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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Schwarzspecht.

"Kann der Schwarzspecht sein Nest hoch anlegen, so thut er es gern. Jch habe es 30 bis 50
und einmal nur 15 Ellen hoch gesehen. Alle, welche ich fand, waren in glattstämmigen Buchen und
Kiefern, nie in anderen Bäumen angelegt. Ein solches Nest wird mehrere Jahre gebraucht, wenn
man auch die Brut zerstört, ja selbst Eins von den Alten schießt. Es wird aber jedesmal etwas aus-
gebessert d. h. der Koth der Jungen wird herausgeworfen, und einige Späne werden wieder abgear-
beitet. Es macht dem Schwarzspecht zu viel Mühe, ein neues Nest zurecht zu machen; auch findet er
zu wenig passende Bäume, als daß er alle Jahre seine Eier in einen andern Baum legen sollte. Ein
frisches Nest kann man schon von weitem an den zehn Geviertfuß weit verbreiteten Spänen erkennen.
Mit ihnen ist der Boden dicht bestreut, und selbst beim erneuerten liegen einige Späne unten."

"Dies gilt von allen Spechten. Wer also ihre Nester suchen will, braucht nur auf dem Boden
nach diesen Spänen sich umzusehen. Bechstein rathet, da, wo man im März ein Pärchen stark
schreien höre, in den hohlen Bäumen nachzusuchen und sagt, man würde dann das Nest gewiß bald
finden. Es dürfte Dies aber oft sehr fruchtlos sein; denn ich habe die Spechte bei der Paarung eine
halbe Stunde weit von ihrem Neste schreien hören, und nie eher ein Nest gefunden, als bis ich auf
die Späne unter dem Baume aufmerksam geworden war."

Das Männchen löst das Weibchen regelmäßig im Brüten ab, die Zeit aber, in welcher Dies
geschieht, ist nicht genau bestimmt. Mein Vater hat um acht Uhr Morgens das Männchen und um
neun Uhr noch das Weibchen angetroffen. Gewiß ist nur, daß das Männchen in den Mittags- und
Nachmittagsstunden, das Weibchen aber während der ganzen Nacht und in den Morgen- und Abend-
stunden auf den Eiern oder Jungen sitzt. Die eben ausgekrochenen Jungen sehen höchst unförmlich
aus. Sie sind nur auf dem Oberkörper und zwar ganz sparsam mit schwarzgrauen Dunen
bekleidet, ihr Kopf erscheint sehr groß und ihr Schnabel unverhältnißmäßig dick. "Jagt man
das sie erwärmende alte Männchen oder Weibchen von ihnen, so geben sie einen ganz eigenen, schwir-
renden Ton von sich, der mit keinem andern Vogellaut Aehnlichkeit hat, und nicht genau beschrieben
werden kann. Sind sie etwas größer, so hört man dieses Schwirren nicht mehr von ihnen." Die
Alten geberden sich sehr besorgt, wenn man der Brut sich naht und stoßen eigenthümlich klagende Töne
aus. Sie sind, wie fast alle Vögel, in der Nähe des Nestes weit weniger scheu, als sonst und setzen,
der Brut zu Liebe, ihre eigene Sicherheit aus den Augen, was sie zu andern Zeiten niemals thun.
Die Jungen werden, nach meines Vaters Beobachtungen, mit den Puppen der Roß- und braunrothen
Ameise von beiden Eltern und zwar aus dem Kropf gefüttert. "Jch habe alte, beim Neste geschossene
Schwarzspechte untersucht, welche den ganzen Schlund bis in den Schnabel voll solcher Ameisenpuppen
hatten. Stört man die Jungen nicht, so bleiben sie im Neste, bis sie völlig fliegen können, klettern
aber innen an den Wänden der Höhle auf und nieder und gucken oft mit dem Kopfe zum Nest-
loche heraus."

