große, schwerleibige Vögel mit länglichem Halse, kleinem Kopfe, ziemlich langen und starken Schwingen, kräftigem Schwanze und mäßig hohen, dicken und langzehigen Füßen; der Schnabel ist kürzer als der Kopf, dem der Hühner nicht unähnlich, neben der Firste etwas zusammengedrückt, an der Spitze hakig übergebogen, an der Wurzel mit Wachshaut bekleidet, der Fuß wenig über der Ferse nackt, die äußere und mittlere Vorderzehe durch eine Spannhaut verbunden, die hintere so lang, daß sie den Boden berührt, jede mit einem mittellangen, wenig gebogenen und spitzen Nagel bewehrt, im Fittig die dritte Schwinge die längste, der zwölffederige Schwanz sanft abgerundet, das Gefieder stark, voll, am Halse kleinfederig. Bemerkenswerth sind zwei sehr kräftige Sporen am Flügelgelenk; eine Art trägt auch einen hornartigen Auswuchs auf dem Kopfe. Jn der Färbung zeigt sich bei den verschiedenen Geschlechtern kein Unterschied.
Der Knochenbau ist plump und massig, die Zunge lang, schmal und spitzig, der Kropf weit, der Magen sehr muskelkräftig, der Darmschlauch lang und starkhäutig. Auffallend entwickelt ist das Luftfüllungsvermögen: wie bei einzelnen Schwimmvögeln liegt unter der Haut ein dichtes Netz von Luftzellen und Luftblasen, welches beliebig angefüllt und entleert werden kann.
Marcgrave, Piso, Sonnini, Azara, der Prinz von Wied und Burmeister haben uns über die Lebensweise der Wehrvögel unterrichtet. Sie finden sich in allen größeren Sümpfen Südamerikas, leben gewöhnlich in kleinen Trupps, während der Brutzeit aber paarweise, sind im ganzen friedlich und gebrauchen ihre kräftigen Waffen selten, die Männchen einander gegenüber während der Begattungszeit und beide Geschlechter, um schwächere Feinde abzuwehren. Daß sie sich in Kämpfe mit den mächtigen Schlangen einlassen, welche die von ihnen besuchten Sümpfe bewohnen und selbst größere Thiere ungescheut anfallen, wie Pöppig unter Anderen noch angibt, scheint mir sehr unwahrscheinlich zu sein, obgleich man ihnen einen gewissen Kampfesmuth nicht absprechen kann. Jhre Bewegungen sind anziehend. Jm Gehen tragen sie sich stolz und würdevoll, im Fliegen erinnern sie an große Raubvögel, insbesondere an Geier; aufgescheucht, bäumen sie; zum Schwimmen scheinen sie unfähig zu sein. Jhre Stimme schallt auf weithin vom Walde wieder. Die Nahrung besteht vorzugsweise aus Pflanzenstoffen; doch werden sie, wie andere Sumpfvögel auch, schwerlich Kerbthiere, kleine Lurche und Fischchen verschmähen, da die Gefangenen ihnen vorgeworfene Fleischbrocken nicht liegen lassen. Jnmitten ihrer Sümpfe errichten sie sich ein großes Nest, belegen dasselbe mit zwei ungefleckten Eiern und führen die Jungen sofort nach dem Entschlüpfen mit sich weg. Jung aufgezogen, gewöhnen sie sich leicht an die Gefangenschaft, erwerben sich Achtung und Gehorsam unter dem übrigen Hausgeflügel und sollen sogar hier und da als Hirten verwendet werden können. Man hält sie in Südamerika gern auf dem Gehöft, sendet sie aber selten lebend nach Europa herüber: soviel mir bekannt, hat nur der Thiergarten von London einen Wehrvogel längere Zeit besessen. Das Horn, der linke Flügelsporen und nach ihm der rechte stehen bei den Jndianern im Rufe der ausgezeichnetsten Heilkräfte, und diese Theile sind deshalb in manchen Gegenden des Jnneren Brasiliens zu einem wirklichen Handelsgegenstande geworden.
