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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer. Stelzvögel Steinwälzer.

Abweichend von den bisher genannten Arten der Familie lebt der Lappenkiebitz nur auf dürren
Stellen, nach Art des Wüstenläufers. Auf allen freien Blößen der Steppengegend ist er keine
Seltenheit. Man begegnet ihm hier in Paaren, öfter noch in kleinen Familien, nach Art unseres
Kiebitzes. Häufig kann man ihn eigentlich nicht nennen, er gehört wenigstens nicht zu den alltäglichen
Erscheinungen. Doch wird man ihn bei einer länger währenden Steppenreise selten vermissen.
Zuerst fand ich ihn in der Bahiuda, später in Kordofahn und endlich in der Samchara auf, hier aber
nur ein einziges Mal und zwar innerhalb einer verlassenen Serieba oder durch hohe Dornenwände
geschützten Viehhürde, wo er den übrig gebliebenen Dünger nach Kerbthieren absuchte.

Man mag den Lappenkiebitz als ein Mittelglied zwischen unserm deutschen und dem Sporen-
kiebitz betrachten; er erinnert in seinem Betragen an diesen wie an jenen. Sein Lauf ist ungemein
rasch und behend, sein Flug schön und leicht, dem unsers Kiebitzes täuschend ähnlich, die Stimme
jener des Sporenkiebitzes vergleichbar. Von der Zudringlichkeit des letztgenannten bemerkt man bei
ihm Nichts; man lernt ihn im Gegentheil als scheuen und vorsichtigen Vogel kennen, auch an den
unbewohnten Orten, woselbst er doch sicher noch nicht durch Nachstellung gewitzigt worden ist.

Hierauf beschränken sich meine Beobachtungen, andere aber sind mir nicht bekannt geworden.



Unter dem kleinen Strandgewimmel, welches die Küste des Meeres belebt, bemerkt man hier und
da auch einen schön gezeichneten, äußerst lebendigen Vogel, welcher sich von den übrigen nicht blos
durch seine Gestalt, sondern in mancher Hinsicht auch durch sein Betragen auszeichnet. Man hat
diesen Vogel, den Steinwälzer, Steindreher oder Dolmetscher (Strepsilas interpres) so
ziemlich auf der ganzen Erde gefunden, an den Küsten Jslands und Skandinaviens wie an denen
Griechenlands, Süditaliens und Spaniens, in Holland wie in Mittelamerika und Brasilien, in
Egypten wie am Vorgebirge der guten Hoffnung, in China wie in Jndien, überall aber vorzugsweise
am Meere und nur während der Zugzeit, jedoch immer sehr einzeln, an Binnengewässern. Er ist
also ein Weltbürger in des Wortes eigentlicher Bedeutung.

Der Steinwälzer darf als Vertreter einer besondern Gruppe oder Unterfamilie betrachtet
werden, zu welcher man nur noch zwei andere Sippen rechnet. Er bildet in unseren Augen ein
Verbindungsglied zwischen den Hühnerstelzen und Schnepfen. Der Leib ist kräftig, der Hals kurz,
der Kopf verhältnißmäßig groß und hochstirnig, der Flügel lang und spitzig, in ihm die erste
Schwinge die längste, das Oberarmgefieder bedeutend verlängert, der zwölffedrige Schwanz kaum
mittellang, sanft abgerundet, der Schnabel kürzer als der Kopf, kegelförmig, ein wenig und sanft
aufwärts gebogen, auf der Firste abgeplattet und durchgehends hart, das Bein verhältnißmäßig
niedrig, aber kräftig, der Fuß vierzehig, das Gefieder ziemlich reich, jedoch knapp anliegend, durch
lebhafte Färbung ausgezeichnet. Nitzsch fand bei Zergliederung alle wesentlichen Merkmale der
Regenpfeifer, hebt aber als bezeichnend hervor: die Schmalheit der Stirnbeine, die Kürze der
Fußwurzeln und die ungemeine Stärke des Muskels, welche den Unterkiefer abzieht und den
Schnabel öffnet.

Beim alten Vogel im Sommerkleide sind die Stirn, die Wangen, ein breites Halsband im
Nacken, der Unterrücken, die Kehle und die Unterdeckfedern der Flügel, sowie ein Streifen über dem
Flügel reinweiß, ein Streifen, welcher auf der Stirn beginnt, neben dem Auge vorüber und am
Halse herabläuft, der Vorderhals, die Seiten des Halses und der Brust schwarz, die Federn des
Mantels schwarz und roth gefleckt, die des Scheitels weiß und schwarz in die Länge gestreift, die
Flügeldeckfedern kastanienbraunroth, schwarz gefleckt; der Bürzel zeigt eine breite braune Binde; die
Schwingen sind schwärzlich, die Steuerfedern an der Wurzel und an der Spitze weiß, gegen das Ende
hin von einer breiten schwarzen Binde durchzogen. Das Auge ist braun, der Schnabel schwarz, der Fuß

Die Läufer. Stelzvögel Steinwälzer.