Bei geeigneter Pflege gelingt es, jung aus dem Neste genommene Schwarzspechte längere
Zeit am Leben zu erhalten und in einem gewissen Grade zu zähmen. Jch erhielt im vorigen Som-
mer drei dieser immer seltener werdenden Vögel, welche schon fast ausgefiedert waren. Der eine
von ihnen starb bald nach seiner Ankunft, noch ehe er gelernt hatte, selbständig zu fressen; die beiden
andern wurden anfänglich gestopft, gingen aber dann bald selbst an das Futter. Um sie zu gewöhnen,
wurden ihnen Ameisenpuppen auf ein dünnes Drahtnetz gelegt, welches die Decke ihres einstweiligen
Käfigs bildete. Sie lernten bald, diese Puppen anzuspießen, und man konnte dabei die wunderbare
Beweglichkeit ihrer Zunge genau beobachten. Wenn sie eine Stelle von Nahrung gesäubert hatten,
tasteten sie mit diesem überaus biegsamen Werkzeuge nach allen Seiten hin auf dem Drahtnetze umher
und bewegten dabei die Zunge so rasch und in so manchfachen Windungen, daß man unwillkürlich
an die Krümmungen und Windungen eines kräftigen, beweglichen Wurms erinnert wurde. Hatten
sie eine Ameisenpuppe entdeckt, so krümmten sie die Zunge, richteten die Spitze gegen die Puppe,
streckten die Zunge aus und hatten damit regelmäßig die Beute fest angespießt.

Schwarzſpecht.

„Kann der Schwarzſpecht ſein Neſt hoch anlegen, ſo thut er es gern. Jch habe es 30 bis 50
und einmal nur 15 Ellen hoch geſehen. Alle, welche ich fand, waren in glattſtämmigen Buchen und
Kiefern, nie in anderen Bäumen angelegt. Ein ſolches Neſt wird mehrere Jahre gebraucht, wenn
man auch die Brut zerſtört, ja ſelbſt Eins von den Alten ſchießt. Es wird aber jedesmal etwas aus-
gebeſſert d. h. der Koth der Jungen wird herausgeworfen, und einige Späne werden wieder abgear-
beitet. Es macht dem Schwarzſpecht zu viel Mühe, ein neues Neſt zurecht zu machen; auch findet er
zu wenig paſſende Bäume, als daß er alle Jahre ſeine Eier in einen andern Baum legen ſollte. Ein
friſches Neſt kann man ſchon von weitem an den zehn Geviertfuß weit verbreiteten Spänen erkennen.
Mit ihnen iſt der Boden dicht beſtreut, und ſelbſt beim erneuerten liegen einige Späne unten.“

„Dies gilt von allen Spechten. Wer alſo ihre Neſter ſuchen will, braucht nur auf dem Boden
nach dieſen Spänen ſich umzuſehen. Bechſtein rathet, da, wo man im März ein Pärchen ſtark
ſchreien höre, in den hohlen Bäumen nachzuſuchen und ſagt, man würde dann das Neſt gewiß bald
finden. Es dürfte Dies aber oft ſehr fruchtlos ſein; denn ich habe die Spechte bei der Paarung eine
halbe Stunde weit von ihrem Neſte ſchreien hören, und nie eher ein Neſt gefunden, als bis ich auf
die Späne unter dem Baume aufmerkſam geworden war.“

Das Männchen löſt das Weibchen regelmäßig im Brüten ab, die Zeit aber, in welcher Dies
geſchieht, iſt nicht genau beſtimmt. Mein Vater hat um acht Uhr Morgens das Männchen und um
neun Uhr noch das Weibchen angetroffen. Gewiß iſt nur, daß das Männchen in den Mittags- und
Nachmittagsſtunden, das Weibchen aber während der ganzen Nacht und in den Morgen- und Abend-
ſtunden auf den Eiern oder Jungen ſitzt. Die eben ausgekrochenen Jungen ſehen höchſt unförmlich
aus. Sie ſind nur auf dem Oberkörper und zwar ganz ſparſam mit ſchwarzgrauen Dunen
bekleidet, ihr Kopf erſcheint ſehr groß und ihr Schnabel unverhältnißmäßig dick. „Jagt man
das ſie erwärmende alte Männchen oder Weibchen von ihnen, ſo geben ſie einen ganz eigenen, ſchwir-
renden Ton von ſich, der mit keinem andern Vogellaut Aehnlichkeit hat, und nicht genau beſchrieben
werden kann. Sind ſie etwas größer, ſo hört man dieſes Schwirren nicht mehr von ihnen.“ Die
Alten geberden ſich ſehr beſorgt, wenn man der Brut ſich naht und ſtoßen eigenthümlich klagende Töne
aus. Sie ſind, wie faſt alle Vögel, in der Nähe des Neſtes weit weniger ſcheu, als ſonſt und ſetzen,
der Brut zu Liebe, ihre eigene Sicherheit aus den Augen, was ſie zu andern Zeiten niemals thun.
Die Jungen werden, nach meines Vaters Beobachtungen, mit den Puppen der Roß- und braunrothen
Ameiſe von beiden Eltern und zwar aus dem Kropf gefüttert. „Jch habe alte, beim Neſte geſchoſſene
Schwarzſpechte unterſucht, welche den ganzen Schlund bis in den Schnabel voll ſolcher Ameiſenpuppen
hatten. Stört man die Jungen nicht, ſo bleiben ſie im Neſte, bis ſie völlig fliegen können, klettern
aber innen an den Wänden der Höhle auf und nieder und gucken oft mit dem Kopfe zum Neſt-
loche heraus.“

