zeigt der Säbelschnäbler durchaus keine Zuneigung. Ein einzelner wird niemals von dem kleinen Strandgewimmel zum Führer erkoren, und wenn sich einer unter anderen Vögeln niederläßt, benimmt er sich durchaus unabhängig von der Gesellschaft; nur mit dem Stelzenläufer findet, wie schon bemerkt, ein einigermaßen freundschaftliches Verhältniß statt. Die Ursache dieser Zurückhaltung sucht Nau- mann, und gewiß mit Recht, weniger in dem mangelnden Geselligkeitstriebe, als in der eigenthüm- lichen Nahrungsweise.
Bald nach ihrer Ankunft trennen sich die Schwärme in Paare und vertheilen sich auf den Nist- stellen, am liebsten auf Flächen, welche mit kurzgrasigem Rasen bedeckt sind und von Austernfischern, Wasser- und Strandläufern, Meerschwalben, Silbermöven u. s. w. ebenfalls zum Nisten benutzt werden, seltener auf Feldern mit jungem oder aufgegangenen Getreide, immer aber auf Strecken unweit der Seeküste. Das Nest ist eine unbedeutende, mit einigen trockenen Hälmchen oder Gewürzel ausgelegte Vertiefung; das Gelege besteht in der Regel aus drei, seltener aus vier, oft nur aus zwei Eiern von der Größe der unseres Kiebitzes, birn- oder kreiselförmiger Gestalt, zarter, glanzloser Schale, lichtrost- oder olivengelblicher Grundfärbung und einer aus mehr oder weniger zahlreichen, schwarzgrauen und violetten Flecken und Punkten bestehenden Zeichnung. Beide Geschlechter brüten abwechselnd etwa siebzehn bis achtzehn Tage lang, zeigen sich ungemein besorgt um die Brut, umfliegen mit kläglichem Schreien den Menschen, welcher sich nähert, und führen die Jungen, sobald sie völlig abgetrocknet sind, einer Bodenfläche zu, welche ihnen Versteckplätze bietet, später an große Pfützen und endlich, wenn sie zu flattern beginnen, an die offene See.
Auch Säbelschnäbler lassen sich bei geeigneter Pflege im Käfige halten. Jch habe solche Gefangene freilich nur einmal gesehen, im Thiergarten zu Köln nämlich, und mir, um über das Gefangenleben berichten zu können, die Hilfe meines wackeren Freundes Bodinus erbitten müssen. "Jmmer", so schreibt er mir, "habe ich eine außerordentliche Vorliebe gehabt für die befiederten Bewohner der Meeresküste, und stets war es mir ein hoher Genuß, am Strande der Ostsee, meiner Heimat, das Thun und Treiben der prächtigen Brandente, des Austernfischers und seiner zahlreichen Verwandten, insbesondere aber des Säbelschnäblers zu beobachten, von jeher war es mein Wunsch, letzteren, diese Perle eines Vogels, in Gefangenschaft zu halten. Allein während meines Aufenthaltes in der Heimat gelang es mir nicht, seiner habhaft zu werden. Der Vogel, an einigen Küstenplätzen von Rügen gerade nicht selten, hatte sich in Folge von Nachstellungen und des unverständigen Weg- nehmens seiner Eier, allmählich verzogen. Brütende Pärchen zu finden, war unmöglich, Alte zu fangen, mindestens sehr schwierig, ganz abgesehen davon, daß es mir mißlich erschien, letztere ans Futter zu gewöhnen und dauernd zu erhalten. Endlich gelang es mir, von Holland aus junge Säbelschnäbler zu erwerben. Meine Freude war groß, die Spannung, ob es mir gelingen möge, die halberwachsenen Vögel aufzubringen, nicht gering."
