ging langsam auf
dieselbe zu. Zu nicht geringem Erstaunen bemerkte ich, daß der sitzende Vogel, als ich etwa bis auf
hundert Schritte heraugekommen war, mit einer gewissen Vorsicht ausstand, eilfertig scharrte, sodann
zum anderen rannte und mit diesem scheinbar gleichgiltig sich entfernte. Bei der betreffenden
Stelle angekommen, konnte ich zunächst Nichts unterscheiden, und mehr zufällig als in Folge meines
Suchens entdeckte ich endlich eine Unebenheit im Sande, grub nach und hatte zwei Eier in den
Händen, welche vollständig mit Sand überdeckt gewesen waren und, wenn die Mutter mehr Zeit
gehabt hätte, gewiß so überdeckt worden wären, daß man auch die Mulde nicht wahrgenommen haben
würde. Diese beiden Eier gehören zu den schönsten, welche Stelzvögel überhaupt legen. Jn Gestalt
und Korn ähneln sie den Eiern des Wüstenläufers, in der Größe denen der Brachschwalbe; ihre
Färbung ist ein röthliches Sandgelb, die Zeichnung ein helleres und tieferes Rothgrau, die Ober-
zeichnung ein lebhaftes Kastanienbraun, welche mit dem Grau Flecke, Punkte, Striche und Wurm-
linien bildet und die Oberfläche ziemlich gleichmäßig bedeckt. Jm übrigen mangelt uns über das
Brutgeschäft jegliche Kunde. Es scheint, daß die Jungen ein Kleid anlegen, welches sich von dem
ihrer Eltern wenig unterscheidet; denn ich erinnere mich nicht, jemals abweichend gefärbte Stücke
gesehen zu haben.

Für mich unterliegt es keinem Zweifel, daß man den zierlichen Vogel an ein Ersatzfutter
gewöhnen und so einen höchst anmuthigen Gefangenen gewinnen könnte. Bestimmte Beobachtungen
hierüber liegen aber ebenfalls nicht vor.



Eine geringe Anzahl kleiner Stelzvögel vereinigt sozusagen die Merkmale mehrerer Ordnungen
in sich. Die Schwalbenwater (Tracheliae), welche ich meine, haben einen Schnabel, welcher
zwischen dem eines Huhnes und dem eines Nachtschattens ungefähr die Mitte hält, lange Flügel, deren
Aehnlichkeit mit denen der Schwalben ihnen zu dem passenden Namen verholfen hat und unter deren
Schwingen die erste alle übrigen an Länge überragt, einen ziemlich langen, entweder gerade abge-

Brehm, Thierleben. IV. 37

Krokodilwächter.
Krokodilwächter hat mir noch ein ganz anderes Pröbchen von ſeiner berechnenden Kühnheit gegeben:
er hat mir gezeigt, wie man mit großen Herren umgehen kann, ohne deren Zornesausbruch fürchten
zu müſſen; — doch ich habe die Geſchichte auf Seite 480 des dritten Bandes unſeres Buches bereits
erzählt. Jn ſeinem Gebahren zeigte ſich bei jener Gelegenheit ſicherlich ebenſoviel Dreiſtigkeit und
Ueberlegung, als ſie der Sperling bekundet, wenn er gefangene Adler in ihrem Käfige beſucht und
ſcheinbar unbekümmert das verlangende Auge dieſer Räuber auf ſich ruhen ſieht. Jn der Achtſamkeit
des Krokodilwächters und in der Würdigung der Umſtände und Ereigniſſe beruhen auch die Dienſte,
welche er leiſtet. Das Geſchrei, welches er beim Anblick eines ihm fremdartig oder gefährlich
dünkenden Weſens oder Gegenſtandes ausſtößt, erweckt das ſchlafende Krokodil und läßt ihm gerathen
erſcheinen, ſich in die ſicheren Fluthen zurückzuziehen.

Es iſt möglich, daß unſer Vogel dann und wann ein Samenkorn mit verzehrt; ſeine gewöhnliche
Nahrung aber entnimmt er dem Thierreiche. Er frißt Kerbthiere aller Art, namentlich Sandkäfer,
Fliegen, Waſſerſpinnen, Gewürm, kleine Muſcheln, Fiſche und, wie aus der angegebenen Beobachtung
hervorgeht, auch Brocken vom Fleiſche größerer Wirbelthiere.

