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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer. Stelzvögel. Reiher.
Füße, die sehr breiten Schwingen und das reichliche, mit Ausnahme von drei fadenförmigen Schmuck-
federn am Hinterkopfe, nirgends verlängerte Gefieder von den anderen Reihern. Beim alten Vogel
sind Oberkopf, Nacken, Oberrücken und Schultern grünlichschwarz, die übrigen Obertheile und die
Halsseiten aschgrau, der Unterleib blaßstrohgelb, die drei langen Schmuckfedern weiß, selten theilweise
schwarz. Das Auge ist prachtvoll purpurroth, der Schnabel schwarz, an der Wurzel gelb, die nackte
Kopfstelle grün, der Fuß grüngelb. Bei den Jungen ist das Obergefieder auf braunem Grunde
rostgelb und gelblichweiß in die Länge gefleckt, der Hals auf gelbem, der Unterleib auf weißlichem
Grunde braun gefleckt; der Zopf fehlt und der Augenstern sieht braun aus. Die Länge beträgt
21 bis 22, die Breite 44, die Fittiglänge 121/2, die Schwanzlänge 41/4 Zoll.

Auch der Nachtreiher ist weit verbreitet. Er bewohnt allsommerlich Holland in Menge,
Deutschland einzeln und nicht regelmäßig, die Donautiefländer und geeignete Gegenden ums schwarze
und kaspische Meer massenhaft, kommt auch als Zugvogel in Jtalien, Südfrankreich und Spanien
vor, wandert allwinterlich nach Egypten und, den Strömen nachfliegend, bis in die Urwaldungen
Mittelafrikas. Jm Norden erscheint er Ende Aprils oder Anfang Mais; seinen Rückzug tritt er im
September oder Oktober wieder an.

Die Gegend, in welcher es dem Nachtreiher gefallen soll, muß reich an Bäumen sein; denn auf
diesen schläft er, und sie bedarf er zum Brüten. Sümpfe, in deren Nähe es keine Waldungen oder
Bäume gibt, beherbergen ihn nicht oder doch nur unregelmäßig und stets blos auf kurze Zeit, wasser-
reiche Niederungen aber, welchen es wenigstens an einer geschützten Baumgruppe nicht fehlt, oft in
unglaublicher Menge. Es ist nicht gerade nöthig, daß ein solcher Schlafplatz nahe am Sumpfe liegt;
denn es sicht den Vogel wenig an, wenn er allnächtlich eine große Strecke durchfliegen muß, um von
dem Ruheorte aus sein Jagdgebiet zu erreichen und wiederum nach jenem zurückzukehren. Nur
während der Brutzeit macht er hiervon eine Ausnahme, aus dem einfachen Grunde, weil
die Ernährung seiner Jungen eine ungleich größere Thätigkeit beansprucht, als er sie sonst aus-
zuüben beliebt.

Mit Ausnahme der Brutzeit verbringt unser Vogel den ganzen Tag schlafend oder ruhend,
und erst mit Einbruch der wirklichen Dämmerung tritt er seine Streifereien und Jagdzüge an. Seine
Bewegungen unterscheiden ihn in mancher Hinsicht von anderen Reihern. Der Gang zeichnet sich
durch die kurzen Schritte, der Flug durch verhältnißmäßig schnelle, aber vollkommen geräuschlose,
oft wiederholte Flügelschläge und nur kurzes Gleiten aus. Gewöhnlich sieht man das nächtliche
Heer in einer bedeutenden Höhe dahinziehen, stets in regellos geordneten Haufen, da, wo unser
Reiher häufig ist, oft auf den achten Theil einer Geviertmeile den Nachthimmel erfüllend. Jn der
Näher der Sümpfe angekommen, senkt sich die Gesellschaft mehr und mehr herab, und vor dem Nieder-
setzen bemerkt man auch wohl ein kurzes Schweben. Jn der Regel zeigt sich der Nachtreiher jeder
schnellen Bewegung abhold; denn unfähig ist er einer solchen durchaus nicht. Eine Fertigkeit besitzt
er im hohen Grade: er kann vortrefflich klettern und bewegt sich demgemäß im Gezweige der Bäume
fast mit derselben Gewandtheit wie die Zwergreiher, welche als die eigentlichen Kletterkünstler der
Familie bezeichnet werden müssen. Die Stimme ist ein rauher, auf weithin vernehmbarer Laut,
welcher allerdings an das Krächzen der Raben erinnert und zu dem Namen Nachtrabe Veranlassung
gegeben hat. Sie mit Buchstaben auszudrücken, ist schwer, da man ebenso gut ein "Koa" als "Koau"
oder "Koei" zu hören glaubt.