Bei geeigneter Pflege gelingt es, jung aus dem Neſte genommene Schwarzſpechte längere
Zeit am Leben zu erhalten und in einem gewiſſen Grade zu zähmen. Jch erhielt im vorigen Som-
mer drei dieſer immer ſeltener werdenden Vögel, welche ſchon faſt ausgefiedert waren. Der eine
von ihnen ſtarb bald nach ſeiner Ankunft, noch ehe er gelernt hatte, ſelbſtändig zu freſſen; die beiden
andern wurden anfänglich geſtopft, gingen aber dann bald ſelbſt an das Futter. Um ſie zu gewöhnen,
wurden ihnen Ameiſenpuppen auf ein dünnes Drahtnetz gelegt, welches die Decke ihres einſtweiligen
Käfigs bildete. Sie lernten bald, dieſe Puppen anzuſpießen, und man konnte dabei die wunderbare
Beweglichkeit ihrer Zunge genau beobachten. Wenn ſie eine Stelle von Nahrung geſäubert hatten,
taſteten ſie mit dieſem überaus biegſamen Werkzeuge nach allen Seiten hin auf dem Drahtnetze umher
und bewegten dabei die Zunge ſo raſch und in ſo manchfachen Windungen, daß man unwillkürlich
an die Krümmungen und Windungen eines kräftigen, beweglichen Wurms erinnert wurde. Hatten
ſie eine Ameiſenpuppe entdeckt, ſo krümmten ſie die Zunge, richteten die Spitze gegen die Puppe,
ſtreckten die Zunge aus und hatten damit regelmäßig die Beute feſt angeſpießt.