"Aus vieljähriger Erfahrung weiß ich, daß der Durst auch beim wildesten Thiere, wenigstens für eine kurze Zeit, jede Scheu beseitigt; mein erstes Bestreben war daher, das Verlangen nach Wasser bei den in Folge der weiten Reise gänzlich ermatteten Vögeln zu befriedigen. Ohne Weiteres begaben sie sich zum Wasserbecken in dem Gesellschaftsbauer, welchen ich ihnen zum Aufenthalte angewiesen hatte, tranken in tiefen Zügen, und begannen auch bald, sich zu baden und zu putzen. Jetzt wußte ich, woran ich war; ich zweifelte keinen Augenblick mehr, daß sie auch Nahrung annehmen würden, und meine Vermuthung ward zur Gewißheit, als sie nach genügender Reinigung und Abtrocknung des durchnäßten Gefieders wieder ins Wasserbecken stiegen und seitliche Bewegungen mit dem Schnabel ausführten. Was konnte ich nun wohl Besseres ins Wasser werfen, als das allgemeine Futter für derartige Sippschaft, frische Ameiseneier? Die zwischen denselben vorhandenen Ameisen bewegten sich im Wasser und zogen die Aufmerksamkeit der jungen Säbelschnäbler auf sich, und bald begannen diese, nachdem sie sich entschlossen, zu kosten, sich recht tüchtig mit der ihnen wohl behagenden Speise zu erquicken. Meine Vögel tranken also, sie badeten sich, sie fraßen, sie thaten Alles, was man vorläufig verlangen konnte, kurz: es ging nach
Säbelſchnäbler.
zeigt der Säbelſchnäbler durchaus keine Zuneigung. Ein einzelner wird niemals von dem kleinen Strandgewimmel zum Führer erkoren, und wenn ſich einer unter anderen Vögeln niederläßt, benimmt er ſich durchaus unabhängig von der Geſellſchaft; nur mit dem Stelzenläufer findet, wie ſchon bemerkt, ein einigermaßen freundſchaftliches Verhältniß ſtatt. Die Urſache dieſer Zurückhaltung ſucht Nau- mann, und gewiß mit Recht, weniger in dem mangelnden Geſelligkeitstriebe, als in der eigenthüm- lichen Nahrungsweiſe.
Bald nach ihrer Ankunft trennen ſich die Schwärme in Paare und vertheilen ſich auf den Niſt- ſtellen, am liebſten auf Flächen, welche mit kurzgraſigem Raſen bedeckt ſind und von Auſternfiſchern, Waſſer- und Strandläufern, Meerſchwalben, Silbermöven u. ſ. w. ebenfalls zum Niſten benutzt werden, ſeltener auf Feldern mit jungem oder aufgegangenen Getreide, immer aber auf Strecken unweit der Seeküſte. Das Neſt iſt eine unbedeutende, mit einigen trockenen Hälmchen oder Gewürzel ausgelegte Vertiefung; das Gelege beſteht in der Regel aus drei, ſeltener aus vier, oft nur aus zwei Eiern von der Größe der unſeres Kiebitzes, birn- oder kreiſelförmiger Geſtalt, zarter, glanzloſer Schale, lichtroſt- oder olivengelblicher Grundfärbung und einer aus mehr oder weniger zahlreichen, ſchwarzgrauen und violetten Flecken und Punkten beſtehenden Zeichnung. Beide Geſchlechter brüten abwechſelnd etwa ſiebzehn bis achtzehn Tage lang, zeigen ſich ungemein beſorgt um die Brut, umfliegen mit kläglichem Schreien den Menſchen, welcher ſich nähert, und führen die Jungen, ſobald ſie völlig abgetrocknet ſind, einer Bodenfläche zu, welche ihnen Verſteckplätze bietet, ſpäter an große Pfützen und endlich, wenn ſie zu flattern beginnen, an die offene See.