Das Wesen des Nachtreihers unterscheidet sich von dem anderer Reiher ungefähr ebenso wie
das einer Eule von dem eines Falken. Eigentlich scheu kann man ihn nicht nennen, obwohl er
immer eine gewisse Vorsicht bekundet. Aber man trifft gewöhnlich auch nur bei Tage mit ihm
zusammen und hat dann eben einen schlafenden oder doch schläfrigen Vogel vor sich. Dieser läßt in
der Regel den Menschen bis unter den Baum kommen, auf welchem er ruht, und entschließt sich auch
dann nicht immer zum Auffliegen, zumal an Orten, wo er durch die Gutmüthigkeit des Menschen
verwöhnt wurde. Derselbe Vogel zeigt sich, wenn die Nacht hereinbricht, munter und regsam, wenn

Die Läufer. Stelzvögel. Reiher.
Füße, die ſehr breiten Schwingen und das reichliche, mit Ausnahme von drei fadenförmigen Schmuck-
federn am Hinterkopfe, nirgends verlängerte Gefieder von den anderen Reihern. Beim alten Vogel
ſind Oberkopf, Nacken, Oberrücken und Schultern grünlichſchwarz, die übrigen Obertheile und die
Halsſeiten aſchgrau, der Unterleib blaßſtrohgelb, die drei langen Schmuckfedern weiß, ſelten theilweiſe
ſchwarz. Das Auge iſt prachtvoll purpurroth, der Schnabel ſchwarz, an der Wurzel gelb, die nackte
Kopfſtelle grün, der Fuß grüngelb. Bei den Jungen iſt das Obergefieder auf braunem Grunde
roſtgelb und gelblichweiß in die Länge gefleckt, der Hals auf gelbem, der Unterleib auf weißlichem
Grunde braun gefleckt; der Zopf fehlt und der Augenſtern ſieht braun aus. Die Länge beträgt
21 bis 22, die Breite 44, die Fittiglänge 12½, die Schwanzlänge 4¼ Zoll.

Auch der Nachtreiher iſt weit verbreitet. Er bewohnt allſommerlich Holland in Menge,
Deutſchland einzeln und nicht regelmäßig, die Donautiefländer und geeignete Gegenden ums ſchwarze
und kaſpiſche Meer maſſenhaft, kommt auch als Zugvogel in Jtalien, Südfrankreich und Spanien
vor, wandert allwinterlich nach Egypten und, den Strömen nachfliegend, bis in die Urwaldungen
Mittelafrikas. Jm Norden erſcheint er Ende Aprils oder Anfang Mais; ſeinen Rückzug tritt er im
September oder Oktober wieder an.

Die Gegend, in welcher es dem Nachtreiher gefallen ſoll, muß reich an Bäumen ſein; denn auf
dieſen ſchläft er, und ſie bedarf er zum Brüten. Sümpfe, in deren Nähe es keine Waldungen oder
Bäume gibt, beherbergen ihn nicht oder doch nur unregelmäßig und ſtets blos auf kurze Zeit, waſſer-
reiche Niederungen aber, welchen es wenigſtens an einer geſchützten Baumgruppe nicht fehlt, oft in
unglaublicher Menge. Es iſt nicht gerade nöthig, daß ein ſolcher Schlafplatz nahe am Sumpfe liegt;
denn es ſicht den Vogel wenig an, wenn er allnächtlich eine große Strecke durchfliegen muß, um von
dem Ruheorte aus ſein Jagdgebiet zu erreichen und wiederum nach jenem zurückzukehren. Nur
während der Brutzeit macht er hiervon eine Ausnahme, aus dem einfachen Grunde, weil
die Ernährung ſeiner Jungen eine ungleich größere Thätigkeit beanſprucht, als er ſie ſonſt aus-
zuüben beliebt.

