hört man einen scharfen, wilden Schrei und dann ein dumpfes, trommelndes Geräusch, welches bei geschlossenem Schnabel hervorgebracht wird, eine Minute fortdauert, mehr und mehr sich abschwächt und deshalb aus immer größerer Entfernung herzutönen scheint, aber nicht unangenehm klingt; hierauf folgt eine Pause von wenigen Minuten, und dann von neuem das Schreien und Bauchreden. Die Jndianer glauben, daß letzteres im Unterleibe entstehe, eine Meinung, welche sich dem Beobachter des lebenden Vogels, welcher sieht, wie beim Bauchreden der Brustkasten sich bewegt, oder dem Zer- gliederer, welcher das eigentliche Stimmwerkzeug untersucht, sofort als irrig erweist. "Die an ihrer oberen Hälfte einem Schwanenkiele gleiche Luftröhre", sagt Pöppig, "verengert sich, sobald sie in den Brustkasten eintritt und steht nach beiden Seiten mit zwei häutigen, halbkugeligen Säcken in Verbindung, von welchen der rechte, größere in drei oder vier Kammern zertheilt erscheint. Mittels der Muskelthätigkeit des Brustkastens wird die Luft durch enge Oeffnungen in jene zusammengesetzten Säcke gezwängt und bringt bei dem Durchgange, vielleicht auch beim Heraustreten das erwähnte sonderbare Geräusch hervor."
Früchte verschiedener Art, Körner und Kerbthiere bilden die Nahrung. Die Jungen ziehen kleine Würmer und Kerfe anderen Stoffen vor; die Alten gewöhnen sich leicht an Getreide aller Art und Brot.
Die Fortpflanzungsgeschichte der Trompetervögel spricht für ihre Verwandtschaft mit den Rohr- hühnern und ähnlichen Vögeln. Der Agami nistet an der Erde, scharrt hier, wie die Hühner, am Fuße eines Baumes eine seichte Vertiefung und legt zehn und mehr hellgrüne Eier. Die Jungen sind vollendete Nestflüchter und verlassen also sofort nach dem Trockenwerden mit den Eltern die Brut- stätte, tragen aber den sehr dichten, langen und weichen Nestflaumen mehrere Wochen.
Der leichten Zähmbarkeit halber wird der Agami sehr oft in Gefangenschaft gehalten. Man findet ihn, laut Schomburgk, in allen Jndianerniederlassungen und hier in einem Zustande voll- kommener Freiheit, gewöhnlich als Wächter und Beherrscher des übrigen Geflügels. Er lernt die Leute, welche sich mit ihm abgeben, kennen und lieben, gehorcht der Stimme des Herrn, folgt ihm wie ein Hund, geht vor ihm her oder umtanzt ihn in possirlichen Sprüngen, zeigt große Freude, wenn der Gebieter nach längerer Abwesenheit wieder zurückkommt, und ist eifersüchtig auf andere Thiere, welche die Liebe des Herrn mit ihm theilen. Für Liebkosungen zeigt er sich sehr empfänglich, duldet es z. B., daß man ihm in Kopf und Hals kraut, fordert sogar zu der anderen Vögeln höchst unan- genehmen Berührung förmlich auf. Bekannten des Hauses erweist er Ehrerbietung, Fremde betrachtet er mit Abneigung und gewisse Personen mit Haß. Seine Herrschsucht zeigt er übrigens nicht blos dem Hausgeflügel, sondern auch Hunden und Katzen gegenüber, welchen er kühn zu Leibe geht, wahr- scheinlich weil er für seine Untergebenen fürchtet. Ein Gefangener des Akklimatisationsgartens in Paris führt einen Haufen Hühner, als ob er deren Herr wäre, ruft sie herbei und gluckst. Von anderen hat man Aehnliches beobachtet. Einzelne sollen, wie Kraniche, selbst Schafherden auf der Weide bewachen. Jn den Straßen der Ortschaften von Guyana sieht man oft welche frei umher- laufen; denn sie finden sich auch, wenn sie sich weit vom Hause entfernen, regelmäßig wieder ein. Nach Schomburgk pflanzen sich die Gefangenen zuweilen fort.