Auch Säbelſchnäbler laſſen ſich bei geeigneter Pflege im Käfige halten. Jch habe ſolche Gefangene freilich nur einmal geſehen, im Thiergarten zu Köln nämlich, und mir, um über das Gefangenleben berichten zu können, die Hilfe meines wackeren Freundes Bodinus erbitten müſſen. „Jmmer“, ſo ſchreibt er mir, „habe ich eine außerordentliche Vorliebe gehabt für die befiederten Bewohner der Meeresküſte, und ſtets war es mir ein hoher Genuß, am Strande der Oſtſee, meiner Heimat, das Thun und Treiben der prächtigen Brandente, des Auſternfiſchers und ſeiner zahlreichen Verwandten, insbeſondere aber des Säbelſchnäblers zu beobachten, von jeher war es mein Wunſch, letzteren, dieſe Perle eines Vogels, in Gefangenſchaft zu halten. Allein während meines Aufenthaltes in der Heimat gelang es mir nicht, ſeiner habhaft zu werden. Der Vogel, an einigen Küſtenplätzen von Rügen gerade nicht ſelten, hatte ſich in Folge von Nachſtellungen und des unverſtändigen Weg- nehmens ſeiner Eier, allmählich verzogen. Brütende Pärchen zu finden, war unmöglich, Alte zu fangen, mindeſtens ſehr ſchwierig, ganz abgeſehen davon, daß es mir mißlich erſchien, letztere ans Futter zu gewöhnen und dauernd zu erhalten. Endlich gelang es mir, von Holland aus junge Säbelſchnäbler zu erwerben. Meine Freude war groß, die Spannung, ob es mir gelingen möge, die halberwachſenen Vögel aufzubringen, nicht gering.“
„Aus vieljähriger Erfahrung weiß ich, daß der Durſt auch beim wildeſten Thiere, wenigſtens für eine kurze Zeit, jede Scheu beſeitigt; mein erſtes Beſtreben war daher, das Verlangen nach Waſſer bei den in Folge der weiten Reiſe gänzlich ermatteten Vögeln zu befriedigen. Ohne Weiteres begaben ſie ſich zum Waſſerbecken in dem Geſellſchaftsbauer, welchen ich ihnen zum Aufenthalte angewieſen hatte, tranken in tiefen Zügen, und begannen auch bald, ſich zu baden und zu putzen. Jetzt wußte ich, woran ich war; ich zweifelte keinen Augenblick mehr, daß ſie auch Nahrung annehmen würden, und meine Vermuthung ward zur Gewißheit, als ſie nach genügender Reinigung und Abtrocknung des durchnäßten Gefieders wieder ins Waſſerbecken ſtiegen und ſeitliche Bewegungen mit dem Schnabel ausführten. Was konnte ich nun wohl Beſſeres ins Waſſer werfen, als das allgemeine Futter für derartige Sippſchaft, friſche Ameiſeneier? Die zwiſchen denſelben vorhandenen Ameiſen bewegten ſich im Waſſer und zogen die Aufmerkſamkeit der jungen Säbelſchnäbler auf ſich, und bald begannen dieſe, nachdem ſie ſich entſchloſſen, zu koſten, ſich recht tüchtig mit der ihnen wohl behagenden Speiſe zu erquicken. Meine Vögel tranken alſo, ſie badeten ſich, ſie fraßen, ſie thaten Alles, was man vorläufig verlangen konnte, kurz: es ging nach
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[647/0687]
Säbelſchnäbler.
zeigt der Säbelſchnäbler durchaus keine Zuneigung. Ein einzelner wird niemals von dem kleinen
Strandgewimmel zum Führer erkoren, und wenn ſich einer unter anderen Vögeln niederläßt, benimmt
er ſich durchaus unabhängig von der Geſellſchaft; nur mit dem Stelzenläufer findet, wie ſchon bemerkt,
ein einigermaßen freundſchaftliches Verhältniß ſtatt. Die Urſache dieſer Zurückhaltung ſucht Nau-
mann, und gewiß mit Recht, weniger in dem mangelnden Geſelligkeitstriebe, als in der eigenthüm-
lichen Nahrungsweiſe.
Bald nach ihrer Ankunft trennen ſich die Schwärme in Paare und vertheilen ſich auf den Niſt-
ſtellen, am liebſten auf Flächen, welche mit kurzgraſigem Raſen bedeckt ſind und von Auſternfiſchern,
Waſſer- und Strandläufern, Meerſchwalben, Silbermöven u. ſ. w. ebenfalls zum Niſten benutzt
werden, ſeltener auf Feldern mit jungem oder aufgegangenen Getreide, immer aber auf Strecken
unweit der Seeküſte. Das Neſt iſt eine unbedeutende, mit einigen trockenen Hälmchen oder Gewürzel
ausgelegte Vertiefung; das Gelege beſteht in der Regel aus drei, ſeltener aus vier, oft nur aus zwei
Eiern von der Größe der unſeres Kiebitzes, birn- oder kreiſelförmiger Geſtalt, zarter, glanzloſer
Schale, lichtroſt- oder olivengelblicher Grundfärbung und einer aus mehr oder weniger zahlreichen,
ſchwarzgrauen und violetten Flecken und Punkten beſtehenden Zeichnung. Beide Geſchlechter brüten
abwechſelnd etwa ſiebzehn bis achtzehn Tage lang, zeigen ſich ungemein beſorgt um die Brut,
umfliegen mit kläglichem Schreien den Menſchen, welcher ſich nähert, und führen die Jungen, ſobald
ſie völlig abgetrocknet ſind, einer Bodenfläche zu, welche ihnen Verſteckplätze bietet, ſpäter an große
Pfützen und endlich, wenn ſie zu flattern beginnen, an die offene See.
