auf dem Rücken eines Elefanten sehen könne; nach Dem, was ich selbst beobachtet habe, erscheint mir diese Angabe durchaus glaubhaft. Schon ein einziger Büffel trägt oft acht bis zehn der blendenden Gestalten, und man muß sagen, daß diese ihm zu einem prächtigen Schmucke werden. Mit den Eingebornen des Landes lebt der Kuhreiher in den traulichsten Verhältnissen; er weiß, daß ihn der Mensch überall gern sieht und niemals behelligt; deshalb treibt er sich denn auch so unbesorgt zwischen den im Felde arbeitenden Bauern umher, als ob er ein Hausthier wäre. Sogar die Hunde der Egypter lassen ihn gewähren, selbst wenn es ihm einfallen sollte, auch ihr Fell nach Zecken zu untersuchen. Neben dieser Schmarotzerei beschäftigt er sich übrigens auch mit anderem Kerbthierfang oder nimmt einen kleinen Lurch und ein kleines Fischchen mit auf; Kerbthiere bleiben aber unter allen Umständen seine Hauptnahrung.
Die Brutzeit beginnt in Egypten mit dem Steigen des Nils, im Ost-Sudahn etwas früher. Die Nester stehen auf Bäumen, zuweilen auf einer einzelnen Mimose oder Sikomore, welche jetzt alle Paare der Umgegend vereinigt. Ob eine solche Ansiedelung fern von dem menschlichen Getriebe oder inmitten der Dörfer angelegt wird, bleibt dem menschenfreundlichen Reiher gleichgiltig; er weiß, daß er die Gastfreundschaft der Eingebornen genießt und als ein "gesegneter Vogel" unter dem Schutze der Bevölkerung steht. Das Gelege zählt drei bis fünf längliche Eier von grünlich- blauer Färbung.
Gefangene Kuhreiher sind höchst anziehend. Sie gewöhnen sich vom ersten Tage an den Verlust ihrer Freiheit und thun, als wären sie im Zimmer groß geworden, fangen Fliegen und andere Kerfe weg, nehmen die ihnen vorgeworfene Nahrung auf und können schon nach ein paar Tagen soweit gezähmt werden, daß sie das Futter aus der Hand ihres Pflegers fressen. Unter allen Reihern, welche ich kenne, sind sie die niedlichsten und liebenswürdigsten; gleichwohl sieht man sie bei uns sehr selten: das einzige Stück, welches ich bemerkt habe, lebt im Thiergarten zu Dresden.
Wenn man zur Winterzeit an einem der egyptischen Seen sich aufhält, stößt man hier und da auf dichte Bäume, welche mit einer zahlreichen Gesellschaft von Reihern besetzt sind. Diese erwählen sich gern die Sikomore vor oder in den Dörfern zum Ruheplatze aus. Hier sitzen sie den ganzen Tag über, den Hals tief zusammen gezogen, mit geschlossenen Augen, ohne Bewegung, und erst wenn der Abend sich naht, beginnt einer und der andere sich zu regen. Dieser öffnet die Augen zur Hälfte, dreht den Kopf ein wenig seitwärts und blinzelt zur Sonne empor, gleichsam, um nachzusehen, wie hoch diese noch am Himmel steht, der andere nestelt sich im Gefieder herum, der dritte trippelt von dem rechten auf das linke Bein, der vierte streckt den Flügel, kurz, es kommt Leben in die Gesellschaft. Mittlerweile senkt sich die Sonne herab, und die Dämmerung bricht ein. Jetzt ermuntern sich die Schläfer, hüpfen geschickt von einem Aste zum anderen, mehr und mehr dem Wipfel zu, und plötzlich erhebt sich auf einen quakenden Lockruf hin die ganze Schar und fliegt nun dem ersten besten Sumpfe zu, um hier ihr Tag- oder richtiger Nachtwerk zu beginnen. Eine Gesellschaft scheint sich der anderen anzuschließen, und so kann es geschehen, daß man, wenigstens zur eigentlichen Zugzeit, Tausende dahinfliegen sieht, ohne es sich erklären zu können, woher diese alle gekommen. Ein solches Schauspiel genießt man übrigens nicht blos in Egypten, sondern auch im Jnneren Afrikas; denn bis zu den Wäldern im blauen und weißen Nile hinauf reisen die nächtlichen Gesellen, deren wahre Heimat der Südosten unseres Europas ist.