Neuere Naturforscher sind der Ansicht, daß die Wehrvögel (Palamedeae), welche gewöhnlich den Rallen zugerechnet werden, diesen gar nicht angehören, sondern eher mit den Schaku- und Groß- fußhühnern vereinigt werden müssen; andere und unter ihnen die tüchtigsten Beobachter, welche jene aus eigener Anschauung kennen lernten, sehen sie als entschiedene Verwandte der Rallen und Sumpfhühner an, obwohl sie zugestehen, daß auch die Lebensweise ihr Eigenthümliches hat. Jeden- falls ist man berechtigt, die sonderbaren Geschöpfe in einer eigenen Familie zu vereinigen. Sie sind
Brehm, Thierleben. IV. 47
Agami.
hört man einen ſcharfen, wilden Schrei und dann ein dumpfes, trommelndes Geräuſch, welches bei geſchloſſenem Schnabel hervorgebracht wird, eine Minute fortdauert, mehr und mehr ſich abſchwächt und deshalb aus immer größerer Entfernung herzutönen ſcheint, aber nicht unangenehm klingt; hierauf folgt eine Pauſe von wenigen Minuten, und dann von neuem das Schreien und Bauchreden. Die Jndianer glauben, daß letzteres im Unterleibe entſtehe, eine Meinung, welche ſich dem Beobachter des lebenden Vogels, welcher ſieht, wie beim Bauchreden der Bruſtkaſten ſich bewegt, oder dem Zer- gliederer, welcher das eigentliche Stimmwerkzeug unterſucht, ſofort als irrig erweiſt. „Die an ihrer oberen Hälfte einem Schwanenkiele gleiche Luftröhre“, ſagt Pöppig, „verengert ſich, ſobald ſie in den Bruſtkaſten eintritt und ſteht nach beiden Seiten mit zwei häutigen, halbkugeligen Säcken in Verbindung, von welchen der rechte, größere in drei oder vier Kammern zertheilt erſcheint. Mittels der Muskelthätigkeit des Bruſtkaſtens wird die Luft durch enge Oeffnungen in jene zuſammengeſetzten Säcke gezwängt und bringt bei dem Durchgange, vielleicht auch beim Heraustreten das erwähnte ſonderbare Geräuſch hervor.“
Früchte verſchiedener Art, Körner und Kerbthiere bilden die Nahrung. Die Jungen ziehen kleine Würmer und Kerfe anderen Stoffen vor; die Alten gewöhnen ſich leicht an Getreide aller Art und Brot.
Die Fortpflanzungsgeſchichte der Trompetervögel ſpricht für ihre Verwandtſchaft mit den Rohr- hühnern und ähnlichen Vögeln. Der Agami niſtet an der Erde, ſcharrt hier, wie die Hühner, am Fuße eines Baumes eine ſeichte Vertiefung und legt zehn und mehr hellgrüne Eier. Die Jungen ſind vollendete Neſtflüchter und verlaſſen alſo ſofort nach dem Trockenwerden mit den Eltern die Brut- ſtätte, tragen aber den ſehr dichten, langen und weichen Neſtflaumen mehrere Wochen.