Jm Waldgebiete des mittleren Brasiliens und vonhieraus nordwärts über Guyana und Columbien sich verbreitend, lebt der Aniuma oder Anhima der Brasilianer (Palamedea cornuta), welcher wegen des Hornes auf dem Scheitel, der dicht befiederten Zügel und des kurzen Kopf- und Halsgefieders als Vertreter einer besonderen Sippe gilt. Das nur in der Haut befestigte Horn erhebt sich auf der Stirne, sieben Linien weit von der Schnabelwurzel entfernt, und ist ein dünnes, langes, aufrecht stehendes, aber sanftbogig vorwärts gekrümmtes, fünf bis sechs Zoll langes Gebilde, welches an der Wurzel anderthalb Linien im Durchmesser hält und ziemlich richtig mit einer Darmsaite verglichen wurde. Der obere Sporen am Flügelbuge ist dreieckig, sehr spitzig, etwa zwei Zoll lang
Die Läufer. Stelzvögel. Wehrvögel.
große, ſchwerleibige Vögel mit länglichem Halſe, kleinem Kopfe, ziemlich langen und ſtarken Schwingen, kräftigem Schwanze und mäßig hohen, dicken und langzehigen Füßen; der Schnabel iſt kürzer als der Kopf, dem der Hühner nicht unähnlich, neben der Firſte etwas zuſammengedrückt, an der Spitze hakig übergebogen, an der Wurzel mit Wachshaut bekleidet, der Fuß wenig über der Ferſe nackt, die äußere und mittlere Vorderzehe durch eine Spannhaut verbunden, die hintere ſo lang, daß ſie den Boden berührt, jede mit einem mittellangen, wenig gebogenen und ſpitzen Nagel bewehrt, im Fittig die dritte Schwinge die längſte, der zwölffederige Schwanz ſanft abgerundet, das Gefieder ſtark, voll, am Halſe kleinfederig. Bemerkenswerth ſind zwei ſehr kräftige Sporen am Flügelgelenk; eine Art trägt auch einen hornartigen Auswuchs auf dem Kopfe. Jn der Färbung zeigt ſich bei den verſchiedenen Geſchlechtern kein Unterſchied.
Der Knochenbau iſt plump und maſſig, die Zunge lang, ſchmal und ſpitzig, der Kropf weit, der Magen ſehr muskelkräftig, der Darmſchlauch lang und ſtarkhäutig. Auffallend entwickelt iſt das Luftfüllungsvermögen: wie bei einzelnen Schwimmvögeln liegt unter der Haut ein dichtes Netz von Luftzellen und Luftblaſen, welches beliebig angefüllt und entleert werden kann.
Marcgrave, Piſo, Sonnini, Azara, der Prinz von Wied und Burmeiſter haben uns über die Lebensweiſe der Wehrvögel unterrichtet. Sie finden ſich in allen größeren Sümpfen Südamerikas, leben gewöhnlich in kleinen Trupps, während der Brutzeit aber paarweiſe, ſind im ganzen friedlich und gebrauchen ihre kräftigen Waffen ſelten, die Männchen einander gegenüber während der Begattungszeit und beide Geſchlechter, um ſchwächere Feinde abzuwehren. Daß ſie ſich in Kämpfe mit den mächtigen Schlangen einlaſſen, welche die von ihnen beſuchten Sümpfe bewohnen und ſelbſt größere Thiere ungeſcheut anfallen, wie Pöppig unter Anderen noch angibt, ſcheint mir ſehr unwahrſcheinlich zu ſein, obgleich man ihnen einen gewiſſen Kampfesmuth nicht abſprechen kann. Jhre Bewegungen ſind anziehend. Jm Gehen tragen ſie ſich ſtolz und würdevoll, im Fliegen erinnern ſie an große Raubvögel, insbeſondere an Geier; aufgeſcheucht, bäumen ſie; zum Schwimmen ſcheinen ſie unfähig zu ſein. Jhre Stimme ſchallt auf weithin vom Walde wieder. Die Nahrung beſteht vorzugsweiſe aus