Abweichend von den bisher genannten Arten der Familie lebt der Lappenkiebitz nur auf dürren
Stellen, nach Art des Wüſtenläufers. Auf allen freien Blößen der Steppengegend iſt er keine
Seltenheit. Man begegnet ihm hier in Paaren, öfter noch in kleinen Familien, nach Art unſeres
Kiebitzes. Häufig kann man ihn eigentlich nicht nennen, er gehört wenigſtens nicht zu den alltäglichen
Erſcheinungen. Doch wird man ihn bei einer länger währenden Steppenreiſe ſelten vermiſſen.
Zuerſt fand ich ihn in der Bahiuda, ſpäter in Kordofahn und endlich in der Samchara auf, hier aber
nur ein einziges Mal und zwar innerhalb einer verlaſſenen Serieba oder durch hohe Dornenwände
geſchützten Viehhürde, wo er den übrig gebliebenen Dünger nach Kerbthieren abſuchte.

Man mag den Lappenkiebitz als ein Mittelglied zwiſchen unſerm deutſchen und dem Sporen-
kiebitz betrachten; er erinnert in ſeinem Betragen an dieſen wie an jenen. Sein Lauf iſt ungemein
raſch und behend, ſein Flug ſchön und leicht, dem unſers Kiebitzes täuſchend ähnlich, die Stimme
jener des Sporenkiebitzes vergleichbar. Von der Zudringlichkeit des letztgenannten bemerkt man bei
ihm Nichts; man lernt ihn im Gegentheil als ſcheuen und vorſichtigen Vogel kennen, auch an den
unbewohnten Orten, woſelbſt er doch ſicher noch nicht durch Nachſtellung gewitzigt worden iſt.

Hierauf beſchränken ſich meine Beobachtungen, andere aber ſind mir nicht bekannt geworden.



Unter dem kleinen Strandgewimmel, welches die Küſte des Meeres belebt, bemerkt man hier und
da auch einen ſchön gezeichneten, äußerſt lebendigen Vogel, welcher ſich von den übrigen nicht blos
durch ſeine Geſtalt, ſondern in mancher Hinſicht auch durch ſein Betragen auszeichnet. Man hat
dieſen Vogel, den Steinwälzer, Steindreher oder Dolmetſcher (Strepsilas interpres) ſo
ziemlich auf der ganzen Erde gefunden, an den Küſten Jslands und Skandinaviens wie an denen
Griechenlands, Süditaliens und Spaniens, in Holland wie in Mittelamerika und Braſilien, in
Egypten wie am Vorgebirge der guten Hoffnung, in China wie in Jndien, überall aber vorzugsweiſe
am Meere und nur während der Zugzeit, jedoch immer ſehr einzeln, an Binnengewäſſern. Er iſt
alſo ein Weltbürger in des Wortes eigentlicher Bedeutung.

Der Steinwälzer darf als Vertreter einer beſondern Gruppe oder Unterfamilie betrachtet
werden, zu welcher man nur noch zwei andere Sippen rechnet. Er bildet in unſeren Augen ein
Verbindungsglied zwiſchen den Hühnerſtelzen und Schnepfen. Der Leib iſt kräftig, der Hals kurz,
der Kopf verhältnißmäßig groß und hochſtirnig, der Flügel lang und ſpitzig, in ihm die erſte
Schwinge die längſte, das Oberarmgefieder bedeutend verlängert, der zwölffedrige Schwanz kaum
mittellang, ſanft abgerundet, der Schnabel kürzer als der Kopf, kegelförmig, ein wenig und ſanft
aufwärts gebogen, auf der Firſte abgeplattet und durchgehends hart, das Bein verhältnißmäßig
niedrig, aber kräftig, der Fuß vierzehig, das Gefieder ziemlich reich, jedoch knapp anliegend, durch
lebhafte Färbung ausgezeichnet. Nitzſch fand bei Zergliederung alle weſentlichen Merkmale der
Regenpfeifer, hebt aber als bezeichnend hervor: die Schmalheit der Stirnbeine, die Kürze der
Fußwurzeln und die ungemeine Stärke des Muskels, welche den Unterkiefer abzieht und den
Schnabel öffnet.