Der leichten Zähmbarkeit halber wird der Agami ſehr oft in Gefangenſchaft gehalten. Man findet ihn, laut Schomburgk, in allen Jndianerniederlaſſungen und hier in einem Zuſtande voll- kommener Freiheit, gewöhnlich als Wächter und Beherrſcher des übrigen Geflügels. Er lernt die Leute, welche ſich mit ihm abgeben, kennen und lieben, gehorcht der Stimme des Herrn, folgt ihm wie ein Hund, geht vor ihm her oder umtanzt ihn in poſſirlichen Sprüngen, zeigt große Freude, wenn der Gebieter nach längerer Abweſenheit wieder zurückkommt, und iſt eiferſüchtig auf andere Thiere, welche die Liebe des Herrn mit ihm theilen. Für Liebkoſungen zeigt er ſich ſehr empfänglich, duldet es z. B., daß man ihm in Kopf und Hals kraut, fordert ſogar zu der anderen Vögeln höchſt unan- genehmen Berührung förmlich auf. Bekannten des Hauſes erweiſt er Ehrerbietung, Fremde betrachtet er mit Abneigung und gewiſſe Perſonen mit Haß. Seine Herrſchſucht zeigt er übrigens nicht blos dem Hausgeflügel, ſondern auch Hunden und Katzen gegenüber, welchen er kühn zu Leibe geht, wahr- ſcheinlich weil er für ſeine Untergebenen fürchtet. Ein Gefangener des Akklimatiſationsgartens in Paris führt einen Haufen Hühner, als ob er deren Herr wäre, ruft ſie herbei und gluckſt. Von anderen hat man Aehnliches beobachtet. Einzelne ſollen, wie Kraniche, ſelbſt Schafherden auf der Weide bewachen. Jn den Straßen der Ortſchaften von Guyana ſieht man oft welche frei umher- laufen; denn ſie finden ſich auch, wenn ſie ſich weit vom Hauſe entfernen, regelmäßig wieder ein. Nach Schomburgk pflanzen ſich die Gefangenen zuweilen fort.
Neuere Naturforſcher ſind der Anſicht, daß die Wehrvögel (Palamedeae), welche gewöhnlich den Rallen zugerechnet werden, dieſen gar nicht angehören, ſondern eher mit den Schaku- und Groß- fußhühnern vereinigt werden müſſen; andere und unter ihnen die tüchtigſten Beobachter, welche jene aus eigener Anſchauung kennen lernten, ſehen ſie als entſchiedene Verwandte der Rallen und Sumpfhühner an, obwohl ſie zugeſtehen, daß auch die Lebensweiſe ihr Eigenthümliches hat. Jeden- falls iſt man berechtigt, die ſonderbaren Geſchöpfe in einer eigenen Familie zu vereinigen. Sie ſind
Brehm, Thierleben. IV. 47
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[737/0783]
Agami.
hört man einen ſcharfen, wilden Schrei und dann ein dumpfes, trommelndes Geräuſch, welches bei
geſchloſſenem Schnabel hervorgebracht wird, eine Minute fortdauert, mehr und mehr ſich abſchwächt
und deshalb aus immer größerer Entfernung herzutönen ſcheint, aber nicht unangenehm klingt;
hierauf folgt eine Pauſe von wenigen Minuten, und dann von neuem das Schreien und Bauchreden.
Die Jndianer glauben, daß letzteres im Unterleibe entſtehe, eine Meinung, welche ſich dem Beobachter
des lebenden Vogels, welcher ſieht, wie beim Bauchreden der Bruſtkaſten ſich bewegt, oder dem Zer-
gliederer, welcher das eigentliche Stimmwerkzeug unterſucht, ſofort als irrig erweiſt. „Die an ihrer
oberen Hälfte einem Schwanenkiele gleiche Luftröhre“, ſagt Pöppig, „verengert ſich, ſobald ſie in
den Bruſtkaſten eintritt und ſteht nach beiden Seiten mit zwei häutigen, halbkugeligen Säcken in
Verbindung, von welchen der rechte, größere in drei oder vier Kammern zertheilt erſcheint. Mittels
der Muskelthätigkeit des Bruſtkaſtens wird die Luft durch enge Oeffnungen in jene zuſammengeſetzten
Säcke gezwängt und bringt bei dem Durchgange, vielleicht auch beim Heraustreten das erwähnte
ſonderbare Geräuſch hervor.“
Früchte verſchiedener Art, Körner und Kerbthiere bilden die Nahrung. Die Jungen ziehen
kleine Würmer und Kerfe anderen Stoffen vor; die Alten gewöhnen ſich leicht an Getreide aller
Art und Brot.