Die Liſt des Krokodilwächters zeigt ſich deutlich gelegentlich ſeines Fortpflanzungsgeſchäftes.
Nur einmal iſt es mir gelungen, das Neſt des häufigen Vogels aufzufinden, obgleich ich zu allen
Jahreszeiten und insbeſondere, wenn die Zergliederung der erlegten Stücke mich lehrte, daß die
Brutzeit eingetreten war, nach Neſtern und Eiern geſucht habe. Ein Zufall ließ mich entdecken, wie
es der ſchlaue Geſell anfängt, ſeine Eier vor dem Auge eines Feindes zu verbergen. Durch das
Fernrohr beobachtete ich längere Zeit ein Pärchen, von dem der eine Gatte auf dem Sande ſaß,
während der andere in ſeiner gewöhnlichen Weiſe hin- und herlief. Jch vermuthete, daß der
Sitzende mit Brüten beſchäftigt ſein möge, nahm mir die Stelle feſt ins Auge und ging langſam auf
dieſelbe zu. Zu nicht geringem Erſtaunen bemerkte ich, daß der ſitzende Vogel, als ich etwa bis auf
hundert Schritte heraugekommen war, mit einer gewiſſen Vorſicht auſſtand, eilfertig ſcharrte, ſodann
zum anderen rannte und mit dieſem ſcheinbar gleichgiltig ſich entfernte. Bei der betreffenden
Stelle angekommen, konnte ich zunächſt Nichts unterſcheiden, und mehr zufällig als in Folge meines
Suchens entdeckte ich endlich eine Unebenheit im Sande, grub nach und hatte zwei Eier in den
Händen, welche vollſtändig mit Sand überdeckt geweſen waren und, wenn die Mutter mehr Zeit
gehabt hätte, gewiß ſo überdeckt worden wären, daß man auch die Mulde nicht wahrgenommen haben
würde. Dieſe beiden Eier gehören zu den ſchönſten, welche Stelzvögel überhaupt legen. Jn Geſtalt
und Korn ähneln ſie den Eiern des Wüſtenläufers, in der Größe denen der Brachſchwalbe; ihre
Färbung iſt ein röthliches Sandgelb, die Zeichnung ein helleres und tieferes Rothgrau, die Ober-
zeichnung ein lebhaftes Kaſtanienbraun, welche mit dem Grau Flecke, Punkte, Striche und Wurm-
linien bildet und die Oberfläche ziemlich gleichmäßig bedeckt. Jm übrigen mangelt uns über das
Brutgeſchäft jegliche Kunde. Es ſcheint, daß die Jungen ein Kleid anlegen, welches ſich von dem
ihrer Eltern wenig unterſcheidet; denn ich erinnere mich nicht, jemals abweichend gefärbte Stücke
geſehen zu haben.

Für mich unterliegt es keinem Zweifel, daß man den zierlichen Vogel an ein Erſatzfutter
gewöhnen und ſo einen höchſt anmuthigen Gefangenen gewinnen könnte. Beſtimmte Beobachtungen
hierüber liegen aber ebenfalls nicht vor.



Eine geringe Anzahl kleiner Stelzvögel vereinigt ſozuſagen die Merkmale mehrerer Ordnungen
in ſich. Die Schwalbenwater (Tracheliae), welche ich meine, haben einen Schnabel, welcher
zwiſchen dem eines Huhnes und dem eines Nachtſchattens ungefähr die Mitte hält, lange Flügel, deren
Aehnlichkeit mit denen der Schwalben ihnen zu dem paſſenden Namen verholfen hat und unter deren
Schwingen die erſte alle übrigen an Länge überragt, einen ziemlich langen, entweder gerade abge-

