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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Allgemeines.
zwölf Federn bestehenden Schwanze und ziemlich derbem, gut schließenden Kleingefieder, dessen Farben
sich über große Felder vertheilen. Die kleineren Mitglieder der Familie ähneln in ihrer Gestalt den
Brachvögeln, unterscheiden sich aber schon durch die gänzlich verschiedene Färbung und noch mehr
durch den Mangel an Zeichnung der Federn. Einige Arten fallen auf durch die Nacktheit des
Gesichtes und Halses, eigenthümliche Bekleidung dieser Stellen, verlängerte Hinterhalsfedern und der-
gleichen. Die Geschlechter unterscheiden sich wenig, die Jungen merklich von den Alten; auch
das Sommer- und Winterkleid kann ziemlich verschieden sein.

Aus den Untersuchungen von Nitzsch geht hervor, daß der innere Bau der Jbisse dem der
Brachvögel ähnelt; das Kopfgerüst ist jedoch in allen Theilen kräftiger, die Stirn höher und breiter,
die Augenscheidewand vollständig verknöchert; die Wirbelsäule besteht aus funfzehn oder sechszehn
Halswirbeln (zwei bis drei mehr als bei den Brachvögeln), acht bis neun Brust- und sieben Schwanz-
wirbeln; das Brustbein ist minder schmächtig, seine beiden inneren Hautbuchten kommen den äußeren
fast an Größe gleich; viele Theile des Gerippes sind im Gegensatze zu den entsprechenden Schnepfen-
vögeln marklos und luftführend, so namentlich die Oberarm-, Schulter- und Beckenknochen, das
Brustbein und die meisten Wirbel. Die Zunge ist eine kleine, dreieckige Kümmerzunge, der Magen
muskelig; die Blinddärme zeichnen sich aus durch ihre Kürze u. s. w.

Jm Gegensatze zu den Schnepfenvögeln bewohnen die Jbisse vorzugsweise die warmen Gürtel
der Erde; nur wenige Arten kommen auch in gemäßigten Länderstrichen vor. Man findet sie in
allen Erdtheilen, einzelne Arten in sehr verschiedenen Ländern, andere innerhalb eines mehr
beschränkten Verbreitungskreises. Diejenigen, welche im Norden des Gebietes der Familie leben,
gehören zu den Wandervögeln, die übrigen streichen, jedoch mit einer gewissen Regelmäßigkeit. Alle
Arten leben mehr oder weniger im Sumpfe, diese nahe der Meeresküste, jene auf feuchten Gebirgs-
ebenen, einige auch im Walde oder in der buschreichen Steppe, jedoch immer nur da, wo es Bäume in
der Nähe gibt; denn zu diesen kommen sie wenigstens des Abends, um auf ihnen Nachtruhe zu halten.
Alle Arten, deren Lebensweise man kennt, sind Tagvögel. Sie fliegen mit Sonnenaufgang oder
wenige Minuten früher von ihren Schlafplätzen weg nach denjenigen Orten, welche ihnen Nahrung
versprechen, beschäftigen sich übertags, ruhen in den Mittagsstunden entweder auf dem Boden oder
und häufiger wohl auf Bäumen, suchen nachmittags wiederum Futter und ziehen abends gemein-
schaftlich den Schlafplätzen zu; sie wandern auch nur in den Tagesstunden, nicht einmal in mond-
hellen Nächten.