Die Fortpflanzungsgeſchichte der Trompetervögel ſpricht für ihre Verwandtſchaft mit den Rohr-
hühnern und ähnlichen Vögeln. Der Agami niſtet an der Erde, ſcharrt hier, wie die Hühner, am Fuße
eines Baumes eine ſeichte Vertiefung und legt zehn und mehr hellgrüne Eier. Die Jungen ſind
vollendete Neſtflüchter und verlaſſen alſo ſofort nach dem Trockenwerden mit den Eltern die Brut-
ſtätte, tragen aber den ſehr dichten, langen und weichen Neſtflaumen mehrere Wochen.
Der leichten Zähmbarkeit halber wird der Agami ſehr oft in Gefangenſchaft gehalten. Man
findet ihn, laut Schomburgk, in allen Jndianerniederlaſſungen und hier in einem Zuſtande voll-
kommener Freiheit, gewöhnlich als Wächter und Beherrſcher des übrigen Geflügels. Er lernt die
Leute, welche ſich mit ihm abgeben, kennen und lieben, gehorcht der Stimme des Herrn, folgt ihm
wie ein Hund, geht vor ihm her oder umtanzt ihn in poſſirlichen Sprüngen, zeigt große Freude, wenn
der Gebieter nach längerer Abweſenheit wieder zurückkommt, und iſt eiferſüchtig auf andere Thiere,
welche die Liebe des Herrn mit ihm theilen. Für Liebkoſungen zeigt er ſich ſehr empfänglich, duldet
es z. B., daß man ihm in Kopf und Hals kraut, fordert ſogar zu der anderen Vögeln höchſt unan-
genehmen Berührung förmlich auf. Bekannten des Hauſes erweiſt er Ehrerbietung, Fremde betrachtet
er mit Abneigung und gewiſſe Perſonen mit Haß. Seine Herrſchſucht zeigt er übrigens nicht blos
dem Hausgeflügel, ſondern auch Hunden und Katzen gegenüber, welchen er kühn zu Leibe geht, wahr-
ſcheinlich weil er für ſeine Untergebenen fürchtet. Ein Gefangener des Akklimatiſationsgartens in
Paris führt einen Haufen Hühner, als ob er deren Herr wäre, ruft ſie herbei und gluckſt. Von
anderen hat man Aehnliches beobachtet. Einzelne ſollen, wie Kraniche, ſelbſt Schafherden auf der
Weide bewachen. Jn den Straßen der Ortſchaften von Guyana ſieht man oft welche frei umher-
laufen; denn ſie finden ſich auch, wenn ſie ſich weit vom Hauſe entfernen, regelmäßig wieder ein.
Nach Schomburgk pflanzen ſich die Gefangenen zuweilen fort.
Neuere Naturforſcher ſind der Anſicht, daß die Wehrvögel (Palamedeae), welche gewöhnlich
den Rallen zugerechnet werden, dieſen gar nicht angehören, ſondern eher mit den Schaku- und Groß-
fußhühnern vereinigt werden müſſen; andere und unter ihnen die tüchtigſten Beobachter, welche jene
aus eigener Anſchauung kennen lernten, ſehen ſie als entſchiedene Verwandte der Rallen und
Sumpfhühner an, obwohl ſie zugeſtehen, daß auch die Lebensweiſe ihr Eigenthümliches hat. Jeden-
falls iſt man berechtigt, die ſonderbaren Geſchöpfe in einer eigenen Familie zu vereinigen. Sie ſind
Brehm, Thierleben. IV. 47
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 737. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/783>, abgerufen am 22.11.2024.
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