Mit Ausnahme der Brutzeit verbringt unſer Vogel den ganzen Tag ſchlafend oder ruhend,
und erſt mit Einbruch der wirklichen Dämmerung tritt er ſeine Streifereien und Jagdzüge an. Seine
Bewegungen unterſcheiden ihn in mancher Hinſicht von anderen Reihern. Der Gang zeichnet ſich
durch die kurzen Schritte, der Flug durch verhältnißmäßig ſchnelle, aber vollkommen geräuſchloſe,
oft wiederholte Flügelſchläge und nur kurzes Gleiten aus. Gewöhnlich ſieht man das nächtliche
Heer in einer bedeutenden Höhe dahinziehen, ſtets in regellos geordneten Haufen, da, wo unſer
Reiher häufig iſt, oft auf den achten Theil einer Geviertmeile den Nachthimmel erfüllend. Jn der
Näher der Sümpfe angekommen, ſenkt ſich die Geſellſchaft mehr und mehr herab, und vor dem Nieder-
ſetzen bemerkt man auch wohl ein kurzes Schweben. Jn der Regel zeigt ſich der Nachtreiher jeder
ſchnellen Bewegung abhold; denn unfähig iſt er einer ſolchen durchaus nicht. Eine Fertigkeit beſitzt
er im hohen Grade: er kann vortrefflich klettern und bewegt ſich demgemäß im Gezweige der Bäume
faſt mit derſelben Gewandtheit wie die Zwergreiher, welche als die eigentlichen Kletterkünſtler der
Familie bezeichnet werden müſſen. Die Stimme iſt ein rauher, auf weithin vernehmbarer Laut,
welcher allerdings an das Krächzen der Raben erinnert und zu dem Namen Nachtrabe Veranlaſſung
gegeben hat. Sie mit Buchſtaben auszudrücken, iſt ſchwer, da man ebenſo gut ein „Koa“ als „Koau“
oder „Koei“ zu hören glaubt.

Das Weſen des Nachtreihers unterſcheidet ſich von dem anderer Reiher ungefähr ebenſo wie
das einer Eule von dem eines Falken. Eigentlich ſcheu kann man ihn nicht nennen, obwohl er
immer eine gewiſſe Vorſicht bekundet. Aber man trifft gewöhnlich auch nur bei Tage mit ihm
zuſammen und hat dann eben einen ſchlafenden oder doch ſchläfrigen Vogel vor ſich. Dieſer läßt in
der Regel den Menſchen bis unter den Baum kommen, auf welchem er ruht, und entſchließt ſich auch
dann nicht immer zum Auffliegen, zumal an Orten, wo er durch die Gutmüthigkeit des Menſchen
verwöhnt wurde. Derſelbe Vogel zeigt ſich, wenn die Nacht hereinbricht, munter und regſam, wenn