Jn ihrem Wesen und Betragen haben sie allerdings noch Manches mit den Schnepfenvögeln
gemein; aber die Aehnlichkeit der Lebensweise und Sitten beider Gruppen ist doch mehr eine schein-
bare als wirkliche. Den Brachvögeln ähneln die Jbisse, wenn sie auf dem Boden einhergehen und
Nahrung suchen; in allem übrigen unterscheiden sie sich von ihnen. Sie gehen gut, mit gemessenen
Schritten, niemals eigentlich rennend, sondern stets schreitend, waten bis zu ihrem Leibe ins Wasser,
schwimmen, wenn ihnen die Lust ankommt oder die Noth sie zwingt, verhältnißmäßig gut, fliegen
langsamer als die Brachvögel, mit vielen Flügelschlägen, auf welche dann ein längeres Gleiten folgt,
ordnen sich nicht in die Keilform, sondern bilden höchstens eine gerade Linie, welche ihrer Breite nach
die Luft durchschneidet, schweben vor dem Niederlassen nach Art der Störche und fußen, wie schon
bemerkt, wenn sie nicht nach Nahrung ausgehen, regelmäßig auf Bäumen. Jhre Stimme entbehrt
des Wohlklanges und ist immer dumpf und rauh oder kreischend, klagend und gellend, bei einzelnen
Arten höchst sonderbar, bei keinem einzelnen Mitgliede der Familie wirklich ansprechend. Die Sinne
stehen mit denen der Brachvögel mindestens auf gleicher Stufe; die geistigen Fähigkeiten räumen
ihnen die erste Stelle innerhalb ihrer Zunft ein. Wesen und Betragen fesseln selbst den Unkundigen
und erklären die Verehrung, welche einzelne dieser Vögel in früheren Zeiten genossen oder die
Beachtung, welche anderen noch heutigen Tages zu Theil wird. Alle Jbisse sind gesellig und vereinigen
sich nicht blos mit den Artgenossen, sondern auch mit fremdartigen Vögeln, ohne jedoch mit diesen eine
engere Verbindung einzugehen, mindestens ohne eine solche längere Zeit zu unterhalten, während sie

Allgemeines.
zwölf Federn beſtehenden Schwanze und ziemlich derbem, gut ſchließenden Kleingefieder, deſſen Farben
ſich über große Felder vertheilen. Die kleineren Mitglieder der Familie ähneln in ihrer Geſtalt den
Brachvögeln, unterſcheiden ſich aber ſchon durch die gänzlich verſchiedene Färbung und noch mehr
durch den Mangel an Zeichnung der Federn. Einige Arten fallen auf durch die Nacktheit des
Geſichtes und Halſes, eigenthümliche Bekleidung dieſer Stellen, verlängerte Hinterhalsfedern und der-
gleichen. Die Geſchlechter unterſcheiden ſich wenig, die Jungen merklich von den Alten; auch
das Sommer- und Winterkleid kann ziemlich verſchieden ſein.

Aus den Unterſuchungen von Nitzſch geht hervor, daß der innere Bau der Jbiſſe dem der
Brachvögel ähnelt; das Kopfgerüſt iſt jedoch in allen Theilen kräftiger, die Stirn höher und breiter,
die Augenſcheidewand vollſtändig verknöchert; die Wirbelſäule beſteht aus funfzehn oder ſechszehn
Halswirbeln (zwei bis drei mehr als bei den Brachvögeln), acht bis neun Bruſt- und ſieben Schwanz-
wirbeln; das Bruſtbein iſt minder ſchmächtig, ſeine beiden inneren Hautbuchten kommen den äußeren
faſt an Größe gleich; viele Theile des Gerippes ſind im Gegenſatze zu den entſprechenden Schnepfen-
vögeln marklos und luftführend, ſo namentlich die Oberarm-, Schulter- und Beckenknochen, das
Bruſtbein und die meiſten Wirbel. Die Zunge iſt eine kleine, dreieckige Kümmerzunge, der Magen
muskelig; die Blinddärme zeichnen ſich aus durch ihre Kürze u. ſ. w.

Jm Gegenſatze zu den Schnepfenvögeln bewohnen die Jbiſſe vorzugsweiſe die warmen Gürtel
der Erde; nur wenige Arten kommen auch in gemäßigten Länderſtrichen vor. Man findet ſie in
allen Erdtheilen, einzelne Arten in ſehr verſchiedenen Ländern, andere innerhalb eines mehr
beſchränkten Verbreitungskreiſes. Diejenigen, welche im Norden des Gebietes der Familie leben,
gehören zu den Wandervögeln, die übrigen ſtreichen, jedoch mit einer gewiſſen Regelmäßigkeit. Alle
Arten leben mehr oder weniger im Sumpfe, dieſe nahe der Meeresküſte, jene auf feuchten Gebirgs-
ebenen, einige auch im Walde oder in der buſchreichen Steppe, jedoch immer nur da, wo es Bäume in
der Nähe gibt; denn zu dieſen kommen ſie wenigſtens des Abends, um auf ihnen Nachtruhe zu halten.
Alle Arten, deren Lebensweiſe man kennt, ſind Tagvögel. Sie fliegen mit Sonnenaufgang oder
wenige Minuten früher von ihren Schlafplätzen weg nach denjenigen Orten, welche ihnen Nahrung
verſprechen, beſchäftigen ſich übertags, ruhen in den Mittagsſtunden entweder auf dem Boden oder
und häufiger wohl auf Bäumen, ſuchen nachmittags wiederum Futter und ziehen abends gemein-
ſchaftlich den Schlafplätzen zu; ſie wandern auch nur in den Tagesſtunden, nicht einmal in mond-
hellen Nächten.