Brehm, Thierleben. IV. 37
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[577/0615] Krokodilwächter. Krokodilwächter hat mir noch ein ganz anderes Pröbchen von ſeiner berechnenden Kühnheit gegeben: er hat mir gezeigt, wie man mit großen Herren umgehen kann, ohne deren Zornesausbruch fürchten zu müſſen; — doch ich habe die Geſchichte auf Seite 480 des dritten Bandes unſeres Buches bereits erzählt. Jn ſeinem Gebahren zeigte ſich bei jener Gelegenheit ſicherlich ebenſoviel Dreiſtigkeit und Ueberlegung, als ſie der Sperling bekundet, wenn er gefangene Adler in ihrem Käfige beſucht und ſcheinbar unbekümmert das verlangende Auge dieſer Räuber auf ſich ruhen ſieht. Jn der Achtſamkeit des Krokodilwächters und in der Würdigung der Umſtände und Ereigniſſe beruhen auch die Dienſte, welche er leiſtet. Das Geſchrei, welches er beim Anblick eines ihm fremdartig oder gefährlich dünkenden Weſens oder Gegenſtandes ausſtößt, erweckt das ſchlafende Krokodil und läßt ihm gerathen erſcheinen, ſich in die ſicheren Fluthen zurückzuziehen. Es iſt möglich, daß unſer Vogel dann und wann ein Samenkorn mit verzehrt; ſeine gewöhnliche Nahrung aber entnimmt er dem Thierreiche. Er frißt Kerbthiere aller Art, namentlich Sandkäfer, Fliegen, Waſſerſpinnen, Gewürm, kleine Muſcheln, Fiſche und, wie aus der angegebenen Beobachtung hervorgeht, auch Brocken vom Fleiſche größerer Wirbelthiere. Die Liſt des Krokodilwächters zeigt ſich deutlich gelegentlich ſeines Fortpflanzungsgeſchäftes. Nur einmal iſt es mir gelungen, das Neſt des häufigen Vogels aufzufinden, obgleich ich zu allen Jahreszeiten und insbeſondere, wenn die Zergliederung der erlegten Stücke mich lehrte, daß die Brutzeit eingetreten war, nach Neſtern und Eiern geſucht habe. Ein Zufall ließ mich entdecken, wie es der ſchlaue Geſell anfängt, ſeine Eier vor dem Auge eines Feindes zu verbergen. Durch das Fernrohr beobachtete ich längere Zeit ein Pärchen, von dem der eine Gatte auf dem Sande ſaß, während der andere in ſeiner gewöhnlichen Weiſe hin- und herlief. Jch vermuthete, daß der Sitzende mit Brüten beſchäftigt ſein möge, nahm mir die Stelle feſt ins Auge und ging langſam auf dieſelbe zu. Zu nicht geringem Erſtaunen bemerkte ich, daß der ſitzende Vogel, als ich etwa bis auf hundert Schritte heraugekommen war, mit einer gewiſſen Vorſicht auſſtand, eilfertig ſcharrte, ſodann zum anderen rannte und mit dieſem ſcheinbar gleichgiltig ſich entfernte. Bei der betreffenden Stelle angekommen, konnte ich zunächſt Nichts unterſcheiden, und mehr zufällig als in Folge meines Suchens entdeckte ich endlich eine Unebenheit im Sande, grub nach und hatte zwei Eier in den Händen, welche vollſtändig mit Sand überdeckt geweſen waren und, wenn die Mutter mehr Zeit gehabt hätte, gewiß ſo überdeckt worden wären, daß man auch die Mulde nicht wahrgenommen haben würde. Dieſe beiden Eier gehören zu den ſchönſten, welche Stelzvögel überhaupt legen. Jn Geſtalt und Korn ähneln ſie den Eiern des Wüſtenläufers, in der Größe denen der Brachſchwalbe; ihre Färbung iſt ein röthliches Sandgelb, die Zeichnung ein helleres und tieferes Rothgrau, die Ober- zeichnung ein lebhaftes Kaſtanienbraun, welche mit dem Grau Flecke, Punkte, Striche und Wurm- linien bildet und die Oberfläche ziemlich gleichmäßig bedeckt. Jm übrigen mangelt uns über das Brutgeſchäft jegliche Kunde. Es ſcheint, daß die Jungen ein Kleid anlegen, welches ſich von dem ihrer Eltern wenig unterſcheidet; denn ich erinnere mich nicht, jemals abweichend gefärbte Stücke geſehen zu haben. Für mich unterliegt es keinem Zweifel, daß man den zierlichen Vogel an ein Erſatzfutter gewöhnen und ſo einen höchſt anmuthigen Gefangenen gewinnen könnte. Beſtimmte Beobachtungen hierüber liegen aber ebenfalls nicht vor. Eine geringe Anzahl kleiner Stelzvögel vereinigt ſozuſagen die Merkmale mehrerer Ordnungen in ſich. Die Schwalbenwater (Tracheliae), welche ich meine, haben einen Schnabel, welcher zwiſchen dem eines Huhnes und dem eines Nachtſchattens ungefähr die Mitte hält, lange Flügel, deren Aehnlichkeit mit denen der Schwalben ihnen zu dem paſſenden Namen verholfen hat und unter deren Schwingen die erſte alle übrigen an Länge überragt, einen ziemlich langen, entweder gerade abge- Brehm, Thierleben. IV. 37

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 577. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/615>, abgerufen am 22.11.2024.