Auch Säbelſchnäbler laſſen ſich bei geeigneter Pflege im Käfige halten. Jch habe ſolche
Gefangene freilich nur einmal geſehen, im Thiergarten zu Köln nämlich, und mir, um über das
Gefangenleben berichten zu können, die Hilfe meines wackeren Freundes Bodinus erbitten müſſen.
„Jmmer“, ſo ſchreibt er mir, „habe ich eine außerordentliche Vorliebe gehabt für die befiederten
Bewohner der Meeresküſte, und ſtets war es mir ein hoher Genuß, am Strande der Oſtſee, meiner
Heimat, das Thun und Treiben der prächtigen Brandente, des Auſternfiſchers und ſeiner zahlreichen
Verwandten, insbeſondere aber des Säbelſchnäblers zu beobachten, von jeher war es mein Wunſch,
letzteren, dieſe Perle eines Vogels, in Gefangenſchaft zu halten. Allein während meines Aufenthaltes
in der Heimat gelang es mir nicht, ſeiner habhaft zu werden. Der Vogel, an einigen Küſtenplätzen
von Rügen gerade nicht ſelten, hatte ſich in Folge von Nachſtellungen und des unverſtändigen Weg-
nehmens ſeiner Eier, allmählich verzogen. Brütende Pärchen zu finden, war unmöglich, Alte zu
fangen, mindeſtens ſehr ſchwierig, ganz abgeſehen davon, daß es mir mißlich erſchien, letztere ans
Futter zu gewöhnen und dauernd zu erhalten. Endlich gelang es mir, von Holland aus junge
Säbelſchnäbler zu erwerben. Meine Freude war groß, die Spannung, ob es mir gelingen möge, die
halberwachſenen Vögel aufzubringen, nicht gering.“
„Aus vieljähriger Erfahrung weiß ich, daß der Durſt auch beim wildeſten Thiere, wenigſtens
für eine kurze Zeit, jede Scheu beſeitigt; mein erſtes Beſtreben war daher, das Verlangen nach
Waſſer bei den in Folge der weiten Reiſe gänzlich ermatteten Vögeln zu befriedigen. Ohne
Weiteres begaben ſie ſich zum Waſſerbecken in dem Geſellſchaftsbauer, welchen ich ihnen zum
Aufenthalte angewieſen hatte, tranken in tiefen Zügen, und begannen auch bald, ſich zu baden
und zu putzen. Jetzt wußte ich, woran ich war; ich zweifelte keinen Augenblick mehr, daß
ſie auch Nahrung annehmen würden, und meine Vermuthung ward zur Gewißheit, als ſie
nach genügender Reinigung und Abtrocknung des durchnäßten Gefieders wieder ins Waſſerbecken
ſtiegen und ſeitliche Bewegungen mit dem Schnabel ausführten. Was konnte ich nun wohl Beſſeres
ins Waſſer werfen, als das allgemeine Futter für derartige Sippſchaft, friſche Ameiſeneier? Die
zwiſchen denſelben vorhandenen Ameiſen bewegten ſich im Waſſer und zogen die Aufmerkſamkeit der
jungen Säbelſchnäbler auf ſich, und bald begannen dieſe, nachdem ſie ſich entſchloſſen, zu koſten, ſich
recht tüchtig mit der ihnen wohl behagenden Speiſe zu erquicken. Meine Vögel tranken alſo, ſie
badeten ſich, ſie fraßen, ſie thaten Alles, was man vorläufig verlangen konnte, kurz: es ging nach
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 647. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/687>, abgerufen am 22.11.2024.
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