Jn ihrem Weſen und Betragen haben ſie allerdings noch Manches mit den Schnepfenvögeln
gemein; aber die Aehnlichkeit der Lebensweiſe und Sitten beider Gruppen iſt doch mehr eine ſchein-
bare als wirkliche. Den Brachvögeln ähneln die Jbiſſe, wenn ſie auf dem Boden einhergehen und
Nahrung ſuchen; in allem übrigen unterſcheiden ſie ſich von ihnen. Sie gehen gut, mit gemeſſenen
Schritten, niemals eigentlich rennend, ſondern ſtets ſchreitend, waten bis zu ihrem Leibe ins Waſſer,
ſchwimmen, wenn ihnen die Luſt ankommt oder die Noth ſie zwingt, verhältnißmäßig gut, fliegen
langſamer als die Brachvögel, mit vielen Flügelſchlägen, auf welche dann ein längeres Gleiten folgt,
ordnen ſich nicht in die Keilform, ſondern bilden höchſtens eine gerade Linie, welche ihrer Breite nach
die Luft durchſchneidet, ſchweben vor dem Niederlaſſen nach Art der Störche und fußen, wie ſchon
bemerkt, wenn ſie nicht nach Nahrung ausgehen, regelmäßig auf Bäumen. Jhre Stimme entbehrt
des Wohlklanges und iſt immer dumpf und rauh oder kreiſchend, klagend und gellend, bei einzelnen
Arten höchſt ſonderbar, bei keinem einzelnen Mitgliede der Familie wirklich anſprechend. Die Sinne
ſtehen mit denen der Brachvögel mindeſtens auf gleicher Stufe; die geiſtigen Fähigkeiten räumen
ihnen die erſte Stelle innerhalb ihrer Zunft ein. Weſen und Betragen feſſeln ſelbſt den Unkundigen
und erklären die Verehrung, welche einzelne dieſer Vögel in früheren Zeiten genoſſen oder die
Beachtung, welche anderen noch heutigen Tages zu Theil wird. Alle Jbiſſe ſind geſellig und vereinigen
ſich nicht blos mit den Artgenoſſen, ſondern auch mit fremdartigen Vögeln, ohne jedoch mit dieſen eine
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[653/0693] Allgemeines. zwölf Federn beſtehenden Schwanze und ziemlich derbem, gut ſchließenden Kleingefieder, deſſen Farben ſich über große Felder vertheilen. Die kleineren Mitglieder der Familie ähneln in ihrer Geſtalt den Brachvögeln, unterſcheiden ſich aber ſchon durch die gänzlich verſchiedene Färbung und noch mehr durch den Mangel an Zeichnung der Federn. Einige Arten fallen auf durch die Nacktheit des Geſichtes und Halſes, eigenthümliche Bekleidung dieſer Stellen, verlängerte Hinterhalsfedern und der- gleichen. Die Geſchlechter unterſcheiden ſich wenig, die Jungen merklich von den Alten; auch das Sommer- und Winterkleid kann ziemlich verſchieden ſein. Aus den Unterſuchungen von Nitzſch geht hervor, daß der innere Bau der Jbiſſe dem der Brachvögel ähnelt; das Kopfgerüſt iſt jedoch in allen Theilen kräftiger, die Stirn höher und breiter, die Augenſcheidewand vollſtändig verknöchert; die Wirbelſäule beſteht aus funfzehn oder ſechszehn Halswirbeln (zwei bis drei mehr als bei den Brachvögeln), acht bis neun Bruſt- und ſieben Schwanz- wirbeln; das Bruſtbein iſt minder ſchmächtig, ſeine beiden inneren Hautbuchten kommen den äußeren faſt an Größe gleich; viele Theile des Gerippes ſind im Gegenſatze zu den entſprechenden Schnepfen- vögeln marklos und luftführend, ſo namentlich die Oberarm-, Schulter- und Beckenknochen, das Bruſtbein und die meiſten Wirbel. Die Zunge iſt eine kleine, dreieckige Kümmerzunge, der Magen muskelig; die Blinddärme zeichnen