Ueber die Lebensweise sind mir keine ausführlichen Beobachtungen bekannt, und ich selbst habe wenige sammeln können, obgleich mich der Vogel stets sehr angezogen hat. Die Goldschnepfe lebt in Sümpfen, Brüchen, wasserreichen Feldern, aber auch zwischen Gebüsch und sogar im Röhrichte, je nach des Ortes Beschaffenheit. Jm Frühjahre hält sie sich paarweise, später in kleinen Flügen von vier bis sechs Stücken. Jhr Wesen erinnert in gewisser Hinsicht noch an die Schnepfen, hat aber doch größere Aehnlichkeit mit dem der Rallen. Solange als möglich sich verbergend, treibt sich der Vogel zwischen den ihn deckenden Pflanzen umher, zeigt sich nur selten auf freieren Stellen und sucht, wenn er wirklich eine solche überschreiten mußte, baldmöglichst wieder das schützende Dickicht zu gewinnen. Sein Lauf geschieht sehr rasch, gleichviel, ob der Boden, auf welchem er sich bewegt, hart oder schlammig ist. Um so schlechter ist der Flug. Alle Goldrallen, welche ich beobachten konnte, erhoben sich, nach
[Abbildung]
Die Goldralle (Rhynchaea eapensis), 1/6 der nat. Größe.
Schnepfenart, erst hart vor meinen Füßen, flatterten mehr als sie flogen, unsicher und schwankend, niedrig dahin und fielen nach wenigen Augenblicken wieder herab. Mit der gewandten Flug- bewegung der Schnepfen hat dieses erbärmliche Flattern keine Aehnlichkeit; selbst die Wasserralle und der Wachtelkönig scheinen mir noch fluggewandter zu sein als sie. Der Lockton, welchen ich im Frühjahre vernahm, ist ein lauter, zweisilbiger Ruf, welchen ich in meinem Tagebuche durch die Silben "Näki, näki" wieder gegeben habe.
Ueber das Fortpflanzungsgeschäft konnte ich nichts Bestimmtes erfahren, habe jedoch zwei Eier aus dem Legschlauche getödteter Weibchen herausgeschnitten, das erste am 8., das zweite am 12. Mai. Beide ähnelten in Gestalt und Färbung denen unserer Sumpfschnepfe.
Goldralle.
Ueber die Lebensweiſe ſind mir keine ausführlichen Beobachtungen bekannt, und ich ſelbſt habe wenige ſammeln können, obgleich mich der Vogel ſtets ſehr angezogen hat. Die Goldſchnepfe lebt in Sümpfen, Brüchen, waſſerreichen Feldern, aber auch zwiſchen Gebüſch und ſogar im Röhrichte, je nach des Ortes Beſchaffenheit. Jm Frühjahre hält ſie ſich paarweiſe, ſpäter in kleinen Flügen von vier bis ſechs Stücken. Jhr Weſen erinnert in gewiſſer Hinſicht noch an die Schnepfen, hat aber doch größere Aehnlichkeit mit dem der Rallen. Solange als möglich ſich verbergend, treibt ſich der Vogel zwiſchen den ihn deckenden Pflanzen umher, zeigt ſich nur ſelten auf freieren Stellen und ſucht, wenn er wirklich eine ſolche überſchreiten mußte, baldmöglichſt wieder das ſchützende Dickicht zu gewinnen. Sein Lauf geſchieht ſehr raſch, gleichviel, ob der Boden, auf welchem er ſich bewegt, hart oder ſchlammig iſt. Um ſo ſchlechter iſt der Flug. Alle Goldrallen, welche ich beobachten konnte, erhoben ſich, nach
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Die Goldralle (Rhynchaea eapensis), ⅙ der nat. Größe.
Schnepfenart, erſt hart vor meinen Füßen, flatterten mehr als ſie flogen, unſicher und ſchwankend, niedrig dahin und fielen nach wenigen Augenblicken wieder herab. Mit der gewandten Flug- bewegung der Schnepfen hat dieſes erbärmliche Flattern keine Aehnlichkeit; ſelbſt die Waſſerralle und der Wachtelkönig ſcheinen mir noch fluggewandter zu ſein als ſie. Der Lockton, welchen ich im Frühjahre vernahm, iſt ein lauter, zweiſilbiger Ruf, welchen ich in meinem Tagebuche durch die Silben „Näki, näki“ wieder gegeben habe.
Ueber das Fortpflanzungsgeſchäft konnte ich nichts Beſtimmtes erfahren, habe jedoch zwei Eier aus dem Legſchlauche getödteter Weibchen herausgeſchnitten, das erſte am 8., das zweite am 12. Mai. Beide ähnelten in Geſtalt und Färbung denen unſerer Sumpfſchnepfe.
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Goldralle.
Ueber die Lebensweiſe ſind mir keine ausführlichen Beobachtungen bekannt, und ich ſelbſt habe
wenige ſammeln können, obgleich mich der Vogel ſtets ſehr angezogen hat. Die Goldſchnepfe lebt in
Sümpfen, Brüchen, waſſerreichen Feldern, aber auch zwiſchen Gebüſch und ſogar im Röhrichte, je
nach des Ortes Beſchaffenheit. Jm Frühjahre hält ſie ſich paarweiſe, ſpäter in kleinen Flügen von
vier bis ſechs Stücken. Jhr Weſen erinnert in gewiſſer Hinſicht noch an die Schnepfen, hat aber
doch größere Aehnlichkeit mit dem der Rallen. Solange als möglich ſich verbergend, treibt ſich der Vogel
zwiſchen den ihn deckenden Pflanzen umher, zeigt ſich nur ſelten auf freieren Stellen und ſucht, wenn
er wirklich eine ſolche überſchreiten mußte, baldmöglichſt wieder das ſchützende Dickicht zu gewinnen.
Sein Lauf geſchieht ſehr raſch, gleichviel, ob der Boden, auf welchem er ſich bewegt, hart oder ſchlammig
iſt. Um ſo ſchlechter iſt der Flug. Alle Goldrallen, welche ich beobachten konnte, erhoben ſich, nach
[Abbildung Die Goldralle (Rhynchaea eapensis), ⅙ der nat. Größe.]
Schnepfenart, erſt hart vor meinen Füßen, flatterten mehr als ſie flogen, unſicher und ſchwankend,
niedrig dahin und fielen nach wenigen Augenblicken wieder herab. Mit der gewandten Flug-
bewegung der Schnepfen hat dieſes erbärmliche Flattern keine Aehnlichkeit; ſelbſt die Waſſerralle und
der Wachtelkönig ſcheinen mir noch fluggewandter zu ſein als ſie. Der Lockton, welchen ich im
Frühjahre vernahm, iſt ein lauter, zweiſilbiger Ruf, welchen ich in meinem Tagebuche durch die Silben
„Näki, näki“ wieder gegeben habe.
Ueber das Fortpflanzungsgeſchäft konnte ich nichts Beſtimmtes erfahren, habe jedoch zwei Eier
aus dem Legſchlauche getödteter Weibchen herausgeſchnitten, das erſte am 8., das zweite am 12. Mai.
Beide ähnelten in Geſtalt und Färbung denen unſerer Sumpfſchnepfe.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 743. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/789>, abgerufen am 22.11.2024.
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