Pflanzenſtoffen; doch werden ſie, wie andere Sumpfvögel auch, ſchwerlich Kerbthiere, kleine Lurche und Fiſchchen verſchmähen, da die Gefangenen ihnen vorgeworfene Fleiſchbrocken nicht liegen laſſen. Jnmitten ihrer Sümpfe errichten ſie ſich ein großes Neſt, belegen daſſelbe mit zwei ungefleckten Eiern und führen die Jungen ſofort nach dem Entſchlüpfen mit ſich weg. Jung aufgezogen, gewöhnen ſie ſich leicht an die Gefangenſchaft, erwerben ſich Achtung und Gehorſam unter dem übrigen Hausgeflügel und ſollen ſogar hier und da als Hirten verwendet werden können. Man hält ſie in Südamerika gern auf dem Gehöft, ſendet ſie aber ſelten lebend nach Europa herüber: ſoviel mir bekannt, hat nur der Thiergarten von London einen Wehrvogel längere Zeit beſeſſen. Das Horn, der linke Flügelſporen und nach ihm der rechte ſtehen bei den Jndianern im Rufe der ausgezeichnetſten Heilkräfte, und dieſe Theile ſind deshalb in manchen Gegenden des Jnneren Braſiliens zu einem wirklichen Handelsgegenſtande geworden.
Jm Waldgebiete des mittleren Braſiliens und vonhieraus nordwärts über Guyana und Columbien ſich verbreitend, lebt der Aniuma oder Anhima der Braſilianer (Palamedea cornuta), welcher wegen des Hornes auf dem Scheitel, der dicht befiederten Zügel und des kurzen Kopf- und Halsgefieders als Vertreter einer beſonderen Sippe gilt. Das nur in der Haut befeſtigte Horn erhebt ſich auf der Stirne, ſieben Linien weit von der Schnabelwurzel entfernt, und iſt ein dünnes, langes, aufrecht ſtehendes, aber ſanftbogig vorwärts gekrümmtes, fünf bis ſechs Zoll langes Gebilde, welches an der Wurzel anderthalb Linien im Durchmeſſer hält und ziemlich richtig mit einer Darmſaite verglichen wurde. Der obere Sporen am Flügelbuge iſt dreieckig, ſehr ſpitzig, etwa zwei Zoll lang
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[738/0784]
Die Läufer. Stelzvögel. Wehrvögel.
große, ſchwerleibige Vögel mit länglichem Halſe, kleinem Kopfe, ziemlich langen und ſtarken
Schwingen, kräftigem Schwanze und mäßig hohen, dicken und langzehigen Füßen; der Schnabel iſt
kürzer als der Kopf, dem der Hühner nicht unähnlich, neben der Firſte etwas zuſammengedrückt, an
der Spitze hakig übergebogen, an der Wurzel mit Wachshaut bekleidet, der Fuß wenig über der Ferſe
nackt, die äußere und mittlere Vorderzehe durch eine Spannhaut verbunden, die hintere ſo lang, daß
ſie den Boden berührt, jede mit einem mittellangen, wenig gebogenen und ſpitzen Nagel bewehrt,
im Fittig die dritte Schwinge die längſte, der zwölffederige Schwanz ſanft abgerundet, das Gefieder
ſtark, voll, am Halſe kleinfederig. Bemerkenswerth ſind zwei ſehr kräftige Sporen am Flügelgelenk;
eine Art trägt auch einen hornartigen Auswuchs auf dem Kopfe. Jn der Färbung zeigt ſich bei den
verſchiedenen Geſchlechtern kein Unterſchied.
Der Knochenbau iſt plump und maſſig, die Zunge lang, ſchmal und ſpitzig, der Kropf weit, der
Magen ſehr muskelkräftig, der Darmſchlauch lang und ſtarkhäutig. Auffallend entwickelt iſt das
Luftfüllungsvermögen: wie bei einzelnen Schwimmvögeln liegt unter der Haut ein dichtes Netz von
Luftzellen und Luftblaſen, welches beliebig angefüllt und entleert werden kann.