Der Nachtreiher, Quak- oder Schildreiher, Nachtrabe, Focke (Nycticorax euro- paeus), welchen ich hiermit vorgestellt haben will, unterscheidet sich durch seine gedrungene Gestalt, den kurzen, dicken, hinten sehr breiten, auf der Firste gebogenen Schnabel, die mittelhohen, starken
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Kuhreiher. Nachtreiher.
auf dem Rücken eines Elefanten ſehen könne; nach Dem, was ich ſelbſt beobachtet habe, erſcheint mir dieſe Angabe durchaus glaubhaft. Schon ein einziger Büffel trägt oft acht bis zehn der blendenden Geſtalten, und man muß ſagen, daß dieſe ihm zu einem prächtigen Schmucke werden. Mit den Eingebornen des Landes lebt der Kuhreiher in den traulichſten Verhältniſſen; er weiß, daß ihn der Menſch überall gern ſieht und niemals behelligt; deshalb treibt er ſich denn auch ſo unbeſorgt zwiſchen den im Felde arbeitenden Bauern umher, als ob er ein Hausthier wäre. Sogar die Hunde der Egypter laſſen ihn gewähren, ſelbſt wenn es ihm einfallen ſollte, auch ihr Fell nach Zecken zu unterſuchen. Neben dieſer Schmarotzerei beſchäftigt er ſich übrigens auch mit anderem Kerbthierfang oder nimmt einen kleinen Lurch und ein kleines Fiſchchen mit auf; Kerbthiere bleiben aber unter allen Umſtänden ſeine Hauptnahrung.
Die Brutzeit beginnt in Egypten mit dem Steigen des Nils, im Oſt-Sudahn etwas früher. Die Neſter ſtehen auf Bäumen, zuweilen auf einer einzelnen Mimoſe oder Sikomore, welche jetzt alle Paare der Umgegend vereinigt. Ob eine ſolche Anſiedelung fern von dem menſchlichen Getriebe oder inmitten der Dörfer angelegt wird, bleibt dem menſchenfreundlichen Reiher gleichgiltig; er weiß, daß er die Gaſtfreundſchaft der Eingebornen genießt und als ein „geſegneter Vogel“ unter dem Schutze der Bevölkerung ſteht. Das Gelege zählt drei bis fünf längliche Eier von grünlich- blauer Färbung.
Gefangene Kuhreiher ſind höchſt anziehend. Sie gewöhnen ſich vom erſten Tage an den Verluſt ihrer Freiheit und thun, als wären ſie im Zimmer groß geworden, fangen Fliegen und andere Kerfe weg, nehmen die ihnen vorgeworfene Nahrung auf und können ſchon nach ein paar Tagen ſoweit gezähmt werden, daß ſie das Futter aus der Hand ihres Pflegers freſſen. Unter allen Reihern, welche ich kenne, ſind ſie die niedlichſten und liebenswürdigſten; gleichwohl ſieht man ſie bei uns ſehr ſelten: das einzige Stück, welches ich bemerkt habe, lebt im Thiergarten zu Dresden.
Wenn man zur Winterzeit an einem der egyptiſchen Seen ſich aufhält, ſtößt man hier und da auf dichte Bäume, welche mit einer zahlreichen Geſellſchaft von Reihern beſetzt ſind. Dieſe erwählen ſich gern die Sikomore vor oder in den Dörfern zum Ruheplatze aus. Hier ſitzen ſie den ganzen Tag über, den Hals tief zuſammen gezogen, mit geſchloſſenen Augen, ohne Bewegung, und erſt wenn der Abend ſich naht, beginnt einer und der andere ſich zu regen. Dieſer öffnet die Augen zur Hälfte, dreht den Kopf ein wenig ſeitwärts und blinzelt zur Sonne empor, gleichſam, um nachzuſehen, wie hoch dieſe noch am Himmel ſteht, der andere neſtelt ſich im Gefieder herum, der dritte trippelt von dem rechten auf das linke Bein, der vierte ſtreckt den Flügel, kurz, es kommt Leben in die Geſellſchaft. Mittlerweile ſenkt ſich die Sonne herab, und die Dämmerung bricht ein. Jetzt ermuntern ſich die Schläfer, hüpfen geſchickt von einem Aſte zum anderen, mehr und mehr dem Wipfel zu, und plötzlich erhebt ſich auf einen quakenden Lockruf hin die ganze Schar und fliegt nun dem erſten beſten Sumpfe zu, um hier ihr Tag- oder richtiger Nachtwerk zu beginnen. Eine Geſellſchaft ſcheint ſich der anderen anzuſchließen, und ſo kann es geſchehen, daß man, wenigſtens zur eigentlichen Zugzeit, Tauſende dahinfliegen ſieht, ohne es ſich erklären zu können, woher dieſe alle gekommen. Ein ſolches Schauſpiel genießt man übrigens nicht blos in Egypten, ſondern auch im Jnneren Afrikas; denn bis zu den Wäldern im blauen und weißen Nile hinauf reiſen die nächtlichen Geſellen, deren wahre Heimat der Südoſten unſeres Europas iſt.