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[63/0077] Schwarzſpecht. „Kann der Schwarzſpecht ſein Neſt hoch anlegen, ſo thut er es gern. Jch habe es 30 bis 50 und einmal nur 15 Ellen hoch geſehen. Alle, welche ich fand, waren in glattſtämmigen Buchen und Kiefern, nie in anderen Bäumen angelegt. Ein ſolches Neſt wird mehrere Jahre gebraucht, wenn man auch die Brut zerſtört, ja ſelbſt Eins von den Alten ſchießt. Es wird aber jedesmal etwas aus- gebeſſert d. h. der Koth der Jungen wird herausgeworfen, und einige Späne werden wieder abgear- beitet. Es macht dem Schwarzſpecht zu viel Mühe, ein neues Neſt zurecht zu machen; auch findet er zu wenig paſſende Bäume, als daß er alle Jahre ſeine Eier in einen andern Baum legen ſollte. Ein friſches Neſt kann man ſchon von weitem an den zehn Geviertfuß weit verbreiteten Spänen erkennen. Mit ihnen iſt der Boden dicht beſtreut, und ſelbſt beim erneuerten liegen einige Späne unten.“ „Dies gilt von allen Spechten. Wer alſo ihre Neſter ſuchen will, braucht nur auf dem Boden nach dieſen Spänen ſich umzuſehen. Bechſtein rathet, da, wo man im März ein Pärchen ſtark ſchreien höre, in den hohlen Bäumen nachzuſuchen und ſagt, man würde dann das Neſt gewiß bald finden. Es dürfte Dies aber oft ſehr fruchtlos ſein; denn ich habe die Spechte bei der Paarung eine halbe Stunde weit von ihrem Neſte ſchreien hören, und nie eher ein Neſt gefunden, als bis ich auf die Späne unter dem Baume aufmerkſam geworden war.“ Das Männchen löſt das Weibchen regelmäßig im Brüten ab, die Zeit aber, in welcher Dies geſchieht, iſt nicht genau beſtimmt. Mein Vater hat um acht Uhr Morgens das Männchen und um neun Uhr noch das Weibchen angetroffen. Gewiß iſt nur, daß das Männchen in den Mittags- und Nachmittagsſtunden, das Weibchen aber während der ganzen Nacht und in den Morgen- und Abend- ſtunden auf den Eiern oder Jungen ſitzt. Die eben ausgekrochenen Jungen ſehen höchſt unförmlich aus. Sie ſind nur auf dem Oberkörper und zwar ganz ſparſam mit ſchwarzgrauen Dunen bekleidet, ihr Kopf erſcheint ſehr groß und ihr Schnabel unverhältnißmäßig dick. „Jagt man das ſie erwärmende alte Männchen oder Weibchen von ihnen, ſo geben ſie einen ganz eigenen, ſchwir- renden Ton von ſich, der mit keinem andern Vogellaut Aehnlichkeit hat, und nicht genau beſchrieben werden kann. Sind ſie etwas größer, ſo hört man dieſes Schwirren nicht mehr von ihnen.“ Die Alten geberden ſich ſehr beſorgt, wenn man der Brut ſich naht und ſtoßen eigenthümlich klagende Töne aus. Sie ſind, wie faſt alle Vögel, in der Nähe des Neſtes weit weniger ſcheu, als ſonſt und ſetzen, der Brut zu Liebe, ihre eigene Sicherheit aus den Augen, was ſie zu andern Zeiten niemals thun. Die Jungen werden, nach meines Vaters Beobachtungen, mit den Puppen der Roß- und braunrothen Ameiſe von beiden Eltern und zwar aus dem Kropf gefüttert. „Jch habe alte, beim Neſte geſchoſſene Schwarzſpechte unterſucht, welche den ganzen Schlund bis in den Schnabel voll ſolcher Ameiſenpuppen hatten. Stört man die Jungen nicht, ſo bleiben ſie im Neſte, bis ſie völlig fliegen können, klettern aber innen an den Wänden der Höhle auf und nieder und gucken oft mit dem Kopfe zum Neſt- loche heraus.“ Bei geeigneter Pflege gelingt es, jung aus dem Neſte genommene Schwarzſpechte längere Zeit am Leben zu erhalten und in einem gewiſſen Grade zu zähmen. Jch erhielt im vorigen Som- mer drei dieſer immer ſeltener werdenden Vögel, welche ſchon faſt ausgefiedert waren. Der eine von ihnen ſtarb bald nach ſeiner Ankunft, noch ehe er gelernt hatte, ſelbſtändig zu freſſen; die beiden andern wurden anfänglich geſtopft, gingen aber dann bald ſelbſt an das Futter. Um ſie zu gewöhnen, wurden ihnen Ameiſenpuppen auf ein dünnes Drahtnetz gelegt, welches die Decke ihres einſtweiligen Käfigs bildete. Sie lernten bald, dieſe Puppen anzuſpießen, und man konnte dabei die wunderbare Beweglichkeit ihrer Zunge genau beobachten. Wenn ſie eine Stelle von Nahrung geſäubert hatten, taſteten ſie mit dieſem überaus biegſamen Werkzeuge nach allen Seiten hin auf dem Drahtnetze umher und bewegten dabei die Zunge ſo raſch und in ſo manchfachen Windungen, daß man unwillkürlich an die Krümmungen und Windungen eines kräftigen, beweglichen Wurms erinnert wurde. Hatten ſie eine Ameiſenpuppe entdeckt, ſo krümmten ſie die Zunge, richteten die Spitze gegen die Puppe, ſtreckten die Zunge aus und hatten damit regelmäßig die Beute feſt angeſpießt.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/77>, abgerufen am 25.11.2024.