Beim alten Vogel im Sommerkleide ſind die Stirn, die Wangen, ein breites Halsband im
Nacken, der Unterrücken, die Kehle und die Unterdeckfedern der Flügel, ſowie ein Streifen über dem
Flügel reinweiß, ein Streifen, welcher auf der Stirn beginnt, neben dem Auge vorüber und am
Halſe herabläuft, der Vorderhals, die Seiten des Halſes und der Bruſt ſchwarz, die Federn des
Mantels ſchwarz und roth gefleckt, die des Scheitels weiß und ſchwarz in die Länge geſtreift, die
Flügeldeckfedern kaſtanienbraunroth, ſchwarz gefleckt; der Bürzel zeigt eine breite braune Binde; die
Schwingen ſind ſchwärzlich, die Steuerfedern an der Wurzel und an der Spitze weiß, gegen das Ende
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[600/0640] Die Läufer. Stelzvögel Steinwälzer. Abweichend von den bisher genannten Arten der Familie lebt der Lappenkiebitz nur auf dürren Stellen, nach Art des Wüſtenläufers. Auf allen freien Blößen der Steppengegend iſt er keine Seltenheit. Man begegnet ihm hier in Paaren, öfter noch in kleinen Familien, nach Art unſeres Kiebitzes. Häufig kann man ihn eigentlich nicht nennen, er gehört wenigſtens nicht zu den alltäglichen Erſcheinungen. Doch wird man ihn bei einer länger währenden Steppenreiſe ſelten vermiſſen. Zuerſt fand ich ihn in der Bahiuda, ſpäter in Kordofahn und endlich in der Samchara auf, hier aber nur ein einziges Mal und zwar innerhalb einer verlaſſenen Serieba oder durch hohe Dornenwände geſchützten Viehhürde, wo er den übrig gebliebenen Dünger nach Kerbthieren abſuchte. Man mag den Lappenkiebitz als ein Mittelglied zwiſchen unſerm deutſchen und dem Sporen- kiebitz betrachten; er erinnert in ſeinem Betragen an dieſen wie an jenen. Sein Lauf iſt ungemein raſch und behend, ſein Flug ſchön und leicht, dem unſers Kiebitzes täuſchend ähnlich, die Stimme jener des Sporenkiebitzes vergleichbar. Von der Zudringlichkeit des letztgenannten bemerkt man bei ihm Nichts; man lernt ihn im Gegentheil als ſcheuen und vorſichtigen Vogel kennen, auch an den unbewohnten Orten, woſelbſt er doch ſicher noch nicht durch Nachſtellung gewitzigt worden iſt. Hierauf beſchränken ſich meine Beobachtungen, andere aber ſind mir nicht bekannt geworden. Unter dem kleinen Strandgewimmel, welches die Küſte des Meeres belebt, bemerkt man hier und da auch einen ſchön gezeichneten, äußerſt lebendigen Vogel, welcher ſich von den übrigen nicht blos durch ſeine Geſtalt, ſondern in mancher Hinſicht auch durch ſein Betragen auszeichnet. Man hat dieſen Vogel, den Steinwälzer, Steindreher oder Dolmetſcher (Strepsilas interpres) ſo ziemlich auf der ganzen Erde gefunden, an den Küſten Jslands und Skandinaviens wie an denen Griechenlands, Süditaliens und Spaniens, in Holland wie in Mittelamerika und Braſilien, in Egypten wie am Vorgebirge der guten Hoffnung, in China wie in Jndien, überall aber vorzugsweiſe am Meere und nur während der Zugzeit, jedoch immer ſehr einzeln, an Binnengewäſſern. Er iſt alſo ein Weltbürger in des Wortes eigentlicher Bedeutung. Der Steinwälzer darf als Vertreter einer beſondern Gruppe oder Unterfamilie betrachtet werden, zu welcher man nur noch zwei andere Sippen rechnet. Er bildet in unſeren Augen ein Verbindungsglied zwiſchen den Hühnerſtelzen und Schnepfen. Der Leib iſt kräftig, der Hals kurz, der Kopf verhältnißmäßig groß und hochſtirnig, der Flügel lang und ſpitzig, in ihm die erſte Schwinge die längſte, das Oberarmgefieder bedeutend verlängert, der zwölffedrige Schwanz kaum mittellang, ſanft abgerundet, der Schnabel kürzer als der Kopf, kegelförmig, ein wenig und ſanft aufwärts gebogen, auf der Firſte abgeplattet und durchgehends hart, das Bein verhältnißmäßig niedrig, aber kräftig, der Fuß vierzehig, das Gefieder ziemlich reich, jedoch knapp anliegend, durch lebhafte Färbung ausgezeichnet. Nitzſch fand bei Zergliederung alle weſentlichen Merkmale der Regenpfeifer, hebt aber als bezeichnend hervor: die Schmalheit der Stirnbeine, die Kürze der Fußwurzeln und die ungemeine Stärke des Muskels, welche den Unterkiefer abzieht und den Schnabel öffnet. Beim alten Vogel im Sommerkleide ſind die Stirn, die Wangen, ein breites Halsband im Nacken, der Unterrücken, die Kehle und die Unterdeckfedern der Flügel, ſowie ein Streifen über dem Flügel reinweiß, ein Streifen, welcher auf der Stirn beginnt, neben dem Auge vorüber und am Halſe herabläuft, der Vorderhals, die Seiten des Halſes und der Bruſt ſchwarz, die Federn des Mantels ſchwarz und roth gefleckt, die des Scheitels weiß und ſchwarz in die Länge geſtreift, die Flügeldeckfedern kaſtanienbraunroth, ſchwarz gefleckt; der Bürzel zeigt eine breite braune Binde; die Schwingen ſind ſchwärzlich, die Steuerfedern an der Wurzel und an der Spitze weiß, gegen das Ende hin von einer breiten ſchwarzen Binde durchzogen. Das Auge iſt braun, der Schnabel ſchwarz, der Fuß

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 600. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/640>, abgerufen am 22.11.2024.