Der Nachtreiher, Quak- oder Schildreiher, Nachtrabe, Focke (Nycticorax euro- paeus), welchen ich hiermit vorgeſtellt haben will, unterſcheidet ſich durch ſeine gedrungene Geſtalt, den kurzen, dicken, hinten ſehr breiten, auf der Firſte gebogenen Schnabel, die mittelhohen, ſtarken
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Kuhreiher. Nachtreiher.
auf dem Rücken eines Elefanten ſehen könne; nach Dem, was ich ſelbſt beobachtet habe, erſcheint mir
dieſe Angabe durchaus glaubhaft. Schon ein einziger Büffel trägt oft acht bis zehn der blendenden
Geſtalten, und man muß ſagen, daß dieſe ihm zu einem prächtigen Schmucke werden. Mit den
Eingebornen des Landes lebt der Kuhreiher in den traulichſten Verhältniſſen; er weiß, daß ihn der
Menſch überall gern ſieht und niemals behelligt; deshalb treibt er ſich denn auch ſo unbeſorgt
zwiſchen den im Felde arbeitenden Bauern umher, als ob er ein Hausthier wäre. Sogar die Hunde
der Egypter laſſen ihn gewähren, ſelbſt wenn es ihm einfallen ſollte, auch ihr Fell nach Zecken zu
unterſuchen. Neben dieſer Schmarotzerei beſchäftigt er ſich übrigens auch mit anderem Kerbthierfang
oder nimmt einen kleinen Lurch und ein kleines Fiſchchen mit auf; Kerbthiere bleiben aber unter allen
Umſtänden ſeine Hauptnahrung.
Die Brutzeit beginnt in Egypten mit dem Steigen des Nils, im Oſt-Sudahn etwas früher.
Die Neſter ſtehen auf Bäumen, zuweilen auf einer einzelnen Mimoſe oder Sikomore, welche jetzt
alle Paare der Umgegend vereinigt. Ob eine ſolche Anſiedelung fern von dem menſchlichen Getriebe
oder inmitten der Dörfer angelegt wird, bleibt dem menſchenfreundlichen Reiher gleichgiltig; er weiß,
daß er die Gaſtfreundſchaft der Eingebornen genießt und als ein „geſegneter Vogel“ unter dem
Schutze der Bevölkerung ſteht. Das Gelege zählt drei bis fünf längliche Eier von grünlich-
blauer Färbung.
Gefangene Kuhreiher ſind höchſt anziehend. Sie gewöhnen ſich vom erſten Tage an den Verluſt
ihrer Freiheit und thun, als wären ſie im Zimmer groß geworden, fangen Fliegen und andere Kerfe
weg, nehmen die ihnen vorgeworfene Nahrung auf und können ſchon nach ein paar Tagen ſoweit
gezähmt werden, daß ſie das Futter aus der Hand ihres Pflegers freſſen. Unter allen Reihern,
welche ich kenne, ſind ſie die niedlichſten und liebenswürdigſten; gleichwohl ſieht man ſie bei uns ſehr
ſelten: das einzige Stück, welches ich bemerkt habe, lebt im Thiergarten zu Dresden.
Wenn man zur Winterzeit an einem der egyptiſchen Seen ſich aufhält, ſtößt man hier und da
auf dichte Bäume, welche mit einer zahlreichen Geſellſchaft von Reihern beſetzt ſind. Dieſe erwählen
ſich gern die Sikomore vor oder in den Dörfern zum Ruheplatze aus. Hier ſitzen ſie den ganzen Tag
über, den Hals tief zuſammen gezogen, mit geſchloſſenen Augen, ohne Bewegung, und erſt wenn der
Abend ſich naht, beginnt einer und der andere ſich zu regen. Dieſer öffnet die Augen zur Hälfte,
dreht den Kopf ein wenig ſeitwärts und blinzelt zur Sonne empor, gleichſam, um nachzuſehen, wie
hoch dieſe noch am Himmel ſteht, der andere neſtelt ſich im Gefieder herum, der dritte trippelt von
dem rechten auf das linke Bein, der vierte ſtreckt den Flügel, kurz, es kommt Leben in die Geſellſchaft.
Mittlerweile ſenkt ſich die Sonne herab, und die Dämmerung bricht ein. Jetzt ermuntern ſich die
Schläfer, hüpfen geſchickt von einem Aſte zum anderen, mehr und mehr dem Wipfel zu, und plötzlich
erhebt ſich auf einen quakenden Lockruf hin die ganze Schar und fliegt nun dem erſten beſten Sumpfe
zu, um hier ihr Tag- oder richtiger Nachtwerk zu beginnen. Eine Geſellſchaft ſcheint ſich der anderen
anzuſchließen, und ſo kann es geſchehen, daß man, wenigſtens zur eigentlichen Zugzeit, Tauſende
dahinfliegen ſieht, ohne es ſich erklären zu können, woher dieſe alle gekommen. Ein ſolches
Schauſpiel genießt man übrigens nicht blos in Egypten, ſondern auch im Jnneren Afrikas; denn bis
zu den Wäldern im blauen und weißen Nile hinauf reiſen die nächtlichen Geſellen, deren wahre
Heimat der Südoſten unſeres Europas iſt.
Der Nachtreiher, Quak- oder Schildreiher, Nachtrabe, Focke (Nycticorax euro-
paeus), welchen ich hiermit vorgeſtellt haben will, unterſcheidet ſich durch ſeine gedrungene Geſtalt,
den kurzen, dicken, hinten ſehr breiten, auf der Firſte gebogenen Schnabel, die mittelhohen, ſtarken
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 707. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/749>, abgerufen am 22.11.2024.
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