Marcgrave, Piſo, Sonnini, Azara, der Prinz von Wied und Burmeiſter haben
uns über die Lebensweiſe der Wehrvögel unterrichtet. Sie finden ſich in allen größeren Sümpfen
Südamerikas, leben gewöhnlich in kleinen Trupps, während der Brutzeit aber paarweiſe, ſind im
ganzen friedlich und gebrauchen ihre kräftigen Waffen ſelten, die Männchen einander gegenüber
während der Begattungszeit und beide Geſchlechter, um ſchwächere Feinde abzuwehren. Daß ſie ſich
in Kämpfe mit den mächtigen Schlangen einlaſſen, welche die von ihnen beſuchten Sümpfe bewohnen
und ſelbſt größere Thiere ungeſcheut anfallen, wie Pöppig unter Anderen noch angibt, ſcheint mir
ſehr unwahrſcheinlich zu ſein, obgleich man ihnen einen gewiſſen Kampfesmuth nicht abſprechen kann.
Jhre Bewegungen ſind anziehend. Jm Gehen tragen ſie ſich ſtolz und würdevoll, im Fliegen
erinnern ſie an große Raubvögel, insbeſondere an Geier; aufgeſcheucht, bäumen ſie; zum
Schwimmen ſcheinen ſie unfähig zu ſein. Jhre Stimme ſchallt auf weithin vom Walde wieder. Die
Nahrung beſteht vorzugsweiſe aus Pflanzenſtoffen; doch werden ſie, wie andere Sumpfvögel auch,
ſchwerlich Kerbthiere, kleine Lurche und Fiſchchen verſchmähen, da die Gefangenen ihnen vorgeworfene
Fleiſchbrocken nicht liegen laſſen. Jnmitten ihrer Sümpfe errichten ſie ſich ein großes Neſt, belegen
daſſelbe mit zwei ungefleckten Eiern und führen die Jungen ſofort nach dem Entſchlüpfen mit ſich
weg. Jung aufgezogen, gewöhnen ſie ſich leicht an die Gefangenſchaft, erwerben ſich Achtung und
Gehorſam unter dem übrigen Hausgeflügel und ſollen ſogar hier und da als Hirten verwendet werden
können. Man hält ſie in Südamerika gern auf dem Gehöft, ſendet ſie aber ſelten lebend nach Europa
herüber: ſoviel mir bekannt, hat nur der Thiergarten von London einen Wehrvogel längere Zeit
beſeſſen. Das Horn, der linke Flügelſporen und nach ihm der rechte ſtehen bei den Jndianern im
Rufe der ausgezeichnetſten Heilkräfte, und dieſe Theile ſind deshalb in manchen Gegenden des Jnneren
Braſiliens zu einem wirklichen Handelsgegenſtande geworden.
Jm Waldgebiete des mittleren Braſiliens und vonhieraus nordwärts über Guyana und
Columbien ſich verbreitend, lebt der Aniuma oder Anhima der Braſilianer (Palamedea cornuta),
welcher wegen des Hornes auf dem Scheitel, der dicht befiederten Zügel und des kurzen Kopf- und
Halsgefieders als Vertreter einer beſonderen Sippe gilt. Das nur in der Haut befeſtigte Horn erhebt
ſich auf der Stirne, ſieben Linien weit von der Schnabelwurzel entfernt, und iſt ein dünnes, langes,
aufrecht ſtehendes, aber ſanftbogig vorwärts gekrümmtes, fünf bis ſechs Zoll langes Gebilde, welches
an der Wurzel anderthalb Linien im Durchmeſſer hält und ziemlich richtig mit einer Darmſaite
verglichen wurde. Der obere Sporen am Flügelbuge iſt dreieckig, ſehr ſpitzig, etwa zwei Zoll lang
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 738. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/784>, abgerufen am 22.11.2024.
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