ſich aus durch ihre Kürze u. ſ. w. Jm Gegenſatze zu den Schnepfenvögeln bewohnen die Jbiſſe vorzugsweiſe die warmen Gürtel der Erde; nur wenige Arten kommen auch in gemäßigten Länderſtrichen vor. Man findet ſie in allen Erdtheilen, einzelne Arten in ſehr verſchiedenen Ländern, andere innerhalb eines mehr beſchränkten Verbreitungskreiſes. Diejenigen, welche im Norden des Gebietes der Familie leben, gehören zu den Wandervögeln, die übrigen ſtreichen, jedoch mit einer gewiſſen Regelmäßigkeit. Alle Arten leben mehr oder weniger im Sumpfe, dieſe nahe der Meeresküſte, jene auf feuchten Gebirgs- ebenen, einige auch im Walde oder in der buſchreichen Steppe, jedoch immer nur da, wo es Bäume in der Nähe gibt; denn zu dieſen kommen ſie wenigſtens des Abends, um auf ihnen Nachtruhe zu halten. Alle Arten, deren Lebensweiſe man kennt, ſind Tagvögel. Sie fliegen mit Sonnenaufgang oder wenige Minuten früher von ihren Schlafplätzen weg nach denjenigen Orten, welche ihnen Nahrung verſprechen, beſchäftigen ſich übertags, ruhen in den Mittagsſtunden entweder auf dem Boden oder und häufiger wohl auf Bäumen, ſuchen nachmittags wiederum Futter und ziehen abends gemein- ſchaftlich den Schlafplätzen zu; ſie wandern auch nur in den Tagesſtunden, nicht einmal in mond- hellen Nächten. Jn ihrem Weſen und Betragen haben ſie allerdings noch Manches mit den Schnepfenvögeln gemein; aber die Aehnlichkeit der Lebensweiſe und Sitten beider Gruppen iſt doch mehr eine ſchein- bare als wirkliche. Den Brachvögeln ähneln die Jbiſſe, wenn ſie auf dem Boden einhergehen und Nahrung ſuchen; in allem übrigen unterſcheiden ſie ſich von ihnen. Sie gehen gut, mit gemeſſenen Schritten, niemals eigentlich rennend, ſondern ſtets ſchreitend, waten bis zu ihrem Leibe ins Waſſer, ſchwimmen, wenn ihnen die Luſt ankommt oder die Noth ſie zwingt, verhältnißmäßig gut, fliegen langſamer als die Brachvögel, mit vielen Flügelſchlägen, auf welche dann ein längeres Gleiten folgt, ordnen ſich nicht in die Keilform, ſondern bilden höchſtens eine gerade Linie, welche ihrer Breite nach die Luft durchſchneidet, ſchweben vor dem Niederlaſſen nach Art der Störche und fußen, wie ſchon bemerkt, wenn ſie nicht nach Nahrung ausgehen, regelmäßig auf Bäumen. Jhre Stimme entbehrt des Wohlklanges und iſt immer dumpf und rauh oder kreiſchend, klagend und gellend, bei einzelnen Arten höchſt ſonderbar, bei keinem einzelnen Mitgliede der Familie wirklich anſprechend. Die Sinne ſtehen mit denen der Brachvögel mindeſtens auf gleicher Stufe; die geiſtigen Fähigkeiten räumen ihnen die erſte Stelle innerhalb ihrer Zunft ein. Weſen und Betragen feſſeln ſelbſt den Unkundigen und erklären die Verehrung, welche einzelne dieſer Vögel in früheren Zeiten genoſſen oder die Beachtung, welche anderen noch heutigen Tages zu Theil wird. Alle Jbiſſe ſind geſellig und vereinigen ſich nicht blos mit den Artgenoſſen, ſondern auch mit fremdartigen Vögeln, ohne jedoch mit dieſen eine engere Verbindung einzugehen, mindeſtens ohne eine ſolche längere Zeit zu unterhalten, während ſie

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 653. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/693>, abgerufen am 22.11.2024.