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[708/0750] Die Läufer. Stelzvögel. Reiher. Füße, die ſehr breiten Schwingen und das reichliche, mit Ausnahme von drei fadenförmigen Schmuck- federn am Hinterkopfe, nirgends verlängerte Gefieder von den anderen Reihern. Beim alten Vogel ſind Oberkopf, Nacken, Oberrücken und Schultern grünlichſchwarz, die übrigen Obertheile und die Halsſeiten aſchgrau, der Unterleib blaßſtrohgelb, die drei langen Schmuckfedern weiß, ſelten theilweiſe ſchwarz. Das Auge iſt prachtvoll purpurroth, der Schnabel ſchwarz, an der Wurzel gelb, die nackte Kopfſtelle grün, der Fuß grüngelb. Bei den Jungen iſt das Obergefieder auf braunem Grunde roſtgelb und gelblichweiß in die Länge gefleckt, der Hals auf gelbem, der Unterleib auf weißlichem Grunde braun gefleckt; der Zopf fehlt und der Augenſtern ſieht braun aus. Die Länge beträgt 21 bis 22, die Breite 44, die Fittiglänge 12½, die Schwanzlänge 4¼ Zoll. Auch der Nachtreiher iſt weit verbreitet. Er bewohnt allſommerlich Holland in Menge, Deutſchland einzeln und nicht regelmäßig, die Donautiefländer und geeignete Gegenden ums ſchwarze und kaſpiſche Meer maſſenhaft, kommt auch als Zugvogel in Jtalien, Südfrankreich und Spanien vor, wandert allwinterlich nach Egypten und, den Strömen nachfliegend, bis in die Urwaldungen Mittelafrikas. Jm Norden erſcheint er Ende Aprils oder Anfang Mais; ſeinen Rückzug tritt er im September oder Oktober wieder an. Die Gegend, in welcher es dem Nachtreiher gefallen ſoll, muß reich an Bäumen ſein; denn auf dieſen ſchläft er, und ſie bedarf er zum Brüten. Sümpfe, in deren Nähe es keine Waldungen oder Bäume gibt, beherbergen ihn nicht oder doch nur unregelmäßig und ſtets blos auf kurze Zeit, waſſer- reiche Niederungen aber, welchen es wenigſtens an einer geſchützten Baumgruppe nicht fehlt, oft in unglaublicher Menge. Es iſt nicht gerade nöthig, daß ein ſolcher Schlafplatz nahe am Sumpfe liegt; denn es ſicht den Vogel wenig an, wenn er allnächtlich eine große Strecke durchfliegen muß, um von dem Ruheorte aus ſein Jagdgebiet zu erreichen und wiederum nach jenem zurückzukehren. Nur während der Brutzeit macht er hiervon eine Ausnahme, aus dem einfachen Grunde, weil die Ernährung ſeiner Jungen eine ungleich größere Thätigkeit beanſprucht, als er ſie ſonſt aus- zuüben beliebt. Mit Ausnahme der Brutzeit verbringt unſer Vogel den ganzen Tag ſchlafend oder ruhend, und erſt mit Einbruch der wirklichen Dämmerung tritt er ſeine Streifereien und Jagdzüge an. Seine Bewegungen unterſcheiden ihn in mancher Hinſicht von anderen Reihern. Der Gang zeichnet ſich durch die kurzen Schritte, der Flug durch verhältnißmäßig ſchnelle, aber vollkommen geräuſchloſe, oft wiederholte Flügelſchläge und nur kurzes Gleiten aus. Gewöhnlich ſieht man das nächtliche Heer in einer bedeutenden Höhe dahinziehen, ſtets in regellos geordneten Haufen, da, wo unſer Reiher häufig iſt, oft auf den achten Theil einer Geviertmeile den Nachthimmel erfüllend. Jn der Näher der Sümpfe angekommen, ſenkt ſich die Geſellſchaft mehr und mehr herab, und vor dem Nieder- ſetzen bemerkt man auch wohl ein kurzes Schweben. Jn der Regel zeigt ſich der Nachtreiher jeder ſchnellen Bewegung abhold; denn unfähig iſt er einer ſolchen durchaus nicht. Eine Fertigkeit beſitzt er im hohen Grade: er kann vortrefflich klettern und bewegt ſich demgemäß im Gezweige der Bäume faſt mit derſelben Gewandtheit wie die Zwergreiher, welche als die eigentlichen Kletterkünſtler der Familie bezeichnet werden müſſen. Die Stimme iſt ein rauher, auf weithin vernehmbarer Laut, welcher allerdings an das Krächzen der Raben erinnert und zu dem Namen Nachtrabe Veranlaſſung gegeben hat. Sie mit Buchſtaben auszudrücken, iſt ſchwer, da man ebenſo gut ein „Koa“ als „Koau“ oder „Koei“ zu hören glaubt. Das Weſen des Nachtreihers unterſcheidet ſich von dem anderer Reiher ungefähr ebenſo wie das einer Eule von dem eines Falken. Eigentlich ſcheu kann man ihn nicht nennen, obwohl er immer eine gewiſſe Vorſicht bekundet. Aber man trifft gewöhnlich auch nur bei Tage mit ihm zuſammen und hat dann eben einen ſchlafenden oder doch ſchläfrigen Vogel vor ſich. Dieſer läßt in der Regel den Menſchen bis unter den Baum kommen, auf welchem er ruht, und entſchließt ſich auch dann nicht immer zum Auffliegen, zumal an Orten, wo er durch die Gutmüthigkeit des Menſchen verwöhnt wurde. Derſelbe Vogel zeigt ſich, wenn die Nacht hereinbricht, munter und regſam, wenn

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 708. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/750>, abgerufen am 22.11.2024.